Springorum | Spiegel des Bösen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Springorum Spiegel des Bösen


17001. Auflage 2017
ISBN: 978-3-522-62147-2
Verlag: Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-522-62147-2
Verlag: Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Grandhotel, in dem das Grauen herrscht, ein Zimmermädchen, das auf Rache schwört, drei Berghexen, die auf Seelen lauern, und eine Liebesgeschichte, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist ... Ein ungewöhnlicher, fesselnder Phantastikroman: Gänsehaut pur!

Björn Springorum, geboren 1982 in Calw, würde am liebsten am zweiten Stern rechts abbiegen, im Kleiderschrank eine neue Welt entdecken, durch einen Kaninchenbau ins Wunderland fallen, mit einem Ring unsichtbar werden, nur durch das Lesen eines Buches nach Phantásien reisen oder eine recht wagemutige Partie Quidditch spielen. Weil sich das alles als schwieriger herausstellt als gedacht, schreibt er eben solange seine eigenen Geschichten. Björn Springorum studierte Englisch und Geschichte, lebt, schreibt und liest in Stuttgart und wird von drei Katzen gehörig auf Trab gehalten.
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Endlose Korridore. Leere Gänge. Ihre Schritte geschluckt von durchgelaufenen dicken Teppichen voller Löcher. Bei ihrer Ankunft war es hier noch richtig trubelig gewesen, laut und voller Leben. Jetzt kam ihr das Hotel sehr einsam vor. Stiller. Dunkler. Irgendwo knarrte es.

Die Saison endete schon in zwei Tagen. Sophie und ihre Eltern gehörten zu den letzten Gästen, bevor das Hotel für die Wintermonate geschlossen und erst im Frühjahr erneut geöffnet wurde.

Ihr kam es schon jetzt so vor, als wäre das Hotel geschlossen. Ein abgestandener Geruch hing in der Luft. Schwer, muffig, verdorben. Schon bei ihrer Anreise war er ihr unangenehm in die Nase gekrochen und hielt sich hartnäckig. Ihr Vater hatte mit Nachdruck darauf bestanden, ein Zimmer im alten Flügel des Hotels zu bekommen. Mit anderen Worten: In dem Teil des Hotels, der noch nicht in den Genuss einer umfangreichen Modernisierung gekommen war. Regenwalddusche, Flatscreens, WLAN, dieser Kram eben. »Auf gar keinen Fall!«, hatte er abwinkend ausgerufen, als der Empfangschef sie in eines der besseren Zimmer umquartieren wollte. Wie sollte er denn da den wahren Geist des Hotels einfangen? Nach Sophies Ansicht waren das Einzige, was sie sich hier einfangen konnten, eine Erkältung und eine bedenkliche Menge an Schimmelsporen.

Missmutig stapfte sie voran. Vorne links, den Korridor entlang, dann rechts und um die Ecke mit dem verdorrten Blumenschmuck zum Fahrstuhl. Sie kannte den Weg längst auswendig. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass dort kein Fahrstuhl war. Sophie starrte auf eine Zimmertür, als wäre es die erste Tür, die sie in ihrem Leben sah. Nach zwei Tagen in diesem Hotel hätte sie den Weg in die Hotelhalle und dann weiter zum Frühstücksraum blind gefunden.

Dennoch musste sie falsch abgebogen sein.

Verwirrt hielt sie inne. Zaghaft blickte sie sich nach allen Seiten um. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurde. Aber von wem? Außer ihr, ihrem Spiegelbild in einem der großen Wandspiegel und den übellaunigen Porträts an den Wänden war weit und breit niemand zu sehen.

Sie ging zurück, fand problemlos ihre Zimmertür wieder. Zimmer 217. So weit, so gut. Der nächste Versuch endete vor einer Wand, von der sie hätte schwören können, dass sie am Vorabend noch nicht existiert hatte.

Was war an diesem Morgen nur los mit ihr? Für gewöhnlich war Sophie durch nichts aus der Ruhe zu bringen, hatte stets eine vernünftige Erklärung parat. Es musste dieser grässlich langweilige Ort sein, der sie verwirrte. Das – und ihre Eltern, die sich seit ihrer Ankunft noch unmöglicher verhielten als sonst.

