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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 7, 272 Seiten

Reihe: Altmühltal

Auer Willibaldsruh

Kriminalroman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96041-409-4
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 7, 272 Seiten

Reihe: Altmühltal

ISBN: 978-3-96041-409-4
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Kommissar Mike Morgenstern zieht sich die Gummistiefel an.

Ein junger Schweinemäster aus der Nähe von Ingolstadt wird tot in seiner Biogasanlage gefunden. Ein tragischer Unfall, meinen die Oberkommissare Mike Morgenstern und Peter Hecht – bis sie erfahren, dass bereits in den Wochen zuvor die Ernte des Landwirtes sabotiert wurde. Der eigensinnige Bauer stand im 'Speckgürtel' rund um die Großstadt offensichtlich vielen im Weg. Doch wer ist bereit, über Leichen zu gehen?

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ZWEI
Die beiden Kriminaloberkommissare waren froh, als sie wieder in ihrem Auto saßen. »Ich brauche dringend einen Kaffee«, sagte Morgenstern. In Kriminalfilmen hatte er oft gesehen, dass noch am entlegensten Tatort mitten im Wald plötzlich eine gute Seele in Gestalt eines Streifenbeamten ein paar Pappbecher mit Milchkaffee aus dem Nichts gezaubert hatte. Aber da blieb ihnen hier in der Köschinger Realität der Schnabel sauber. So steuerte Hecht den Wagen als Erstes in die Ortsmitte der Marktgemeinde, auf der Suche nach einer Bäckerei mit Imbiss. Er stellte das Auto in der zentralen Marktstraße ab, und sie schauten sich um. Obwohl es später Vormittag war, war wenig los. »Sind wohl alle beim Arbeiten«, sagte Hecht. »Da hat an einem gewöhnlichen Werktag keiner Zeit zum Spazierengehen.« »Und zum Shoppen auch nicht«, gab Morgenstern zurück. »Ist sowieso nicht das geborene Einkaufsparadies. Mit Ausnahme von dem Modegeschäft da drüben.« Es war unübersehbar: Die einstmals noch vorhandene Funktion als halbwegs zentraler Einkaufsort hatte der Ortskern von Kösching schon lange eingebüßt. Das war auch den etwas größeren Orten in der Region so ergangen. Der ehemalige Mittelpunkt der Gemeinden hatte seine Bedeutung schleichend an großflächige Gewerbegebiete auf der grünen Wiese abgegeben, auf denen sich die großen Lebensmittelfilialisten ihre monströsen Verkaufshallen errichtet hatten. Und als wäre das nicht schon genug, mussten die kleinen Einzelhändler auch noch gegen die übermächtige Konkurrenz der Großstadt kämpfen, vom krakenartigen Online-Handel ganz zu schweigen. Morgenstern wusste von seinem Wohnort Eichstätt, wohin es ihn von Nürnberg aus verschlagen hatte, wie schwer das war, und in Hechts Heimatstadt Schrobenhausen sah die Situation nicht besser aus. Die Ingolstädter hatten sich im Westen ihrer Stadt ein gewaltiges Einkaufszentrum genehmigt, um das sich im Laufe der Jahre weitere riesige Läden und ein Kinocenter geschart hatten. Und im Osten der Stadt, nur einen Steinwurf von Kösching entfernt, hatte sich direkt neben einer Erdölraffinerie und in Sichtweite zur Autobahn ein Fabrikverkaufszentrum angesiedelt, das »Ingolstadt Village«. Sie waren eben erst direkt daran vorbeigefahren. Morgenstern war mit seiner Frau Fiona und seinen Söhnen Marius und Bastian ein einziges Mal dort gewesen und konnte beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum ausgerechnet dieser künstliche Ort zur mit Abstand meistbesuchten Attraktion im gesamten Naturpark Altmühltal samt Ingolstädter Umland geworden war. Über eine Million Besucher jährlich drängten sich in den Straßen dieses durch und durch artifiziellen