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E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Sapphire Push

Buchvorlage zum Film "Precious"
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95530-485-0
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Buchvorlage zum Film "Precious"

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-95530-485-0
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Buchvorlage zur Hollywoodverfilmung 'Precious' - mit sechs OSCAR-Nominierungen! Lenox Avenue, Harlem: das 'Reich der Stimmlosen''. Hier, in einem Abbruchhaus, lebt Precious Jones, sechzehn Jahre alt und schon zum zweitenmal von ihrem eigenen Vater schwanger. Ihre eifersüchtige, gewalttätige Mutter prügelt ihr jedes Gefühl aus dem Leib - außer dem Selbsthass. Precious ist schwarz, übergewichtig, Analphabetin, kaum der Sprache mächtig. Sie weiß nichts von der Welt, und die Welt verschließt die Augen vor ihr. Und doch gibt es, wie durch ein Wunder, Hoffnung für Precious. Als ihr die mutige, entschlossene Lehrerin Blue Rain mit viel Liebe, List und Überredungskunst das Lesen beibringt, öffnet sich für sie langsam eine Pforte zur Welt. Sie lernt, dass sie Gefühle hat und Träume - und eine machtvolle innere Stimme, die ihr die ungeschminkte Wahrheit über ihr Leben sagt.

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EINS


Als ich zwölf war, bin ich sitzengeblieben, weil mein Vater mir n Baby gemacht hat. Das war 1983. Ein Jahr bin ich nich zur Schule gegangen. Dass jetzt mein zweites Baby. Meine erste Tochter is Mongolin. Sie is zurückgeblieben. Ich bin auch schon inner zweiten Klasse sitzengeblieben, da war ich sieben, weil ich nich lesen konnte (und immer noch inne Hose gemacht hab). Ich müsst inner elften sein und inne zwölfte kommen, damit ich n Abschluss machen kann. Bin ich aber nich. Ich bin inner neunten.

Ich bin vom Unterricht ausgeschlossen worden, weil ich schwanger bin. Was, find ich, nich fair is. Ich hab nix gemacht!

Ich heisse Claireece Precious Jones. Weiss nich, warum ich euch das erzähl. Vielleicht, weil ich nich genau weiss, wie weit ich mit dieser Geschichte komm, obs überhaupt ne Geschichte is, oder warum ich eigentlich rede; ob ichs von Anfang an erzähl oder mit heute anfang oder was in zwei Wochen is. Klar, wenn du redest oder schreibst, kannst alles machen, nich wie wenn du lebst, wo du nur machen kannst, was du machst. Manche Leute erzählen dir was, und es stimmt gar nich oder macht kein Sinn. Aber ich will versuchen, dass alles stimmt und Sinn macht, sonst kann mans doch gleich vergessen. Gibts nich schon genug Lügen und Scheiss auffer Welt?

Also, okay, heute is heute. Donnerstag, der dreiundzwanzigste September 1987, und ich geh grade den Gang runter. Gut seh ich aus, und riechen tu ich auch gut – frischgewaschen und sauber. Heiss isses, aber ich zieh meine Lederjacke nich aus, obwohls heiss is, sie könnt sonst wegkommen oder geklaut werden. Altweibersommer, sagt Mr. Wicher. Weiss nich, wieso er so was sagt. Wasser meint, is, dasses heiss is, über dreissig Grad, wie im Sommer. Und wir haben keine, ich meine null, absolut null Klimaanlage in dem gottverdammten Bau. Der Bau, von dem ich spreche, is natürlich LS. 146, die Junior Highschool. Hundertvierunddreissigste zwischen Lenox Avenue und Adam Clayton Powell Boulevard. Ich geh also den Gang runter vom Aufenthaltsraum zum Grundkurs Matte. Wozu die so Quatsch wie Grundkurs Matte brauchen, keine Ahnung. Vielleicht, damit mans hinter sich hat. Eigentlich is Matte nich so schlimm, wie ich dachte. Ich setz mich einfach in Mr. Wichers Klasse. Wir haben keine festen Plätze. In Mr. Wichers Klasse können wir sitzen, wo wir wollen. Sitz immer auffem selben Platz, ganz hinten, letzte Reihe direkt neben der Tür. Auch wenn ich weiss, dass die immer abgeschlossen is. Ich meld mich nich, er ruft mich nich auf. Nich mehr. Am ersten Tag hat er gesagt, «Schlagt eure Bücher auf, Seite 122.» Ich rühr mich nich. Er sagt, «Precious Jones, ich habe gesagt, schlagt Seite 122 auf.» Ich sag, «Bin nich taub, Mr. Wichser!» Die ganze Klasse lacht. Er wird ganz rot. Er klatscht mitter Hand auf sein Buch und sagt, «Reisst euch zusammen.» Ers n kleiner dünner Weisser, grad vielleicht einsfünfundsechzig. Ne arme Mehlnase, wie meine Mutter sagen würd. Ich kuck ihn an und sag, «Ich kanns auch klatschen lassen. Wollen wers klatschen lassen?» Und nehm mein Buch und lasses voll auffen Tisch klatschen. Die Klasse lacht lauter. Er sagt, «Precious Jones, ich muss dich bitten, auf der Stelle den Raum zu verlassen.» Ich sag, «Bevors nich klingelt, geh ich nirgendwo hin, Sie Wichser. Ich bin hier, damit ich Matte lern, und zwar von Ihnen.» Er kuckt wie n Flittchen, was grad von nem Dutzend Macker durchgefickt worden is. Weiss nich, wasser machen soll. Versucht sich zusammenzureissen, will cool sein und sagt, «Gut, wenn du was lernen willst, dann beruhig dich.» – «Ich bin ruhig», sag ich ihm. Er sagt, «Wenn du was lernen willst, dann sei still und schlag dein Buch auf.» Sein Gesicht is ganz rot, und er zittert. Ich lass gut sein. Hab gewonnen. Schätz ich.

