Samuel | Jede Familie hat eine Geschichte | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 389 Seiten

Samuel Jede Familie hat eine Geschichte

Wie Liebe und Schmerz uns prägen und was wir daraus machen

E-Book, Deutsch, 389 Seiten

ISBN: 978-3-407-86761-2
Verlag: Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Was jemand über sich selbst glaubt, ist stark geprägt von der Geschichte seiner Familie. Konflikte, unterdrückte Gefühle, Krankheit oder der Verlust eines Kindes oder Elternteils prägen die einzelnen Familienmitglieder tief. Um uns selbst besser zu verstehen, hilft es, die besondere Dynamik unserer Familie anzusehen: Welche Beziehungen innerhalb der Familie sind schwierig oder gar nicht vorhanden? Gibt es bestimmte Themen, seelische Verletzungen oder Traumata, die sich durch mehrere Generationen ziehen? Worüber wird geschwiegen, und vor allem, warum? Welches sind die unerzählten Geschichten in meiner Familie, welche störenden Beziehungs- und Verhaltensmuster werden unbewusst an die nächste Generation weitergegeben? In 8 spannenden Familiengeschichten aus ihrer Praxis, verbunden mit neuesten psychologischen Erkenntnissen, gelingt es der Psychotherapeutin Julia Samuel eindrucksvoll, die Leser:innen aus der Beobachterposition zu entlassen und sie dazu anzuregen, ihre eigene Familiendynamik zu reflektieren und zu verändern.

