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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Schindler Höcke

Ein Rechtsextremist auf dem Weg zur Macht. Die AfD und ihr gefährlichster Vordenker
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-451-83802-6
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Rechtsextremist auf dem Weg zur Macht. Die AfD und ihr gefährlichster Vordenker

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-451-83802-6
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Björn Höcke stellt mit der AfD die größte Oppositionspartei und mittlerweile bundesweit zweitstärkste Kraft. Er hat die Partei, die von Millionen Menschen gewählt wird, inhaltlich maßgeblich geprägt und in seinem Sinne verändert. Und er hat noch viel vor. Der Rechtsextremist und Geschichtsrevisionist sieht sich als »Deutschlandretter«. Wer ist der Mann, der im ganzen Land Anhänger hat? Wie hat es Höcke geschafft, aus einer rechtskonservativen Anti-Euro-Partei eine vom Bundesamt für Verfassungsschutz als in Teilen gesichert rechtsextremistisch eingestufte Bestrebung zu formen, in der ihm niemand mehr widerspricht? Was ist Höckes Ziel und wie will er es erreichen? Der Journalist und langjährige AfD-Beobachter Frederik Schindler blickt in diesem Buch hinter die Kulissen der Rechtsaußen-Partei. In seiner investigativen Recherche beleuchtet er Höckes Umfeld, seine Zeit vor dem Gang in die Politik und sein Wirken innerhalb der AfD. Aus vielen Gesprächen mit Höckes Weggefährten, seinen Vertrauten, Kritikern und ihm selbst zeichnet Schindler den Umbau der AfD nach, analysiert Höckes Strategien und gibt Einblicke in dessen Netzwerk. So entsteht ein umfassendes Bild u¨ber einen Politiker, der mit seiner radikalen Ideologie die Demokratie gefährdet.

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Höcke und die AfD


Der politische Betrieb hat auf Björn Höcke „nie einen großen Reiz ausgeübt“, so schreibt er es in seinem Buch. „Seit meiner Jugend interessierte ich mich zwar für historische und politische Themen, aber sich den Gesetzen und Mechanismen von Parteien zu unterwerfen, kam für mich nicht in Frage.“ An anderen Stellen spricht er von einem „bedrohlich ausgewucherten Parteienstaat“. Er beklagt einen „Zustand der Zerissenheit“ und hat dafür auch einen Lösungsvorschlag: „Der Parteigeist muß überwunden, die innere Einheit hergestellt werden.“

Die Kritik am Parteiensystem gehört seit über einem Jahrhundert zum festen Bestandteil rechter politischer Strömungen in Deutschland. Ein bedeutender ideengeschichtlicher Ursprung dieser Kritik liegt in der „Konservativen Revolution“ der 1920er-Jahre, auf die sich Höcke immer wieder bezieht. Deren Vordenker lehnten das Parteienwesen als Ausdruck „westlicher Dekadenz“ ab und propagierten stattdessen autoritäre, elitengeleitete oder plebiszitäre Ordnungsmodelle. Parteien galten als Vertreter von Einzelinteressen, die den „organischen Volkswillen“ zerstückelten. In der Weimarer Republik äußerte sich diese Haltung besonders deutlich. Rechte Kräfte kritisierten das parlamentarische System als schwach und zersetzend. Die Nationalsozialisten stilisierten die Parteienvielfalt zur Ursache politischer Instabilität und forderten ihre Überwindung zugunsten eines Führerstaats. Ähnliche Positionen fanden sich in monarchistischen und deutschnationalen Milieus, die die „Parteienherrschaft“ als Verrat an nationaler Einheit betrachteten.

Dass Höcke sich nach jahrelanger Auseinandersetzung mit den Schriften der „Konservativen Revolution“ im Jahr 2013 entscheidet, den Gang in die Politik zu wagen, mag daher überraschen. Eine Begründung dafür liefert sein Vertrauter Götz Kubitschek im Juli 2025 beim Sommerfest seines Verlags Antaios in Schnellroda. „Bei aller Kritik, die wir haben, ist immer klar, dass in einem Parteienstaat eine Partei quasi der einzige Weg ist, um überhaupt sowas wie Machtbeteiligung für die richtigen Inhalte zu bekommen“, sagt er. „Partei ist ein Kraftinstrument, ein Motor, den niemand von uns so hätte aufsatteln können und das darf man nie vergessen, bei aller Kritik daran.“ So viele Chancen, gewisse Dinge geradezubiegen, werde es nicht mehr geben, ergänzt daraufhin Erik Lehnert, der Herausgeber von Kubitscheks neurechtem Theorieorgan Sezession. „Natürlich müssen wir dann auf eine Partei setzen, und dort eben möglichst lange den parteienstaatskritischen Impuls wachhalten und befeuern.“

