E-Book, Deutsch, Band 11, 240 Seiten
Reihe: Altmühltal
Auer Altmühlwölfe
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98707-263-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 11, 240 Seiten
Reihe: Altmühltal
ISBN: 978-3-98707-263-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Schräg-sympathische Ermittler, falsche Fährten und eine gute Portion Humor.
Nach Jahrhunderten sind die Wölfe ins Altmühltal zurückgekehrt und sorgen für Aufregung in der Region. Als ein von Bisswunden übersäter Toter entdeckt wird, scheint die Situation eindeutig. Doch die Oberkommissare Mike Morgenstern und Peter Hecht haben Zweifel an der Geschichte vom bösen Wolf. Unter kniffligen politischen Vorzeichen müssen sie herausfinden, wer in den Jurawäldern tatsächlich sein Unwesen treibt – und legen sich auf die Lauer.
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EINS Morgenstern hatte keine Lust. Überhaupt keine. Wie hatte ihm das bloß passieren können? Wie hatte ihnen das bloß passieren können? Ihm, Kriminaloberkommissar Mike Morgenstern, und seinem Kollegen, Oberkommissar Peter Hecht. Irgendwas war da schrecklich schiefgelaufen. Dass sie als Duo nun in diesem Bus saßen, mit Bamberger Kfz-Kennzeichen, umgeben von aufgekratzten jungen Männern und Frauen, die alle noch grün hinter den Ohren waren, wie Morgenstern fand. Die anderen, das waren allesamt Polizeibeamte in Ausbildung, Bereitschaftspolizistinnen und -polizisten aus Eichstätt. Und allesamt trugen sie Kampfanzug. Bloß Hecht und Morgenstern nicht, die waren in schnittlauchgrüne Trainingsanzüge gekleidet. Das Mordermittlerduo der Ingolstädter Kriminalpolizei war auf dem Weg ins Walderlebniszentrum Schernfeld. Keine zehn Kilometer von Eichstätt entfernt, war das eine jener pädagogischen Einrichtungen, die den bayerischen Kindern verklickern sollten, dass so ein Wald schon irgendwie eine tolle und wichtige Sache sei. Auf etlichen Pfaden konnten sie hier die Natur »spüren« und »Mikroabenteuer« erleben, wie das im modernen Freizeitmanagement hieß. Irgendwer war aber eines Tages auf die Idee gekommen, man könnte doch auch die bayerische Polizei auf den Holzweg schicken. Zum Teambuilding. Und als Stresstest. Nur Einfaltspinsel konnten glauben, dass es sich dabei um einen harmlosen Waldspaziergang handelte. Morgenstern war es flau im Magen. Er war schuld. Er hatte das verbockt. Kein Zweifel: Die beiden Kriminaloberkommissare und Mordermittler hatten sich in ihrer Bürogemeinschaft im Polizeipräsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt in jüngster Zeit ein wenig auseinandergelebt. Um genau zu sein: Oberkommissar Hecht aus Schrobenhausen hatte wie jedes Jahr unmittelbar vor Ostern damit begonnen, im großen Stil Spargel vom Bauernhof seiner Schwester zu verticken. Das ganze Präsidium zählte zu Hechts Kundschaft, das winzige Büro war zur Markthalle mutiert. Vor knapp einer Woche war Morgenstern der Kragen geplatzt, als eine Kundin sich bei der Transaktion besonders umständlich angestellt und mühsam eine Unmenge an Münzen zusammengekramt hatte, um Hecht auszubezahlen. Morgenstern hatte erst den Kollegen Hecht, dann die Frau beschimpft. »Ich habe keine Lust mehr auf dieses Großmarkt-Geschachere!« Seit Wochen könne er hier nicht mehr ordentlich arbeiten, und überhaupt stelle sich für ihn die Frage, wer in diesem ganzen vermaledeiten Polizeipräsidium Oberbayern-Nord an der Esplanade in Ingolstadt noch etwas arbeite. »Alles Sesselfurzer hier!