Schultz / Hauser / Spars | "Nationalsozialistischer Untergrund" | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 158 Seiten

Schultz / Hauser / Spars "Nationalsozialistischer Untergrund"

Zehn Jahre danach und kein Schlussstrich

E-Book, Deutsch, 158 Seiten

ISBN: 978-3-17-039622-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Even ten years after the discovery of the ?National Socialist Underground= (NSU) terrorist group, there are many questions that remain unanswered. Were there other accomplices? How were the victims and crime scenes selected? Are there any connections to further attacks? Halle, Hanau, the murder of Walter Lübcke & Germany has been shaken again and again by right-wing extremist attacks. And time and again, questions have arisen about the state=s responsibility & as with the NSU complex. Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos and Beate Zschäpe were able to live underground for many years. They were able to carry out robberies and murders for years without being stopped & the authorities seemed to be clueless, blaming the so-called ?doner-kebab murders= on the victims= milieu. How was that possible? The question is still an explosive one, even and especially after the issuing of the verdict in the NSU trial. This book traces the contours of a case that is still uncanny and shocking today. And it addresses what are still burning issues: the role of the authorities, the judicial system and the media & and the suffering of those affected. It establishes connections to the never-ending series of attacks. What impact does the NSU have on the right-wing scene today? People have been receiving menacing letters signed ?NSU 2.0= and have been threatened with details taken from police sources about their private lives & and once again the authorities seem to have been unable to identify the perpetrators for years. The NSU complex is a challenge for the country. The mammoth court trial and a whole series of investigative committees have made progress in clarifying it, but have by no means brought it to a conclusion. The authors of this book clearly show that the state and society must not simply draw a line under it.
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Einleitung: Schrecken ohne Ende – der NSU und seine Folgen
Tanjev Schultz     Vor zehn Jahren landete in den Postkästen mehrerer Redaktionen und Organisationen in Deutschland ein scheußliches Video. Die Zeichentrick-Figur »Paulchen Panther«, auch bekannt als rosaroter Panther, führte als Erzähler durch den Film – und zeigte einen Mord nach dem anderen: Bilder des Terrors. Die beliebte Zeichentrickserie verwandelte sich in einen echten Horrorfilm. Am Ende ertönte die berühmte, eigentlich harmlose Schlussformel des rosaroten Panthers und klang nun wie eine unverhohlene Drohung: »Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage!« Wie sich herausstellte, hatten Neonazis den zynischen Film produziert und dafür Szenen aus der Zeichentrickszene zusammenmontiert und mit eigenem Material ergänzt, darunter Fotos von den Tatorten und Mordopfern sowie Ausschnitte aus Fernsehnachrichten und Zeitungsartikeln über die Verbrechen. Die NSU-Terroristin Beate Zschäpe will die DVDs verschickt haben, nachdem sich ihre beiden Freunde und Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt umgebracht hatten. Für den Tag, an dem sie auffliegen würden, war alles vorbereitet: Die Filme waren bereits in Versandtaschen verpackt und beschriftet. Die Nachwelt sollte endlich erfahren, wer hinter den vielen Anschlägen steckte, über die das Land mehr als zehn Jahre lang gerätselt hatte. Mit einem Schlag kam die Existenz der Terrorgruppe ans Licht, die sich selbst als »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) bezeichnete – ein Schock für die Öffentlichkeit und für die Familien, die so lange nicht gewusst hatten, wer ihre Väter, Sohne und Brüder ermordet hatte. Und eine Schmach für viele Politiker und Beamte, die oft abgewiegelt hatten, wenn sie nach versteckten Neonazi-Zellen gefragt worden waren. Nun mussten sie feststellen, dass eine solche Zelle sogar für den Mord an einer Polizistin verantwortlich war. Ältere kennen das Kürzel »NSU« noch als Namen für einen traditionsreichen Automobil- und Motorrad-Hersteller aus Neckarsulm. Nun verliehen Rechtsextremisten den drei Buchstaben eine ganz andere Bedeutung. Die Entdeckung von 2011
Am 4. November 2011 überfielen Mundlos und Böhnhardt in Eisenach eine Filiale der Sparkasse. Mit solchen Überfällen finanzierten die Neonazis ihr Leben im »Untergrund«. Die Beute von Eisenach – mehr als 70.000 Euro – und die beiden Fahrräder, mit denen die Männer zum Tatort gefahren waren, verstauten die Täter in einem angemieteten Wohnmobil. So hatten sie es früher auch schon gemacht. Doch diesmal ging der Plan nicht auf. Ein aufmerksamer Rentner, dem die Männer mit dem Campingwagen verdächtig vorkamen, alarmierte die Polizei. Als sich Beamte dem Fahrzeug näherten, feuerten die NSU-Terroristen auf die Polizisten, steckten das Wohnmobil in Brand und erschossen sich schließlich selbst. So haben es die Ermittler und später die Richter im NSU-Prozess und die Abgeordneten der Untersuchungsausschüsse rekonstruiert. Beate Zschäpe soll in der gemeinsamen Wohnung des Trios in Zwickau aus dem Radio vom Tod ihrer Freunde erfahren haben. Nun will sie, getreu einer für diesen Fall getroffenen Vereinbarung, Feuer gelegt