Barz Schandpfahl
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95441-203-7
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman aus der Eifel
E-Book, Deutsch, Band 1, 240 Seiten
Reihe: Jan Grimberg
ISBN: 978-3-95441-203-7
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Grausame Ritualmorde in der Eifel?
Ein Aufschrei geht durch die Eifel: Am historischen Pranger im Freilichtmuseum Kommern wird nachts ein Mann hingerichtet. Das Opfer ist der Bauunternehmer Andreas Berger - und niemand kann sich vorstellen, wer den beliebten, tiefgläubigen Mann töten wollte.
Der Schöngeist Jan Grimberg wird im Rahmen seiner Polizeiausbildung in diesen bizarren Fall hineingeworfen und Kommissar Steiner zur Seite gestellt - seinem neuen Mentor, der ihm auf Anhieb unsympathisch ist. Jan will sich in den Ermittlungen behaupten, wird von Steiner jedoch kaum ernst genommen. Schon kurze Zeit später wird ein weiteres Opfer an dem symbolträchtigen Schandpfahl aufgefunden. Gequält, erniedrigt, grausam getötet. Welches Geheimnis verbindet die beiden Opfer?
Das Krimi-Debüt von Stefan Barz wurde vom nordrhein-westfälischen Eifel-Landkreis Euskirchen mit dem Jacques-Berndorf-Preis 2014 ausgezeichnet, der im Rahmen des Festivals "Nordeifel Mordeifel" als Förderpreis für Eifelkrimis verliehen wird.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
2. Kapitel
9. September 2013 Der Schrei war durchdringend und auf jeden Fall mehrstimmig. Das konnten nur die Mädchen aus der 8b sein, dachte Frau Schöller und prüfte, wer aus der Klasse nicht mehr da war. Maike, natürlich, und Pia, außerdem Hanna und Chantal. Jetzt bemerkte Frau Schöller, dass auch die drei Plagegeister fehlten: Jerome, Leon und Joshua, die alle drei das Kevinismus-Syndrom hatten: schwer erziehbare Taugenichtse mit neumodischen Namen. Frau Schöller rannte los in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Der Tag hatte schon miserabel angefangen. Völlig lustlos waren die 64 Teenagerbeine der 8b durch das Freilichtmuseum Kommern geschlurft, und keiner ihrer Schüler hatte auch nur annähernd Interesse an den historischen Bauten gezeigt, an den Vorträgen von Frau Rosenberger, der Museumsführerin, und den Handwerkern, die ihr Können eindrucksvoll vorführten. Die Schüler hätten den Wandertag lieber im Kino verbracht statt im Freilichtmuseum. Den Gipfel der Frechheit hatte sich Jerome erlaubt, als Frau Rosenberger die Zehntscheune vorgestellt hatte. »Kennen Sie Wayne?«, hatte Jerome gefragt, und seine Clique hatte dreckig gelacht, während Frau Rosenberger diesen Hormonprotzer freundlich-fragend angeschaut hatte, als müsste sie diesen »Wayne« kennen. Frau Schöller hatte sich so sehr für ihre Schüler geschämt, für die Bildung keinen Wert hatte. Wayne das interessiert … Dabei erschloss sich die heutige Alltagskultur nur, wenn man ihre Geschichte kannte, fand sie. Das heutige Bildungswesen, die Wirtschaft, das Rechtssystem – alles verstand man besser, wenn man es aus der Perspektive des historischen Wandels betrachtete. Und das Freilichtmuseum bot alles andere als trockene Schulbuchtexte, nämlich anschauliche, lebendige Geschichte. Eigentlich viel zu schade für die heutige Jugend, hatte Frau Schöller gedacht und sich gefragt, warum sie keinen aufregenderen Beruf ergriffen hatte. Wenn sie sonntags den Münsteraner Tatort anschaute, wäre