Auch Björn Höcke sieht die Partei nicht als Zweck, sondern nur als Mittel. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern hat er die AfD zu einer Partei geformt, die das bestehende Parteiensystem systematisch infrage stellt: Begriffe wie „Altparteien“, „Systemparteien“ oder „Blockparteien“ knüpfen unmittelbar an die Diskurse früherer rechter Bewegungen an. Die AfD inszeniert sich als „einzige echte Opposition“ gegen ein angeblich kartellartig organisiertes politisches Establishment. Höcke behauptet, die AfD sei die „letzte evolutionäre Chance für unser Vaterland“. Von dieser Überzeugung ist er angetrieben. Für diese Überzeugung nimmt er die Irrungen und Wirrungen in Kauf, die die Arbeit in Parteien häufig tatsächlich auszeichnen. Es geht ihm um das „große Ganze“, wie er immer wieder glaubhaft mitteilt. Von seinen radikalen Positionen ist er vollends überzeugt. Er vertritt sie seit vielen Jahren konsequent, auch gegen Widerstände aus den eigenen Reihen. Und er ist damit erfolgreich: Es ist ihm gelungen, Kritiker auszubremsen und die Partei in seinem Sinne entscheidend zu verändern.

Rechts der Union


Im Mai 2025 steht der Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete Dominik Kaufner in seinem Wahlkreisbüro in Nauen. Hinter ihm ist ein großer Bildschirm aufgebaut, neben ihm steht ein Aufsteller, auf dem ein Porträtfoto von Björn Höcke abgedruckt ist. In einem Regel liegen Aufkleber aus. „Millionenfache Remigration JETZT!“, steht auf einem. „Brandenburger Jugend – Stolz und deutsch“, steht auf einem anderen. An der Wand hängt ein Kalender, auf dem ein Flugzeug abgebildet ist. „Rückflug nicht inklusive“, heißt es darauf. Kaufner präsentiert seinen Besuchern außerdem eine Reihe an Büchern, unter anderem vom französischen Rechtsextremisten Dominique Venner, von Ernst Jünger und Oswald Spengler. 

Der 41-Jährige hat seine Wähler zu einem Filmabend eingeladen. Alle Stuhlreihen sind besetzt, in der letzten Reihe sitzen fünf Kinder, das Büro ist voll. „Ich zähle es zu meinen besonderen Aufgaben als Abgeordneter, den Kontakt zum Vorfeld zu pflegen“, sagt Kaufner. „Heute will ich die großartige Arbeit des Filmkunstkollektivs vorstellen.“ Das Filmkunstkollektiv ist ein rechtsextremer Verein von Simon Kaupert und Torsten Goerke. Goerke war mal Stützpunktleiter der NPD-Jugend Junge Nationaldemokraten (JN) Salzland, Kaupert nahm 2015 am Pfingstlager der JN teil. Beide waren anschließend in der Identitären Bewegung aktiv und rechnen sich mittlerweile dem Vorfeld der AfD zu. Der Verein hat im Jahr 2024 den Dokumentarfilm „Der lange Anlauf“ über Björn Höcke veröffentlicht, den Kaufner an diesem Abend präsentiert. Höcke hat sich für den Film über mehrere Jahre immer wieder mit der Kamera begleiten lassen. An dem Abend erfahre ich, dass auch die IB-Aktivistin Annie Hunecke an dem Projekt beteiligt war. Die Abgrenzung der AfD zu den Identitären besteht längst nur noch auf dem Papier: Auf einer sogenannten Unvereinbarkeitsliste aus Lucke-Zeiten. Höcke forderte bereits im Februar 2022, dass die Liste „auf den Prüfstand“ gehöre. Im Dezember 2023 beklagte er dann eine „systematische Kriminalisierung unseres Vorfelds“ und eine „von außen bestimmte Distanzeritis“. 

