Abrahams | Der Häftling | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 369 Seiten

Abrahams Der Häftling

Thriller
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-479-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, 369 Seiten

ISBN: 978-3-98952-479-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sie bekommt ein ungewöhnliches Angebot - wird es ihre große Chance oder ein wahrgewordener Albtraum? Ivy Seidel ist Schriftstellerin, doch erfolglos, weil es ihren Texten angeblich an Tiefgang fehlt. Als sie in einem Hochsicherheitsgefängnis für Gewalttäter Schreibkurse geben soll, sagt sie daher sofort zu, in der Hoffnung, dort die nötige Inspiration zu finden. Doch hinter den düsteren Gefängnismauern kommt Ivy schnell an ihre Grenzen. Einzig der attraktive Insasse Vance Harrow sticht heraus: Seine fesselnden Texte offenbaren schockierende Parallelen zu seiner eigenen Inhaftierungsgeschichte und werfen die Frage auf: Könnte Harrow zu Unrecht hinter Gittern sitzen? Ivy beschließt, die Wahrheit herauszufinden - und wird immer tiefer in eine dunkle Spirale aus Täuschung, Gewalt und tödlicher Gefahr gezogen ... »Abrahams festigt seinen Ruf als einer der besten zeitgenössischen Thriller-Autoren mit diesem psychologisch tiefgründigen Roman.« Publishers Weekly Der nervenaufreißende Psychothriller des amerikanischen Bestsellerautors über eine Faszination mit fatalen Folgen. Für Fans von Harlan Coben und Fans der Serie »Prison Break«

Peter Abrahams ist ein renommierter amerikanischer Autor zu dessen weltweiter Leserschaft auch Stephen King gehört, der ihn als seinen »liebsten amerikanischen Spannungsromanautor« bezeichnet. Einige seiner Werke wurden mit hochkarätigen Stars wie Robert De Niro für die große Leinwand adaptiert. Die Website des Autors: www.peterabrahams.com/peter-abrahams/ Bei dotbooks veröffentlichte der Autor seine Standalone-Thriller »Der Nachhilfelehrer«, »Der ideale Ehemann«, »Der Häftling«, »Das Wunschkind«, »Dear Wife«, »Blacked Out - Gefährliche Erinnerung«, »Missing Code - Verlorene Spur« und »Hard Rain - Schleier aus Angst«.
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Eins


»Wie ist vorangehen das Schreiben?«, fragte Dragan Karodojic.

Sperrstunde in Verlaines Bar und Grill in der Schermerhorn Street. Außer Dragan, dem Tellerwäscher, der den Boden wischte, und Ivy Seidel, der Barkeeperin, die die Tageseinnahmen abrechnete, war niemand mehr da.

»Nicht schlecht«, erwiderte Ivy. Diese Frage – wie das Schreiben voranging – war die wichtigste in ihrem Leben, ihr ständiger Begleiter, und die ehrliche Antwort lautete, dass sie keine Ahnung hatte. Was sie hatte, war ein Magistergrad in Kreativem Schreiben von der Brown, drei Sommer in einem Roman-Workshop im Norden, der letzte mit einem vollen Stipendium, zwei nicht abgeschlossene Romane, einundsechzig vollendete Kurzgeschichten, die in der Länge zwischen einer und achtundfünfzig Seiten variierten, und eine Schublade voller Ablehnungsbescheide.

»Ich für meine Person habe Idee für Roman«, erklärte Dragan.

»Das hast du nie erwähnt«, sagte Ivy, während sie ihr Trinkgeld unter der Münzlade der Kasse hervorholte und einsteckte.

»Du nie fragen«, sagte Dragan, und ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er seinen Schrubber abgestellt und saß ihr gegenüber an der Bar. Ivy mochte Dragan. Wer nicht?

Sechs Monate im Land, breites Lächeln voll schiefer osteuropäischer Zähne, großäugige Begeisterung für Dinge, die die meisten New Yorker nicht einmal bemerkten – aber es war schon nach zwei, und sie wollte nach Hause.

»Was ist das Ding«, fragte Dragan, »für Handyverbindung?« Er machte mit beiden Händen eine weit ausholende Geste, wie ein schwellender Kreis.

»Mast?«, fragte Ivy.

»Mast, ja«, sagte Dragan. »Handymast.« Und er stürzte sich in eine lange und unverständliche Geschichte über einen Sendemast, der Signale aus einer Schattenwelt empfing, in der die Seelen der ausgestorbenen Neandertaler Rachepläne schmiedeten.

