Scali | Solange du noch träumen kannst | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Scali Solange du noch träumen kannst

Roman
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-20202-6
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-641-20202-6
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mia stammt aus wohlhabender Familie und hat gegen den Willen ihrer Eltern Tiermedizin studiert. Und die junge Ärztin verfolgt einen weiteren Traum: Sie möchte kranken Kindern helfen, und zwar mit einer Tiertherapie. Ihre ersten drei kleinen Patienten Lukas, Martina und Giulio schöpfen Dank Mia endlich wieder Hoffnung. Privat verläuft ihr Leben dafür eher chaotisch, denn nach längerem Single-Dasein lernt sie gleich zwei interessante Männer kennen. Alberto ist Chirurg und wäre der perfekte Schwiegersohn - ihre Eltern sind begeistert. Aber dann ist da ja noch Diego, der nette Polizist, der nicht aus gutem Hause kommt, aber ein gutes Herz hat ...

Lucrezia Scali wurde 1986 in der Nähe von Turin geboren, wo sie auch heute noch lebt. Sie hat Tiermedizin studiert. Gleich mit ihrem ersten Roman 'Solange du noch träumen kannst' feierte sie einen großen Erfolg in ihrem Heimatland.
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Kapitel Eins

Die Sonne strahlte hell auf den Sandstrand mit den windgebeugten Kokospalmen und tauchte diesen Winkel des Paradieses in ihr goldenes Licht. Keine Wolke trübte den türkisblauen Himmel, und die leichte Brise zeichnete durchsichtige Linien auf die Wasseroberfläche.

Ich lag auf einer Liege ganz dicht am Ufer und nippte an meinem Fruchtcocktail. Mein Gaumen schmeckte reife Erdbeeren und Ananas, mit einem Hauch von Zimt im Abgang.

Ich verbannte jede Sorge aus meinem Kopf, um die verdiente Erholung zu genießen. Einige Meter vor mir stieg ein Mann aus dem Meer und kam langsam auf mich zu. Nur noch ein paar Sekunden und ich würde sein Gesicht erkennen.

Fehlanzeige, denn auch an diesem Morgen ertönte plötzlich die Melodie von Beautiful Day. So ein Pech, ich befand mich also immer noch in der gleichen Welt wie sonst, und das einzig Paradiesische war die Postkarte, die ich mit Tesafilm an den Spiegel über der Kommode geklebt hatte.

Ich zwinkerte ein paarmal, als das Sonnenlicht auf meine Augen traf, und drehte mich murrend auf die Seite.

»Das ist unfair, warum hört es immer dann auf, wenn es am schönsten ist?«, jammerte ich und schlug die Bettdecke zurück.

Dann wickelte ich mich doch wieder in die Decke, um mir noch fünf Minuten Ruhe zu gönnen. Vielleicht würde ich, wenn ich jetzt die Augen zumachte und tief atmete, noch einmal einschlafen und Ihn wiedertreffen.

Keine Chance. Von der anderen Seite der Tür erklang ein Jaulen. In Dauerschleife und misstönend wie immer. Ich zählte bis zehn und, genau, da kam schon die Begleitmusik, ein unerträgliches Kratzen auf dem Walnussholz. Jeden Morgen das Gleiche.

»Ist gut, Bubu … ich steh ja schon auf …«, brummte ich.

Meine Worte wirkten auf ihn wie ein Adrenalinstoß: Die Taktfrequenz des Kratzens nahm zu, und das Jaulen verwandelte sich in ein schrilles Winseln.

Gähnend quälte ich mich aus dem Bett. Barfuß ging ich zur Tür und öffnete sie. Ich hielt den Atem an, und eine Lawine von dreißig Kilo Glückseligkeit brach über mich herein.

Bubu hatte lange Ohren, die zu beiden Seiten der Schnauze herabbaumelten und wie Fahnen im Wind flatterten, wenn er rannte. Er war nicht besonders groß, aber für einen Hund entwickelte er eine erstaunliche Kraft.

»Schluss! Aus!«, flehte ich ihn an und schützte mich so gut es ging vor dem Ansturm meines Fellnasenfreundes.

Ich stützte mich mit einer Hand an der Wand ab und versuchte aufzustehen, während ich mir mit der anderen den schmerzenden Hintern rieb.

»Komm, wir gehen in die Küche. Frühstück. Ich habe richtig Hunger …«

Bubu schenkte mir einen treuen Hundeblick, sprang auf und sauste zur Treppe. Vor zwei Jahren war ich in dieses alte Haus gezogen, auf einem Hügel, der von der Straße aus betrachtet einen perfekten Halbkreis bildete. Es war noch größtenteils renovierungsbedürftig, man hatte nur oberflächlich daran gearbeitet. An einigen Stellen kam bei der leisesten Berührung der Putz herunter und enthüllte die Spuren meiner Vorgänger. Die alten Dachziegel hatte ich kürzlich ersetzen lassen, und jetzt musste ich noch die Fenster austauschen, denn es zog an allen Ecken und Enden.