Ich wollt ihn gar nich vorführen oder verletzen. Aber er soll nich, niemand soll merken, dass Seite 122 für mich aussieht wie Seite 152, 22, 3, 6, 5 – alle Seiten sehn gleich aus für mich. Und ich will wirklich was lernen. Jeden Tag sag ich mir, heut passiert was, so was wie inner Glotze. Ich fang an durchzublicken, oder jemand blickt durch mich durch – ich lern was, hol auf, bin normal und setz mich in die vorderste Reihe. Aber heut is wieder nich der Tag.

Aber der erste Tag, von dem ich euch erzähl. Heut is also nich der erste Tag, und wie gesagt war ich auffem Weg in Mattekurs, als Mrs. Lichenstein mich im Gang abfängt und in ihr Büro zieht. Bin echt sauer, weil ich Matte wirklich mag, auch wenn ich nix mach, noch nich mal mein Buch aufschlag und nur fünfzig Minuten rumsitz. Ich mach kein Ärger. Im Gegenteil. Wenn paar von den andern Homies dumm rumquatschen, hau ich dazwischen. Ich sag, «Halts Maul, ihr Säcke, ich will was lernen.» Erst lachen sie, wollen, dass ich Mr. Wicher verarsche und den Unterricht stör. Dann steh ich auf und sag, «Halts Maul, ihr Säcke, ich will was lernen.» Die blöden Eierkohlen kucken dumm ausser Wäsche. Mr. Wicher kuckt dumm ausser Wäsche. Ich bin nämlich gross, einssiebenundsiebzig-achtundsiebzig, und wieg über neunzig Kilo. Die haben Schiss vor mir. «He Kohlenkopp», sag ich zu nem Knaben, der aufgesprungen is, «setz dich und hampel nich rum.» Mr. Wicher kuckt blöd, aber dankbar. Ich bin für Mr. Wicher so was wie seine Polizei. Sorg für Recht und Ordnung. Ich mag ihn und stell mir vor, wir sind verheiratet und wohnen in Wesschesser, wo immer das liegt.

Ich sehs an sein Augen, dass Mr. Wicher mich auch mag. Würd ihm gern sagen, dass für mich alle Seiten gleich aussehn, aber ich kanns nich. Ich krieg trotzdem ziemlich gute Noten. Eigentlich immer. Will bloss schleunigst raus ausser verdammten LS. 146, auf die Highschool und mein Abschluss machen.

Egal, jetzt bin ich in Mrs. Lichensteins Büro. Sie kuckt mich an, ich kuck sie an. Ich sag nix. Endlich sagt sie, «Nun Claireece, wir kriegen also Zuwachs.» Aber sie sagts nich wie ne Frage, sie sagts, wie wenn ich nich Bescheid wüsste. Ich sag immer noch nix. Sie sitzt hinter ihrem breiten Holzpult, hat die Hände auffer Platte gefaltet und glotzt mich an.

«Claireece.»