Dorfes, das zuckerbäckerartig im Neuengland-Stil auf irgendeine Industriebrache gezirkelt worden war, mit Läden und Lokalen, die alle so taten, als stammten sie aus dem 18. Jahrhundert. Sogar ganze arabische Familien auf Europa-Shoppingtour hatte Morgenstern hier entdeckt und sich vergebens die Frage gestellt: Gibt’s hier was umsonst? All diese Entwicklungen hatten für Ortskerne vom Kaliber Köschings bestenfalls die undankbare Rolle des kommerziellen Sidekicks gelassen. Der Platz, an dem man noch eilig überraschende Notkäufe tätigte für das, was man anderswo zu erwerben vergessen hatte. Und das war an diesem Vormittag deutlich zu spüren. Der Amberger-Bräu, an dem die Kommissare auf der Suche nach einer Bäckerei vorbeikamen, verkündete prompt auf einem Schild an der Tür, dass er erst am Spätnachmittag zu öffnen gedenke. Die Grundversorgung sicherte derweil die Filiale einer regionalen Bäckereikette, die sich in bester Marktlage eingemietet hatte, um den Menschen im Ortskern frische Semmeln und Brezen, Brot und Zuckerzeug zu offerieren, dazu Sandwiches für die kleine Mahlzeit zwischendurch und – selbstverständlich – den unvermeidlichen Mitnehm-Kaffee im isolierenden Pappbecher mit Plastikdeckel, der dem Käufer hier wie überall als »Coffee to go« New Yorker Weltläufigkeit, Mobilität und hektische Dringlichkeit bescheinigte. Morgenstern hatte es allerdings definitiv nicht eilig, sondern nahm an einem der schmalen Tischchen Platz, die gegenüber dem langen Verkaufstresen aufgestellt waren. Hecht bestellte schwarzen Kaffee für Morgenstern und ein Glas Kamillentee für sich selbst. Dazu für jeden fettiges Schmalzgebäck in Gestalt eines Apfelkücherls, gewälzt in Zimtzucker. »Was machen wir jetzt mit dieser Sache?«, fragte Hecht, als sie sich schließlich gegenübersaßen. »Aufessen«, sagte Morgenstern. »Quatsch. Ich meine dieses Unglück oder was immer das war. Was hältst du davon? Das war ein Unfall, oder nicht?« Morgenstern führte nachdenklich die Kaffeetasse zum Mund und zuckte zurück, als das heiße Porzellan seine angeschlagene Unterlippe berührte. Es war, als hätte er einen kleinen Stromschlag abbekommen. »Unfall oder nicht«, wiederholte er. »Für mich ist die ganze Geschichte nicht koscher.« Er blies sorgfältig in seinen dampfenden Kaffee. »Erst diese Sache mit den Stangen im Mais, jetzt ist der junge Bieber tot. Das können wir nicht so stehen lassen.« »Und wenn es Zufall war? Es scheint doch so, als ob die Stangen nicht speziell dem Bieber-Hof gegolten haben.« »Dann müssen wir das trotzdem irgendwie klären«, beharrte Morgenstern. »Zwei unglückliche Zufälle nacheinander – das ist für mich mindestens einer zu viel.« Hecht trank vorsichtig von seinem Kamillentee – und spülte mit dem Schluck sorgfältig seinen Mund aus. »Aber zu gurgeln fängst du jetzt nicht an«, moserte Morgenstern. »Ist ja widerlich.« »Mir geht’s nicht besser als dir. Und in der Bäckerei gibt es halt mal kein Aspirin.« »Oh doch«, meldete sich eine Stimme von der anderen Seite des Tresens. »Das ist eine unserer leichtesten Übungen. Sie glauben gar nicht, wie oft wir das hier in der Früh verkaufen. Ein Aspirin mit einem kleinen Glas Wasser und dazu gleich einen doppelten Expresso.« »Espresso«, korrigierte Hecht kühl. »Ich sag immer schon Expresso«, erklärte die Verkäuferin, eine resolute, stämmige Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren. »Mögen Sie jetzt ein Aspirin oder nicht?« »Zwei«, sagte Morgenstern. »Für mich nämlich auch.