E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Reihe: Oberbayern Krimi
Wildgans Canone Vocale
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86358-732-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Reihe: Oberbayern Krimi
ISBN: 978-3-86358-732-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Weinwirtin und Chorsängerin Maja Kuckuck findet während ihrer Geburtstagsfeier einen Gast tot auf. Der erschossene Chorsänger Felix Kirschbaum hatte als Tierarzt einen umstrittenen Ruf. Fiel er der Rache eines geschädigten Tierhalters zum Opfer? Welche Rolle spielte die Pferdebesitzerin und Bestattungsunternehmerin Petra Nagel in seinem Leben? Als Petra plötzlich verschwindet und ihre dubiose Schwester Iris das Bestattungsunternehmen übernimmt, drängt sich Maja ein fürchterlicher Verdacht auf.
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1. »Viel Glück und viel Segen«, trällerten meine Chorkollegen durch meine brechend volle Weinstube »Zum Kuckuck«. Die ebenfalls zahlreich erschienenen Stammgäste und Freunde ließen sich nicht lumpen und stimmten in einer Tonart ihrer Wahl lautstark mit ein. Unser Chorleiter Gabriel Thurgau verzog missbilligend das Gesicht, während er sich wild fuchtelnd bemühte, wenigstens den Rhythmus nicht aus der Hand zu geben. Nachdem er den Kanon zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt angehalten und einen Schlussakkord in schiss-Moll erzwungen hatte, stand unser Chorsprecher Ullrich auf und drehte sich feierlich in meine Richtung. »Liebe Maja«, begann er, »anlässlich deines Geburtstages möchte ich mich auch heuer wieder im Namen des gesamten Chores für dein stetes Bemühen um unser körperliches und seelisches Wohl bedanken. In dieser Weinstube schlägt das Herz des Chores, hier laufen alle Fäden zusammen, hier entsteht die innere Bereitschaft …« »Jetzt kommen Sie doch auf den Punkt«, nörgelte Herr Thurgau ungeduldig. Ich erhob mich schon mal von meinem Platz, um den offiziellen Teil des Abends zu beschleunigen. Gleich würde mir Ullrich eine weitere Porzellanfigur für meine bereits stattliche Sammlung an Staubfängern dieser Art überreichen, und ich würde mich wie immer artig und natürlich völlig überrascht dafür bedanken. »Liebe Maja, auf Anregung einiger Chormitglieder haben wir uns in diesem Jahr auf ein ganz besonderes Geschenk für dich geeinigt. Da du in letzter Zeit häufig über Kreuzschmerzen geklagt hast, dachten wir …« »… an eine Heizdecke«, ergänzte ich trocken. Offenbar waren die Porzellanfiguren momentan vergriffen. »Falsch«, antwortete Ullrich amüsiert, die Chormitglieder kicherten. »Gesundheitslatschen«, mutmaßte meine beste Freundin Doris grinsend. Sie zog mich seit Jahren wegen meines Stöckelschuhticks auf. »Noch falscher.« Ullrich fand anscheinend Gefallen an dem Ratespiel. »Ich war dagegen, das sage ich Ihnen gleich«, vermeldete nun Herr Thurgau mit erhobenem Zeigefinger. Nanu, was mochte das denn sein? Auf einmal war ich gespannt wie ein Kind an Heiligabend. Ullrich holte ein kleines flaches Päckchen aus seiner Jackentasche und reichte es mir quer über den Tisch. Es wurde ganz still, alle warteten auf meine Reaktion. Ich packte das Geschenk vorsichtig aus und hielt schließlich eine Art Gutscheinheft in der Hand, auf dem in fetten Lettern »Gut Frieding« und »Zehnerkarte/Einzelunterricht« stand. »Wofür ist das?«, wunderte ich mich laut. »Du bekommst Reitstunden«, teilte mir Ullrich freudestrahlend mit. »Wie, auf was?