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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 9, 256 Seiten

Reihe: Altmühltal

Auer Endstation Altmühltal

Kriminalroman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96041-771-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 9, 256 Seiten

Reihe: Altmühltal

ISBN: 978-3-96041-771-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Hollywood im Altmühltal

Ein internationaler Starregisseur mit Eichstätter Wurzeln kehrt in seine Heimat zurück, um dort einen aufwendigen Historienfilm zu drehen. Die ganze Stadt ist bei Massenszenen in die Filmarbeiten eingebunden. Doch dann wird ein Location-Scout leblos im Tiefen Brunnen der Willibaldsburg gefunden, und ein Fan der Hauptdarstellerin verunglückt tödlich. Die Kommissare Mike Morgenstern und Peter Hecht tauchen in die nebulöse Welt des Showgeschäfts ein.

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29. Juni
Kriminaloberkommissar Peter Hecht hatte Namenstag. Und im Unterschied zu den allermeisten Menschen im einst durch und durch katholischen Altbayern hielt Hecht große Stücke auf diesen Ehrentag. Mochten die Kollegen doch die Köpfe schütteln, diese vom Glauben abgefallenen Kameraden, von denen die meisten nicht einmal wussten, welcher Tag im Jahr denn ihrem Namenspatron gewidmet war: Nein, Peter Hecht war da noch vom alten Schlag. Und deswegen hatte er an diesem 29. Juni zwei Paar Weißwürste und drei Brezen mit ins Büro gebracht, dazu zwei Plastiktütchen mit süßem Senf. »Fehlt bloß noch das Weißbier«, sagte Morgenstern. Mike Morgenstern war als Hechts Bürokollege als einziger Gast zu der Namenstagsprivatorgie eingeladen. Und das, obwohl auch er in Sachen Heiligenkalender gänzlich ahnungslos war. »Kein Weißbier im Dienst«, sagte Hecht und zauberte als Alternative zwei Flaschen Paulaner-Spezi aus seiner Aktentasche. Die Würste erwärmte er in einem Wasserkocher, den er üblicherweise für seinen Kamillentee benötigte. Sorgfältig achtete er darauf, dass das Wasser nicht zu sieden begann und die dicht an dicht platzierten Weißwürste nicht etwa aufplatzten. »Die besten Weißwürste in der ganzen Region«, behauptete Hecht. »Natürlich von mir daheim, von meiner Stammmetzgerei in Schrobenhausen.« Morgenstern schwieg aus Höflichkeit. Erstens, weil er als waschechter Nürnberger die südbayerische Leidenschaft für Weißwürste nicht teilte, sondern im Zweifelsfall immer Bratwürste bevorzugte. Zweitens, weil er wusste, dass die Menschen jenseits der Donau in blindem Lokalpatriotismus grundsätzlich die Würste ihres eigenen Sprengels für die besten von ganz Bayern, der Welt, der Galaxis und des Universums hielten. Er selbst konnte kaum einen Unterschied erschmecken, man hätte ihm wohl auch Weißwürste aus der Dose unterjubeln können. Sie hatten gerade eben mit ihren Spezi-Flaschen auf Hechts Jubeltag angestoßen und dann mit dem Festmahl begonnen, als das Telefon läutete. »Da gehen wir jetzt nicht dran«, entschied Morgenstern mit vollem Mund und versuchte, das Läuten zu ignorieren. Schließlich lugte er doch aufs Display und erkannte die Nummer. »Verflixt, der Schneidt!« Kriminaldirektor Adam Schneidt, ihr Vorgesetzter, wollte sie sprechen. Die beiden ließen den Chef eine Weile bimmeln, in der Hoffnung, das würde sich von selbst erledigen. Allerdings hatten sie dessen Hartnäckigkeit unterschätzt. Es klingelte und klingelte. Schneidt schien zu wissen, dass seine Untergebenen im Büro saßen. Schließlich gab Morgenstern sich einen Ruck und hob den Hörer ab. »Morgenstern hier.« »Ist der Hecht auch da?