»So«, schloss Dragan, den Kopf wie ein Welpe zur Seite geneigt. »Ich will Wahrheit. Wie lautet Urteil?«

Ivy ging nach Hause. Eine warme Septembernacht, so warm wie im Sommer und dennoch irgendwie anders. Wie genau? Es war wichtig, diese Dinge festzunageln, die richtigen Worte zu finden. Aber als Ivy ihr Gebäude erreichte und die Stufen zum Eingang erklomm, waren die richtigen Worte noch immer nicht gekommen.

Sie schloss ihren Briefkasten auf, Nummer fünf, fand einen einzigen Brief. The New Yorker. Sie riss den Umschlag auf. Eine Ablehnung. Ein Formschreiben; drei vom New Yorker hatte sie bereits – sie verwendeten dickes Papier, so wie es sich anfühlte, hätten es auch protzige Einladungen sein können –, aber diesmal hatte jemand mit unleserlicher Unterschrift eine Bemerkung daruntergekritzelt. Ivy drehte das Blatt in Richtung der Straßenbeleuchtung.

Der Utah-Teil ist wirklich nett.

Der Utah-Teil? Welcher Utah-Teil? Hatte sie ihnen denn nicht »Live-Unterhaltung« geschickt, eine achtseitige Kurzgeschichte, die ausschließlich in einer Raststätte in New Jersey spielte? Aber dann erinnerte sich Ivy an die kurze Erwähnung eines Snowboard-Unfalls in Alta. Wie kurz? Drei Zeilen, höchstens.

Ivy schloss die Haustür auf und stieg nach oben zu ihrem Einzimmerapartment im fünften Stock. Die Treppe, eigentlich das gesamte Gebäude, neigte sich leicht nach rechts, außerdem funktionierte nichts richtig, und nichts wurde jemals repariert, aber das beeinflusste die Höhe der Miete nicht im Geringsten. Ivys Zimmer, ein unregelmäßiger 45 Quadratmeter großer umgebauter Dachboden, kostete 1100 Dollar im Monat. Sie trat ein, legte den Riegel vor und setzte sich an den Tisch, einen Kaffeehaustisch, den sie kostenlos in einem gescheiterten Restaurant in der Smith Street ergattert hatte. Ivy schaltete ihren Laptop ein und suchte nach der Utah-Passage in »Live-Unterhaltung«.

Er stürzte, aber offensichtlich aufwärts, denn er landete in einem Baumwipfel. Das einzige Geräusch war das über die Spur hallende Weinen des Kindes, das er überfahren hatte. In weiter Ferne schimmerte der große Salzsee irgendwie braun.

Das war wirklich nett? Auf irgendeine Weise netter als der Rest der Geschichte? Ivy las das Ganze mehrere Male durch, ohne zu begreifen, warum. Sie beschloss, dem New Yorker diesbezüglich einfach zu vertrauen. Sie war zu »wirklich nett« imstande, und sie interpretierte »wirklich nett« als veröffentlichungswürdig für den New Yorker und alles, was darauf folgen mochte.

Fast drei Uhr morgens, aber Ivy war nicht mehr müde. Sie kochte sich Tee, stieg auf den Tisch, zog die Luke mit der Klappleiter herunter und kletterte aufs Dach. Das einzig Gute an Apartment fünf, aber so gut, dass sie den Vertrag unterschrieben hatte, obgleich es mehr kostete, als sie sich leisten konnte.

Ivy stand auf ihrem Dach und blickte nach Westen. Über die Dächer und den Fluss: Manhattan. Ihr fehlten die Worte, diesen Ausblick zu beschreiben. Vielleicht konnten Filme so etwas besser. Aber was ein Film nicht einfangen konnte, zumindest keiner der Filme, die Ivy gesehen hatte, war die Verwundbarkeit. Sie erkannte das jetzt sehr deutlich – die ganze Skyline konnte einfach so verschwinden, wie mittlerweile jeder begriffen hatte, jedoch keine Kamera jemals zu zeigen in der Lage war. Eine tragische Pracht, um nicht zu sagen sinnlos, wie ... Ozymandias. Moment mal. Das hatte Shelley schon probiert. Vielleicht irrte sie sich, vielleicht konnte ein wirklich guter Autor dennoch ...

In diesem Augenblick, die erleuchtete Skyline Manhattans vor sich, sogar doppelt, verschwommen gespiegelt vom Wasser, und eine sanfte Septemberbrise auf ihrer Haut, sanft und warm, aber diese Wärme hatte etwas Unbeständiges, gleichermaßen Verletzliches, ja, das war es, die Antworten auf die Septembernacht und die Skyline-Fragen stellten sich als ein und dieselbe heraus – in diesem Moment hatte Ivy den Einfall für eine völlig neue Geschichte.

