Twain | Der Prinz und der Bettler | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 0023

Reihe: ApeBook Classics

Twain Der Prinz und der Bettler

E-Book, Deutsch, Band 0023

Reihe: ApeBook Classics

ISBN: 978-3-96130-084-6
Verlag: apebook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



An einem Herbsttag des Jahres 1537 wird in London Edward Tudor, der Sohn Heinrichs VIII., geboren. Das ganze Königreich freut sich über die Geburt des zukünftigen Thronfolgers. Am selben Tag wird auch Tom Canty geboren, Sohn eines brutalen Kriminellen, über dessen Geburt sich aber niemand freut. Eines Tages begegnen sich die beiden Jungen zufällig und stellen zu ihrem Erstaunen fest, dass sie sich bis aufs Haar ähneln. Zum Scherz tauschen sie ihre Kleider, und damit nehmen die Verstrickungen ihren Lauf.

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"Der Prinz und der Bettler" ist ein historischer Roman des amerikanischen Schriftstellers Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt unter seinem Pseudonym Mark Twain (1835-1910), der 1881 veröffentlicht wurde. Erst 1956 erschien die deutsche Erstausgabe. Mark Twain ist vor allem für seine Abenteuerromane um die Figuren Tom Sawyer und Huckleberry Finn berühmt geworden.

In der hier vorliegenden Geschichte, die im England Mitte des 16. Jahrhunderts spielt, benutzt Twain einen für ihn ungewöhnlichen Stil, der teilweise an Charles Dickens erinnert. Der Roman setzt dass klassische Verwechslungsmotiv ein, hier verbunden mit dem sozialen Aufstieg bzw. Abstieg des jeweiligen Protagonisten. Durch die damit verbundenen Erfahrungen durchleben beide Hauptfiguren einen Prozess der Reifung und des Erkenntnisgewinns, in dem sie die Probleme des Lebensumfelds des jeweils anderen besser zu verstehen lernen. Das Buch ist Twains erster historischer Roman, auf den später unter anderem "Ein Yankee am Hofe des König Artus" folgte.

Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Rudolf Brunner und enthält Illustrationen von Georg A. Stroedel (1870-1938). Der Umfang des eBooks entspricht ca. 290 Buchseiten.
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Drittes Kapitel.
Wie Tom mit dem Prinzen zusammenkam.
Tom erhob sich hungernd und hungrig schlenderte er hinweg. Seine Gedanken beschäftigten sich immer noch mit dem goldenen Zauber seines nächtlichen Traumes. Er wanderte dahin und dorthin, achtete nicht auf den Weg, noch auf das, was um ihn vorging. Die Leute stießen ihn an und gaben ihm rauhe Worte, aber er merkte es kaum. Immer weiter kam er von Hause weg, bis er endlich die Mauern der Stadt hinter sich hatte. Er kam in ein Dorf und ruhte hier ein wenig. Dann ging er weiter und bog in eine schöne, ruhige Straße ein, an deren Ende ihm ein ungeheures Gebäude entgegenwinkte. Tom starrte in heller Verwunderung nach den mächtigen Pfeilern des Gebäudes, den ausgedehnten Flügeln, den drohenden Bastionen und Türmen, dem gewaltigen steinernen Torweg mit dem vergoldeten Gitter und der prachtvollen Reihe von granitenen Löwen und anderen Zeichen und Symbolen des Königtums. Sollte sich der Wunsch seines jungen Lebens endlich erfüllen? Hier, ja hier mußte der Palast des Königs sein! Der Himmel hatte sich sicherlich erbarmt und wollte das Sehnen eines armen Knaben stillen. Zu jeder Seite des vergoldeten Hauptportals stand eine lebende Statue, eine stramm, stattlich und bewegungslos dastehende Schildwache, von Kopf zu Fuß in glänzender Stahlrüstung. Vor ihnen in achtungsvoller Entfernung gruppierten sich neugierige Leute vom Lande und aus der Stadt. Prächtige Wagen mit glänzenden Herren und Damen fuhren durch verschiedene andere Portale des gewaltigen Baues ein und aus. Der arme kleine zerlumpte Tom kam mit pochendem Herzen näher und schlich sich scheu und langsam hinter die Schildwachen. Und seine Hoffnung wurde nicht getäuscht. Durch die vergoldeten Gitterstäbe hindurch bot sich ihm ein Schauspiel, über das er beinahe vor Freude gejauchzt hätte. Drinnen im Schloßhof stand ein hübscher, von der Sonne leicht gebräunter Knabe, der ganz in Seide und Atlas gekleidet war und von Juwelen schimmerte. An seiner Hüfte hing ein kleiner, mit Edelsteinen besetzter Degen. Seine Füße staken in zierlichen Halbstiefeln mit roten Fersen. Seinen Kopf schmückte ein karmesinrotes Mützchen mit wallenden Federn, die ein blitzender Stein festhielt. Mehrere prächtig gekleidete Herren standen herum, ohne Zweifel seine Diener. O das war ein Prinz, ganz ohne Frage, ein lebendiger Prinz, ein wirklicher Prinz! Tom wagte beinahe nicht zu atmen, und seine Augen vergrößerten sich vor Verwunderung und Entzücken. Alles drängte sich bei ihm in einen Wunsch zusammen: dem Prinzen nahe zu kommen und ihn gehörig zu betrachten. Bevor er wußte, was er tat, hatte er schon sein Gesicht fest an die Gitterstäbe gepreßt. Im nächsten Augenblick aber schleuderte ihn auch schon die Hand einer Schildwache roh hinweg, so daß er taumelnd unter die gaffende Menge flog. »Nimm dich in acht, du junger Bettler!« rief ihm der Soldat nach. Die Menge johlte vor Vergnügen. Der junge Prinz aber hatte den Vorgang bemerkt, sprang mit gerötetem Gesicht ans Portal und rief mit blitzenden Augen der Schildwache zu: »Wie kannst du es wagen, einen armen Burschen so zu behandeln! Öffne das Tor und laß ihn herein!« Ha, wie da die Hüte von den Köpfen flogen und wie die Menge schrie: »Lang lebe der Kronprinz!« Die Soldaten präsentierten mit ihren Hellebarden, öffneten das Tor und präsentierten wieder, als der kleine Traumprinz in seinen flatternden Lumpen hereinkam, um dem wirklichen Prinzen die Hand zu schütteln. Eduard Tudor sagte: »Du schaust müde und hungrig aus. Du bist schlecht behandelt worden. Komm mit mir!« Ein halbes Dutzend der umstehenden Diener sprangen herbei. Der Prinz aber winkte sie mit königlicher Gebärde hinweg, und sie standen wieder stockstill wie Bildsäulen. Eduard führte Tom in ein prächtiges Gemach im Palast, das er sein Kabinett nannte. Auf seinen Befehl wurde ein Mahl gebracht, wie es Tom selbst in seinen Büchern so herrlich nicht gefunden hatte. Mit zartem Taktgefühl sandte der Prinz die Diener hinweg, damit sein Gast durch ihren kritischen Blick beim Essen nicht in Verlegenheit geriete. Dann setzte er sich nahe zu ihm und fragte, während Tom aß: »Wie ist dein Name, Junge?« »Tom Canty, Herr.« »Ein sonderbarer Name! Wo wohnst du?« »In der Altstadt, Herr. Im Unrathof, draußen im Puddinggäßchen.« »Unrathof! Wieder ein merkwürdiger Name! Hast du Eltern?« »Eltern habe ich, Herr, und auch eine Großmutter, aber die ist von fraglichem Werte für mich. Gott verzeihe mir, wenn es eine Sünde ist, daß ich es sage. Auch Zwillingsschwestern habe ich, Netty und Betty.