Im dritten Anlauf fand sie endlich den richtigen Weg durch dieses Gewirr an leeren Gängen, Zimmern und toten Blumenarragements voller Spinnweben. Vor dem Aufzug saß ein dicker alter Mann auf einem durchgesessenen Korbsessel. Er schwitzte. Sie grüßte höflich und lächelte ihm zu, doch er ignorierte sie, den Blick geradewegs durch sie hindurch auf ein grimmig dreinblickendes Porträt gerichtet. Eine erloschene Zigarre hing schlaff in seinem Mundwinkel.

Als sie weiterging, hatte sie das Gefühl, dass ihr nicht nur der dicke Mann im Sessel hinterherschaute. Langsam schien es ihr gar nicht mehr so abwegig, was ihr Vater gestern erzählt hatte. »Hotels sind übersinnliche Orte, in denen viele ihr Leben ließen, da spukt es von Natur aus. Ein Grandhotel vergisst nie. Seine Wände haben mehr Geheimnisse gehört als ein Priester. Was sie uns wohl erzählen würden, wenn sie sprechen könnten?«

Klagend setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Auch er schien über Nacht in die Jahre gekommen zu sein, ruckelte und stöhnte, als wäre er seit 50 Jahren nicht gewartet worden. Sophie kam sich vor wie ein rußgeschwärzter Minenarbeiter, der in einem Lastenaufzug tief hinein in eine lichtlose Unterwelt geschickt wurde. Grandhotel Abgrund … wäre das nicht der passendere Name für diese altersschwache Ruine? Grandhotel Rabenfels klang wie aus einem billigen Gruselroman. Na gut, auch dazu passte dieses Gebäude irgendwie.

War ihr das bisher einfach nicht aufgefallen oder hatte man in diesem Fahrstuhl immer schon das Gefühl gehabt, jeden Augenblick abzustürzen? Nein, gestern war er noch wie geschmiert gelaufen, ganz sicher. Mit flauem Gefühl im Bauch klammerte sie sich an der angelaufenen Messingstange fest, die Augen auf den langsam nach links zuckelnden Zeiger der Stockwerkanzeige gerichtet, als wollte sie ihn hypnotisieren.

Ein heftiger Ruck. Ein bedrohliches Wanken. Dann stand der Aufzug still. Wenn dieses Ding jetzt auch noch stecken blieb!

Sophies Blick schoss nervös zu der Stockwerksanzeige. Scheinbar hing sie zwischen der ersten und zweiten Etage fest. Sophies Atem beschleunigte sich, mühsam zwang sie sich zur Ruhe. Der Notruf … Es gab doch immer einen Notruf in Aufzügen.

In diesem nicht.

Unruhig hämmerte Sophie auf die Knöpfe der einzelnen Stockwerke ein. Sie spähte durch den kleinen Spalt der Aufzugstüren. Offensichtlich hing sie wirklich zwischen den Etagen fest. Sophie ging näher an den Spalt heran, versuchte, im Dämmerlicht dahinter etwas zu erkennen.

Plötzlich huschte ein Schatten in der Dunkelheit hinter den Türen vorbei. Sophie machte einen Satz zurück und prallte schmerzhaft gegen die Rückwand des Aufzugs. Dröhnend setzte dieser sich wieder in Bewegung.

Ein kurzes Bimmeln. Endlich. Der Fahrstuhl kam rasselnd und rumorend zum Stillstand, die Türen bewegten sich langsam zur Seite. Nur widerwillig, so schien es, gab diese betagte Maschine ihre Beute wieder frei.

Kurz durchatmen. Umsehen. Keine Spur von ihren Eltern. Dennoch war sie fürs Erste heilfroh, diesem rumpelnden Gefängnis entkommen zu sein. Sie setzte einen unsicheren Schritt vor den anderen, die breite Treppe in die Hotelhalle hinab. Vor ihr sollen bereits Filmstars, Wirtschaftsbosse und Prinzessinnen diese steinernen Stufen benutzt haben. Es musste sehr, sehr lange her sein. Die Hotelhalle war sorgsam restauriert worden. Dennoch schien Sophie an diesem Morgen alles irgendwie verwahrloster, abgelebter. Wieso war ihr das zuvor nicht aufgefallen?

Durch eine gläserne Kuppel fiel diffuses Licht in großen Säulen herein, Staubkörner vollführten ein chaotisches Ballett darin. Das Mobiliar war edel, aber abgenutzt, die Goldverzierungen verblasst, die Teppiche abgewetzt. Es war, als hätte man ein Tuch weggezogen – und mit ihm all den Glanz. Nur die Spiegel, stellte Sophie milde erstaunt fest, waren anders. Die Spiegel glänzten ausnahmslos blitzblank.

