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E-Book, Deutsch, 287 Seiten

Penny Im Schatten Humboldts

Eine tragische Geschichte der deutschen Ethnologie

E-Book, Deutsch, 287 Seiten

ISBN: 978-3-406-74129-6
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Von den hohen Idealen Alexander von Humboldts bis zum erbitterten Streit um das Humboldt Forum führt ein langer und verschlungener Pfad durch die deutsche Geschichte. Kaum etwas illustriert ihn besser als die ethnologische Sammlung des Berliner Museums - mit 500.000 Objekten eine der größten der Welt. H. Glenn Penny schildert in seinem erhellenden Buch, wie diese gigantische Sammlung entstanden ist, was für Motive dahinter standen und warum ihre ursprüngliche Idee bis heute kaum beachtet wird. Sein Buch ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Versachlichung der Debatte um das koloniale Erbe der deutschen Museen.

Es ist eine tragische Geschichte, und sie beginnt - wie so oft in Deutschland - mit großen Ambitionen: Auf den Spuren Humboldts tragen Ethnologen Objekte aus der ganzen Welt zusammen, um ein "Laboratorium" der Menschheitsgeschichte zu schaffen. Es soll das Erbe bedrohter Kulturen bewahren und den aufkommenden rassistischen Ideen Einhalt gebieten. Doch schon bald geraten die Sammler in den Sog des Kolonialzeitalters und schließen Teufelspakte, damit ihr Bestand schneller wächst. Auch die ursprüngliche Vision verändert sich: Wilhelm von Bode macht aus der Denkwerkstatt ein bloßes Schaumuseum. Und wie heute wieder wird das Museum schon bald zum Schauplatz politischer Instrumentalisierungen, bei denen es um Diskursmacht geht, aber nicht um die Bedeutung der Sammlung selbst.
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;2
3;Zum Buch;287
4;Über den Autor;287
5;Impressum;3
6;Inhalt;4
7;Einleitung: Kihawahine: Die Zukunft in der Vergangenheit;6
8;Kapitel I: Hawaiianische Federumhänge und Maya-Skulpturen: Das Sammeln von Ursprüngen;24
9;Kapitel II: Der Haida-Totempfahl und die Nootka-Adlermaske: Hypersammeln;68
10;Kapitel III: Bronzen aus Benin: Die Kolonialismusfragen;110
11;Kapitel IV: Guatemaltekische Textilien:Dauerhafte Sammelnetzwerke;148
12;Kapitel V: Die Maske des fliegenden Schwans: Die Vergangenheit in der Zukunft;200
13;Epilog: Humboldt als Zugpferd;252
14;Danksagung;268
15;Anhang;272
15.1;Anmerkungen;272
15.2;Bild- und Kartennachweis;282
15.3;Personenregister;284