« »Dann ist also deine Großmutter nicht allzu gütig gegen dich, nehme ich an.« »Gegen andere auch nicht, Herr. Sie hat ein böses Herz und sinnt auf Böses all ihre Lebtage.« »Mißhandelt sie dich?« »Es gibt Zeiten, wo ihre Hand ruht, wenn sie schläft oder ganz betrunken ist. Wenn sie aber ihren Verstand wieder klar hat, holt sie die versäumten Prügel gehörig nach.« Des kleinen Prinzen Augen funkelten zornig, er rief: »Was, Schläge?« »O ja, gewiß, Herr.« »Und du bist so schwach und schmächtig! Höre: bevor die Nacht kommt, soll sie im Turm sein. Der König, mein Vater …« »Aber, Herr, du vergißest ihren niedrigen Stand. Der Turm ist doch nur für die großen Herren.« »Wirklich, du hast recht. Ich dachte nicht daran. Ich will aber über ihre Bestrafung nachsinnen. Ist dein Vater gut zu dir?« »Nicht besser als die Großmutter, Herr.« »Die Väter sind wohl alle gleich*. Meiner hat auch kein Puppentemperament. Er läßt nicht mit sich scherzen, mich aber verschont er. Mit Worten freilich ist er auch nicht immer zart gegen mich. Wie behandelt dich deine Mutter?« »Sie ist gut, Herr, und immer lieb zu mir, auch Netty und Betty.« »Wie alt sind diese?« »Fünfzehn Jahre, Herr.« »Fräulein Elisabeth, meine Schwester, ist vierzehn und Fräulein Johanna Grey, meine Base, ist so alt wie ich und hübsch und liebenswürdig. Aber meine Schwester Marie mit ihrer düsteren Miene, die ist strenge. Höre nur: verbieten deine Schwestern auch ihren Dienerinnen zu lächeln, damit nicht die Sünde ihre Seele verderbe?« »Meine Schwestern? Ja, glaubst du denn, Herr, sie haben Dienerinnen?« Der Prinz betrachtete den kleinen Armen einen Augenblick ernst und sagte dann: »Aber warum denn nicht? Wer hilft ihnen denn nachts sich auszuziehen? Wer zieht sie denn morgens an, wenn sie sich erheben?« »Niemand, Herr. Sollten sie denn nachts ihre Kleidung ausziehen und ohne dieselben schlafen, wie die Tiere?« »Ihre Kleidung? Haben sie denn nur eine?« »Ach, Herr, was sollten sie denn mit mehr als einer Kleidung anfangen? Sie haben doch auch nur einen Körper.« »Das ist ja köstlich. Entschuldige, ich wollte nicht lachen. Aber deine Schwestern Netty und Betty sollen Kleider und Dienerinnen genug erhalten und das bald: mein Schatzmeister wird dafür sorgen. Nein, du brauchst mir nicht zu danken; es ist nicht der Rede wert. Du sprichst übrigens recht gut und mit einer gewissen Anmut. Hast du viel gelernt?« »Ich weiß nicht, Herr. Der gute Priester, den man Vater Andreas nennt, war so gütig, mich aus seinen Büchern zu lehren.« »Kannst du Latein?« »Nicht gar viel, fürchte ich.« »Lerne, Junge, wenn es auch zuerst schwer fällt. Das Griechische ist schwieriger; aber keine von beiden Sprachen macht Fräulein Elisabeth und meiner Base viel Mühe. Du solltest nur die beiden Fräulein dabei hören! Aber erzähle mir etwas vom Unrathof. Hast du ein vergnügliches Leben dort?!« »Eigentlich ja, Herr, wenn nur das Hungern nicht wäre. Es gibt da allerhand Buden mit dressierten Affen, so drollige, komische Geschöpfe. Und dann das Kasperltheater, wo sie schreien und auf einander losschlagen, bis alle tot sind. Es ist so schön anzusehen und kostet nur einen Heller. Aber freilich ist es oft gar schwer, einen Heller zu ergattern.« »Erzähle mir mehr.« »Wir Burschen vom Unrathof treiben allerlei hübsche Spiele und kämpfen auch in Reih und Glied mit einander.« Die Augen des Prinzen glänzten und er rief: »Meiner Treu, das wäre etwas für mich. Erzähle mir noch mehr.« »Sodann laufen wir um die Wette, um zu sehen, wer am schnellsten laufen kann.« »Das gefiele mir auch. Weiter!« »Im Sommer, Herr, waten und schwimmen wir in den Kanälen und im Fluß und jeder duckt seinen Nachbar ins Wasser, so tief er kann, oder bespritzt ihn und dann lachen wir und schreien, tauchen unter und strampeln und plätschern und …« »Herrlich! Ich gäbe meines Vaters Königreich darum, wenn ich auch einmal dabei sein könnte! Bitte, fahre weiter.« »Wir tanzen und singen um den Maibaum; wir spielen im Sande und vergraben einander darin, und manchmal machen wir auch Schlammpasteten. O dieser herrliche Schlamm! wie köstlich ist es, sich darin herumzuwälzen!« »Ach, bitte, nicht weiter, das ist ja glorios! Wenn ich mir nur solche Kleider anziehen könnte, wie du hast und mit bloßen Füßen im Schlamme schwelgen, einmal, nur einmal, ohne daß mich jemand deshalb tadelte oder es mir verböte, mich dünkt, ich könnte auf die Krone verzichten!« »Und ich, wenn ich mich nur einmal so kleiden könnte, wie du, lieber Herr, nur einmal …« »Oho, das möchtest du? Dann mag es ja so sein! Ziehe deine Lumpen aus und hülle dich in diesen Glanz, Junge! Es ist zwar ein kurzes Glück, aber deshalb nicht weniger süß. Wir wollen es genießen, solange wir können. Dann...


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