E-Book, Deutsch, 188 Seiten
Tannhäuser / Scheffler Beef
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-4870-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 188 Seiten
ISBN: 978-3-7534-4870-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Beef. Ein Wort der heutigen Jugend. Doch woher kommen derartige neue Bezeichnungen? Beef entstammt dem Jargon der Hip-Hop-Szene und bedeutet Aggression, Stress, Streit. Und wer kennt das nicht, wenn ein Streit eskaliert? In zehn kurzen Kriminalgeschichten sowie zwei nachweisbaren wahren Kriminalfällen greifen gleich mehrere Autoren das Thema auf. Jeder auf seine Weise, aber bis zum Schluss vollgepackt mit vielen unerwarteten Wendungen. Ob Diebstahl, Raub, Rache, Mord - die Protagonisten der Stories in diesem Buch schrecken vor nichts zurück. Lassen Sie sich überraschen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Uwe Schimunek
Tod in Tüten
Diese Viecher blöken, als wollten wir sie abschlachten. Micha hat sich ein Schaf gegriffen und hält es mit seinen Pranken fest. Wenn der noch ein bisschen mehr drückt, hat er Wollbrei im Arm. Micha guckt an mir vorbei in die Nacht und schreit irgendwas. Ich dreh mich um. Ach du Scheiße. Ein Riesenköter. Der rast auf mich zu, als hätte jemand auf Zeitraffer gestellt. Ich fasse den Baseballschläger fester. Das Vieh springt und ich hau zu wie'n Pitcher in 'ner amerikanischen Highschool-Serie. Die Töle fliegt zwei, drei Meter zu Seite. Kommt wieder hoch. Ich will noch mal zuhauen. Doch das Mistvieh ist schneller, hängt an meiner Lederjacke. Das Biest zerrt mich runter. Ich taumle. Kann mich halten. Dresche auf den Köter ein. Der hängt wie ein Sandsack an mir. Fällt endlich runter. Ich dresche weiter. Weiter. Weiter… Da bewegt sich nichts mehr. Ich gucke mir den Haufen Schäferhund an, zwischen Bauch und Nasenspitze ist nicht mehr viel zu erkennen. Das da steht nicht mehr auf. Micha brüllt: »Weg hier! Oder willst du den noch begraben und 'ne Andacht halten?« Will ich nicht. Ich renne zum Auto. Micha keucht hinter mir. Das Schaf in seinen Schraubstockarmen gibt Würgelaute von sich. Ich reiße die Hecktür auf. Micha versucht, das Schaf in den Rückraum unseres Kastenwagens zu wuchten. Die Beine hat er gefesselt. Das Vieh blökt und sträubt sich wie irre. Mann, wieso hat son laufendes Wolllager so viel Kraft? Micha ist stärker. Ich steige ein. Hinterm Gitter im Laderaum springt das Vieh rum wie ein Hengst in einem Western. Ich starte und frage: »Was will der Boss nur mit so nem blöden Schaf?« »Was gehts uns an, was der Boss will?« Micha fläzt auf dem Beifahrersitz und glotzt, stöhnt. »Ich will ja nur wissen, warum ich mir von einer Bestie meine Jacke zerfetzen lasse, Alter.« »Weil du dafür Kohle kriegst.« »Eben. Wieso bezahlt der zwei Mann, um ein Schaf zu kriegen?« Micha guckt zum Fenster raus und brummelt: »Er brauchts halt. Du kannst alles essen, aber nicht alles wissen.« »So ein Unsinn. Ich kann nicht alles essen. Will ich auch gar nicht.« »Dann mach deine Fresse zu, Schlauberger.« Macht der sich wirklich keine Gedanken unter seiner Glatze, oder tut der nur so blöd? Ich fahre die gottverlassene Landstraße Richtung Mügeln. Hier heißen die Nester Kroptewitz, Börtewitz oder Kleinpelsen. Die Namen klingen so nach Dorf, dass ich glaube, die Kuhscheiße zu riechen, wenn ich ein Straßenschild sehe. Die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigt 21:44, noch gar nicht so spät aber dunkel wie mitten in der Nacht. Endlich sehe ich das große blaue Schild. Ich biege auf die Autobahn Richtung Leipzig und frage: »Wie hast du das richtige Schaf eigentlich gefunden? War ne Riesenherde.« »Ohr«, mault Micha und zeigt mit dem Daumen über seine Schulter. Ich drehe den Rückspiegel auf das Vieh aus, mach die Innenraum-Funzel an. Ein Blechstreifen steht vom Ohr ab wie ein plattgewalztes Horn. »Da hat sich einer Mühe gegeben«, sage ich. »Genug.« »Da muss das Vieh ja einiges wert sein.« »Wird schon was drin sein. Koks, Crack, H. Die Russkis nähen das in die Bäuche, und dann kommts per Viehtransport zu uns. Ganz neuer Trick, hab ich gehört. Und jetzt verdreh dir nicht das Gehirn, fahr.« Der Kastenwagen wippt durch die Kurve. Ich lass das Lenkrad durch meine Finger gleiten, fahre keine 60, habs nicht eilig. Ich frage: »Wie lange machen wir den Scheiß schon, Micha?« »Lange – denk über so nen Mist gar nicht erst nach, Junge.« »Ein Kilo Koks bringt 25.000 Eier. Wie viele passen wohl in so ein Schaf?« »Und wie gibst du die Kohle aus mit nem Loch im Bauch?« »Wir können weg sein, bevor irgendwer was merkt. Insel, Palmen, sonnengebräunte Frauen, du weißt schon.