«, fragte Schneidt ohne Umschweife. Sein militärischer Tonfall ließ nichts Gutes ahnen. »Ja, ich reiche Sie mal weiter.« Hecht nahm den Hörer stirnrunzelnd entgegen und wischte sich mit dem Ärmel einen Klecks Händlmaier-Senf aus dem Mundwinkel. Er stellte das Telefon auf Lautsprecher um, damit Morgenstern mithören konnte. »Herr Hecht, ich wollte Ihnen meine besten Glück- und Segenswünsche zum Namenstag aussprechen. Wie Sie wissen, bin ich ein Mann, der noch an den guten alten Traditionen festhält.« Hecht fiel vor Überraschung der Hörer aus der Hand und natürlich geradewegs auf das Senfhäufchen im Teller. »Das ist wirklich schön, dass Sie extra deswegen anrufen. Wir essen gerade ein paar Weißwürste. Zur Feier des Tages.« »Dann essen Sie mal schön fertig, und danach kommen Sie beide bitte in mein Büro. Ich habe einen Spezialauftrag für Sie.« »Um was geht es denn?« Schneidt sagte nur ein Wort, bevor er auflegte: »Hollywood.« Unter normalen Umständen hätte sich diese Rätselnuss nicht leicht knacken lassen. Aber hier war der Fall eindeutig. Seit Wochen war der Donaukurier voll mit Berichten über die Vorbereitungen für einen großen Kinofilm. Und in jedem zweiten Zeitungsbeitrag fiel das Wort Hollywood. Mal hieß eine Überschrift »Hollywood im Altmühltal«, mal war die Rede von einem »Hauch von Hollywood«, der in der Region zu erwarten sei, dann wieder ging es ganz konkret darum, dass der Regisseur und Filmproduzent Robert Neumayer, der »bekanntlich« die Hälfte des Jahres in Los Angeles und ansonsten in Berlin lebte, seiner alten Heimat die Ehre erweise und ihr mit einem internationalen Kinofilm »ein Denkmal aus Zelluloid« errichten wolle. Geplant war demnach ein Film des Genres »Mantel und Degen«, ausgestattet mit einem Budget von sechzig Millionen Euro. Der Titel stand schon fest: »Kettnerin«. Mike Morgenstern selbst hatte all das nur am Rande mitverfolgt. Aber seine Frau Fiona hatte sich umso stärker damit beschäftigt und ihm immer wieder einmal Passagen aus der Zeitung vorgelesen. Auch Peter Hecht war voll im Bilde. Während er sich ein Stück Wurst in den Mund schob, gefolgt von einem großen Stück Breze, erzählte er Morgenstern alles, was er dazu wusste. »Der Neumayer verfilmt so eine historische Geschichte. Da geht’s um eine Frau aus der Gegend von Eichstätt, die sich irgendwann im 18. Jahrhundert als Mann ausgegeben hat und bei den Österreichern Soldat geworden ist.« Morgenstern tippte sich ans Hirn. »So was kannst du auch bloß mit den Österreichern machen.« »Spar dir deine Ösi-Witze«, beschied ihm Hecht. »Auf jeden Fall war diese Frau, Kettner hieß sie, ein richtiger Draufgänger, eine Kriegsheldin. Und als man ihr am Ende draufgekommen ist, dass sie eine Frau ist, hat die österreichische Kaiserin Maria Theresia sie ehrenhaft nach Hause entlassen. Kommt dir das irgendwie bekannt vor?« Morgenstern dachte kurz nach, dann fiel der Groschen. »›Mulan‹?«, fragte er. »Das hört sich an wie diese Disney-Geschichte aus China. Da war doch auch so eine Frau in der Armee.« »Geeeenau«, sagte Hecht gedehnt. »Der Film über die Kettnerin soll jetzt die europäische Antwort auf ›Mulan‹ werden. Ein Blockbuster.« »Mulan für Arme?«, fragte Morgenstern. »Wenn für dich sechzig Millionen Euro Peanuts sind …« »Und dieser Neumayer kommt tatsächlich aus der Gegend?« »Wenn ich’s dir sage: Der ist ein waschechter Eichstätter. Das ist ganz ähnlich wie früher beim Bernd Eichinger. Der war aus Rennertshofen und ist ein Weltstar geworden. Ich sag’s immer: Die Provinz ist besser als ihr Ruf.