Aus dem Speisesaal drang klassische Musik herüber. Seltsam verzerrt und leiernd, als spielte man sie zu langsam ab. Dann erinnerte sie sich daran, dass der Speisesaal von einem kleinen Kammerorchester beschallt wurde. Ob man auch echte Musiker zu langsam abspielen konnte? Ein Blick in den hohen Raum, in dem vereinzelt Menschen saßen und frühstückten –, nichts.

Überall schoben Pagen mit schicken Mützchen vergoldete Kofferwägen durch die Gänge, auf denen sich bergeweise Gepäck türmte. Die Drehtür wehte in unregelmäßigen Abständen kühle Herbstluft in die Halle hinein, hin und wieder schraubte sie auch einen Gast nach draußen.

Massive Zimmerschlüssel aus Messing wanderten aus der Hand der Gäste zurück in die großen Kästen hinter der Rezeption, das Geräusch gekünstelter Verabschiedungen und eilig gekritzelter Unterschriften erfüllte die Halle. Alles schien so zu sein, wie man es von einem großen, teuren und bedeutenden Hotel erwartete. Mit einem Unterschied: An diesem Morgen kam es Sophie so vor, als wäre die Betriebsamkeit nur vorgetäuscht. Als hätte es nicht funktioniert, diesen seit 100 Jahren schlafenden Riesen zu wecken.

Sophie hatte eine gute Vorstellung davon, wie lebendig das Hotel zu seinen Glanzzeiten gewesen sein musste. Jetzt war nicht mehr als ein Schatten davon übrig.

Sie verspürte einen Stich. Einen kurzen bitteren Moment wurde sie von dem betäubenden Gefühl geflutet, allein zurückgelassen worden zu sein. Sophie Schuster, der letzte Gast im Grandhotel Abgrund. Bald nur ein weiterer Geist in diesen verlassenen Korridoren …

Sie schüttelte den Kopf über sich selbst und wandte sich schnurstracks dem nächsten Rezeptionisten zu. Die von einem grässlichen Hut und violetten Haaren verunstaltete Dame, in die Sophie unabsichtlich stolperte, zuckte nicht einmal mit der Wimper und stolzierte mit ihren peinlich hohen Schuhen weiter, als wäre nichts geschehen. Ein winziger fiepender Hund folgte ihr an einer silbernen Leine.

»Entschuldigung«, murmelte Sophie und starrte ihr irritiert hinterher. Ihr Vater hatte ihr einiges von der Hochnäsigkeit gewisser Hotelgäste erzählt. Schon die letzten Tage war es Sophie gewohnt gewesen, eher belächelt als ernst genommen zu werden. Aber dass man sie komplett wie Luft behandelte, war selbst für sie neu. An diesem Morgen schienen wirklich alle mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein.

»Verzeihen Sie«, wandte sie sich an den Rezeptionisten, der hinter dem holzvertäfelten Empfang im grünen Schein einer Glaslampe geschäftig Briefe in Umschläge gleiten ließ. »Können Sie mir sagen, ob Herr Schuster eine Nachricht für mich hinterlassen hat? Ich bin seine Tochter.«

Keine Reaktion.

»Hallo?«, fragte Sophie verwirrt und langsam auch ungehalten. Durfte man in einem unverhältnismäßig teuren Hotel wie diesem derart ignorant mit Gästen umgehen? »Mein Name ist Sophie...


Meinzold, Maximilian
Max Meinzold, geboren 1987, ist freischaffender Grafikdesigner und Illustrator. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Science-Fiction, Fantasy und der Kinder- und Jugendliteratur. Für seine moderne, innovative Buchgestaltung wurde er bereits für zahlreiche Preise nominiert. Er lebt und arbeitet in München.

Springorum, Björn
Björn Springorum, geboren 1982 in Calw, würde am liebsten am zweiten Stern rechts abbiegen, im Kleiderschrank eine neue Welt entdecken, durch einen Kaninchenbau ins Wunderland fallen, mit einem Ring unsichtbar werden, nur durch das Lesen eines Buches nach Phantásien reisen oder eine recht wagemutige Partie Quidditch spielen. Weil sich das alles als schwieriger herausstellt als gedacht, schreibt er eben solange seine eigenen Geschichten. Björn Springorum studierte Englisch und Geschichte, lebt, schreibt und liest in Stuttgart und wird von drei Katzen gehörig auf Trab gehalten.



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