« »Ich will davon nichts hören. Fahr einfach.« Also gut, ich trete aufs Gas, bis die Mittelstreifen zu einem weißen Strich werden. Die Abfahrt Mutzschen saust vorbei. So ein Kastenwagen fährt sich fast wie ein richtiges Auto, hätt ich gar nicht gedacht. »Fahr langsamer, du Penner!« »Hier ist keine Geschwindigkeitsbegrenzung, Mann.« »Aber so kann ich nicht denken.« Michas Stirn liegt in Falten. Ich verkneife mir den Spruch über seine geistigen Fähigkeiten. »Der Boss findet uns überall. Da müssten wir schon aus Europa raus.« »Südamerika, Alter. Wo die Staatschefs Stroessner und Kirchner heißen, kommen wir auch klar.« Jetzt arbeitet es in seiner Rübe. Im Armaturenlicht sieht er aus wie Frankenstein in einem Schwarz Weiß-Film. Fast kommt es mir so vor, als könnte ich seinen mechanischen Denkapparat klappern hören. Ich flüstere: »Südamerika …« »Mann, halt die Klappe.« Okay, dann eben nicht. Ich überhole einen Lkw. Der Motor surrt. Der Autohof bei Grimma saust auf der linken Seite vorbei. Das große gelbe M leuchtet im Rückspiegel. Ich guck zu Micha, der zu mir. »Ich muss mal pissen.« »Mann, jetzt ist die Abfahrt gerade vorbei.« »Fahr Naunhof runter. Dann links. In zwei Minuten kommt ne Tanke.« »Mann, Micha. Ist es echt so dringend?« »Wenn ich sag 'ich muss pissen', dann muss ich auch.« »Okay, okay.« Wir schweigen bis zur Abfahrt Naunhof. Ich lenke die Kiste auf die Landstraße. Links und rechts Wald, dunkel wie in einem Horrorfilm. Da funkelt das Licht der Tanke. Tatsächlich noch jemand da. Ich parke an der Luftsäule. Micha steigt aus, geht zum Nachtschalter. Mit schweren Schritten wie ein Cowboy zum Saloon. Aus dem Kragen seiner Armeejacke ragen die Spitzen eines Tattoos. Er bekommt den Schlüsselbund, kommt wieder zurück und biegt kurz vor dem Wagen zur Klotür ab. Ich mach den CD-Player an. Micha kann meine Musik nicht ertragen. Aber jetzt ist er ja nicht da. Ein Gitarrenriff brettert aus den Boxen, Megadeth. Ich lehne mich zurück, so gut es der Sitz des Kastenwagens zulässt. Singe den Text mit, 'Swaying to the symphony of destruction'. Wo bleibt der Kerl nur? Ist doch kein Mädchen. Ich trommle mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand den Beat mit. Was ist da los? Ich steige aus, gehe zur Klotür. Der Schlüssel steckt außen. »Alles okay da drin?« »Ich kann das nicht.« Die Stimme klingt nicht, als wurde sie diesem Kraftpaket in Militärklamotten gehören. »Mit dem Zeug abhaun ist echt ne andere Liga, als mal nen Zehner extra kassieren. Ich krieg das nicht hin.« Ich guck auf die Tür. Der Schlüssel ist im Schloss. Die Versuchung. Eine Drehung. Rausziehen. Im hohen Bogen fliegt der Bund ins Gebüsch. Der Wagen rollt auf die Landstraße. Micha hat gar nicht rumgetobt. Hat der mir den Fluchtweg aufgemacht? Was solls. Zurück gehts jetzt nicht mehr. Jetzt fallen mir andere Fragen ein. Nach Polen, Tschechien oder Österreich? Wo gibts mehr für Stoff, und wo finde ich schneller jemanden, der mir heißes Zeug abkauft? Bestimmt in Österreich. Die sprechen auch Deutsch, na zumindest so was ähnliches. Und ich muss das Schaf ausnehmen. Am besten gleich. Ich geh vom Gas, sehe den Forstweg. Rolle vorbei und stoße rückwärts rein. Der Wagen rumpelt durch die Spurrinnen. Das Schaf hüpft, als würde es sein Ende ahnen. So, das muss reichen. Ich mach das Licht aus, lasse den Rückwärtsgang drin und den Schlüssel stecken. Ich gehe um den Wagen rum. Das Licht ist genau richtig. Hell genug, dass ich was sehen kann, ohne bis zur Straße zu leuchten. Ich öffne die Hecktür. Ich zieh das Klappmesser aus der Jacke. Son Schaf ist kein Gegner, wie der Schäferhund vorhin. Ein Schnitt und da zuckt nichts mehr. Nur das Blut. Scheiße. Es spritzt wie in einem Tarantino-Film. Ich bin völlig eingesaut. Auch noch neue Klamotten kaufen, damit keiner Fragen stellt. Ich wuchte das Vieh auf den Boden und gucke mir den Bauch an. Tatsächlich. Hier ist ne Naht. Genau, wie Micha gesagt hat. Ich schneide. Das Blut wabert in Wellen aus dem Bauch. Schwapp, schwapp. Am besten erstmal warten, bis das Vieh leergelaufen ist. Endlich hört es auf zu bluten. Ich packe das Schaf am Nacken und zerre es aus der Blutlache. Stochere mit dem Messer vorsichtig im Bauch rum. Das wird doch kein Bluff gewesen sein? Geht doch! Ein Beutelchen, so groß wie ein aufgeblasenes Zwei-Euro-Stück. Noch eins und noch eins. Immer mehr. Vorsichtig putze ich sie am Fell des Schafes ab. Lauter kleine weiße Päckchen. Und ein schwarzes. Was ist das denn? Für mich und Micha steht drauf. Will mich da jemand verarschen? Ich reiße es auf. Nehme einen kleinen Zettel raus: 'Jungs, das ist mein...




