Uden Der König von Taoro
1. Auflage 2015
ISBN: 978-84-941501-7-3
Verlag: Zech Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Historischer Roman der Eroberung Teneriffas
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Reihe: Historische Romane und Erzählungen
ISBN: 978-84-941501-7-3
Verlag: Zech Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als der spanische Eroberung Alonso Fernández de Lugo im Mai 1494 auf Teneriffa landet, stößt er ein hölzernes Kreuz in die Erde und gründet hier die Stadt Santa Cruz de Tenerife. Er ist von den Katholischen Königen beauftragt, "die Inseln La Palma und Teneriffa, die sich in Händen kanarischer Heiden befinden, zu erobern und ... Uns zu unterwerfen." Der König von Taoro ist Mencey Bencomo, Fürst von La Orotava, der mutig gegen die Eindringlinge kämpft. Sieg und Niederlage wechseln sich in La Matanza und La Victoria ab. Doch die Guanchen können gegen die spanische Übermacht nicht gewinnen...
Lassen Sie sich verführen zu einer Zeitreise ins 15. Jahrhundert, tauchen Sie ein in die Welt der Guanchen und der spanischen Konquistadoren. Sie werden Teneriffa danach mit anderen Augen sehen.
"Ein Werk, an dem niemand achtlos vorbei geht." (Don Francisco P. Montes de Oca (+), Historiker des kanarischen Archipels)
Weitere Infos & Material
Geleitwort von Don Francisco P. Montes de Oca García
I. Die Glückliche Insel
Die Guanchen
Beñesmen
Das Heiligtum von Taganana
Der Feind
Tehinerfes Vermächtnis
Katze und Maus
Die Schlucht des Todes
Der 8. Juni 1494
II. Der Kampf um die Freiheit
Vorbereitungen
Intermezzo
Die Schlacht von La Laguna
Guayote, der Wutwehende
Das weiße Kreuz
Die Unzertrennlichen Zwölf
Hunger
III. Der Untergang der Guanchen
Victoria
Händler und Helden
Die Höhen des Tigaiga
Der Spruch der Magades
Der neue Gott
Vae Victis!
Scheiterhaufen
Nachwort von Horst Uden
Literatur-Verzeichnis
Nachwort zur Neu-Auflage von Verena Zech
1. Die glückliche Insel
»Wer überlegt, sieht überall Gefahr, wer sich blindlings hineinstürzt, dem winken unsterbliche Lorbeeren...« (Der Feind) Die Guanchen
Strahlend enttauchte die Sonne dem blutroten Weltmeer und zerteilte die flüchtigen Morgennebel, die die schroffen Klippen der Insel umspielten. Sie überstieg die Ostkette und blickte hinein in das weite, blühende Tal von Arautápala, das langsam aus seinem Sommerschlaf erwachte. Sanft zum Meer abfallend dehnten sich die üppigen Felder, an deren Rainen knorrige Drachenbäume starr und unbeweglich ihre Äste spreizten und Schildwacht standen gleich trutzigen, eisenbewehrten Rittern mit gefällten Lanzen. Die Morgenstrahlen glitten über die schroffen Felswände, die sich an den Höhen des Tigaiga dahinzogen, und tanzten einen Augenblick spielerisch über dem Eingang der geräumigen Königshöhle, der Behausung des greisen Quebehi Bencomo, des obersten Fürsten der Guanchen. Vor ihr breitete sich ein schmaler Altan mit einer mächtigen Steinbank, gleich einem von Zyklopenhand aus dem Fels gehauenen Thron, die eine weite Sicht ins Tal gewährte und von einer riesigen kanarischen Kiefer überschattet wurde. Ein schmaler Felsweg führte hinunter zum Tagoror, der Rats- und Gerichtsstätte, in deren Mitte ein tausendjähriger Drachenbaum, das Wahrzeichen von Taoro, seine Krone wölbte. Den weiten Platz umsäumten hohe, ausladende Lorbeerbäume, gespreizte Fächerpalmen und schmuckreiche Zedern. Mehr als hundert Jahre war es her, daß Tehinerfe der Große die Insel unter seine neun Söhne aufgeteilt hatte. Imobach, dem ältesten, gab er das fruchtbare Tal von Arautápala, und stillschweigend erkannten seit dieser Zeit die Fürsten der anderen Stämme die Vorherrschaft des Menceys von Taoro an. Und das hatte auch noch einen anderen Grund: Taoro war nicht nur der reichste, sondern auch der festeste Platz der Insel. Schlägt