Alle nennen mich Precious. Ich hab drei Namen – Claireece Precious Jones. Nur Wichser, die ich hasse, nennen mich Claireece.

«Wie alt bist du, Claireece?»

Die weisse Votze hat meine Akte vor sich liegen. Seh ich doch. Bin doch nich belämmert. Die Schlampe weiss, wie alt ich bin.

«Sechzehn ist, ähh», sie räuspert sich, «ziemlich, äh, alt für die Junior Highschool.»

Ich sag immer noch nix. Wenn die so schlau is, soll sie sich ihr Maul fusslig reden.

«Nun komm schon, Claireece, du bist schwanger, Claireece, nicht wahr?»

Jetzt fragt die Alte. Grade hat sies noch genau gewusst.

«Claireece?»

Jetzt versucht sies auf die sanfte Tour.

«Claireece, ich rede mit dir.»

Ich sag immer noch nix. Die Nutte bringt mich um mein Mattekurs. Ich geh gern in Mattekurs. Mr. Wicher siehts gern, wenn ich da bin und die grölenden Nigger in Schach halt. Ers nett, hat jeden Tag n coolen Anzug an. Der läuft nich rum inner Schule wie n Feudel, wie die andern Lehrer.

«Will nich noch mehr von meinem Mattekurs verpassen», sag ich zu Mrs. Arschgesicht.

Sie glotzt mich an, als hätt ich gesagt, ich wollt nem Hund ein blasen. Was hat sie bloss, die Schlabbervotze. (Das sagt meine Mutter zu Frauen, die sie nich ab kann, Schlabbervotze. Ich kapier irgendwie, was sie damit meint, und irgendwie doch nich ganz, aber wie sichs anhört, gefällts mir, also sag ichs auch.)

Ich steh auf, aber Mrs. Lichenstein sagt, ich soll mich hinsetzen, sies noch nich fertig mit mir. Aber ich bin fertig mit ihr, das kapiert sie einfach nich.

«Ist das nicht dein zweites Baby?» sagt sie. Ich frag mich, was sonst noch in der Akte steht, wo mein Name drauf is. Ich hasse sie.

«Du und deine Mutter solltet zu mir in die Sprechstunde kommen.»

«Wegen was?» frag ich. «Ich hab nix gemacht. Ich mach meine Aufgaben. Ich hab keine Probleme. Meine Noten sind gut.»

Mrs. Lichenstein glotzt mich an, als würd ich drei Arme haben und ausser Möse stinken.

Was hat meine Mutter damit zu tun, will ich fragen. Was hat die damit zu tun? Sags aber nich. Sag bloss: «Meine Mutter hat zu tun.»

«Nun, vielleicht könnte ich es einrichten, zu dir nach Hause zu kommen ...»

Mein Gesicht muss ihr gelangt haben, und ich hätt ihr eine gelangt, wenn sie noch ein Ton gesagt hätt. Zu mir nach Hause kommen! Naseweisse Schlampe! Wir kommen ja auch nich zu dir nach Wesschesser oder wo Clowns wie du wohnen. Mann, mir reichts, ich hab genug gehört, die weisse Schlampe will mich besuchen kommen.

«Nun dann, Claireece, fürchte ich, muss ich dich vom Unterricht ausschliessen ...»

«Wegen was!»

«Du bist schwanger ...»

«Dass kein Grund, jemand auszuschliessen! Ich kenn meine Rechte!»

«Dein Benehmen, Claireece, ist überaus unkooperativ ...»

Ich hab übers Pult gelangt und wollt ihren fetten Arsch übern Tisch ziehn. Sie wollt mir ausweichen, is nach hinten geflogen und hat angefangen, «WACHSCHUTZ WACHSCHUTZ!» zu brüllen.

Vor der Tür, auffer Strasse, hab ich immer noch gehört, wie das Arschgesicht gebrüllt hat: «WACHSCHUTZ WACHSCHUTZ!»

«Precious!» Dass jetzt meine Mutter, die nach mir ruft.

Ich sag nix. Sie hat mein Bauch angeglotzt. Ich weiss, was kommt. Ich wasch weiter ab. Wir hatten Brathühnchen, Kartoffelmus mit Sosse, grüne Bohnen und Weissbrot zum Abendessen. Weiss nich, in welchem Monat ich bin. Hab keine Lust, hier rumzustehen und mir anzuhören, wie Mama mich ne Schlampe nennt. Brüllt und schreit mich den ganzen Tag an, wie beim letzten Mal....



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