Wehren / Eckermann / Mira | Andymonaden | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Memoranda

Wehren / Eckermann / Mira Andymonaden

12 SF-Geschichten
Originalausgabe 2025
ISBN: 978-3-911391-13-9
Verlag: Memoranda
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

12 SF-Geschichten

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Memoranda

ISBN: 978-3-911391-13-9
Verlag: Memoranda
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Andymonaden' präsentiert eine neue Generation deutschsprachiger Autor:innen, die mit Kurzgeschichten auf den beliebtesten Science-Fiction-Roman der DDR antworten. Erschienen 1982, ist 'Andymon' eine positive Utopie aus einer anderen Moderne, Social Fiction ebenso weit entfernt von der Helden- und Technikverehrung klassischer SF wie vom Jargon der DDR. Im Fokus steht vielmehr der Neubeginn der Menschheit im All und eine Gesellschaft von Geschwistern. 'Andymonaden' versammelt zwölf neue, eigenständige Erzählungen von Autor:innen, die sich durch 'Andymon' bewegen lassen, den Roman gegen den Strich lesen, und seine Welt neu erzählen: unterhaltsam, poetisch, divers, queer, kritisch, engagiert und immer wieder auch utopisch. Mit Erstveröffentlichungen von: Patricia Eckermann, Aiki Mira, Dietmar Dath, Lena Richter, Zeinab Hodeib, Luise Meier, Zara Zerbe, Jol Rosenberg, Anna Zabini, Mert Akbal, Nelo Locke und Michael Wehren.

Herausgeber Michael Wehren schreibt und lebt in Leipzig und Berlin. Er ist als Autor, Wissenschaftler, Regisseur und Dramaturg tätig. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören u. a.: Die Zukünfte der Gegenwart und der Vergangenheit, intersektionale Perspektiven auf Klassismus in Kultur und Kunst, das transmediale Nachleben von Genoziden und das Mutieren von Institutionen. Seit 2023 ist er Redaktionsmitglied von DAS SCIENCE FICTION JAHR. 'Andymonaden' ist seine erste Anthologie als Herausgeber.
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Weitere Infos & Material


Michael Wehren

Vorwort

Unterwegs nach Andymon

»That’s why I like novels: instead of
heroes they have people in them.«

Ursula K. Le Guin

Was die Gegenwart gewesen sein wird, oder: Sozialistischer Solarpunk?

Andymonaden präsentiert zwölf phantastische SF-Kurzgeschichten einer neuen Generation deutschsprachiger Autor*innen: poetisch, engagiert, divers, queer, kritisch und immer wieder utopisch. Sie laden dazu ein, mit ihnen zu reisen – zum Planeten Andymon und darüber hinaus, in bislang unbekannte Zukünfte und die Zukunft der Vergangenheit. Das SF im Untertitel kann dabei für eine Vielzahl von Bedeutungen stehen, meint nicht allein Science Fiction, sondern auch Social Fiction oder Speculative Fiction. Anders formuliert: Die Erzählungen in dieser Anthologie folgen nicht der Technik- und Heldenverehrung klassischer Science Fiction. Sie sind vielmehr jener Form der SF verwandt, welche die US-Autorin Ursula K. Le Guin versuchsweise als »seltsamen Realismus« bezeichnet hat. Damit aber befinden sie sich ganz nahe am Puls der Gegenwart – Texte aus der Zukunft, die uns schon heute zeigen, was diese Welt im Übergang morgen gewesen sein wird.

Gleichzeitig antworten alle hier versammelten Texte auf eine gemeinsame Vorlage, den Roman Andymon – Eine Weltraum-Utopie von Angela und Karlheinz Steinmüller. 1982 erstmals in der Deutschen Demokratischen Republik erschienen, erzählt Andymon vom Neubeginn der Menschheit im All, von Kindern, die ohne Eltern auf einem Raumschiff aufwachsen, dem Terraforming des gleichnamigen Planeten und einer Gesellschaft von solidarischen Geschwistern. Ebenso weit entfernt von Technik- und Heldenglauben wie von sozialistischem Staats- oder kapitalistischem Zukunftsjargon, berichten die Steinmüllers von der unsicheren Reise zwischen Welten und Zeiten und zeigen zugleich eine praktische Utopie des kooperativen Miteinanders sowie unterschiedlicher Lebensweisen. Bis heute gilt Andymon denn auch in der SF-Szene als einer der wichtigsten deutschsprachigen Science-Fiction-Romane – bei denen, die ihn kennen und die oftmals eine jahrzehntelange Geschichte mit ihm verbinden.

