E-Book, Deutsch, Band 1, 304 Seiten
Reihe: Mein Freund Pax
Pennypacker Mein Freund Pax
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7336-0161-4
Verlag: FISCHER Sauerländer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 304 Seiten
Reihe: Mein Freund Pax
ISBN: 978-3-7336-0161-4
Verlag: FISCHER Sauerländer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sara Pennypacker wurde 1951 in Massachusetts, USA, geboren, wo sie auch heute noch lebt. Sie gehört zu den bekanntesten Kinderbuchautorinnen Nordamerikas, und ihre Bücher wurden vielfach ausgezeichnet.
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D
Pax war so erschrocken, dass er fast von dem Baumstamm fiel, auf dem er gedöst hatte. Den ganzen Tag lang hatte er Wache gehalten und nichts gesehen, was größer als ein Grashüpfer gewesen wäre. Und nun stand auf einmal ein Fuchsweibchen mit leuchtendem Fell vor ihm. Er hatte bis jetzt noch nie einen fremden Fuchs gesehen, doch er wusste sofort: Dieses Tier war zwar jünger, kleiner und weiblich, aber von derselben Art wie er. Und sein Instinkt sagte ihm außerdem, was ihre nach hinten gelegten Ohren und der hochgereckte Schwanz bedeuteten: Sie forderte Unterwerfung von ihm.
Pax verspürte den Drang, sich in seinen behelfsmäßigen Bau zu verkriechen, sich zwischen die noch aufrecht stehenden Stängel zu drücken, so als zöge er sich in sein Gehege zurück. Doch er gab diesem Instinkt nicht nach. Was, wenn sein Junge zurückkäme und er nicht mehr hier wartete? Deshalb legte er die Ohren flach an, um zu zeigen, dass er friedliche Absichten hatte, seinen Platz aber auch nicht verlassen würde.
Die Füchsin kam näher, und Pax nahm ihren Geruch wahr – vertraut wie sein eigener und gleichzeitig fremd. Das Fell des Weibchens sträubte sich, als sie Witterung aufnahm und den Menschengeruch an ihm bemerkte.
Derselbe Instinkt war auch Pax angeboren, aber Misstrauen kommt auf Dauer nicht an gegen beständige und in reichem Maße erwiesene Freundlichkeit, vor allem bei Lebewesen, die noch neu sind in dieser Welt. Pax war gerade einmal sechzehn Tage alt gewesen, als Peter ihn gerettet hatte – ein vaterloses, mutterloses kohlschwarzes Fellknäuel, das kaum die Augen öffnen konnte –, und es hatte nicht lange gedauert, bis er dem stillen, schlaksigen Jungen, der ihn mit nach Hause genommen hatte, vertraute.
Die Füchsin reckte die spitze Schnauze, um besser schnüffeln zu können, und wieder stellte sie die Nackenhaare auf. Bristle nannte Pax sie deshalb für sich, die Drohende.
Pax teilte ihr stumm die auffälligsten Merkmale seines Menschen mit – die nackten runden Ohren, die unfassbar langen Beine, so lang, dass Pax jedes Mal, wenn sein Junge rannte, fürchtete, er würde sich überschlagen, das schwarze Haar, das mal länger, mal kürzer war.
Gleich darauf hob sich Bristles Kopf, so als hätte ein unsichtbarer Draht ihn hochgezogen. Ein leises Rascheln in einem nahe gelegenen Büschel Süßgras hatte sie aufhorchen lassen. Ihr Hinterteil begann zu zucken – die Füchsin sammelte Energie. Sie sprang hoch, hielt beide Vorderpfoten dicht über der schwarzen Nase und tauchte ins hohe Gras. Die weiße Spitze ihrer Lunte blitzte auf.
Alarmiert richtete Pax sich auf. In Sekundenschnelle tauchte Bristles Kopf wieder auf, eine Buschratte im Maul. Mit einem Satz verließ Bristle das Gras, dann biss sie der Ratte das Genick durch und ließ sie zu Boden fallen.
Da Pax noch nicht entwöhnt worden war, als er elternlos wurde, hatte er niemals rohe Beute gefressen. Beim Geruch des Blutes meldete sich sein Hunger, außerdem war er neugierig. Vorsichtig trat er näher. Bristle knurrte, und Pax zog sich sofort zurück, um von einem sicheren Ort aus zuzusehen, was nun weiter geschah.
Bristle fraß ihre Beute, und Pax wurde noch hungriger. Er musste an seinen stets gut gefüllten Futternapf denken, an die Leckereien aus Peters Hand und an die köstlichste Belohnung überhaupt: Erdnussbutter. Er seinen Jungen finden. Sein Junge hätte Fressen für ihn.
Bevor er noch fragen konnte, was es mit den sich nähernden Menschen auf sich hatte, packte Bristle, was von der Ratte übrig war, und stolzierte steifbeinig davon. Aus ihrem Maul baumelte der Schwanz, der noch an einer Hinterpfote hing. Pax sah ihr nach, als sie sich zwischen den hohen Grasbüscheln entfernte und bald nichts mehr von ihr zu sehen war als flüchtig aufblitzendes Rot oder Weiß. Sie ließ ihn einfach stehen. Gleich überkam ihn wieder die Erinnerung daran, wie das Auto seiner Menschen aufheulend davongebraust war, so eilig, dass Schotterstückchen aufflogen, die schmerzhaft auf der Haut brannten.
Unmittelbar bevor sie am Waldrand in einem Farnsaum verschwand, stockte Bristle und sah über die Schulter zu ihm zurück. Im selben Moment knackte es laut an der umgestürzten Eiche, und Bristle fuhr zusammen. Im nächsten Moment schoss ein roter Fellstreifen aus dem trockenen Laub, flog übers Gras und landete auf ihrem Rücken.
