E-Book, Deutsch, Band 103, 64 Seiten
Reihe: Familie mit Herz
Stern Familie mit Herz 103
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-1143-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mein großer Bruder, der Held!
E-Book, Deutsch, Band 103, 64 Seiten
Reihe: Familie mit Herz
ISBN: 978-3-7517-1143-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Tagsüber ist Lukas, fünf Jahre, ein fröhlicher Lausbub. Doch nachts, wenn alles um ihn herum dunkel und still ist, kommt die Angst. Dabei fürchtet er sich nicht vor Geistern und Gespenstern, sondern vor den schrecklichen Bildern, die in seinem Kopf auftauchen.
Mit seinen Eltern kann er darüber nicht reden. Sein Papi findet sowieso schon, dass die Mami ihn verhätschelt. Dabei ist Lukas wirklich kein Feigling - im Gegenteil.
Doch wer kennt schon die Wahrheit?
Autoren/Hrsg.
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Mein großer Bruder, der Held!
Ein »Angsthase« als Retter in der Not
Von Nora Stern
Tagsüber ist Lukas, fünf Jahre, ein fröhlicher Lausbub. Doch nachts, wenn alles um ihn herum dunkel und still ist, kommt die Angst. Dabei fürchtet er sich nicht vor Geistern und Gespenstern, sondern vor den schrecklichen Bildern, die in seinem Kopf auftauchen.
Mit seinen Eltern kann er darüber nicht reden. Sein Papi findet sowieso schon, dass die Mami ihn verhätschelt. Dabei ist Lukas wirklich kein Feigling – im Gegenteil.
Doch wer kennt schon die Wahrheit?
In der ersten Morgendämmerung schreckte der fünfjährige Lukas jäh aus dem Schlaf. Er hatte einen Albtraum gehabt, und obwohl er sich nicht mehr an Einzelheiten erinnerte, sah er sich zitternd um. Schließlich atmete er erleichtert auf. Es war bereits hell, und nichts Bedrohliches war im Kinderzimmer zu entdecken.
Im Bett an der anderen Wand schlief friedlich Lukas' dreijähriges Schwesterchen Vicky, die vertrauten Stofftiere im Regal an der Stirnseite des Raumes schienen ihm gutmütig zuzublinzeln. Mit einem tiefen Atemzug ließ sich der Junge in die Kissen zurücksinken.
Bald würde Papi aufstehen, und sobald der sich in sein Büro im Erdgeschoss zurückgezogen hatte, würde Mami kommen, um ihm, aber vor allem Vicky, beim Anziehen zu helfen.
Hatte Lukas seine Schwester zu lange angestarrt? Jedenfalls begann Vicky sich zu regen, und gleich darauf schlug sie die Augen auf.
Sie setzte sich auf.
»Lukas!«, rief sie fröhlich, nachdem sie sich den letzten Schlafrest aus den Augen gewischt hatte. »Spielst du mit mir?«
»Du weißt doch, dass Papi es nicht mag, wenn wir so früh schon laut sind«, gab Lukas zurück.
»Ich bin auch gaaanz leise!«, versprach das kleine Mädchen und schüttelte die blonden Locken zurück.
»Versprochen?«, vergewisserte sich Lukas, und als sein Schwesterchen nickte, glitt er aus dem Bett und holte aus der Handpuppenkiste einige Figuren.
Er streifte sich den Polizisten über, Vicky griff kichernd nach dem Krokodil.
Mit gedämpfter Polizistenstimme begann der Junge: »Du böses Krokodil! Ich werde dich verhaften!«
»Dazu musst du mich erst fangen«, gab das Vicky-Krokodil zurück, und das furchterregende Tier verschwand unter der bunten Bettdecke.
Der Polizist machte sich an die Verfolgungsjagd, und im Nu hatten die Kinder ihren Vorsatz leise zu sein vergessen.
Bernd Walland hatte gerade geduscht und war auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen, als er Vicky aufquietschen hörte: »Nein, Lukas! Das darfst du nicht!«
Sofort runzelte der hochgewachsene Mann mit dem dunklen Haar die Brauen. Hatte Lukas Vicky etwas getan? Hatte der Junge die Kleine etwa verletzt? Im nächsten Augenblick hatte Bernd die Tür zum Kinderzimmer aufgestoßen.
»Lukas!«, rief er aufgebracht. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst deine kleine Schwester nicht piesacken!«
»Aber wir haben doch nur ...«, wandte Lukas schüchtern ein.
Doch sein Vater unterbrach ihn streng: »Du gehst jetzt sofort in dein Bett zurück und wartest gefälligst mucksmäuschenstill bis deine Mutter dir erlaubt aufzustehen.«
Vickys blaue Kinderaugen wurden riesengroß.
»Ich will aber spielen!«, erklärte sie unverblümt.
Der Vater strich ihr über die goldenen Locken.
»Spiel mit deiner Puppe, Schätzchen. Und wenn Lukas dich nicht in Ruhe lässt, dann rufst du nach mir, ja?« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, dann sprang er auf. »Ich muss mich beeilen«, sagte er in Richtung seiner Tochter. Den Jungen, der sich verstört unter seine Decke geflüchtet hatte, beachtete er nicht mehr. »Aber heute Abend fahre ich mit dir in die Stadt.«
»Fein!« Vicky strahlte.
Der Papi hatte ihr versprochen, ihr das rote Gokart zu kaufen, das sie sich so sehnlich wünschte.
»Darf ... darf ich auch mit?«
Lukas hatte seine Scheu überwunden. Sein Verlangen, ebenfalls mitgenommen zu werden, hatte gesiegt. Bernd warf ihm einen genervten Blick zu.
