Welzer / Soeffner / Giesecke | KlimaKulturen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Welzer / Soeffner / Giesecke KlimaKulturen

Soziale Wirklichkeiten im Klimawandel

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-593-40954-2
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Viel zu lange glaubte man, für die Erforschung des Klimawandels seien ausschließlich Meteorologen, Meereskundler und Gletscherforscher zuständig. Doch die Klimaerwärmung konfrontiert Menschen, Kulturen und Gesellschaften mit neuen und in ihrer Tragweite noch kaum begriffenen Herausforderungen. Deren Bewältigung stellt nicht nur eine technologische, sondern auch eine kulturelle Aufgabe dar -sie betrifft den Lebensstil ebenso wie Fantasie und Erfindungsgabe. Die Kulturwissenschaften haben hier die wichtige Funktion, die Befunde der Klimaforschung in ihrer sozialen Dimension einschätzbar zu machen - da geht es zum Beispiel um Generationengerechtigkeit, Verantwortung, Wege aus der Leitkultur der Verschwendung, Konzepte des guten Lebens, kurz: um die Bedingungen künftigen Überlebens. Renommierte Autorinnen und Autoren der Kulturwissenschaften zeigen in diesem Band, warum ein Wandel des Klimas unweigerlich auch zu einem Kulturwandel führt. Mit Beiträgen von Ulrich Beck, Dieter Birnbacher, Michael Hagner, Nils Minkmar, Birger P. Priddat, Ingo Schulze u. a.
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Weitere Infos & Material


Inhalt

KlimaKulturen
Harald Welzer, Hans-Georg Soeffner und Dana Giesecke

Haben die Geisteswissenschaften die Zukunft vergessen?
Michael Hagner

Klima des Wandels oder Wie wird die grüne Moderne möglich?
Ulrich Beck

Kultureller Wandel: Zur kulturellen Bewältigung des Klimawandels
Ludger Heidbrink

Globale Strukturanpassung: Weltwirtschaft und Weltpolitik in den Grenzen des Erdsystems
Dirk Messner

Klimawandel: Das Ende der geotopologischen Identität
Birger P. Priddat

Wohin mit den Klimakatastrophen?
Lars Clausen

Klimaverantwortung als Verteilungsproblem
Dieter Birnbacher

Individuelles Umweltverhalten - Probleme, Chancen, Vielfalt
Andreas Ernst

Nicht hier, nicht jetzt, nicht ich - Über die symbolische Bearbeitung eines ernsten Problems
Udo Kuckartz

Architektur und Städtebau im Spannungsfeld von klimakultureller Prägung und sozialökonomischer Entwicklung
Bernd Hunger und Werner Wilkens

Klimaschutz durch Urban Governance
Ulrich Battis

"Die Politik ist das Schicksal" - Philosophische Bibliotheksgespräche über das Global Warming im Jahre 50 v. Chr.
Thomas Schirren

Der Pfirsich von Paris - Ein Essay über die Klimakultur des französischen Südwestens
Nils Minkmar

Das Wort für die Sache halten - Über den Begriff "Verlierer"
Ingo Schulze

Vom Klima zur Gesellschaft: Klimageschichte im 21. Jahrhundert
Franz Mauelshagen und Christian Pfister

Das Klima der Geschichte: Vier Thesen
Dipesh Chakrabarty


Autorinnen und Autoren


Schon diese wenigen Hinweise genügen, um deutlich zu machen, dass der anthropogene Klimawandel ein Phänomen darstellt, das der Expertise der geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen dringend bedarf: beginnend mit der Frage, innerhalb welcher historischer und kultureller Referenzrahmen ein solches Phänomen überhaupt gedeutet wird. Die Expertise betrifft den historischen Erfahrungshaushalt in Bezug auf antizipierte, gefühlte oder erlebte Katastrophen genauso wie die dazugehörigen Deutungsrahmen. Sie bezieht sich ebenso auf die kulturellen Praktiken und Sinnkontexte, die zur Verursachung anthropogenen Klimawandels geführt haben, wie auch auf das weite Feld seiner gesellschaftlichen, politischen, psychologischen und juristischen Bearbeitung. Nicht zuletzt fordert sie das menschliche Deutungs- und Sinngebungspotential heraus: die philosophische Bearbeitung von Aspekten der Gerechtigkeit und Verantwortung sowie die philologische beziehungsweise literarische Sprachkritik und die wissenssoziologische Analyse kollektiver Deutungsfiguren.