« Die Verkäuferin hatte gerade keine weitere Kundschaft zu betreuen und kam mit den beiden Wassergläsern, in denen schon – als Service des Hauses – die Kopfschmerztabletten sprudelten, leutselig an das Tischchen der Kommissare. »Sie waren gestern wohl auf dem Ingolstädter Herbstfest?«, fragte die Bäckereifachkraft mit mütterlich-neugierigem Ton, der gar nicht recht zu ihrem jugendlichen Alter passen wollte. »Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Morgenstern sicherheitshalber zurück, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. »Weil mein Freund heute früh auch so ausgesehen hat wie Sie. Der war mit seinen Kumpels dort.« »Ist er hier aus Kösching?«, fragte Hecht. »Nein, drüben aus Gaimersheim. Aber sie sind mit den Köschingern aneinandergeraten. Und da hat es dann halt gescheppert. Heute Abend will er gleich wieder hin. So schlimm kann es also nicht gewesen sein. Das gehört halt dazu. Das ist wie Maibaum-Stehlen.« Morgenstern zwinkerte Hecht zu. Das war doch schon einmal ein schöner Ansatz. Aber es kam noch besser: Denn die Verkäuferin hatte mangels anderer Aufgaben beschlossen, sich den unbekannten Gästen nun gänzlich zu widmen. Sie zog einen dritten Stuhl heran, ließ sich daraufplumpsen und seufzte. »Das tut mal gut, wenn man sonst den ganzen Tag lang steht.« Sie sah ihre Kunden ungeniert an. »Sie sind aber nicht von hier, oder?« Morgenstern dachte kurz nach, dann gab er sich einen Ruck, entschied für sich, dass die junge Frau als Ortskundige eine Hilfe sein könnte, und ließ die Katze aus dem Sack. »Wir beide sind von der Kripo in Ingolstadt. Wir waren bis gerade eben draußen auf dem Bieber-Hof. Vielleicht haben Sie davon schon gehört.« Die Verkäuferin machte große Augen. »Von der Kripo? Da wäre ich nie im Leben draufgekommen.« »Wir sehen nicht immer so, so … mitgenommen aus«, wandte Morgenstern ein. »Vor allem mein Kollege ist meistens wie aus dem Ei gepellt, nicht wahr, Spargel?« Hecht warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Das war heute hier in der Bäckerei den ganzen Vormittag das große Thema«, sagte die junge Frau. »Der Bieber-Willi ist in seine Biogasanlage gefallen und ist tot. Das geht hier rum wie ein Lauffeuer, weil ihn natürlich jeder kennt. »Kannten Sie ihn auch?« »Freilich. Hier kennt man sich schon noch, außer es sind die Leute aus der Siedlung. Da wird’s dann manchmal schwierig. Aber besser als den Willi kenne ich den Konrad, seinen jüngeren Bruder.« Sie lächelte einen Moment, und Morgenstern fragte sich, ob da gerade eine besonders erfreuliche Erinnerung aufgeblitzt war. »Der Conny war mit mir in der Schule. Und später habe ich ihn auch immer wieder mal getroffen. Zuletzt, glaube ich, bei der Beerdigung seiner Mutter.« Sie fügte ein »leider« hinzu. »Wie alt ist der Konrad?«, fragte Hecht. »Siebenundzwanzig. Er war, wie man so sagt, ein Nachzügler. Das Nesthäkchen. Ich war sogar bei seinem achtzehnten Geburtstag. Den hat er groß auf dem Hof gefeiert, und die Musik hat er selbst aufgelegt. Techno, er war schon ganz früh Discjockey und hat in den Clubs in Ingolstadt aufgelegt. Da hat er sich MC Conan genannt.« »MC?«, fragte Hecht, der sich unauffällig sein Notizbuch aus der Tasche gefischt hatte und ein wenig mitstenografierte. »MC – Master of Ceremony Conan. Wie Conan der Barbar.« Morgenstern erinnerte sich vage an...


Richard Auer, Jahrgang 1965, studierte Diplom-Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt und hielt der Stadt auch danach die Treue. Mit seiner Frau und drei Söhnen sowie Kater Lorenzo wohnt er mitten in der barocken Altstadt. Seit über 25 Jahren arbeitet er als Tageszeitungsredakteur im Altmühltal.



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