Die Küche war klein, aber ich liebte sie. Sie wirkte so frisch und hell. Auf dem Brett vor dem quadratischen Fenster über der Spüle stand eine Reihe Töpfe mit Gewürzkräutern. Die einzigen Pflanzen, die bei mir am Leben blieben. An den Wänden hingen Regalbretter aus unbehandeltem Holz, auf denen ich einige Bände aus meiner geliebten Kochbuchsammlung untergebracht hatte.

Bubu war schneller gewesen als ich. Erwartungsvoll hatte er sich vor dem leeren Fressnapf aufgebaut. Neugierig blickte er hinein und schob ihn mit einer Pfote weg, um meine Aufmerksamkeit zu erregen.

Ich füllte den Napf bis zum Rand, und während Bubu geräuschvoll und hungrig sein Trockenfutter zermalmte, holte ich mir meine Lieblingstasse aus dem altmodischen Küchenschrank und goss mir Kaffee ein. Sein Duft rief Kindheitserinnerungen in mir wach, die eng mit diesem Haus verbunden waren. Meine Großmutter, die einen Apfelkuchen aus dem Ofen holte, sich dann aus dem Fenster beugte, um meinen Großvater zu rufen, der im Garten arbeitete. Sie musste ihn immer zweimal rufen, weil er beim ersten Mal so tat, als hörte er sie nicht.

Ich nahm mir den handgestrickten Umhang vom Stuhl, wickelte ihn mir um die Schultern und warf gleichzeitig einen Blick aus dem Fenster, wo die Sonnenstrahlen hell in den Garten fielen. Kein Kunstwerk, aber ordentlich angelegt und gut gepflegt, doch der Zauber von einst war verflogen.

Dieser Garten gehörte zu meinen lebhaftesten Kindheitserinnerungen. Ich hatte immer noch den Duft der Blumen in der Nase und sah vor mir, mit wie viel Liebe mein Großvater ihn gehegt hatte Er kam ins Haus zurück, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und Großmutter schalt ihn, weil er zu wenig Zeit mit ihr verbrachte. Dann hielt er ihr eine Rose hin, die er gerade gepflückt hatte. Auf seinem Gesicht erstrahlte ein breites Lächeln, und sie konnte ihm nicht lange böse sein.

»Die Blumen haben eine geheime Kraft, ihnen gelingt es, selbst in die düstersten Momente Farbe zu bringen«, sagte mein Großvater immer, wenn ich ihm half, die Rosen zu gießen und eifrig jede seiner Bewegungen nachahmte.

Bubu rannte los, streifte dabei meine Beine und setzte sich vor die Tür. Dann drehte er sich um und fixierte mich. Das war inzwischen unsere tägliche Verabredung geworden. Ich drückte die Klinke hinunter und öffnete ihm die Tür. Schwanzwedelnd sprang er hinaus und wälzte sich im kühlen Gras. Es war so herrlich, ihm beim Spielen zuzusehen. Kann sein, dass ich Bubu gerettet hatte, aber umgekehrt galt das ganz genauso.

Während Bubu draußen herumtobte und nach irgendwelchen Knochen buddelte, machte ich mich fertig und sah nach, welche Termine für den Tag auf dem Plan standen.

Punkt halb neun hielt ich vor dem Haus, in dem Fiamma wohnte. Die Fahrt dorthin dauerte drei Songs lang, das hatte ich inzwischen oft genug gestoppt. Zum Glück geriet ich nie in Staus, und so blieb diese Zahl unangetastet. Ich hupte kurz und wartete unten in der Gasse.

Ich folgte mit dem Blick Fiammas graziler Gestalt, die eiligen Schrittes auf mein Auto zukam. Eine kastanienbraune Haarpracht umrahmte ihre zarten Gesichtszüge. Die tiefgrünen Augen hoben sich leuchtend von ihrem hellen Teint ab.

An diesem Morgen hatte sie sich etwas schicker als sonst angezogen. Und mich überfiel eine Duftwolke Parfüm.

»Hallo, Mia! Na, wir sind aber heute Morgen pünktlich!«, rief sie aus, während sie ihre Handtasche auf die Rückbank legte.

Fiamma war seit der Schulzeit meine beste Freundin. Wir hatten uns am ersten Tag in der Grundschule kennengelernt. Während ich meine Mutter nicht loslassen wollte, lief sie schon vor ins Klassenzimmer. Sie hatte auf den leeren Platz in der Bank neben sich gezeigt, und in ihrem zahnlückigen Lächeln hatte ich eine Freundin gefunden.