« »Vor allem, wenn man nicht mehr dort leben muss«, knurrte Morgenstern, der bei der Arbeit immer noch hartnäckig auf seinem Status als Nürnberger bestand. »Der Neumayer hat sich einmal um Kopf und Kragen geredet. Als junger Mann hat er einem Radiosender gesagt, das Beste an Eichstätt wäre der Zug nach München. Das hängt ihm bis heute noch nach. Er nennt’s eine Jugendsünde.« Sie räumten ihre Teller zur Seite, tranken im Stehen ihre Flaschen leer und machten sich auf den Weg zu Adam Schneidts Büro. »Spezialauftrag«, murmelte Morgenstern. Schon vor der Tür hörten sie leise Marschmusik. »Der Radetzkymarsch«, sagte Hecht kopfschüttelnd, bevor er anklopfte. Kriminaldirektor Adam Schneidt saß an seinem Schreibtisch, aus einem kleinen, billigen CD-Spieler dröhnten die berühmt-schmissigen Klänge von Johann Strauss. Schneidt dirigierte mit der rechten Hand lässig mit. Er trug – Morgenstern traute seinen Augen nicht – eine uralte dunkelblaue Uniformjacke. Die hatte eindeutig nichts mit Polizeitradition zu tun, sondern erinnerte am ehesten an den Kölner Karneval. Der Chef nickte den beiden Kommissaren kurz zu und beschied ihnen, auf seinem Sofa Platz zu nehmen. Da saß auch schon eine Kollegin, mit der sie in den vergangenen Jahren schon mehrfach zusammengearbeitet hatten: Antonia Grabsky. Hecht und Morgenstern quetschten sich rechts und links zu ihr auf die speckige, durchgesessene Couch und harrten der Dinge. Grabsky, etwa dreißig Jahre alt, schien bisher ebenso wenig zu wissen wie sie. Endlich war der Marsch zu Ende. Schneidt schaltete den CD-Player aus, dehnte und reckte sich auf seinem Stuhl und sagte: »Das war halt noch Musik!« Dann stand er auf und präsentierte sich samt seiner Uniformjacke in voller Größe. »Da staunen Sie, was!«, sagte er stolz und setzte sich wieder. »In der Tat«, sagte Morgenstern. »Üben Sie für die Ingolstädter Faschingsgesellschaft Narrwalla?« »Morgenstern, Sie werden sich mit Ihrer frechen fränkischen Schnauze noch einmal richtig Ärger einhandeln.« Schneidt winkte ab. »Diese Jacke ist ein Original aus dem Fundus unseres Bayerischen Armeemuseums hier in Ingolstadt. Wie Sie wahrscheinlich nicht wissen, bin ich ein maßgeblicher Unterstützer unseres Museums, seit vielen Jahren Mitglied im Verein der Museumsfreunde. Das eröffnet mir, uns, gewisse Möglichkeiten.« Morgenstern quetschte sich auf dem engen Sofa in die Ecke, um den Körperkontakt zu Kollegin Grabsky aufs Unvermeidliche zu reduzieren. »Ist Ihnen die Uniform der bayerischen Polizei nicht schick genug?«, forschte er nach. Schneidt hob mahnend den Finger: »Morgenstern, ich hätte manchmal gute Lust, Sie in den Streifendienst zu versetzen. Dann können Sie den ganzen Tag in Uniform durch die Stadt laufen. Eine Uniform, die ich in der Tat sehr schätze. Im Vergleich zu unserer früheren grünen Kleidung ist das neue Blau doch ein ästhetischer Quantensprung. Das habe ich auch schon unseren Innenminister wissen lassen. Aber warum ich Sie hergebeten habe: Morgen beginnen die Dreharbeiten für die ›Kettnerin‹. Ich selbst und meine Freunde vom Armeemuseum unterstützen die Arbeiten logistisch, im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten. Aber das nur am Rande. Jedenfalls bin ich in Kontakt mit unserem Regisseur und Produzenten Robert...


Richard Auer, Jahrgang 1965, studierte Diplom-Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt und hielt der Stadt auch danach die Treue. Mit seiner Frau und drei Söhnen sowie Kater Lorenzo wohnt er mitten in der barocken Altstadt. Seit über 25 Jahren arbeitet er als Tageszeitungsredakteur im Altmühltal.

www.richardauer.com



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