Als ich nach Berlin zog, hatte ich, geboren 1979 und SF-westsozialisiert, trotz vieler Jahre in Leipzig noch nie von Andymon gehört. Und ich denke, dass ich mit letzterem nicht ganz allein bin. Denn die SF-Szene befindet sich mitten in einem Generationenwechsel, und was Kanon ist oder überhaupt gekannt wird, bleibt nicht, was es war. Erst über Umwege, genauer über Hardy Kettlitz, erfuhr ich von diesem Roman der Steinmüllers, bestellte mir antiquarisch eine alte Basar-Taschenbuchausgabe und war dann, trotz großer anfänglicher Skepsis (ich bin weder ein DDR- noch ein großer DDR-SF-Fan), ebenso berührt wie begeistert und befremdet. Denn Andymon kommt auch heute noch aus der Zukunft, ist und war zu utopisch, zu vernünftig, zu klug und zu humanistisch für jede Gegenwart – ein Traum von sozialistischem Solarpunk aus einer anderen Moderne. Gleichzeitig ist der Roman von heute aus gelesen, nicht nur, aber eben auch, ein Kind seiner Zeit mit deren Erbe von Geschlechterordnungen, Eurozentrismus, real existierendem Sozialismus und Kolonialismus. Daraus entsteht eine konzentrierte Spannung, die durch das Szenario eines Neubeginns der Menschheit im All selbst auch Thema des Romans wird – mit allen dazugehörigen Hoffnungen, Ambivalenzen, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten.

Es sind nicht zuletzt auch diese Spannungen im Material, die es heute produktiv machen, gerade auch für eine Auseinandersetzung mit aktuellen wie vergangenen Utopien und der Zukunft des Genres SF. Denn Utopien, Antidystopien (Isabella Hermann) und der gesamte »seltsame Realismus« der SF sind angesichts der Welt wie sie ist, wieder an der Zeit, vielleicht mehr als je zuvor.

Die Anthologie – Geschichte/n in Bewegung

Grund genug also zeitgenössische Autor*innen einzuladen, heute diesem Klassiker neu oder wieder zu begegnen und in einen Dialog zwischen den unterschiedlichen Generationen der SF einzutreten. Einige von ihnen haben den Roman im Rahmen der Arbeit an dieser Anthologie zum ersten Mal gelesen, andere kannten den Roman und haben ihn jetzt nach vielen Jahren noch einmal gelesen. So oder so: Die Beitragenden dieser Anthologie haben auf diese Einladung reagiert, indem sie sich und ihr Schreiben von der Weltraumutopie der Steinmüllers bewegen und verändern lassen. Gleichzeitig öffnen sie Andymon für Veränderung, erfinden Handlung und Figuren mit anderen Sensitivitäten und Fragen neu, lesen diese Welt solidarisch-kritisch gegen den Strich und öffnen den Roman für das, was in ihm fehlt.

Das Ergebnis sind Geschichten in Bewegung – zwischen den Zeiten, den Generationen und Erfahrungen, zwischen Ost und West, neuer und alter SF, Realismus und Utopie. Sie schreiben Andymon auf jeweils eigene Art um oder fort, erfinden die Figuren neu oder gleich andere Figuren, spielen in möglichen und unmöglichen Zukünften, Gegenwarten, Vergangenheiten, Echos und Varianten der Romanwelt. Um bei dem Titel dieser Anthologie zu bleiben: Jede dieser Kurzgeschichten ist eine Monade, eine kleine Kapsel, wie das Raumschiff in Andymon, das die gesamte Welt um sich herum enthält. Dabei setzt keine dieser Erzählungen die Lektüre des Romans voraus, sie alle können auch für sich gelesen werden.

Dank der Großzügigkeit und Offenheit der Autor*innen gegenüber dem Versuch der Anthologie und Andymon sind ihre Erzählungen so auch selbst zu Einladungen geworden. Sie laden alle Lesenden ein, egal ob sie den Roman schon kennen oder nicht, sich auf den Weg nach Andymon zu machen und diesem Klassiker erstmals oder wie zum ersten Mal im Licht neuer, unbekannter Sonnen zu begegnen.