sie gerne die Assistentin von Professor Börne. Sie liebte die souveräne und witzige Art, wie der kluge Rechtsmediziner seine Leichen sezierte. Wieder schrien mehrere Mädchen auf. Die Schreie gingen in entsetztes Heulen über. Im Laufschritt warf Frau Schöller einen Blick auf den Lageplan. Die Geräusche waren aus Richtung Dorfkapelle gekommen, die in der Baugruppe Eifel stand. Neben der Kapelle stand eine alte Gerichtssäule, die von mehreren Schülern eingekreist wurde. Immer mehr Teenies kamen dazu und brachen in Tränen aus. Einige Mädchen nahmen sich tröstend in den Arm. Andere packten ihre I-Phones aus der Tasche und aktivierten die Videofunktion. Allen voran Jerome, der sich durch die Menschentraube zur Gerichtssäule drängte und sein Handy mit ausgestrecktem Arm vor sich hielt. Was war da los? Frau Schöller legte noch einen Schritt zu, lief an den verheulten Gesichtern ihrer Kinder vorbei – und hielt sich die Hand vor den Mund. Das war das Grausamste, was sie je gesehen hatte. An die Gerichtssäule war ein toter Körper gekettet, ein blutverschmierter Mann, der sehr gelitten haben musste. Und dieser Mann … Das konnte doch nicht sein, das war doch … Frau Schöller dachte den Gedanken nicht zu Ende, stattdessen versuchte sie mit hektischen Bewegungen, Jerome das Handy aus der Hand zu reißen, der aber immer wieder geschickt auswich, weiter filmte und dabei stammelte: »Krass ey, echt krass ey.« Wenn man Jan Grimberg ein Jahr zuvor gefragt hätte, wo er seine berufliche Zukunft sehe, hätte er keine Antwort darauf gewusst. Die hatte er schon nicht gewusst, als er das Philosophiestudium abgebrochen und Jura studiert hatte. Jura war für ihn ein typisches Verlegenheitsstudium gewesen, das er nur angefangen hatte, weil man viel damit machen konnte, zumindest mehr als mit der Philosophie. Andere studierten Jura, weil man angeblich viel Geld damit verdienen konnte. Aber Geld war nicht der Grund, weshalb Jan vorübergehend hatte Jurist werden wollen, er war schließlich als Anwaltssohn im Wohlstand aufgewachsen. Und weil Dr. Justus Grimberg, Jans Vater, seinem Sohn die Kanzlei noch zu Lebzeiten vermachen wollte, und weil die Vorstellung, mit seinem Vater die nächsten 15 Jahre täglich zusammenzuarbeiten und weiterhin wie ein kleiner Junge behandelt zu werden, einfach grauenhaft war, hatte Jan schließlich auch das Jurastudium geschmissen und sich auf gut Glück bei der Polizei beworben. Und auf gut Glück hatte man ihn eingestellt. Wenn man Jan Grimberg nun fragte, ob es das Richtige für ihn sei, bei der Polizei zu arbeiten, wusste er zwar auch darauf keine Antwort, aber vor seinem Vater hatte er jetzt wenigstens Ruhe. Die alten Fachwerkhäuser des Freilichtmuseums hatten ihre besondere Würde, die Jan als Kind, wenn er einige Male mit seiner Schulklasse hatte herkommen müssen, kaum zu schätzen gewusst hatte. Nun erst erkannte er ihren besonderen Wert und ihre Schönheit. So einfach und doch so kunstvoll waren die Häuser gebaut. Er hätte sie gerne aus der Nähe bestaunt. Nur leider war es heute ungünstig, denn er war beruflich hier. Nach mehreren Jahren bei der Schutzpolizei war Jan zur Kripo gewechselt – und in dieser Woche hatte seine Einarbeitungsphase in Euskirchen begonnen. Den Wald hatte Jan hinter sich gelassen, nun war er in einem alten Dorf angekommen. Es war die Baugruppe Eifel, wie