Eine Geschichte über einen Immigranten, in Stings Worten einen legal allen, doch dieser stellte fest, dass er sich in einen Neandertaler verwandelte. Klaute sie von Dragan? Nein. Wenn überhaupt, klaute sie eher Dragan selbst. Aber so funktionierte Kunst nun mal. Sie hatte etwas Brutales, eine Brutalität, wie ihr plötzlich bewusst wurde, die sich häufig in den Gesichtern der größten Künstler wie Picasso, Brando oder Hemingway spiegelte. Sie erinnerte sich an die Abschiedsworte von Professor Smallian an der Brown, Dozent des Fortgeschrittenenkurses und Autor dreier veröffentlichter Romane, von denen einer von der New York Times besprochen worden war: Man muss kein guter Mensch sein, um ein guter Autor zu sein – die Geschichte zeigt, dass es besser ist, wenn man keiner ist, aber man muss das Schlechte in sich begreifen.

Ivy kehrte durch die Luke nach unten zurück, setzte sich an den Tisch und tippte den ersten Satz, der ihr in den Sinn kam. Vladek fühlte sich stark. Eine Geschichte wie diese hatte sie nie zuvor geschrieben, eine Geschichte mit magischen Elementen. Vielleicht hätte sie das tun sollen, denn diese, »Höhlenmann«, hob aus eigenem Antrieb ab und raste voran. Manchmal konnte sie kaum noch Schritt halten – wie Lucille Ball, wenn das Pralinenförderband zu schnell lief –, während sie die Worte herumzerrte und an die richtigen Stellen schob.

Ivy kam zum letzten Satz, ein Satz, von dem sie wusste, dass er seit einigen Absätzen in den Kulissen lauerte – Der Chirurg riss einen Witz, den Vladek nicht verstand, und als sie aufblickte, war es Morgen, silbriges Licht strömte durch die beiden kleinen Fenster. Sie war gleichzeitig aufgedreht und erschöpft; konnte sich riechen. Noch einmal überarbeitete sie die Erzählung, korrigierte einige Stellen, wurde immer aufgeregter. Das hier war wirklich gut.

Oder?

Hier lag der Hase im Pfeffer: Man war nie sicher. Man brauchte eine andere Meinung. Finden Sie einen Leser, der klug und ehrlich ist, hatte Professor Smallian geraten, vorzugsweise einen Autor, der Ihnen überlegen ist – obwohl ein sowohl kluger als auch ehrlicher Autor in diesen erhabenen Höhen schwer zu finden ist. Ivy hatte Glück. Sie hatte Joel Cutler. Er war ihr zwar nicht überlegen, aber er war klug und ehrlich.

Ivy und Joel kannten sich seit ihrem ersten Jahr am Williams College. Sie hatten sich in der Lady-Ephs-Fußballmannschaft für Erstsemester kennengelernt, in der Ivy Torfrau, Joel Trainer gewesen war, später gemeinsam einen lyrischen Zyklus geschrieben, der sie nach Oxford brachte, und am Ende zusammen das Literaturmagazin herausgegeben. Sie lasen sich seit Jahren ihre Arbeiten vor, wohnten mittlerweile nur wenige Blocks voneinander entfernt und planten, zusammen ein Drehbuch zu verfassen. Ivy druckte »Höhlenmann« aus und machte sich auf den Weg.

Joel lebte in einer großen Wohnung in einem schönen Vorkriegsgebäude direkt an der Promenade, mit Blick auf den Fluss. Das Gebäude gehörte Joels Vater, ebenso wie viele Häuser in den Heights, Park Slope, Carroll Gardens. Andy, der seit dem letzten Jahr mit Joel zusammenlebte, kam aus der Eingangstür, ein altes Fernsehgerät auf den Armen.

»Hi, Ivy«, grüßte er. »Brauchst du einen Fernseher?«

Er stellte ihn auf dem Bürgersteig ab, neben einer Menge anderem Krempel – einem durchgesessenen Polstersessel, zwei Stehlampen, gerahmten Mardi-Gras-Postern.

»Renovierung?«, fragte Ivy.

Andy sah sie flüchtig an. »Eigentlich nicht«, erwiderte er. Er hatte eine neue Frisur, Strähnchen. Die hatte sie auch, aber seine waren besser, subtiler. Sie hätte gefragt, wer sie ihm gemacht hatte, wenn sie ihn lieber gemocht hätte. »Joel zu Hause?«, fragte...



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