E-Book, Deutsch, Band 1, 234 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Zager Glaube und Vernunft in den Weltreligionen
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-374-04850-2
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 234 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Reihe: Veröffentlichungen des Bundes für Freies Christentum
ISBN: 978-3-374-04850-2
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Werner Zager, Dr. theol., Jahrgang 1959, studierte Evangelische Theologie in Frankfurt am Main, Mainz und Tübingen. Seit 2003 ist er Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung Worms-Wonnegau und apl. Professor für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Frankfurt am Main.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Religiöser Fundamentalismus
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Dialog & Beziehungen zwischen Religionen
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Religionsethik, Weltethos
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaften Interdisziplinär Friedens- und Konfliktforschung
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Vergleichende Religionswissenschaft
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Werner Zager
DURCH DIE VERNUNFT AUFGEKLÄRTER GLAUBE?
Glaube und Vernunft im liberalen Christentum
Vorangestellt sei eine knappe Klärung der Begriffe »Vernunft« und »Verstand«. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden beide Ausdrücke nicht voneinander unterschieden und bezeichnen das »geistige Vermögen im Gegensatz zur Sinnlichkeit«. In der philosophischen Schulsprache dagegen unterscheidet man zwischen dem »Vermögen des diskursiven Nachdenkens, das sich urteilend und schließend zwischen den Begriffen hin und her bewegt« (lat. ) und dem »Vermögen der intuitiven Einsicht, das seinen Gegenstand in einem einheitlichen Akt geistiger Anschauung unmittelbar erfaßt« (lat. ).1 Während im deutschen Sprachgebrauch bis ins 17. Jahrhundert Vernunft als Übersetzung von ratio und Verstand als Übersetzung für intellectus diente, kehrte IMMANUEL KANT die Bedeutungen um, was zu einer bis heute andauernden Verunsicherung bei der distinkten Verwendung der beiden Begriffe führte.2 Ich selbst werde mich der Sprachregelung Kants anschließen, die sich im wissenschaftlichen Bereich weithin durchgesetzt hat: Verstand bezeichnet danach das diskursive, d.h. hin- und herlaufende, analysierende und schrittweise vorgehende Denken. Darüber steht die Vernunft als geistiges Vermögen, Einsichten zu gewinnen, Zusammenhänge zu erkennen, sich ein Urteil zu bilden und sich in seinem Handeln danach zu richten.
1. Martin Luther: Vernunft als Gottesgabe und als Hure des Teufels
Wie hat sich MARTIN LUTHER (1483–1546) das Verhältnis von Glauben und Vernunft gedacht? Um diese Frage im Blick auf die reife Gestalt der Theologie Luthers zu beantworten, empfiehlt sich die Beschäftigung mit seiner Disputation (Vom Menschen) aus dem Jahre 1536.
2. Gotthold Ephraim Lessing: Das Christentum der Vernunft24
Auch wenn GOTTHOLD EPHRAIM LESSING (1729–1781) sich auf »Luthers Geist« berief, begegnet uns in seinen theologisch-philosophischen Schriften doch eine ganz andere geistige Welt als die der Reformationszeit. Lessing wusste sich dem Prinzip der Aufklärung verpflichtet, »alle Denktraditionen und Lehren einer kritischen Prüfung zu unterziehen«.25 Dabei verband er »rückhaltlose Offenheit für eine historische Erforschung der biblischen Berichte« und der christlichen Religion mit dem unbedingten Streben nach Erkenntnis der Wahrheit.26
3. Immanuel Kant: Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft
Nach IMMANUEL KANT (1724–1804) sind alle Versuche, die Existenz Gottes zu beweisen, gescheitert. Damit ist aber nicht jedes Denken über Gott oder gar der Gottesglaube unmöglich. Lässt sich doch laut Kant Gott als Postulat der praktischen Vernunft, d.h. als eine für moralisches Handeln notwendige Annahme erweisen:
4. Friedrich Schleiermacher: Von der Frömmigkeit zur vernünftigen Reflexion
Ganz anders als LESSING und KANT, die die natürliche Religion über die Offenbarungsreligion stellten, verfährt FRIEDRICH DANIEL ERNST SCHLEIERMACHER (1768–1834). Hatte doch die Romantik einen Zugang zu den lebendigen Religionen eröffnet.67 Und so heißt es in seinen 1799 zuerst anonym veröffentlichten Reden : »[…] die Religion […] ist ihrem Begriff und ihrem Wesen nach auch für den Verstand ein Unendliches und Unermeßliches; sie muß also ein Prinzip sich zu individualisieren in sich haben, weil sie sonst gar nicht dasein und wahrgenommen werden könnte«.68 »Die sogenannte natürliche Religion ist« dagegen nach Schleiermachers Urteil »gewöhnlich so abgeschliffen, und hat so philosophische und moralische Manieren, daß sie wenig von dem eigentümlichen Charakter der Religion durchschimmern läßt.«69
5. Albert Schweitzer: Die Denknotwendigkeit der Grundideen des Christentums
Bereits die Überschrift seiner Gifford-Vorlesungen, die ALBERT SCHWEITZER (1875–1965) in den Jahren 1934 und 1935 in Edinburgh hielt, macht deutlich, dass Schweitzer sich mit dem Anliegen des Stifters, Lord ADAM GIFFORD, einig wusste: . Hatte doch dieser die »Überzeugung, daß das rationale Denken zu den höchsten ethischen und religiösen Wahrheiten gelange«.81
6. Rudolf Bultmann: Radikale Infragestellung des Menschen durch Gott und Hochschätzung der menschlichen Vernunft
In seinem 1924 veröffentlichten Vortrag 95 kommen RUDOLF BULTMANNs (1884–1976) Kritik an der liberalen Theologie und seine Hinwendung zur dialektischen Theologie prägnant zum Ausdruck. Sein gegenüber der liberalen Theologie erhobener Vorwurf, sie habe »nicht von Gott, sondern von Menschen gehandelt«, hält ihn aber nicht davon ab, deren Verdienste »für die Aufhellung des Geschichtsbildes« und »vor allem für die , d.h. zur Freiheit und Wahrhaftigkeit« zu würdigen.96
7. Wolfhart Pannenberg: Der Glaube als Kriterium für die Vernünftigkeit der Vernunft
Für WOLFHART PANNENBERGs (1928–2014) Theologie ist der Titel des von ihm 1961 herausgegebenen Sammelbandes 108 Programm geblieben. Danach ereignet sich Gottes Offenbarung nicht direkt, sondern indirekt in der Geschichte, wobei das Offenbarwerden Gottes erst am Ende allen Geschehens erfolgen wird.109 Eine solche »Ausweitung der Heilsgeschichte zur Universalgeschichte« sieht Pannenberg in der Prophetie Israels vorbereitet und in der Apokalyptik systematisch durchgeführt.110 Diese Struktur des Geschichtsdenkens setze nicht nur das Urchristentum voraus, sondern sie bleibe auch bestimmend für die »abendländische Geschichtsphilosophie bis hin zu Hegel und Marx«.111
8. Resümee
Im Folgenden möchte ich in thesenhafter Form Stellung nehmen zu den zuvor geschilderten Möglichkeiten, wie Glaube und Vernunft im Gefolge Luthers innerhalb eines liberalen Protestantismus aufeinander bezogen werden. Dabei geht es mir nicht um abschließende Urteile, sondern um die Eröffnung eines Gesprächs.
- Auch wenn die moderne Biologie immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen höher entwickelten Tieren und dem Menschen erkennt, ändert sich im Wesentlichen nichts daran, dass der Mensch sich in besonderem Maße durch das Vermögen der Vernunft vom Tier unterscheidet.
- Was den Gebrauch der Vernunft betrifft, so kann sie entweder vom Unglauben oder vom Glauben bestimmt werden. Im einen Fall vertraut sie auf ihre Leistungen, im anderen Fall stellt sie sich in den Dienst des Glaubens, der sich der Rechtfertigung aus Gnade verdankt. Dass die Vernunft – um die mythologische Sprache LUTHERs...