Der Filmemacher Kaupert bezeichnet Höcke in Nauen als „den wichtigsten Oppositionellen“. „Wie kann es sein, dass jemand so verteufelt wird?“, fragt er. Dann beginnt seine Doku. Viele Passagen sind langatmig. Eine Szene ist jedoch sehr bemerkenswert, ein O-Ton von Götz Kubitschek. Der Verleger berichtet von einer intensiven Briefkorrespondenz zwischen ihm und Höcke, weit vor der Entstehung der AfD. Darin habe man sich zum einen über grundlegende politische Fragen ausgetauscht. „Aber eben immer auch über Organisations- und Beteiligungsfragen“, sagt Kubitschek. „Es gab ja nichts.“ Bei „diesen ganzen Kleinstparteien“ – Kubitschek nennt den Bund freier Bürger, die Republikaner, die Schill-Partei sowie die Partei Die Freiheit – sei allen klar gewesen, dass diese über einen „Splitteranspruch“ nie würden hinausragen können, da das „Stigma, rechts zu sein“ sofort vergeben worden sei. Dann sagt er: „Eine Partei würde eine Anlaufphase brauchen, in der sie uneindeutig ist, indifferent, nicht stigmatisiert, im Grunde aufgebaut von Leuten, denen man dieses Etikett auch nicht einfach so umhängen könnte – bis sie so stabil und stark ist, dass man sie auch nicht mehr unbedingt vom Feld fegen kann.“ Kubitschek gibt damit offen zu, was zuvor lediglich Partei-Insidern und aufmerksamen Beobachtern klar war: Höcke und seine Leute haben auf die Gründung der AfD geradezu gewartet, um die Partei dann so schnell wie möglich zu kapern und in ihrem Sinne umzubauen. Die AfD war das langersehnte Projekt, das endlich erfolgreich rechts von der Union eine Partei platzieren konnte.

Sowohl Kubitschek als auch Höcke sind zum Zeitpunkt der AfD-Gründung im Jahr 2013 schon seit vielen Jahren mit der Frage befasst, wie dies gelingen könnte. Bereits im Jahr 2007 gibt Kubitscheks Institut für Staatspolitik eine Studie mit dem Titel „Parteigründung von rechts“ heraus. Darin wird die Frage diskutiert, ob es möglich ist, eine rechte Partei neben der CDU so zu gründen und zu etablieren, „daß ihre Mitglieder nicht mehr ins Hinterzimmer einer Gaststätte oder in einen VW-Golf passen“. Wunschtypus der Neurechten ist demnach eine Partei, die im Hinblick auf die Mitgliederzahl auf ein Minimum reduziert ist – man sieht sich schließlich als Elite – und in der jedes Neumitglied zwei Bürgen braucht. Der Aufbau einer solchen Partei lohne sich aber nicht, da eine solch strenge Auswahl nicht mit dem im Grundgesetz enthaltenen Demokratieprinzip vereinbar sei. Das ernüchternde Fazit: „Es ist nicht die schlechteste Aufgabe, einen jungen Mann vor diesem Lebenskonzept und der Verschwendung seiner Kraft zu bewahren!“ Allerdings konstatieren die Studienautoren treffend, dass sich „das politische System der BRD eigentlich nur noch nach rechts ausdifferenzieren“ könne. Eine linke und eine an der Mitte orientierte Partei gebe es schon für jede soziale Schicht. Das Wählerpotenzial schätzt das Institut damals auf 15 bis 20 Prozent. „Mit einem solchen Stimmenanteil ist es möglich, Politik im parteipolitischen Rahmen mitzugestalten.“ Historisch sei die Situation „derzeit vergleichsweise günstig für eine neue Partei rechts von der Union“. Dafür brauche es einen „ausreichend integrativ wirkenden charismatischen ‚Volkstribun‘“, Aufmerksamkeit in den Medien und ein „brisantes Tabu-Thema“. Die Autoren müssen nur noch wenige Jahre warten, bis ihr Traum endlich Wirklichkeit wird.

Bis dahin hat es lange gedauert. Während rechte Parteien in vielen Nachbarländern längst etabliert sind, gibt es in Deutschland damals seit Jahrzehnten nur Parteien rechts der Union, von denen jeder weiß, dass sie niemals über einen kleinen...


Schindler, Frederik
Der Journalist Frederik Schindler berichtet seit 2018 über die AfD. Seit der Bundestagswahl 2021 ist er als Redakteur im Ressort Innenpolitik für die AfD-Berichterstattung der "WELT" und "WELT AM SONNTAG" verantwortlich und hat seitdem in zahlreichen Exklusiv-Geschichten das Innenleben der Rechtsaußen-Partei aufgedeckt. In seiner Kolumne "Gegenrede" schreibt Schindler vor allem über Islamismus und Antisemitismus.

Der Journalist Frederik Schindler berichtet seit 2018 über die AfD. Seit der Bundestagswahl 2021 ist er als Redakteur im Ressort Innenpolitik für die AfD-Berichterstattung der "WELT" und "WELT AM SONNTAG" verantwortlich und hat seitdem in zahlreichen Exklusiv-Geschichten das Innenleben der Rechtsaußen-Partei aufgedeckt. In seiner Kolumne "Gegenrede" schreibt Schindler vor allem über Islamismus und Antisemitismus.



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