Pax legte sich flach auf den Boden. Er hörte die kurzen Schreie der Füchsin, die sich mit dem Angreifer balgte, doch da sie nicht ängstlich klang, sondern eher gereizt, hob er den Kopf wieder ein Stück. Bristle stürzte sich gerade auf ein Fellknäuel und biss einmal kräftig zu. Zu Pax’ Überraschung entrollte sich zwischen Bristles Pfoten eine kleinere, magerere Version der Füchsin.
Pax war völlig verdutzt. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass Füchse fliegen könnten, genau wie Vögel, deren steile Sturzflüge keiner einzigen seiner eigenen Bewegungen glichen.
Der kleine Fuchs rollte sich auf den Rücken und zeigte zum Zeichen seiner Unterwerfung den Bauch, doch das schien Bristle nur noch ärgerlicher zu machen, denn jetzt schimpfte sie nicht nur, sie stieß ihn auch immer wieder und schnappte nach ihm. Von Neugier überwältigt, sprang Pax hinüber.
Der fremde Menschengeruch erschreckte den mageren Fuchs, und er warf einen unsicheren Blick über Bristles Schulter. Als er Pax sah, riss er die Augen weit auf und kam unbeholfen auf die Pfoten. , signalisierte er Pax.
Bristle bleckte die Zähne und knurrte.
Pax beachtete die Warnung nicht und erwiderte den Gruß.
Der kleine Fuchs sprang zur umgestürzten Eiche zurück und war mit einem Satz auf dem Stumpf. Ein Ast des toten Baums ragte nach oben. Mühelos kletterte der Kleine daran empor und schaute dann hinunter, um sich zu vergewissern, ob Pax auch wirklich zusah.
Pax ließ sich auf dem Erdboden nieder und zog die Vorderpfoten unter den Körper, doch am liebsten wäre er zum Baum gesprungen, um selbst einen Versuch zu wagen. Sicher, er war schon an den Wänden seines eigenen Geheges hochgeklettert, doch höher hinaus war er nie gekommen. Seine Lunte zuckte.
Die Füchsin entfernte sich ein paar Schritte, legte sich und rollte sich auf die Seite, so dass sie ihren Bruder direkt im Blick hatte. Es war jetzt unübersehbar, dass sie ihn liebte. , erklärte sie Pax, Sie warf den Kopf in den Nacken und knurrte Pax an, so als machte sie ihn für das Spiel ihres Bruders verantwortlich.
Immer weiter stieg der Kleine auf dem Ast empor und reckte dabei den Schwanz steil hoch, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Dann duckte er sich, spannte die Muskeln an – und schon flog er über die Köpfe von Pax und Bristle hinweg. Er landete in einem Busch neben der Straße und kam einen Augenblick später über und über mit Kletten bedeckt hinaus. Wie verrückt drehte er sich im Kreis um sich selbst, so als hätte ihn sein Flug mit jeder Menge überschüssiger Freude erfüllt, die er über die Beine wieder abgeben musste. Schließlich warf er sich übermütig zu Boden und rollte sich hin und her.
Mit einem Satz war seine Schwester bei ihm. Während sie Runt die Kletten aus dem Fell zog, schimpfte sie mit ihm wegen seines Leichtsinns. Pax hingegen staunte nur: Der Kleine hatte gut und gerne fünf weite Sprünge hintereinander vollführt, ohne auch nur einmal mit den Pfoten den Boden zu berühren. Dieses Kunststück musste er irgendwann selbst probieren.
Als Runt sich wieder aufgerappelt hatte, senkte er den Kopf und stupste seine Schwester immer wieder mit der Schnauze an. Sie stieß ihn zurück, dieses Mal allerdings nur gespielt grob, doch er fiel trotzdem um. Sofort setzte Bristle sich auf ihn und drückte ihn zu Boden. Er wehrte sich leicht, versuchte aber nie, sie zu reizen, und protestierte auch nur leicht, als sie anfing, ihm das Fell zu putzen.
Pax ließ sich in respektvoller Entfernung nieder. Als der Bruder nach einer Weile völlige Unterwerfung zeigte und Bristles Gereiztheit sich gelegt hatte, holte sie das letzte Stück Ratte und ließ es direkt vor ihm fallen. Dann legte sie sich, leckte ihre Pfoten sauber und reinigte sich mit ihnen das Gesicht.
Pax schob sich näher heran, so tief geduckt, dass sein Bauch fast den Boden berührte. Die Gesellschaft dieser beiden jungen Füchse lockte ihn, ob er ihnen nun willkommen war oder nicht.
Bristle streckte sich auf einem Streifen Gras aus, auf den das Sonnenlicht schräg einfiel. Ihre Wangen hoben sich stark vom Weiß ihres glatten Halses ab und schimmerten wie das kürbisfarbene Holz des Tisches, an dem Pax’ Menschen ihr Essen einnahmen.
Pax schaute zu Runt hinüber, der die Stelle beschnüffelte, an der Pax geschlafen hatte. Seine Fellmarkierung war die gleiche wie Bristles, nur weniger kräftig ausgeprägt. Das Fell war eher spärlich, mit vereinzelten dichteren Haarbüscheln, und seine Hüftknochen ragten spitz hervor. Plötzlich stellte der kleine Fuchs sich auf die Hinterbeine und stürzte sich in einem spielerischen Angriff nach vorn.
Pax schaute zu, wie Runt den Spielzeugsoldaten abwechselnd in die Luft schleuderte und am Boden festhielt, immer wieder. Genauso hatte er es als Welpe auch gemacht. Er trabte...