Vor diesem Hintergrund erschließt sich, wie eklatant das Versäumnis der Geistes- und Kulturwissenschaften ist, die das Feld der KlimaKulturen bislang weitestgehend unbestellt gelassen haben - und es ist selbst erklärungsbedürftig, warum dies so ist. Der wichtigste Grund für den auch in anderen Hinsichten zu verzeichnenden Rückzug der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften aus der gegenstandsbezogenen Theoriebildung und vor allem aus dem öffentlichen und politischen Diskurs ist aus unserer Sicht begründet durch den Systemzusammenbruch des Ostblocks im Jahr 1989. Nicht nur wurde diese tiefgreifende Veränderung der weltpolitischen Figuration von niemandem, eben auch nicht von den dafür eigentlich zuständigen Deutungswissenschaften, vorhergesehen; für viele Kolleginnen und Kollegen wurden mit diesem Ereignis auch die bis dahin gültigen Bezugstheorien ihrer jeweiligen disziplinären Arbeit fragwürdig - seien sie marxistischer oder systemtheoretischer Art gewesen. In nicht wenigen soziologischen oder politikwissenschaftlichen Seminaren las man ab dem Sommersemester 1990 nicht mehr Marx, sondern Weber, und das war, wie wir im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahrzehnte Fachgeschichten wissen, nicht der einzige turn, der die geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer in der Folgezeit beschäftigen sollte. "Discoursive", "iconic", "visual", "narrative" etc. hießen die unablässig aufeinander folgenden weiteren turns, die neben einer gewissen theoretischen Sterilität und weitgehender Empirieferne vor allem eines leisteten: die Gegenstandsbereiche der Geistes- und Kulturwissenschaften immer weiter aus dem Bereich der gesellschaftlichen Problemlagen heraus- und in die esoterische Welt der Diskurse hineinzumanövrieren. Eben diese Selbstgenügsamkeit des Existierens in den weltfreien Räumen des schieren und selbstzufriedenen Intellektualismus hat dazu geführt, dass mit dem kritischen Potential der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften auch ihre Fähigkeit entfiel, Gegebenes zu transzendieren - was sich unter anderem darin spiegelt, wie Michael Hagner in diesem Band darlegt, dass ihnen die Zukunft abhanden kam und damit notwendigerweise auch die fundamentale Sorge um die eigene und die gemeinsame Existenz.

Mit dieser Zukunftsvergessenheit haben die Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften erheblich zur Entpolitisierung des öffentlichen Raumes beigetragen. Wenn die Deutungseliten auf ihr kritisches Potential verzichten, wird die Demokratie eines machtvollen Korrektivs beraubt und die Zivilgesellschaft einer analytischen und damit politischen Kraft: Die politische Entleerung des öffentlichen Raumes wird durch die postdemokratische Simulation politischer Debatten vom Typ "Anne Will" und "Hart aber fair" nicht ersetzt, sondern exemplarisch verdeutlicht. Das Phänomen "Klimawandel" ist in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen eben deshalb so dramatisch ungedeutet geblieben, weil es dem Austausch von Sprachhülsen in Talkshows und sich daran orientierenden Parlamentsdebatten ausgeliefert wurde.


Harald Welzer ist Direktor des Center for Interdisciplinary Memory Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) und lehrt Sozialpsychologie an der Universität Witten/Herdecke und an der Emory University Atlanta. Hans-Georg Soeffner ist Prof. em. für Allgemeine Soziologie, Fellow und Vorstandsmitglied am KWI und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Dana Giesecke, Soziologin, leitet die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am KWI.


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