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E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Baumann Teresa von Avila

Wachsen in der Freundschaft mit Gott

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-86827-846-0
Verlag: Francke-Buch
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz



Der evangelische Autor Andreas Baumann zeigt anhand des Lebens und der Schriften der spanischen Karmelitin, Ordensgründerin und Kirchenlehrerin Teresa von Avila, wie wir in unserer Freundschaft zu Gott wachsen können. So geht es um Fragen wie: Kann ich Gott nahe kommen? Wie lerne ich beten? Wie kann ich an Gott festhalten, auch wenn ich ihn nicht spüre? Ist es möglich, Gott im Alltag erleben? Wie kann meine Liebe zu Gott wachsen?

Ergänzt werden die einzelnen Themen durch biblische Bezugsstellen. Ein Gebet am Ende jedes Kapitels regt dazu an, das Gelesene vor Gott zu bewegen. Ein für das eigene Leben und den Glauben wertvolles Buch.

Mit einem Vorwort von Pater Dr. Reinhard Körner, Rektor des Exerzitienhauses und Prior des Karmelitenklosters Birkenwerder bei Berlin.
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1.Teresas Leben

„Bei dieser Überlegung zur Wahl einer Lebensform [nämlich Nonne in einem Kloster zu werden] bestimmte mich meiner Meinung nach mehr knechtische Furcht als Liebe.“ (V 3,6)

„Es ist ein anderes, neues Buch ab hier, ich meine ein anderes, neues Leben. Das bis hierher war meines; das was ich gelebt habe seitdem … ist, wie mir scheint das, was Gott in mir lebte (vgl. Gal 2,20) … Der Herr sei gepriesen, dass er mich von mir selbst befreit hat.“ (V 23,1)

„Wenn ich seine Liebe, die er zu mir hatte, betrachtete, fasste ich wieder Mut, denn das Vertrauen auf seine Barmherzigkeit habe ich nie verloren, das auf mich aber oft.“ (V 9,7)

Für meine Entdeckungsreise mit Teresa war es wichtig, mehr über ihre Lebensumstände zu erfahren. Erst dann würde ich besser verstehen können, wie manche ihrer Äußerungen einzuordnen waren. Will man Teresa von Avila und ihre Spiritualität verstehen – und davon profitieren –, ist es wichtig, ihre Äußerungen auf dem Hintergrund ihrer eigenen Lebensgeschichte zu begreifen. Was also wissen wir von ihrem Leben und von der Zeit, in der sie aufwuchs?
Das Ende des 15. und der Beginn des 16. Jahrhunderts waren in Spanien Jahrzehnte mit starken Umwälzungen und einer besonderen Dynamik. 1492 kam mit der Rückeroberung Granadas durch Königin Isabella und König Ferdinand die über 700-jährige Geschichte islamischer Gebiete in Spanien zu ihrem Ende. Im gleichen Jahr noch entdeckte Christoph Kolumbus in den Diensten der spanischen Krone den Seeweg nach Amerika bzw. zu den „Westindischen Inseln“, wie man sie nannte. In den folgenden Jahrzehnten zog es viele junge Männer (auch Teresas Brüder) in die neue Welt, um dort ihr Glück zu machen. In Spanien gab es plötzlich einen deutlichen Frauenüberschuss. Dies führte dazu, dass viele – gerade wohlhabende – Familien ihre Töchter in Klöstern unterbrachten. Man hatte die Erwartung, dass sie dort gut versorgt würden. So kam es in vielen Klöstern zu einer Akzentverschiebung: Man nahm es mit dem strengen klösterlichen Leben nicht mehr ganz so ernst.
Gleichzeitig – und parallel zur Reformation in Deutschland – erlebte Spanien einen geistlichen Aufbruch: Entgegen der Tendenz zu einer Veräußerlichung des Glaubens, wie er sich z. B. im Ablasswesen zeigte, wuchs das Anliegen nach einer Verinnerlichung der Glaubensinhalte. Inspirationen dazu kamen u. a. auch von den deutschen Mystikern Heinrich Seuse und Johannes Tauler. Insbesondere Fragen nach der rechten Art der Meditation und des Gebets bewegten die Menschen. Konnte es ausreichen, Gebet nur äußerlich „zu verrichten“? Oder galt es nicht vielmehr „innerlich“ zu beten? Denn beim Gebet ging es doch immerhin um eine Begegnung mit dem lebendigen Gott. In mehreren Orden kam es in dieser Zeit zu Reformen, z. B. bei den Franziskanern und Dominikanern. Außerdem wurden zahlreiche geistliche Schriften in die Landessprache übersetzt. Die geradezu aufgeheizte religiöse Stimmung rief allerdings auch die Inquisition auf den Plan, befürchtete man doch unter dem Mantel einer immer intensiveren Frömmigkeit auch manche ekstatische Entartung des Glaubens und gefährliche Irrlehren. So zum Beispiel im Falle der sogenannten Alumbrados („die Erleuchteten“), die die Inquisition im Verdacht hatte, vom Luthertum beeinflusst zu sein. Ab 1559 wurden sämtliche geistlichen Bücher in der Landessprache verboten.
Nur auf diesem Hintergrund sind Leben und Werk von Teresa von Avila richtig einzuordnen. Zum einen wurde sie selbst in ihrer Entwicklung stark geprägt vom religiösen Aufbruch im damaligen Spanien, beispielsweise durch ihre Lektüre des Kontemplationsbuches „Das geistliche ABC“ des Franziskaners Francisco de Osuna. Zum anderen musste sie in diesem Umfeld ihren eigenen Standpunkt finden und sich nach verschiedenen Seiten hin abgrenzen.