Kapitel 1 HAWAIIANISCHE FEDERUMHÄNGE
UND MAYA-SKULPTUREN:
DAS SAMMELN
VON URSPRÜNGEN
Lange bevor er eines der mächtigsten Handelshäuser Hamburgs übernahm, sah Wilhelm Oswald 1824 als junger Offizier auf dem preußischen Handelsschiff Prinzessin Louise zum ersten Mal Hawaii. Mit seiner Ladung aus preußischem Tuch, Kleidung, Glas, Textilien und anderen Gütern lief das Segelschiff auf dem Weg von Amerika nach China auch den damals von den Europäern noch Sandwich-Inseln genannten Archipel an. Hawaii war nur einer von vielen Häfen auf einer vierjährigen Reise, durch die Preußen Handelsbeziehungen auf der ganzen Welt knüpfen wollte. Es war ein ehrgeiziges Projekt in einem Zeitalter imperialer Konkurrenz um Territorien und Handel. Keine zwei Jahrzehnte nach der vernichtenden Niederlage gegen Napoleon, als das Überleben Preußens am seidenen Faden hing, besaß dieser Staat noch keine nennenswerte Kriegs- oder Handelsflotte. Er konnte kaum mit Hansestädten wie Bremen und Hamburg konkurrieren, deren überseeische Handelsnetzwerke seit Jahrhunderten bestanden. Zum Zeitpunkt, als die Prinzessin Louise die gefährliche und immer noch abschreckende Magellan-Straße durchfuhr, um die Südspitze Südamerikas zu umrunden, besaßen diese Städte bereits Handelsvertretungen und Konsuln in vielen der Häfen, die sie anlief. Unterdessen beherrschten die großen Seemächte England, Frankreich und immer mehr auch die USA den Pazifik. Dennoch brachten amerikanische und europäische Schiffe, die die Inseln besuchten, Nachrichten von Preußens militärischer Stärke nach Hawaii, und Oswald wurde bald an den königlichen Hof geholt und von König Kamehameha III. ausgefragt, der noch ein Jüngling unter der Regentschaft von Kaahumanu, der Lieblingsfrau seines Vaters, war. Ihre Regentschaft dauerte von 1823 bis 1832. Der junge König lauschte begierig Oswalds Erzählungen über europäische Kriegführung. Er wollte mehr über Preußens Taten erfahren, über die vielen Kriege Friedrichs des Großen und die heroische Rolle Feldmarschall Blüchers beim Sieg über Napoleon. Oswalds Geschichten regten den hawaiianischen König zu Fragen nach dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. an und führten ihn zu Vergleichen zwischen Blücher und seinem Vater Kamehameha I. Auch er war ein großer Krieger gewesen, der die Inseln des Hawaii-Archipels mit Gewalt vereinigte. Obwohl Kamehameha III. die militärische und politische Bedeutung von Oswalds Erzählungen begreifen konnte, war es schwer für ihn, sich die Hunderttausende Soldaten vorzustellen, die in den europäischen Kriegen mobilisiert wurden. Die Zahlen waren so groß. Zu dieser Zeit zählte die einheimische Bevölkerung Hawaiis nur etwa 150.000 Menschen. Wie wurden diese gewaltigen Armeen organisiert, versorgt und transportiert? Wie konnten Heerführer wie Blücher ihre Bewegungen kontrollieren oder einen Kavallerieangriff abstimmen? Das faszinierte ihn, und er besuchte die Prinzessin Louise regelmäßig, um mit Oswald darüber zu sprechen. Das preußische Schiff empfing den König stets mit einer Ehrensalve, die von den Kanonen des Hafenforts erwidert wurde. Mit der Zeit ließen die Informationen, die Kamehameha III. sammelte, ihn seine Heimat als arm im Vergleich zu den Industriestaaten ansehen, aus denen die Waren kamen, die von immer mehr Schiffen über den Pazifik auf seine Inseln gebracht wurden. Er sprach von dieser Armut in einem Brief an den preußischen König, der nicht mehr erhalten ist. Anfang März 1824, als die Prinzessin Louise bereit zum Auslaufen war, kam der hawaiianische Herrscher mit einem leuchtend roten und gelben Federumhang an Bord, in mühevoller Kleinarbeit hergestellt aus den Federn einheimischer Vögel. Solche Umhänge gehörten zu den am höchsten geschätzten Besitztümern des hawaiianischen Adels. Sein Vater hatte diesen hier oft getragen. Bevor 1778 Europäer auf die Inseln kamen und noch mehrere Jahrzehnte danach waren solche Umhänge sichtbare Symbole für militärische und politische Macht. Nur männliche Häuptlinge durften sie besitzen, und sie trugen sie nur in der Schlacht oder bei staatlichen Anlässen. Häufig wurden sie besiegten Häuptlingen als Kriegsbeute abgenommen, darum konnten mächtige Häuptlinge und später ein König wie Kamehameha I. viele davon besitzen. Sie waren von hochgestellten Männern aus Federn handgearbeitet worden, die einen Teil der Steuern der einfachen Leute darstellten. Für die größten dieser sorgfältig gearbeiteten Umhänge brauchte man bis zu 500.000 Federn. Der Umhang König Kamehamehas. Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum. Zum Zeitpunkt von Oswalds Besuch hatten die Hawaiianer aber viele dieser Umhänge an Kapitäne weggegeben. 1854, im letzten Regierungsjahr von König Kamehameha III., gab es auf Hawaii nur noch wenige. Als er starb, gab es sogar mehr in europäischen Museen als auf Hawaii. Das lag zum Teil daran, dass man so viele verschenkt hatte, aber auch daran, dass die Zeiten sich drastisch geändert hatten. Der ältere Bruder des Königs, König Kamehameha II., beseitigte während seiner kurzen Herrschaft (1819–1824) das alte Kapu- (auch Tapu oder Tabu) System religiöser Gesetze auf den Inseln. Um seine Macht zu festigen, schaffte er die Priesterklasse ab und zerstörte Idole, Bilder und Tempel auf ganz Hawaii.[1] Bevor Europäer in großer Zahl kamen, beschäftigten Häuptlinge sich mit der Herstellung von Angelzeug, Waffen, Kriegsmänteln und Helmen gemäß der vielen Tabus des Kapu. Als sie aber europäischen Handel und Geldwirtschaft kennenlernten und Lesen und Schreiben lernten, wechselten die herrschenden Schichten ihre Tätigkeiten. Das Schießpulver, nicht Keulen, Messer oder Speere, entschied zunehmend die Schlachten der hawaiianischen Vereinigung und Konsolidierung. So konnte der Direktor des Bishop-Museums in Honolulu, William T. Bingham, 1899 nur noch fünf Federumhänge auf den Inseln lokalisieren. In europäischen und nordamerikanischen Museen und Privatsammlungen gab es dagegen Hunderte.[2] Diese Geschichte verkleinert aber nicht den Augenblick im März 1824, als König Kamehameha III. Oswald den Umhang übergab. Es war ein ergreifender Akt der Diplomatie, das Geschenk eines Herrschers an einen anderen, das die Beziehungen in Gang setzen sollte. Der Umhang und der Brief des Königs an Friedrich Wilhelm III. reisten fast um die ganze Welt, bevor sie im September 1829 in Berlin eintrafen. Der preußische König und sein Hof waren beeindruckt von der Schönheit des Umhangs – seiner zarten Textur, den Farben und der gewaltigen Arbeit, die darin steckte. Er war herrlich. Sie verstanden auch seine diplomatische Bedeutung. Friedrich Wilhelm III. sah den Umhang zuerst bei einer Präsentation von Gütern und Artefakten, die auf der Reise gesammelt worden waren: Elfenbeinskulpturen, Lackarbeiten, Lampen aus China, Porzellan, Sandelholzkästchen, Seide und Tee, dazu verschiedene Mineralien, Pflanzen und Naturprodukte, die schließlich ins Berliner Naturkundemuseum kamen. Doch der Federumhang war etwas Besonderes. Der Brief Kamehamehas III., der betonte, der Umhang sei eines der schönsten Dinge, die seine Inseln bieten könnten, bewegte den preußischen König. Er wies seine Minister an, ihn zu informieren, sobald wieder ein preußisches Schiff zu den Sandwich-Inseln segelte, damit ein angemessenes Geschenk für Kamehameha III. arrangiert werden könne. Als die Prinzessin Louise dann 1830 nach Hawaii zurückkehrte, führte sie einen Sattel und Zaumzeug komplett mit Pistolen im Halfter mit sich, dazu eine Gardeuniform wie die, die Friedrich Wilhelm III. häufig trug, Ölgemälde, die ihn und Feldmarschall Blücher darstellten, eine Karte von Preußen, Zeichnungen bedeutender staatlicher Gebäude, Metallbüsten europäischer Staatsführer und Generäle und verschiedene Produkte der preußischen Industrie, von Kleidung über Juwelen bis zu Porzellan. Der preußische Herrscher beschrieb diese Gegenstände und ihren Gebrauch in einem persönlichen Brief an den hawaiianischen König, der ihren gemeinsamen Adel betonte. Der liebenswürdige Ton der Antwort Kamehamehas III. drückte dessen Freude über die Geschenke aus. Nach den ersten Besichtigungen wurde der Federumhang von den Naturkuriositäten und Handelsobjekten getrennt. Die preußischen Minister schickten ihn in die Abteilung für «außereuropäische Seltenheiten» der Kunstkammer im Stadtschloss. Dort reihte er sich in eine eklektische Ansammlung einiger Tausend Objekte ein,...


H. Glenn Penny ist Professor of Modern European History an der Universität Iowa und Spezialist für die Beziehungen zwischen Deutschland und den nicht-europäischen Kulturen. 2002 hat er das Standardwerk "Objects of Culture: Ethnology and Ethnographic Museums in Imperial Germany" vorgelegt.


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