Wir waren gemeinsam groß geworden, und ich hatte unsere Freundschaft nie in Zweifel gezogen.

»Das kann ich von dir nicht gerade behaupten, da du ja nicht einmal Zeit hattest, dich zu schminken …«, ich musterte sie von oben bis unten, »… und dich umzuziehen«, schloss ich grinsend.

Bevor Fiamma darauf etwas entgegnen konnte, klingelte ihr Handy. Sie meldete sich, nickte ein paarmal und sah mich zufrieden an. »Ich sage ihr sofort Bescheid und dass sie sich bei Ihnen sobald wie möglich melden soll. Danke und bis bald.«

Ich drehte ruckartig den Kopf und starrte sie an: »Sag mir, dass es so ist, wie ich denke. Bitte …«

»Das war der Direktor des Krankenhauses«, antwortete sie zögernd und klang plötzlich niedergeschlagen.

»Mach jetzt bloß keine Geschichten! Erzähl mir sofort, was er gesagt hat!«

Da ich so triumphierend klang, gab sie auf.

»Glückwunsch, beste Freundin! Wir haben eben die Erlaubnis erhalten, mit unserem Projekt zu starten. Die haben der Pet Therapy zugestimmt«, antwortete sie, selbst total aus dem Häuschen.

Ich seufzte erleichtert auf und suchte Fiammas Blick. Eine Sekunde sahen wir einander stumm an, und dann lächelte ich breit. Ja, wir hatten es geschafft, und mit diesem Erfolg hatte ich mich selbst überrascht. Gut, wir standen noch ganz am Anfang, aber ich genoss trotzdem diesen aufregenden Moment.

»Du sollst bei ihm im Büro vorbeischauen, um die Unterlagen zu unterschreiben. Unser Vorschlag wurde genau geprüft, und sie möchten das Projekt mit einigen Patienten testen. Wenn dein Handy nicht wie immer leise gestellt wäre, hättest du selbst mit ihm sprechen können.«

Fiamma hatte natürlich recht, ich sollte endlich mal diese schreckliche Angewohnheit ablegen.

»Ich werde mich noch mehr bemühen, vor allem nach dieser tollen Nachricht. Anfangs wirkten die gar nicht so begeistert von der Sache, vielleicht hielten sie es für Zeitverschwendung. Doch schließlich haben wir sie überzeugt! Ich bin schon ganz gespannt zu sehen, welche Wirkung unsere Hunde auf die Kinder im Krankenhaus haben.«

»Wie gut, dass wir drangeblieben sind, siehst du jetzt, dass man mit Beharrlichkeit alles erreichen kann?«, verkündete Fiamma triumphierend.

»Schon gut, du hast ja recht. Aber nach dieser wunderbaren Neuigkeit jetzt mal was ganz anderes: Wie ist dein Date gestern Abend gelaufen, erzähl schon?«, fragte ich neugierig.

»Du vergisst nie etwas, oder? Ich glaube, dass ich jede Einzelheit aus meinem Kopf gelöscht habe, damit ich nicht durchdrehe. Was soll ich sagen? Wieder mal ein Schlag ins Wasser …«, antwortete Fiamma, während sie sich einen perfekten Kajalstrich unter die Augen zog. »Die Typen sind doch alle...


Neeb, Barbara
Barbara Neeb und Katharina Schmidt sind seit über fünfzehn Jahren als Übersetzerinnen-Duo unterwegs. Ihre literarischen Entdeckungsreisen führen sie nach Italien, England und Frankreich und auch ins bunte Land der Fantasie. Ihre Philosophie: »Vier Augen sehen mehr als zwei!« Im Verein Weltlesebühne e.V. engagieren sie sich für die Sichtbarkeit von Übersetzer:innen mit Veranstaltungen und auf dem eigenen Youtube-Kanal.

Scali, Lucrezia
Lucrezia Scali wurde 1986 in der Nähe von Turin geboren, wo sie auch heute noch lebt. Sie hat Tiermedizin studiert. Gleich mit ihrem ersten Roman "Solange du noch träumen kannst" feierte sie einen großen Erfolg in ihrem Heimatland.

Schmidt, Katharina
Barbara Neeb und Katharina Schmidt sind seit über fünfzehn Jahren als Übersetzerinnen-Duo unterwegs. Ihre literarischen Entdeckungsreisen führen sie nach Italien, England und Frankreich und auch ins bunte Land der Fantasie. Ihre Philosophie: »Vier Augen sehen mehr als zwei!« Im Verein Weltlesebühne e.V. engagieren sie sich für die Sichtbarkeit von Übersetzer:innen mit Veranstaltungen und auf dem eigenen Youtube-Kanal.



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