E-Book, Deutsch, Band 2, 368 Seiten
Reihe: Amrum
Oswald Verliebt im Café Inselglück
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95967-933-6
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 368 Seiten
Reihe: Amrum
ISBN: 978-3-95967-933-6
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Seit Langem träumt Hannah davon, ihre kleine Pension auf Amrum in ein Café umzubauen. Sie weiß auch schon genau, wie es aussehen soll. Das Café Inselglück soll der perfekte, unverwechselbare Wohlfühlort sein. Und dazu gehören natürlich auch süße Köstlichkeiten. Da kann es nur Schicksal sein, dass Hannah beim Aufräumen ein altes Backbuch ihrer Urgroßmutter hinter dem Bücherregal findet. Sofort wird sie vom Kuchenfieber gepackt, und ist von da an kaum aus der Küche fortzubekommen. Doch ausgerechnet jetzt, wo alles so perfekt läuft, bekommt Hannah von ihrem Verlobten Lennard nicht die Unterstützung, die sie sich erhofft hat. Mit einem Mal ist Hannah sich nicht mehr sicher, ob sie wirklich den richtigen Mann an ihrer Seite hat.
Susanne Oswalds Traum wurde wahr: Sie ist Bestsellerautorin. Die gebürtige Freiburgerin liebt das Meer. Gemeinsam mit ihrem Mann am Strand spazieren zu gehen und den Abend vor dem Kamin mit Strickzeug auf dem Schoß ausklingen zu lassen, ist für sie das Schönste. Mit dem Kopf ist sie fast immer bei ihren Heldinnen und Helden, und es macht sie glücklich, ihre Fantasie Wirklichkeit und Buchstaben zu Geschichten werden zu lassen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
KAPITEL 1
»Gute Fahrt!« Ich winkte meinen Pensionsgästen, die gerade in ihrer funkelnden S-Klasse Richtung Vormittagsfähre davonbrausten, erleichtert hinterher.
Himmel und Hölle … waren die mäkelig gewesen. Vermutlich würden wir sie bei uns auf der Insel nicht noch mal sehen, und das war wahrlich kein Verlust. Sie hatten überhaupt keinen Sinn gehabt für den Zauber von Amrum.
Die Insel war ihnen zu piefig, zu klein, zu unspektakulär, zu unprätentiös – im Vergleich zu Sylt einfach viel zu wenig schillernd gewesen. Das hatten die Herrschaften in den letzten Tagen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit lautstark zum Besten gegeben – natürlich immer so, dass ich es auch hören konnte.
Am liebsten hätte ich ihnen gesagt, sie sollten doch einfach ihre Koffer packen und abreisen – wozu Zeit verschwenden an einem Ort, der einem nicht gefiel? Aber ich hatte Haltung bewahrt, und darauf war ich stolz.
Das hatte ich allerdings nur geschafft, weil Lennard sich Tag für Tag geduldig meinen Frust angehört hatte. Schließlich war er ein richtiger Schatz – mein Schatz!
Obendrein hatte ich mich bei meinen Freundinnen Fenja und Elisabeth über mein Los als Pensionswirtin ausgeweint und meinem Unmut über die Arroganz der Gäste ordentlich Luft gemacht.
»Atme«, hatte Elisabeth mir geraten. »Immer wenn du glaubst, du platzt, atme durch die Nase tief in den Bauch, halte kurz die Luft an und lass sie dann zügig durch den Mund aus dir herausfließen. Du wirst sehen, die Luft nimmt auf dem Weg nach draußen deinen Ärger mit.« Ohne dass ich es verhindern konnte, musste ich über diese Anleitung lachen.
Elisabeth war eine zarte Person mit einer unfassbar tiefen Stimme. Fenja behauptete immer, sie sähe nicht nur aus wie die Frau Staatsanwalt aus dem Münster-Tatort, sie klinge auch so. In unserem Mädels-Dreiergespann war Elisabeth einerseits die praktisch Veranlagte mit großem handwerklichem Geschick, andererseits hatte sie einen schlimmen Hang zu Esoterik und strapazierte damit immer wieder meine Nerven. Esoterik und ich – das war wie Feuer und Öl: eine ziemlich entzündliche Verbindung. Aber es war eben Elisabeth.