Ein Planet ist viele Planeten

All that being said – worum geht es eigentlich genau in Andymon? Und was macht den Roman stilistisch auch heute noch besonders? Ganz verkürzt, lässt sich die Handlung wie folgt beschreiben: Andymon erzählt von der Zukunft der Menschheit, einer Reise durchs All und von dem Terraforming des gleichnamigen Planeten. Zwanzig Jahre bevor ein Raumschiff seinen Zielort, den Planeten Andymon, erreicht, beginnen in sogenannten Inkubatoren Kinder heranzuwachsen, die nach ihrer Geburt durch Ramma und Guro genannte Roboter aufgezogen werden. Wobei erstere eine Art Ammen-Funktion erfüllen und zweitere an Hauslehrer erinnern.

Zuerst lebt die Gruppe der Kinder auf einer geradezu paradiesartigen Insel und beginnt schließlich ihre Umwelt genauer zu erkunden. Nach und nach lernen die Kinder dann das gesamte restliche Raumschiff kennen, beginnen sich selbst zu bilden und erproben als Jugendliche Beziehungen miteinander, die, anfangs relativ frei, schließlich zu einer Reihe fester Partnerschaften führen. Erzählt wird all dies aus der Perspektive der Hauptfigur Beth, Partner der Wissenschaftlerin Gamma, weniger ein Anti- als ein praktisch orientierter Nichtheld, der zugleich von kosmischer Sehnsucht getrieben wird.

Die Schiffsgeborenen übernehmen die Steuerung des Schiffs, und als sich herausstellt, dass das Ziel des Raumschiffs die Voraussetzungen für eine Besiedelung durch Menschen erfüllen würde, beschließt die Gruppe, sich auf das Terraforming Andymons vorzubereiten. Gleichzeitig wachsen bereits die nächsten Generationen von Geschwistern heran und das Leben an Bord wird langsam komplexer.

Während der gesamten Reise und des gesamten Romans bleibt dabei unklar, wer das Schiff gebaut, den Kurs festgelegt und die Inkubatoren programmiert hat. Zwar können die Geschwister mittels sogenannter Totaloskope – einer Art immersiver Virtual-Reality-Maschine – die gesamte Geschichte der Erde erleben, doch nur mit zwei Beschränkungen: 1. Nichts kann wiederholt werden. 2. Alle Daten zur Erde enden mit dem Jahr 1999. Kein Wunder also, dass die Erde und Spekulationen über den »Sinn« ihrer Reise, die Geschwister immer wieder beschäftigen. Insbesondere Hauptfigur Beth tendiert zur Spekulation und Kontemplation, was den geradlinigen Handlungsverlauf immer wieder durch die Vorstellungen und die Zeit des Subjekts ausbremst.

Das Schiff erreicht schließlich Andymon und der Prozess des Terraformings beginnt. In der zweiten Hälfte des Buches stehen dementsprechend die damit verbundenen sozialen, technischen sowie existenziellen Herausforderungen im Fokus. Insbesondere die unterschiedlichen Versuche mit Lebensweisen der verschiedenen Generationen von Geschwistern bilden einen Schwerpunkt. So findet sich auf einem der Monde von Andymon eine Gruppe, die versucht, mittels der Totaloskope zu einem Kollektivwesen zu verschmelzen, und erstmals werden Kinder nicht allein durch Inkubatoren auf die Welt gebracht. Gegen Ende muss dann noch der Versuch einer historisch ersten, überwachungsbasierten und manipulativen Machtpolitik verhindert werden, gegen die sich die Verbindlichkeiten der geschwisterlichen Beziehungen und die öffentliche Vernunft (noch?) durchsetzen können. Gleichzeitig stellt sich gerade die Hauptfigur Beth die Frage, ob es ein weiteres Raumschiff geben, ob Andymon für die Menschheit nicht die letzte Heimat gewesen sein wird.

Utopie ist eine Praxis

Andymon ist gleichzeitig individueller und kollektiver Bildungsroman wie pädagogisches und soziales Experiment. Ruhig und mitunter nachdenklich im Tonfall erzählen die Steinmüllers in kurzen Kapiteln episodenhaft nicht von Heldentaten und großen/schönen Konflikten, sondern von einem ebenso...


Wehren, Michael
Michael Wehren schreibt und lebt in Leipzig und Berlin. Er ist als Autor, Wissenschaftler, Regisseur und Dramaturg tätig. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören u. a.: Die Zukünfte der Gegenwart und der Vergangenheit, intersektionale Perspektiven auf Klassismus in Kultur und Kunst, das transmediale Nachleben von Genoziden und das Mutieren von Institutionen. Seit 2023 ist er Redaktionsmitglied von DAS SCIENCE FICTION JAHR. "Andymonaden" ist seine erste Anthologie als Herausgeber.



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