« Das Timing von Morgensterns Tirade war freilich denkbar ungünstig. Es war nämlich zum einen so, dass die abgebürstete und nun etwas verdattert wirkende Spargelkundin niemand anders war als die Vorzimmerdame des Polizeipräsidenten Leo Brandmayer, die ihren Einkauf im Auftrag des Herrn erledigte. Hinzu kam, dass der besagte Polizeipräsident drei Minuten zuvor, da war die Chefsekretärin schon auf dem Weg zu Hecht, einen Anruf von seiner Gattin erhalten hatte. Es hätten sich für den geselligen privaten Abend in Brandmayers Bungalow im gutbürgerlichen Ingolstädter »Alten Westviertel« ein paar zusätzliche Gäste angekündigt, die Spargelmenge müsse also aufgestockt werden. Kurzum: Der Herr Präsident setzte sich nun persönlich in Bewegung, mitten in Morgensterns Philippika stand plötzlich der oberste Vorgesetzte im Türrahmen. Und hörte schweigend zu. Es dauerte lange, viel zu lange, bis Morgenstern an Hechts Augenverdrehen bemerkte, dass Gefahr im Verzug war, und er sich endlich, endlich umwandte. »Interessant«, war das Erste, was Polizeipräsident Brandmayer schließlich sagte. Dann setzte ein äußerst beklemmendes Schweigen ein, das nur als Ruhe vor dem Sturm gewertet werden konnte. So war es: Brandmayer faltete Mike Morgenstern nach allen Regeln der patriarchalischen Personalführung zusammen, verbat sich solcherlei Ausfälligkeiten gegenüber Kolleginnen und Kollegen, wies in einem kleinen, hässlichen Seitenhieb darauf hin, dass Oberkommissar Morgenstern »bekanntlich« aus gutem Grund einst von Nürnberg nach Ingolstadt versetzt worden sei. Und regte schließlich an, das Ermittlerteam Hecht-Morgenstern möge bei allernächster Gelegenheit an einer polizeiinternen Teambuilding-Maßnahme teilnehmen. »Hier hapert’s ja ganz gewaltig am zwischenmenschlichen Umgang! Wie wollen Sie da zusammen Ihre Fälle lösen? Sie fahren umgehend ins Walderlebniszentrum. Ich will Sie beide auf der Jakobsleiter sehen. Ich gebe gleich Polizeidirektor Schneidt Bescheid, damit er alles in die Wege leitet.« Und damit war das entschieden und nicht mehr abzubiegen. Da half es auch nichts, dass Hecht dem Präsidenten das Zusatzkilo Spargel schenken wollte. Ganz im Gegenteil wertete der oberste Chef das als billigen Bestechungsversuch und bezahlte das Schrobenhausener Edelgemüse nun ebenso umständlich mit Klimpergeld, wie das zuvor schon seine Sekretärin getan hatte. »Was ist jetzt diese Jakobsleiter?«, fragte Morgenstern besorgt, als die unliebsame Kundschaft endlich abgezogen war. Hecht wusste es auch nicht. Aber da bog auch schon Antonia Grabsky, ihre junge Kollegin, um die Ecke. Die konnte es ihnen erklären. Jeder junge bayerische Polizist müsse einmal im Rahmen seiner Ausbildung in das besagte Walderlebniszentrum, verkehrsgünstig im Herzen des Freistaats gelegen. Da gebe es eine wackelige Kletterkonstruktion, die sich nur im Team erklimmen lasse. »Acht Meter hoch, mindestens«, sagte Grabsky. »Warst du schon oben?«, wollte Morgenstern wissen. »Ja, vor ein paar Jahren.« Sie bedachte ihre beiden Kollegen mit einem mitleidsvollen und zugleich besorgten Blick und wünschte ihnen dann ohne weiteren Kommentar »Hals- und Beinbruch«. Das Walderlebniszentrum Schernfeld lag am Eingang eines riesigen Staatsforstgebiets, das seit vielen hundert Jahren Altbayern von Franken trennte. Der Polizeibus hielt an einem geschotterten Parkplatz, im Gänsemarsch marschierten Alt- wie Jungpolizisten auf einem breiten Forstweg ein kurzes Stück in den Wald, Richtung Norden. Morgenstern kannte das Gelände. Er war mit der Familie schon