haben. Anschließend türmte sie und fuhr vier Tage lang quer durch die Republik, bis sie sich am 8. November 2011 der Polizei stellte. Eineinhalb Jahre später, im Mai 2013, begann die Gerichtsverhandlung in München, an deren Ende – nach fünf Jahren mühsamer juristischer Wahrheitssuche – Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Das Urteil, gegen das Revision eingelegt wurde und das daher zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches immer noch nicht rechtskräftig war, sieht Zschäpe als Mittäterin bei allen Verbrechen, die dem NSU zugerechnet werden und mit denen sich die Neonazis in ihrem Video gebrüstet haben. Der NSU ermordete demnach zehn Menschen, verübte drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Von 1998 bis 2011 lebten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unter falschen Namen mitten in Deutschland. Ihr »Untergrund« war, recht besehen, eigentlich sehr »oberirdisch«. Das Trio hatte sich zuletzt in einer normalen, bürgerlich anmutenden Wohnung in einem ruhigen Stadtteil von Zwickau einquartiert. Aufgewachsen waren die drei Neonazis in Jena. Dort flohen sie 1998 vor der Polizei, nachdem diese bei einer Durchsuchung einer Garage, die Zschäpe angemietet hatte, Sprengstoff und rechtsradikales Propaganda-Material gefunden hatte. Zunächst fanden die drei Unterschlupf in Chemnitz, um die Jahrtausendwende zogen sie nach Zwickau. Die Mordserie begann im Jahr 2000 mit einem Anschlag auf den Blumenhändler Enver Simsek in Nürnberg. Im Jahr darauf folgten die Morde an Abdurrahim Özüdogru in Nürnberg, an Süleyman Tasköprü in Hamburg und an Habil Kiliç in München. Im Jahr 2004 erschossen die Rechtsextremisten Mehmet Turgut in Rostock. Ein Jahr später ermordeten sie Ismail Yasar in Nürnberg und Theodoros Boulgarides in München. Im Jahr 2006 schlugen sie innerhalb von zwei Tagen in Dortmund und Kassel zu und töteten Mehmet Kubasik und Halit Yozgat. Alle Opfer hatten türkische Wurzeln, bis auf Boulgarides, der Grieche war. Die Neonazis könnten ihn für einen Türken gehalten haben. Der Hass der Terroristen auf Türken ist gut belegt, in Notizen des NSU wurden alle Mordopfer als »Ali« bezeichnet und nummeriert. Bereits in Zschäpes Garage war 1998 auf einer Diskette eine Art Gedicht mit dem Titel »Ali Drecksau – Wir hassen dich« gefunden worden. Darin hieß es: »Ein Türke, der in Deutschland lebt und sagt, er ist auch hier geboren, den sehen wir schon als verloren.« Wie der NSU seine Opfer aussuchte, ist bis heute nicht widerspruchfrei aufgeklärt. Die Ermittler und das Gericht gehen davon aus, dass die Terroristen es darauf abgesehen hatten, willkürlich türkische Männer zu treffen und damit Angst und Schrecken bei Familien mit einer Migrationsgeschichte zu verbreiten. Doch nicht nur die Angehörigen der Opfer wundern sich darüber, wie die Täter ausgerechnet auf diese, zum Teil sehr unscheinbaren und entlegenen Straßen und Tatorte kommen konnten, die sie für ihre Anschläge aussuchten. Sie fragen sich, ob es ortskundige Komplizen gab. Bei einem Bombenanschlag des NSU in einer Kneipe in Nürnberg wurde 1999 ein junger Mann, dessen Eltern aus der Türkei stammten, verletzt. Drei Jahre später deponierten die Terroristen einen Sprengsatz, perfide getarnt in einer Christstollen-Dose, in einem kleinen Laden in Köln, den eine deutsch-iranische Familie führte. Als die damals 19-jährige Tochter die Dose öffnete, explodierte die Bombe. Die junge Frau lag wochenlang im Koma und überlebte den Anschlag nur mit großem Glück und intensiver medizinischer Behandlung. Im Jahr 2004 zündeten die Terroristen erneut in Köln eine Bombe. Diesmal hatten sie den Sprengsatz auf einem Fahrrad in die Keupstraße gestellt, in der viele türkische und kurdische Familien leben und arbeiten. Mehr als zwanzig Menschen wurden verletzt. Der Sprengsatz war mit langen Zimmermannsnägeln befüllt, die durch die Gegend geschleudert wurden und sich in die Körper der Menschen bohrten. Wie durch ein Wunder kam bei diesem Attentat niemand ums Leben. Seinen letzten Mordanschlag soll der NSU im Jahr 2007 in Heilbronn verübt haben. Dort schossen die Terroristen einer Polizistin und einem Polizisten in den Kopf, als diese im Streifenwagen saßen und auf einem großen, freien Festgelände eine Pause einlegten. Die Beamtin Michèle Kiesewetter starb, ihr Kollege Martin A. überlebte den Anschlag schwer verletzt (vgl. den Beitrag von Binninger). »Schande für unser Land«
Unter der Oberfläche der stabilen Demokratie, zu der die Bundesrepublik herangereift war, hatten die rechten Terroristen immer wieder zugeschlagen. Die Neonazis machten sich, anders als die linken Terroristen der RAF in den 1970er Jahren, nicht die Mühe, ausgefeilte Pamphlete zu verfassen. »Taten statt Worte« – diesen Grundsatz vertrat der NSU in seinem Video. Das Kalkül ging auf. Der Verfolgungsdruck der Polizei war gering. Anfangs hatten die Behörden zwar nach den untergetauchten drei Rechtsextremisten gefahndet, dabei jedoch zahlreiche Fehler gemacht und Skandale verursacht. Schließlich erlahmte die Suche – und jahrelang zog niemand eine Verbindung zwischen den Untergetauchten aus Jena auf der einen Seite und der bundesweiten Mordserie, den Bombenanschlägen und der Serie von Banküberfällen auf der anderen Seite. Stattdessen...


Prof. Dr. Tanjev Schultz teaches and researches at the Institute of Journalism at the University of Mainz.


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