»Du brauchst gar nicht die Augen zu verdrehen«, hatte Elisabeth prompt reagiert, und ihre sowieso schon tiefe Stimme war noch eine Nuance tiefer geworden. »Atemübungen sind ein wesentlicher Teil des Yoga. Versuch es, dann reden wir weiter.«
Sicher hatten wir schon häufiger anstrengende Gäste in der Pension gehabt, immerhin war das Haus bereits in fünfter Generation im Besitz meiner Familie. Außerdem waren Menschen nun mal nicht alle gleich, und ich wollte nicht ungerecht sein. Die meisten Gäste waren nett und kamen gerne wieder. Ich freute mich immer, wenn das passierte. Es zeigte mir, dass sie sich auf Amrum und bei mir wohlfühlten. Mit manchen verstand ich mich so gut, dass sich über die Jahre echte Freundschaften entwickelt hatten. Andere waren einfach nur sympathisch, ohne dass mehr daraus entstand.
Und natürlich waren Gäste auch unterschiedlich anspruchsvoll und dadurch auch mehr oder weniger anstrengend. Ich versuchte, so gut es mir möglich war, allen gerecht zu werden und dafür zu sorgen, dass sie ihren Aufenthalt genießen konnten. Das gehörte zum Führen einer Pension dazu und brachte mich im Normalfall nicht aus der Ruhe.
Aber solche Lackaffen hatte ich noch nie beherbergt, solche Gäste brauchte ich nie wieder.
Ich hatte die Pension übernommen, als meine Mutter die Arbeit nicht mehr erledigen konnte. Es war nie eine Frage für mich gewesen, ob ich auf Amrum bleibe und die Familientradition weiterführe oder nicht. Ich liebte meine Insel und konnte mir keinen schöneren Ort zum Leben vorstellen. Nur das mit der Zimmervermietung war nicht ganz das, was mir Spaß machte. Ich hatte schon als kleines Mädchen von einem Inselcafé geträumt, aber dann war ich in den Familienbetrieb hineingewachsen und hatte akzeptiert, dass wir nun einmal Pensionsbesitzer waren. Und auch wenn das nicht mein Traumjob war, tat ich es mit Herzblut – immer wieder aufs Neue. Deshalb hatte mich die Arroganz dieser Menschen auch persönlich getroffen.
Und dann hatte ich mir – als Atmen, Abprallenlassen und Jammern nicht mehr ausreichten – bei Jens Quedens im Strandgut ein paar seiner geknickten Becher besorgt. Sie waren aus Porzellan, hatten aber die Form von Einwegplastikbechern, die man mit der Hand zerdrückt hatte. Auf der Seite mit dem Knick stand »Sylt kannst du knicken«, auf der geraden Seite dagegen »Amrum nicht«.
Wie jedes Mal, wenn ich bei Jens in Wittdün im Laden war, hatte ich am Ende des Einkaufs nicht nur das, was ich eigentlich hatte besorgen wollen, sondern darüber hinaus den ein oder anderen hübschen Schnickschnack mehr in der Tasche. Es gab aber auch so viele hübsche Kleinigkeiten dort, da fand ich einfach immer was.
Die Becher mit dem Knick hatte ich gut gelaunt gleich am nächsten Morgen auf dem Frühstücksbuffet drapiert. Ich musste jetzt noch kichern, wenn ich an die spontane Schnappatmung dachte, die bei Frau Ich-bin-ja-so-anspruchsvoll eingesetzt hatte. Sie hatte den Becher erst erstaunt mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtet und ihn dann so schnell zurückgestellt, als hätte sie sich die Finger daran verbrannt. Köstlich!
Und das Beste an der Sache war: Es hatte gewirkt. Die Herrschaften hatten ihre Nasen zwar immer noch reichlich hoch getragen, doch weitere Spitzen gegen Amrum hatten sie sich in meiner Gegenwart wohlweislich verkniffen. Und jetzt waren sie abgereist.
Halleluja!
Erleichtert blies ich mir den Pony aus der Stirn.
Ich atmete tief durch und versuchte, den Ärger loszulassen, der immer noch in mir köchelte. Ganz genau so, wie Elisabeth es mir erklärt hatte – durch die Nase ein, Luft anhalten, durch den Mund aus.