man einen Halbkreis an der felsigen Nordküste zwischen der Punta de Anaga und der Punta de Teno, so läuft seine Peripherie über die Ost- und Südkette und stürzt steil über die Höhen des Tigaiga ins Meer zurück. In der Mitte des Halbkreises von der Südkette bis zur Küste zog sich ein breiter Streifen undurchdringlichen Urwalds. Nur ein schmaler, verschlungener Pfad durchkreuzte ihn und stellte die Verbindung her zwischen dem Tal von Arautápala und Taoro, das jäh an den Höhen des Tigaiga hinaufstrebte. Taoro war die unbezwingliche Burg, Arautápala das reiche, zugehörige Lehensland. In den unzugänglichen Höhlen des Tigaiga lebten die tapfersten Krieger der Guanchen, bereit, auf den Ruf ihres Fürsten auszuziehen und einen unbotmäßigen Stamm zum Gehorsam zurückzuführen. Ihre Hauptwaffe war der mit der Hand geschleuderte, unfehlbare Stein, die Streitaxt und die spitze, eisenharte Lanze aus Tea-Holz. Im Gürtel ihres Tamarco, eines Fellhemdes, steckte die scharf geschliffene Tabona, das Steinmesser aus Obsidian, das sie geschickt zu handhaben wußten. Mit furchtbarem Kriegsgeschrei warfen sie sich aus dem Hinterhalt auf den Gegner, rollten mächtige Felsblöcke auf ihn herab und waren unvergleichlich im Nahkampf. Wer keinen Schild aus der Rinde des Drachenbaums besaß, wickelte sich den Tamarco fest um den linken Arm und kämpfte nackt, nur mit einem Lendenschurz bekleidet. So unversöhnlich die Guanchen dem widerstehenden Feinde entgegentraten, so edel waren sie gegen den unterlegenen. Gefangene wurden von ihren Wunden geheilt, ausgetauscht und oft noch mit Geschenken entlassen. Wilde Tiere gab es auf ihrer glücklichen Insel nicht, nicht einmal die kleinste Giftschlange. Der einzige, den sie fürchteten, war Guayote, der Dämon, der im feuerspeienden Echeyde wohnte (Echeyde, Hölle, oder Teide: der Pico de Tenerife). Wenn er zürnte, schleuderte er glühende Felsen aus dem Bauche des Riesen, ein breiter Feuerstrom ergoß sich aus seinem weitgeöffneten Maul. Alles riß er nieder, was sich ihm in den Weg stellte. Sengend fuhr er über die fruchtbaren Felder. Aus seinen Nüstern blies er dunkle, giftige Schwaden in den stahlblauen Tigot, den Himmel, die strahlende Magec, die Sonne, verdunkelte sich, das Meer schäumte auf und donnerte über die Klippen bis tief in den Wald hinein, knickte Bäume wie dürre Äste und zerspellte sie, zurückflutend, an den Felsen. Dann flohen die Guanchen in ihre Höhlen, hockten ängstlich zusammengekauert zwischen den Schafen, Ziegen und Hunden, die sich eng aneinanderdrängten, horchten erschauernd auf das höllische Grauen und flehten zu Acorán, zu Gott, um Hilfe und Rettung. Ihr Glaube war kindlich und einfach wie sie selbst: Gott schuf einige Menschen und gab ihnen Herden, Land und Wasser. Dann schuf er mehr, gab ihnen nichts und sagte: »Dient den anderen, und sie werden euch geben!« So gehörte alles Land dem Mencey; er verteilte es auf Lebenszeit, dann fiel es an ihn zurück. Ihre Hauptnahrung bestand aus Gofio, geröstetem und dann gemahlenem Getreide, das sie mit Milch oder Wasser mischten, aus Pilzen, Feigen, saftigen Früchten des Mocán und des Erdbeerbaums, aus Brombeeren, Datteln, Fichtenzapfen und Palmenbirnen. Allem aber zogen sie Zickelfleisch und Wildkaninchen vor. Als ganz besondere Leckerbissen beim Guatativoa, dem Festmahl, galten junge, feiste, kastrierte Hunde. Die Guanchen verehrten ihre Frauen und hielten die Ehe rein. Wer auf einsamem Felswege einem jungen Mädchen begegnete, machte ehrerbietig Platz und sprach sie nicht an. Die Gerichtsbarkeit lag allein in Händen des Mencey. Sein Wort war Gesetz: Prügel waren die Strafe für Diebe; Kinder, die ihre Eltern schmähten, wurden gesteinigt, Mörder von den steilen Klippen des Tigaiga ins Meer gestürzt, Ehebrecher aber lebendig begraben. Alles