«, fragte ich etwas schwer von Begriff. »Auf einem Besen«, witzelte Thea zur allgemeinen Belustigung. »Quatsch, auf einem Pferd natürlich«, korrigierte Ullrich lachend. Die Menge wartete nach wie vor auf einen Luftsprung meinerseits. »Auf einem echten?«, hakte ich sicherheitshalber nach. »Selbstverständlich!« Ullrichs gute Stimmung bröckelte ein wenig, wohl weil mein Gesichtsausdruck nicht gerade auf Begeisterung schließen ließ. »Es war die Idee von Felix«, verteidigte er sich plötzlich. Schräg gegenüber japste Doris verzweifelt nach Luft. Der Versuch, ihren Lachkrampf unter Kontrolle zu halten, war soeben gescheitert. Sie prustete dermaßen laut los, dass einige Leute erschrocken zusammenfuhren. Zwei Sopranistinnen betonten aufgeregt, dass sie der Sache von jeher skeptisch gegenübergestanden hatten. »Freust du dich denn nicht, Maja?«, fragte meine Freundin Lilli besorgt. Sie hatte diesem wirklich originellen Geschenk wohl ebenfalls zugestimmt. »Reiten ist ganz hervorragend gegen Kreuzschmerzen, das ist erwiesen.« »Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, Maja.« Diese bestimmt ehrlich gemeinte Aufmunterung kam von Petra, einer leidenschaftlichen Reiterin, die mich und die anderen Chormitglieder oft genug mit den Befindlichkeitsstörungen ihres ach so sensiblen Rosses nervte. Dabei war Petras Beruf weitaus aufregender als ihre Pferdegeschichten. Sie war nämlich Inhaberin eines kleinen Bestattungsunternehmens mitten in Freising. Ullrich kam auf mich zu und quetschte sich neben mich auf die Bank. »Maja, ich bin untröstlich, wir wollten dir doch eine Freude machen!«, sagte er niedergeschlagen. Der Übeltäter Felix stand ebenfalls von seinem Platz auf und drängte sich an meine andere Seite. »Maja, ich kann verstehen, dass du im ersten Moment vielleicht Angst hast, aber glaube mir, wenn du einmal dort oben gesessen bist, wirst du gar nicht mehr absteigen wollen.« Noch hatte ich mich nicht zu dem ungewöhnlichen Geschenk geäußert; ich wusste nach wie vor nicht, was ich davon halten sollte. »Die Schulpferde auf Gut Frieding sind lammfromm, du hast wirklich nichts zu befürchten«, redete Felix weiter auf mich ein. Er hatte wie Petra ein eigenes Pferd auf dem Reiterhof stehen, aber im Gegensatz zu ihr redete er kaum darüber. Als Tierarzt war er wohl froh, wenn sich die Gesprächsthemen hin und wieder nicht um Tiere drehten. Mein langjähriger Angestellter Andreas flitzte grinsend an meinen Tisch und stellte unaufgefordert einen Grappa vor mir ab. »Ich würde es als Kompliment betrachten, wenn man mir im zarten Alter von neunundfünfzig ein paar Reitstunden schenken würde. Das heißt doch, dass du einen jugendlichen, sportlichen Eindruck machst!«, raunte er mir zu. Mit zwei kräftigen Schlucken leerte ich das Glas und ließ mir Andreas’ Worte noch mal durch den Kopf gehen. Was war denn schon dabei, sich von einem wiehernden Vierbeiner ein paar Runden im Kreis herumschleppen zu lassen? Genauer betrachtet, war das sogar eine Sportart, die meinem Naturell sehr entgegenkam. »Na schön«, willigte ich schließlich ein, »aber wehe, ich bekomme davon O-Beine!