Doch fangen wir ganz vorn an: Geboren wurde Teresa am 28. März 1515 in Avila in Kastilien, rund 100 km nordwestlich von Madrid. Ihr Vater, Don Alonso Sanchez de Cepeda, stammte aus der Familie eines begüterten jüdischen Kaufmanns, der sich – zusammen mit seiner ganzen Familie – 1485 christlich taufen ließ. Viele Juden waren in Spanien dazu gezwungen worden, zum Christentum zu konvertieren. Das Alhambra-Edikt von 1492 ordnete schließlich die Vertreibung aller jüdisch gebliebenen Einwohner Spaniens an. Gegenüber den Neu-Bekehrten, den sogenannten „Conversos“, bestand ein großes Misstrauen: Schließlich konnte man sich ja nicht sicher sein, ob sie es mit ihrem neuen Glauben wirklich ernst meinten oder nur zum Schein konvertiert waren. Dies führte zu einer starken Diskriminierung der „Conversos“.2 Don Alonsos Vater kaufte sich deshalb einen Adelstitel und zog von Toledo nach Avila, um dort unbelastet von seiner jüdischen Vergangenheit ein neues Leben zu beginnen.
Ihren Vater beschreibt Teresa als einen ehrenwerten Mann, der mit anderen Menschen – auch mit seinen Bediensteten – immer großes Mitgefühl hatte. Teresas Mutter stammte aus einer angesehen altkastilischen Familie. Sie heiratete Don Alonso, der deutlich älter und bereits verwitwet war, im Alter von nur 14 Jahren. Insgesamt hatte Teresa zwölf Geschwister (drei Schwestern und neun Brüder), zwei davon aus der ersten Ehe ihres Vaters. Teresa war das dritte Kind ihrer Mutter und nach eigener Aussage der Liebling ihres Vaters.
Von ihren Eltern wurde Teresa christlich erzogen. Ihre Mutter war nach Teresas Aussage „eine gute Christin“, die ihr u. a. verschiedene Gebete beibrachte. Teresas Vater besaß etliche Bücher und legte Wert darauf, dass alle seine Kinder Lesen und Schreiben lernten. Teresa las als Kind gern Heiligenlegenden, was einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterließ. Schon früh bewegte sie der Gedanke, dass die Ewigkeit eigentlich viel wichtiger ist als das eigene begrenzte Leben in der Welt. Sie sorgte sich darum, wo und wie sie diese Ewigkeit verbringen würde. Teresa schrieb dazu: „Es beeindruckte uns sehr, wenn es in dem, was wir lasen, hieß, dass Pein und Herrlichkeit für immer andauern sollten, und es gefiel uns, oftmals zu sagen: für immer, für immer“ (V 1,4).
Ein sicheres Mittel, um in den Himmel zu kommen, schien der kleinen Teresa der Märtyrertod zu sein. So fasste sie im Alter von sieben Jahren den Entschluss, nach Nordafrika zu gehen und dort die muslimischen Einwohner, die Mauren, darum zu bitten, sie zu köpfen. Ihren vier Jahre älteren Bruder, mit dem sie diese Dinge gemeinsam bewegte, stiftete sie dazu an, sie zu begleiten. Man packte also Essen ein und machte sich auf den Weg. Als die beiden die Stadt verließen, wurden sie von einem Onkel entdeckt. Damit war das Abenteuer auch schon vorbei, denn er brachte sie schnurstracks wieder nach Hause. Teresa schrieb dazu: „Als ich sah, dass es unmöglich war, dorthin zu gehen, wo sie mich für Gott umgebracht hätten, beschlossen wir, Einsiedler zu werden. In einem Garten, den es zu Hause gab, versuchten wir, so gut es ging, Einsiedeleien zu bauen, ? die aber bald wieder einfielen.“ (V 1,5)