er dem Lageplan entnehmen konnte. Zwei Männer, die zum Servicepersonal des Museums gehörten, schickten drei ältere Frauen, die hinter Jan hergingen, wieder den Weg zurück, den sie gekommen waren. Jan ging an den Mitarbeitern vorbei und nickte ihnen zu. Das Museum war offenbar auf einen solchen Ausnahmezustand vorbereitet, da es sich mit dem eigenen Personal darum kümmerte, die Besucher vom Tatort abzuschirmen. Jan hörte Stimmen, sah Menschen. Von Weitem nahm er nur Chaos wahr, und er erinnerte sich daran, vor Kurzem gelesen zu haben, dass Mordermittlungen immer mit der Chaosphase begannen. Jan zeigte einem Polizisten seinen Dienstausweis und schwang sich in gebückter Haltung unter dem rot-weißen Absperrband hindurch, mit dem das Gelände der Baugruppe Eifel eingegrenzt worden war. Mehrere Beamte des Erkennungsdienstes sicherten eifrig Spuren. Die Schutzpolizei hatte offenbar gerade den Tatort an die Kripo übergeben und war im Begriff, das Gelände zu verlassen. Jetzt übernahm die Mordkommission die Arbeit. Das waren einige Kommissare des Bonner Kriminalkommissariats 11, das für Tötungsdelikte in der Eifel zuständig war. Zusätzlich, so hatte Bilinski, Jans Vorgesetzter bei der Polizei Euskirchen, erklärt, wurde die Mordkommission in diesem Fall von zwei Kommissaren der Euskirchener Kripo ergänzt, um die Ermittlungsarbeit in der Eifel durch ortskundige Beamte zu erleichtern. Einer davon war erkrankt, und Jan sollte ihn ersetzen, der andere sollte Jans Mentor werden. Jan fragte einen uniformierten Polizisten nach Ralf Steiner. »Er steht direkt hinter Ihnen«, schmunzelte der Uniformierte und räumte das Feld. »Was fällt dir eigentlich ein, in diesem Aufzug hier rumzulaufen und die Tatortarbeit zu behindern?«, brüllte eine raue Stimme hinter ihm. Jan drehte sich um und sah einen Mann mit Allerweltsgesicht, bestimmt 30 Jahre älter als Jan, der ihm einen Tyvek-Anzug hinhielt und wortlos verschwand. Gehorsam wie ein Rekrut streifte Jan sich den weißen Ganzkörperanzug über, zog die Einweghandschuhe über die Hände und die Plastiküberzüge über seine Schuhe. Dann ging er auf Steiner zu, der nun eine etwa gleichaltrige Frau vom Erkennungsdienst anschnauzte. »Was wissen Sie denn überhaupt?«, blaffte er, und die Frau murmelte etwas, das wie »krankes Arschloch« klang. Jan schlich sich an seinen neuen Mentor heran, der ihm sofort unsympathisch war. Der Mann hatte Augenringe, als hätte er nächtelang nicht geschlafen. »Herr Steiner? Jan Grimberg mein Name. Ich bin …« »… zu spät. Wolltest wohl erst mal ausschlafen?« »Äh, nein, ich habe mich zweimal auf dem großen Gelände verlaufen. Und der Fußweg ist …« Jetzt lachte Steiner gehässig. »Zu Fuß biste auch noch gekommen? Sag bloß, du hast auch noch Eintritt bezahlt?« Jan antwortete, als müsste er sich rechtfertigen: »Nein, ich habe meinen Dienstausweis gezeigt.« »Na, immerhin. Also fürs nächste Mal: Du bist die Kripo, und wenn du mit dem Auto durchs Freilichtmuseum zum Tatort willst, hat man dich mit dem Auto durchfahren zu lassen. Kapiert? Aber du hast Glück: Hier in Kommern taucht nicht jeden Tag eine Leiche auf. Warum hat man dich ausgerechnet hierher geschickt?« »Ja, wie gesagt, mein Name ist Jan Grimberg, und ich bin der Neue bei der Kripo Euskirchen. Und weil ich noch nicht so lange hier in der Eifel bin und auf die Schnelle nur in Kommern...