So richtig gepackt hatte sie mich mit ihrem Yoga bislang nicht, und mit ihrem Hokuspokus mit Horoskop und Tarotkarten konnte sie mir gern gestohlen bleiben, aber die tiefe Atmung tat tatsächlich gut, das musste ich zugeben – auch wenn ich mir dabei reichlich albern vorkam.
Ein paar Minuten blieb ich an den Türstock gelehnt stehen und genoss die wunderbar warme Luft und die Sonne, die mir ins Gesicht schien. Um die Petunien herum summte und brummte es, ein paar Vögel trällerten, und etwas weiter entfernt hörte ich Kinderlachen – das kam vom Honigparadies herübergeweht, wie fast immer war ordentlich Leben im Schullandheim.
Es war Mitte Mai, und der Frühsommer hatte Amrum erreicht. Auch wenn der Frühling schon toll gewesen war, freute ich mich jetzt auf die heißer werdenden Tage, auf das Barfuß-durch-den-Sand-Laufen, Wellenglitzern und endlos scheinende Sonnenstunden.
Dieses Jahr hatte meine Vorfreude allerdings auch noch einen anderen, einen sehr besonderen Grund. Lächelnd drehte ich den Ring an meinem Finger hin und her und ließ ihn in der Sonne funkeln. Lennard und ich hatten nach einigem Hin und Her beschlossen, die Hochzeit auf September zu legen, um nicht mitten in der Hochsaison zu feiern.
Bis zum Fest gab es noch reichlich zu tun, und ich war entschlossen, trotz Arbeit und Trubel den Sommer zu genießen und so oft wie möglich ans Wasser zu gehen. Ich wollte nicht nur als strahlende, sondern auch als sonnengebräunte Braut am Altar stehen.
Ich musste mir meine Zeit für den Strand während der Saison immer erkämpfen, aber es lohnte sich. Für mich war das ein Stück Lebensqualität. Und weil ich den Kniepsand so liebte, radelte ich so oft wie möglich an die Westseite der Insel. Aus den letzten Jahren wusste ich, dass das natürlich nicht jeden Tag klappte, und das würde diesen Sommer nicht anders sein.
Oft genug ging es auch bei traumschönem Wetter darum, in der Pension die Dinge am Laufen zu halten. Dann musste ich meine Strandlust unterdrücken und Betten aufschütteln oder mit Buchungen, Umbuchungen und Sonderwünschen aller Art jonglieren.
Lennard und ich hätten auch gerne ein wenig mehr Wohnkomfort gehabt, doch das war leider nicht möglich. Ich hatte neun Pensionszimmer, die gerade so dafür sorgten, dass die Pension genug abwarf. Würden wir ein oder zwei Zimmer davon für unsere private Nutzung abzweigen, wäre die Pension nicht mehr rentabel. Also begnügten wir uns seit Jahren mit einem Schlafzimmer, einem kleinen Wohnraum und einer noch kleineren Küche im ersten Stock des Hauses. Darin zu zweit zu kochen war unmöglich, und selbst allein war es eine Herausforderung. Es war alles zu eng und es gab nicht ausreichend Arbeitsflächen.
Das war auch der Grund, weshalb wir sehr oft die Frühstücksküche der Pension für uns privat nutzten. Wenn beruflich und privat so eng beieinanderlagen, blieb es nicht aus, dass die Grenzen verschwammen. Und dennoch fehlte mir, obwohl die Pension oft ausgebucht war, der Kontakt zu Menschen.
Die Urlauber sah ich meist nur beim Frühstück, und trotzdem musste ich immer parat stehen – für den Fall, dass jemand etwas brauchte.
Selbst die Abende gehörten nicht richtig mir. Ich hatte bei allem, was ich tat, immer das Handy dabei, um im Notfall erreichbar zu sein. Es war beinahe unmöglich, einmal ungestört gemütlich draußen neben dem Haus zu sitzen und den Sommer zu genießen. Auch wenn ich meinen eigenen Teil des Gartens mit einem Privat-Schild markiert hatte, ließ es sich fast nicht vermeiden, dass trotzdem jemand vorbeikam, um nur eine ganz kurze dringende Bitte loszuwerden. Wenn man mit den Gästen im gleichen Haus wohnte, hatte man eben nie Feierabend.
Das war die Schattenseite des Sommers, aber es war auch...