mal dort, aber da war es nur ein harmloser Waldlehrpfad gewesen. Kein Vergleich mit dem, was Morgenstern nun zu sehen bekam: Der Ausbilder führte seine Hundertschaft samt den zwangsverpflichteten Gästen ins Gelände vor ein riesiges Gerüst aus Baumstämmen. Hecht und Morgenstern sahen sich besorgt an. Eingehängt in ein massives Gestell waren da vier Balkenlagen übereinander im Abstand von knapp zwei Metern an Seilen befestigt. Bis hinauf in eine schwindelnde Höhe. »So, meine Damen und Herren: Stellen Sie sich einfach vor, Sie wären ein Eichhörnchen …« Der Ausbilder beliebte zu scherzen, während das erste Duo, zwei ausgesprochen sportlich und muskulös wirkende Jungpolizisten, Klettergurte anlegten, Helme aufsetzten und mit Seilen gesichert wurden. »Los geht’s!« Die beiden hatten sich offenbar gründlich auf die Herausforderung vorbereitet und kannten die Strategie, mit der die grotesk weit auseinanderliegenden »Sprossen« dieser Leiter überwunden werden könnten. Man musste den Kollegen oder die Kollegin rigoros als Steighilfe benutzen, sich gegenseitig ziehen, schieben, rittlings auf dem nächsten Balken Platz nehmen … Die beiden waren im Nu oben. »Scheint irgendwie machbar«, sagte Morgenstern zu Hecht. Der blickte grimmig nach oben, wo in diesem Moment einer der Jungspunde eine ganz oben befestigte Glocke zum Bimmeln brachte. Unter Applaus wurden die beiden Sportskanonen an ihren Seilen auf den festen Waldboden hinabgelassen. Hecht drängte sich nach vorn zum Ausbilder. »Ich würde vorschlagen, dass mein Kollege und ich gleich als Nächste weitermachen. Dann haben wir das hinter uns.« »Wenn ihr meint … Gerne.« Und schon stellte der Ausbilder dem neugierigen Nachwuchs die beiden Ermittler vor: »Wir haben hier zwei altgediente Kollegen von der Kriminalpolizei, die auf eigenen Wunsch ihre Teamfähigkeit erproben wollen. Wir wissen alle, dass unser Beruf ständig Situationen bereithält, in denen es darum geht, sich bedingungslos aufeinander verlassen zu können, Nervenstärke zu bewahren, aber im Fall der Fälle auch heil nach Hause zu kommen.« »Das mit dem eigenen Wunsch stimmt nicht so ganz«, murmelte Morgenstern, während sein Klettergurt am Seil eingehakt wurde. Dann machten sich die beiden unter den Augen von fünfunddreißig Jungpolizisten auf den Weg nach oben. Es blieb beim Versuch. Schlimmer noch: Die Kletteraktion wurde zum Fiasko. Die beiden schafften es mit allergrößter Mühe und unter grotesken Verrenkungen auf Balken Nummer zwei, dann war für sie bereits Endstation. Zwei Männer in ihren frühen Fünfzigern auf verlorenem Posten. Morgenstern saß auf dem Balken, Hecht stand neben ihm, beide komplett außer Puste. Morgenstern hatte bereits zittrige Knie, den klassischen »Knieschnackler«, außerdem fiel ihm – zu spät – ein, dass er eigentlich schon immer unter Höhenangst gelitten hatte. Unter den Zuschauern auf festem Grund und Boden setzte allmählich Unruhe ein, weil das alles doch sehr, sehr lange dauerte. Hecht reichte Morgenstern die Hand, in der Hoffnung, der Kollege könne irgendwie aus seiner Sitzposition nach oben finden. Aber daraus wurde nichts. Die beiden Helden kamen keinen Meter weiter, begannen, sich gegenseitig zu beschimpfen, und mussten zur Erheiterung des Nachwuchses schließlich aufgeben. Hecht hielt sich den maladen Rücken, Morgenstern war völlig verkrampft. »Was treiben Sie beide denn üblicherweise an Sport?«, fragte der Ausbilder argwöhnisch, als man die Ermittler mit vereinten Abseilkräften wieder aus gerade mal drei...