Julia Samuel arbeitet seit 30 Jahren als Psychotherapeutin, ist Sunday Times Bestsellerautorin und Member of the Order of the British Empire für ihren Einsatz für trauernde Eltern. In Großbritannien wurde sie bekannt durch ihre öffentliche psychologische Auseinandersetzung mit dem Tod ihrer Freundin Prinzessin Diana. Julia Samuel lebt mit ihrer Familie in London.
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Einführung
Jede Familie hat ihre Geschichte. Eine Geschichte von Liebe und Leid, Freude und Schmerz. Die Geschichte der Familie, in die ich hineingeboren wurde, war eine Geschichte großer Privilegien und zahlreicher Traumata. Aber darüber wurde nie gesprochen. Es gab kein Narrativ und kein Verständnis dafür, was sich ereignet hatte, was vor sich ging und wie man damit umgehen sollte. Meine Eltern waren während des Zweiten Weltkriegs junge Erwachsene. Mein Vater war bei der Marine, meine Mutter kam vom Land. Doch das war nicht der Grund für ihre Traumata. Als meine Mutter 25 Jahre alt war, waren bereits ihre Eltern und zwei ihrer Geschwister verstorben. Auch mein Vater musste schon als junger Mann den plötzlichen Verlust seines Bruders und seines Vaters verkraften. Die Väter meiner Eltern hatten beide im Ersten Weltkrieg gekämpft. Wie die meisten Menschen in der damaligen Zeit, wie meine Generation der Babyboomer bestätigen kann, fügten sie sich der Notwendigkeit, zu überleben und sich fortzupflanzen. Sie waren bewundernswert hartnäckig, zäh und mutig. Für sie gab es nur eine Möglichkeit, die Vergangenheit zu bewältigen: Sie mussten versuchen, zu vergessen und einfach weiterzumachen. Sie lebten nach dem Motto »Worüber man nicht spricht oder nachdenkt, tut einem nicht weh«. Gute Miene zum bösen Spiel machen, keine Schwäche zeigen und die Ohren steifhalten, das waren die Mantras meiner Kindheit und der meisten meiner Generation. Aber auch wenn es äußerlich nicht sichtbar ist – ja, vielleicht gerade dann –, vertieft sich unsere Prägung durch Liebe und Leid, wird komplexer. Sie ist nicht mit bloßem Auge erkennbar, hat aber weiterhin vielschichtige, schmerzhafte Auswirkungen. Oft bleibt unerkannt, dass solche Verhaltensweisen (wie die meiner Eltern) das Erbe eines Traumas sind. Trauma hat keine Sprache. Trauma hat kein Zeitkonzept. Es verbirgt sich in unserem Körper, ständig alarmbereit, und kann noch viele Jahrzehnte nach dem ursprünglichen traumatischen Ereignis ausgelöst werden. Es lässt keine Verarbeitung von Gefühlen zu. Mir fehlten viele Teile meines Familienpuzzles. Ich erinnere mich daran, dass ich mir Schwarz-Weiß-Fotos meiner toten Großeltern, Tanten und Onkel anschaute und sie nach Hinweisen untersuchte, weil ich praktisch nichts über sie wusste. Ein Foto meines Großvaters mütterlicherseits sah ich erstmals in diesem Jahr. Es gab so viele Geheimnisse, und so viel blieb unausgesprochen, dass ich jetzt auf meine Eltern zurückblicke und mich frage: Was haben sie gewusst? Woran haben sie gedacht? War ihnen bewusst, was sie fühlten? Haben sie als Paar jemals über die Dinge gesprochen, die ihnen wichtig waren? Haben sie einander von diesen Geheimnissen erzählt oder nicht? Während ich in Hörweite war, ließen sie jedenfalls nichts darüber verlauten. Folglich beobachtete ich sie ständig und lauschte nach Hinweisen. Wie sich herausstellte, war das das perfekte Rezept, um eine Psychotherapeutin aus mir werden zu lassen: Ich war stets neugierig, hörte aufmerksam zu und interessierte mich brennend dafür, was hinter der Fassade geschah, wie eine Detektivin, die im Staub nach Fußspuren sucht. Meine Eltern leben nicht mehr. Beim Schreiben dieses Buch haben sich meine Liebe zu ihnen und mein Verständnis für sie verändert und sind gewachsen. Sie leben in mir weiter, prägen und beeinflussen mich fortgesetzt, genau wie alle unsere wichtigen Beziehungen. Ich bin ihnen unendlich dankbar. Ich habe von ihnen viele wichtige Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Lebensweisheiten gelernt, die mir sehr nützlich sind. Noch heute profitiere ich von den immensen Möglichkeiten, die sie mir geboten haben. Ich habe dieses Buch über Familien geschrieben, weil bisher allen meinen Klientinnen und Klienten ihre Familienbeziehungen das Wichtigste waren. Alle wollten wissen, warum sie Schwierigkeiten mit ihren Verwandten haben, oder beschreiben, warum sie sie lieben, und alles dazwischen. Auch ich selbst: In meiner Therapie habe ich viel Zeit damit verbracht, meine Herkunftsfamilie und meine jetzige Familie zu erforschen, um zu verstehen, welche Mechanismen eine Rolle spielen. Familien und ihre Rollen heute
Der Begriff »Kernfamilie«, also zwei miteinander verheiratete Elternteile und ihre Kinder, beschreibt die 19 Millionen Familien, die zum Beispiel in Großbritannien leben, nicht mehr ausreichend. Familien gibt es in vielen Formen: Alleinerziehende, gleichgeschlechtliche Familien, Adoptivfamilien, Großfamilien, polyamore Familien, Patchworkfamilien, Familien ohne Kinder und Familien, die sich aus Freunden zusammensetzen, zwischen denen keine Blutsverwandtschaft besteht. In der Vergangenheit bestanden der zentrale Zweck und die Funktion einer Familie darin, Kinder aufzuziehen. In der Gesellschaft hat jedoch mittlerweile ein tief greifender Wandel stattgefunden: Immer mehr Mütter sind berufstätig und haben im Durchschnitt weniger Kinder. Da wir länger leben, nimmt die Kindererziehung nur noch die Hälfte unserer Lebenszeit als Erwachsene in Anspruch. Wir leben heute aber viel länger in unserer Familie, tragen ihre Bürde oder genießen die Vorteile. Jeder Mensch, in welchem dieser unterschiedlichen Familienmodelle er auch lebt, reagiert darauf auf seine eigene Art und Weise, die geprägt ist von seinen Genen, seiner Umgebung und seinen Erfahrungen. Ich wollte hinter die Fassade einiger dieser Familientypen blicken, um herauszufinden, was dort vor sich geht, und um Fragen zu stellen: Was ermöglicht es manchen Familien, trotz enormer Widrigkeiten zu gedeihen, während andere zerbrechen? Welche Faktoren lassen das Scheitern von Familien im Voraus erahnen? Warum treiben uns unsere Familien in den Wahnsinn? Dieses Buch zielt darauf ab, solchen Fragen nachzugehen und unser Verständnis für sie zu vertiefen. Es geht nicht darum, wie man perfekte Familien konstruiert. Die gibt es nicht. Familien bewegen sich auf einem Spektrum zwischen Dysfunktion und Funktionstüchtigkeit, das von internen und externen Stressfaktoren abhängt. Ich erzähle die Geschichten von acht Familien, die mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert sind, und untersuche sie über mehrere Generationen hinweg. Der Einfluss, den eine Generation auf die nächste ausübt, wird so oft unterschätzt. Die ungelösten Stressfaktoren einer Generation können tradiert werden und den täglichen Lebensdruck der nächsten Generation verstärken. Familien sind ständig in Veränderung begriffen; deshalb sind sie so kompliziert und nervenaufreibend. Während die ältere Generation dem Alter entgegensieht, müssen sich die erwachsenen Kinder damit auseinandersetzen, dass ihr eigener Nachwuchs das Haus verlässt, und gleichzeitig gewöhnen sich die jungen Menschen ans Erwachsensein und suchen ihren eigenen Weg. Was früher als normaler vierstufiger Lebenszyklus galt – Gründung (Heirat), Expansion (Kinder), Schrumpfung (Auszug der Kinder), Auflösung (Tod des Partners) – gilt heute bei Weitem nicht mehr für alle. Beziehungen enden oft mit einer Scheidung, die Kinder ziehen nicht aus oder kehren nach einigen Jahren zurück oder es gibt gar keine Kinder. In den folgenden Geschichten sehen wir, wie manche Familien sich zusammenraufen, während in anderen Bindungen brüchig werden oder zerreißen. Es ist dieser Tanz – das Hin-und-herziehen als Familie, das Streben nach Harmonie und das Akzeptieren von Unterschieden –, der für Stabilität sorgt. Ich bin aus gutem Grund von Familien fasziniert: Familien sind wichtig. Die Familie übt den bedeutendsten Einfluss auf das Leben eines Kindes und seine Entwicklung aus. Verlässliche Liebe trägt Kinder bis ins Erwachsenenalter: Sie stärkt ihr emotionales, körperliches und geistiges Wohlbefinden und ermöglicht ihnen ein glückliches, gesundes und produktives Leben. Im besten Fall ist die Familie der sichere Ort, an dem wir ganz wir selbst sein können, mit all unseren Schwächen und Fehlern, und trotzdem geliebt und zutiefst verstanden werden. Im Idealfall ist sie ein Ort, an dem die Wurzeln unserer Entwicklung vollständig bekannt sind und allen die Atmosphäre bewusst ist, in der wir aufgewachsen sind. Im Zentrum unseres Wohlbefindens steht die Bindung zu anderen. Die Qualität unseres ...


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