andere wurde durch Wiedervergeltung gesühnt: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Gold war ihnen unbekannt wie jedes Metall, desgleichen berauschende Getränke. Beim Festmahl mischten sie Wasser mit Fruchtsaft. Gegen innere Krankheiten nahmen sie den roten Saft des Drachenbaums, den sie »Drachenblut« nannten. Die Guanchen besaßen große Geschicklichkeit im Flechten von Körben, Matten und Fischnetzen aus Binsen sowie einer Art Rucksäcke aus Palmenblättern. Aus Knochen und Fischgräten stellten sie Angelhaken und Nadeln her, aus Eingeweiden drehten sie Fäden und Seile. Ziegenhörner, an einem Brett befestigt, dienten als Pflug. Ihre Gefäße waren aus Tonerde oder aus hartem Holz. Auch Künstler gab es viele unter ihnen: sie malten auf geglättete Steine mit Ocker und anderen Erdfarben. Meister aber waren sie in der Behandlung von Tierfellen, die sie für Kleidungsstücke, Decken und Sitze herrichteten. Ihre Art, die Felle zu bereiten, gab den besten marokkanischen Arbeiten von Mogador und Tafilete nichts nach. Obgleich sie Inselbewohner waren, konnten sie nicht schwimmen. Auch Boote waren ihnen unbekannt. Sie fischten mit der Angel von den Klippen aus oder wateten bis an die Brust ins Meer hinein, die Binsennetze zwischen sich. Nachts entzündeten sie Fackeln und harpunierten die Fische. Auch zapften sie dem Tabaiba-Strauch, der Euphorbia canariensis, einen milchähnlichen Saft ab, den sie in stille Buchten und Lagunen gossen und damit die Fische betäubten. Ihre Frauen schmückten sich mit Muscheln, Blumen und Armbändern. Aus gebrannter Tonerde verfertigten sie zylindrische Stäbchen, die sie rotbraun färbten, auf Fäden zogen und als Ketten um den Hals trugen. Beñesmen
Der greise Quebehi Bencomo trat aus seiner Höhle und beschattete die Augen mit der Hand gegen das grelle Morgenlicht. Seine hohe, sehnige, noch ungebeugte Gestalt straffte sich, Herrscherstolz sprach aus seinem ruhigen, klaren Blick, Klugheit und Edelsinn. Weißes Haar wallte ihm lang herab bis auf die Schultern. Steinern, unbeweglich sah er über das Meer, als schaute er in zeitliche Fernen: weit zurück in die Vergangenheit und noch weiter in unbekannte Zukunft. Fleißig, geeint und friedlich lebten die Stämme der Guanchen auf dieser Insel inmitten des ungeheuren Weltmeers. Würde es immer so bleiben? Sorgenfalten zogen über seine hohe Stirn, er seufzte schwer auf. Dann ließ er sich auf der Felsbank unter der hohen kanarischen Kiefer nieder. Kühl wehte es von der Bucht herauf, die Kronen der schlanken Dattelpalmen neigten sich in der Morgenbrise. Bencomos Blick glitt über das weite Tal von Arautápala und blieb dann auf dem Tagoror zu seinen Füßen haften. Heute war Beñesmen, das große Erntedankfest, das jedes Jahr mit Spielen, Kämpfen und Festmahl gefeiert wurde. Für ihn hatte das heutige eine besondere Bedeutung: es war das letzte, auf dem er als Herrscher von Taoro, als mächtigster Fürst der Insel Tehinerfe, den Vorsitz führte. Langsam strich seine Hand über die Kerben, die er stets am Ende des großen Gastmahls mit der scharf geschliffenen Tabona in den Stamm der stolzen Kiefer geritzt hatte: es waren mehr als viermal so viel, wie er Finger an beiden Händen hatte. So lange schon war es her, daß er als junger, strahlender Mann zum Herrscher von Taoro gekrönt worden war. Ihm schien es wie gestern, daß die Fürsten und Edlen sich vor ihm niederwarfen, seine Xercos, Sandalen, küßten und ihm mit dem königlichen Gruß huldigten: »Zahaniat Guayohec!« Ich bin dein Vasall! Sein Entschluß stand fest: heute wollte er seinem Sohn Durimán feierlich das Zepter überreichen und ihn zum Mencey von Taoro ausrufen. Der Greis fuhr aus seinen Gedanken auf. Vom Tagoror herauf hörte er Lachen und polternde Steine. Den schmalen Felspfad empor stürmten zwei...