« Die umsitzenden Chorsänger applaudierten heftig, Doris machte große Augen, die gute Stimmung war wiederhergestellt. Es wurde ein lustiger und feuchtfröhlicher Abend; sogar unser stocknüchterner Chorleiter Gabriel Thurgau schien sich zu amüsieren. Gut gelaunt wanderte ich von Tisch zu Tisch und nahm Glückwünsche und kleine Geschenke entgegen. Andreas und die beiden Studenten, die gerade bei mir jobbten, hatten alle Hände voll zu tun, die Gläser meiner trinkfreudigen Gäste nachzufüllen. Die kalten Snacks, die ich am Nachmittag vorbereitet hatte, waren bereits gegen elf Uhr restlos verputzt, und ich überlegte kurz, ob ich die für Mitternacht gedachte Gulaschsuppe eher servieren sollte. »Benni«, rief ich den blonden, mageren Studenten, »hat schon jemand gefragt, ob es noch etwas zu essen gibt?« »Bei mir nicht, Maja, aber einige Leute wollten wissen, ob sie nicht ausnahmsweise drinnen rauchen können, wo wir doch heute eine geschlossene Gesellschaft sind.« »Nix da«, blieb ich knallhart. Vor einiger Zeit hatte ich in meinem Hinterhof ein riesiges leeres Weinfass mit zwei kleinen Bänken darin aufstellen lassen, in dem gleichzeitig vier Personen sitzen und rauchen konnten. Das regensichere Fass war gut angenommen worden, und die nicht rauchenden Gäste hatten meine Entscheidung sehr begrüßt, das Lokal rauchfrei zu halten, auch wenn unsere Regierung ihre Gesetze diesbezüglich permanent änderte. Ich marschierte wieder zurück zum Chortisch und setzte mich neben meine zukünftige Reiterkollegin Petra. »So eine Schnapsidee mit dem Reiten«, begann ich scherzhaft, »was habt ihr euch bloß dabei gedacht?« »Aber Maja, es ist doch der Traum aller Mädchen, auf einem Pferd zu sitzen«, sagte Petra überzeugt. »Ein Mädchen von neunundfünfzig Jahren hat andere Träume, das kann ich dir schon mal verraten.« »Wetten, dass du so begeistert sein wirst, dass du nach den zehn Einzelstunden dabeibleiben willst?« »Was macht dich da so sicher?«, wollte ich wissen. »Ich kenne den Charme des Reitlehrers«, meinte Petra verschmitzt. »Für den Charme von Männern mit Peitsche war ich noch nie empfänglich. Apropos, wirst du dabei sein, wenn man mich zum ersten Mal aufs Ross hebt?« »Leider nicht, Maja, weißt du nicht, dass ich morgen Mittag fliege?« »Wohin denn?«, fragte ich überrascht. »Nach China. Ich mache eine zweiwöchige Kulturreise, ist das nicht toll? Ich habe lange darauf gespart, China hat mich schon immer fasziniert.« »Das glaube ich gern, meine Tochter und ihre Familie planen auch seit einiger Zeit eine Chinareise. Und wer kümmert sich in der Zwischenzeit um dein Geschäft?«, erkundigte ich mich interessiert. »Oder machst du den Laden zu?« »Das kann ich mir nicht leisten, ich werbe schließlich mit Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft. Meine Schwester ist so nett und vertritt mich während meines Urlaubs. Sie ist mit der Arbeit vertraut, sie hat früher im Bestattungsunternehmen meiner Eltern im Saarland mitgeholfen.« Petra strich sich eine Strähne ihres langen blonden Haares aus dem Gesicht. Sie war wirklich eine hübsche Frau. Ihre schlanke Figur betonte sie stets mit eng anliegender modischer Kleidung, und ihre Vorliebe für extravagante Brillen gab ihrer ganzen Erscheinung das gewisse Etwas. Meiner Meinung nach passte sie rein optisch besser in eine Modeboutique als in ein Bestattungsunternehmen. »Machst du die Reise denn alleine?«, fragte ich neugierig. Ich wunderte mich schon lange, dass die unverheiratete Petra nie mit einem Mann an ihrer Seite auftauchte. Oder steckte etwa mehr hinter der Bemerkung über den charmanten Reitlehrer? »Natürlich reise ich alleine, da muss ich mich wenigstens nach niemandem richten. Du verstehst mich doch, Maja,...