»Vielleicht«, meinte er kurz angebunden. »Aber nur, wenn du wirklich lieb bist.«
Damit war er auch schon draußen.
???
Als Sonja Walland, die Mutter der beiden, eine halbe Stunde später ins Kinderzimmer kam, rief Vicky ihr aufgeregt entgegen: »Mami, der Papi will mir heute das rote Gokart kaufen! Dann kann ich gestern damit fahren!«
»Schätzchen, du meinst natürlich ›morgen‹«, korrigierte Sonja lächelnd.
»Und ich darf auch mit ... wenn ich ganz lieb bin«, ließ sich Lukas vernehmen.
Seine Mutter gab ihm einen zärtlichen Guten-Morgen-Kuss.
»Aber jetzt beeilen wir uns erst einmal«, meinte sie. »Das Frühstück wartet.«
Während sie Lukas die Kleidungsstücke für den Tag zurechtlegte und Vicky dabei half, das Nachthemd mit einem Kleidchen zu vertauschen, versuchte die junge Mutter, ihren aufsteigenden Ärger zu unterdrücken.
Warum war es für Bernd selbstverständlich, mit Vicky ins Stadtzentrum zu fahren, während er von Lukas verlangte, er müsse lieb sein, wenn er mitkommen wolle?
Wieder einmal fragte sich Sonja, ob es nicht ein großer Fehler gewesen war, Bernd ihr Jawort zu geben. Sie seufzte verhalten. Wie sicher war sie damals gewesen, dass er Lukas wie sein eigenes Kind lieb haben würde.
»Mami, darf ich zum Frühstück Schokolade essen?«, fiel es Vicky nun ein.
Sonja lachte. »Das könnte dir so passen, du kleines Leckermäulchen! Du bekommst ein Vollkornbrötchen mit Butter und Honig.«
»Das ist auch viel gesünder«, warf Lukas ein wenig altklug ein.
Vicky schob die Unterlippe vor. Sie liebte Süßes über alles und verstand nicht, wie Lukas die dunklen Brötchen schmecken konnten.
Nach dem Frühstück bot Sonja ihren Kindern an, sie auf den Abenteuerspielplatz im Park zu begleiten. Sie wusste zum einen, dass Lukas und Vicky sich dort ausgesprochen wohlfühlten, und zum anderen konnte Bernd sich dann nicht über zu viel Lärm beschweren.
Manchmal wünschte Sonja, das Steuerberatungsbüro ihres Mannes wäre nicht im Anbau der Villa untergebracht, sondern läge irgendwo im Zentrum. Einerseits sah sie natürlich ein, dass Bernd und seine vier Angestellten für ihre verantwortungsvolle Aufgabe Ruhe brauchten, doch andererseits – sie fand Kinderlachen einfach schön und kaum störend.
Wenig später hatten die drei den Abenteuerspielplatz erreicht. Jetzt, am Vormittag, war es dort noch ziemlich ruhig, nur jüngere Kinder tummelten sich auf den Klettergerüsten, im Sandkasten und auf den anderen Spielgeräten.
Vicky steuerte sofort den Sandkasten an und begann, hingebungsvoll Kuchen zu backen. Lukas blieb eine Weile unschlüssig neben seiner Mutter stehen. Er wäre zu gern auf die ausrangierte Lokomotive geklettert, doch das Ding war so groß, dass es ihm ein wenig unheimlich erschien.
Erst als Sonja ihn ermunterte: »Sieh nur, Lukas, das kleine Mädchen spielt auch Lokomotivführer«, lief er über den Rasen und kletterte die Eisentreppe zum Führerstand hinauf.
Gleich darauf klang ein vergnügtes »Tsch ... tsch ... tsch ...« zu ihr herüber.
Sonja lächelte ein wenig wehmütig. Alles schien in bester Ordnung, doch da waren Lukas' Worte von vorhin, die in ihrem Kopf nachklangen.
»Ich darf auch mitfahren, wenn ich ganz lieb bin.«
Lukas war doch kein böser Junge, im Gegenteil, er war sogar ein sehr pflegeleichtes und freundliches Kind.
Sonja hatte sich auf eine Bank ganz in der Nähe der Sandkiste gesetzt. Auch ihr Töchterchen war ein niedliches Kind, um einiges lebhafter zwar als Lukas, und manchmal sogar recht eigenwillig für ihre dreieinhalb Jahre.
Auch jetzt hörte sie Vickys wütende Stimme: »Geh weg da! Das ist mein Kuchen!«
Im selben Augenblick heulte auch schon der kleine Junge los, den sie kämpferisch zur Seite geschubst hatte. Sonja und die Mutter des Jungen waren gleichzeitig bei den Kindern.
Während die andere Mutter ihr Söhnchen tröstete: »David, es ist doch nichts passiert! Du kannst dir selbst einen Kuchen backen«, mahnte Sonja: »Vicky, die Sandkiste ist doch groß genug! Der Kleine möchte auch hier spielen!«
Vicky, die zornig ihren Sandkuchen flach getrampelt hatte, forderte jetzt: »Lukas soll mir einen neuen backen.«
Sonja seufzte. Manchmal konnte Vicky ziemlich ungezogen sein. Doch Bernd schien das genauso wenig zu bemerken wie Lukas' Gutmütigkeit. Auch jetzt kam der Junge sofort angelaufen und erfüllte seinem Schwesterchen den Wunsch.
Der Rest des Vormittags verlief friedlich, und Sonja und die Mutter des kleinen David plauderten angeregt miteinander.
»Wir haben uns hier zwar schon einige Male gesehen, aber ich wusste gar nicht, dass wir Nachbarinnen sind!«, rief Angelika Schuhmann erfreut. »Na ja, wir sind erst vor einem Monat...