In Teresa war also ein kindlicher religiöser Eifer geweckt worden, der damit zusammenhing, dass sie unbedingt in den Himmel kommen wollte. Und schon sehr früh setzte sie sich – zunächst spielerisch – mit dem klösterlichen Leben auseinander: „Es gefiel mir sehr, wenn ich mit anderen Mädchen spielte, Klöster zu bauen, wie wenn wir Klosterschwestern wären. Und ich glaube, dass ich das auch werden wollte …“ (V 1,7)
Als Teresa älter wurde, waren ihr allerdings nach eigener Aussage andere Dinge wichtiger und der kindliche religiöse Eifer trat etwas in den Hintergrund. Als Teenager erlebte Teresa dann einen Einschnitt in ihrem Leben: Ihre Mutter starb im Alter von nur 33 Jahren. Drei Jahre nach dem Tod der Mutter ging Teresa mit 16 Jahren in ein Internat der Augustinerinnen. Zunächst war sie nur ungern dort, gewöhnte sich dann aber doch recht gut ein. Allerdings erkrankte sie bald sehr stark. Ihr Vater beschloss daraufhin, sie zur Genesung aus dem Klosterinternat zu holen. Teresa sollte einige Zeit bei ihrer Schwester verbringen, die geheiratet hatte. Auf dem Weg dorthin lag das Haus eines Onkels, Don Pedro. Er war ein frommer Mann und bat Teresa, einige Tage zu bleiben und ihm aus geistlichen Büchern in der Landessprache vorzulesen. Sie war daran zunächst nicht sonderlich interessiert, wollte ihm aber den Wunsch nicht abschlagen.
Die geistliche Lektüre blieb für sie nicht ohne Wirkung: „Wenn es auch nur wenige Tage waren, die ich dort war, ging mir durch die Kraft, mit der sich die gelesenen oder gehörten Worte Gottes meinem Herzen einprägten, und durch die gute Gesellschaft die Wahrheit meiner Kindheit allmählich wieder auf, dass nämlich alles nichts sei, und die Vergänglichkeit der Welt, und wie es mit ihr in kurzer Zeit zu Ende wäre. Und es stieg die Angst in mir hoch, dass ich in die Hölle käme, wenn ich sterben würde. Und wenn mein Wille es auch noch nicht fertig brachte, sich dem Eintritt ins Kloster zuzuwenden, so sah ich doch ein, dass es wohl die beste und sicherste Lebensform sei; und so entschloss ich mich nach und nach, mich zum Eintritt zu zwingen.“ (V 3,5)
Teresa beschäftigte in dieser Zeit also intensiv die Frage nach der Berufung für ihr Leben: Sollte sie heiraten oder Nonne werden? Beide Möglichkeiten überzeugten sie zunächst nicht so recht, sodass sie sich mit einer Entscheidung schwertat. „In diesem Kampf verbrachte ich drei Monate, wobei ich mir mit folgender Argumentation Zwang antat: dass die Härten und die Qual eines Lebens im Kloster nicht größer sein könnten als die des Fegefeuers, dass ich aber sehr wohl die Hölle verdient hatte, und dass es nicht viel bedeutete, mein Leben wie in einem Fegefeuer zu verbringen, und dass ich hernach geradewegs in den Himmel käme, was ja mein Wunsch war. Bei dieser Überlegung zur Wahl einer Lebensform bestimmte mich meiner Meinung nach mehr knechtische Furcht als Liebe.“ (V 3,6)
Teresa zwang sich zu der Entscheidung, ins Kloster zu gehen, weil sie das als die beste Möglichkeit ansah, nicht in die Hölle bzw. ins Fegefeuer zu kommen, sondern direkt in den Himmel zu gelangen. Der Schritt fiel ihr nicht leicht: „Da nämlich noch keine Gottesliebe da war, die die Liebe zum Vater und zu den Verwandten aufgehoben hätte, bedeutete das Ganze eine so große Gewaltanwendung“ (V 4,1). Das Motiv ihres Eintritts ins Kloster war also hauptsächlich die Furcht vor dem Fegefeuer.
Mit 20 Jahren trat Teresa 1535 in das Karmelitinnenkloster „Von der Menschwerdung“ in ihrer Heimatstadt Avila ein. Auch wenn der Schritt ihr sehr schwerfiel, erfuhr sie doch bald einen inneren Frieden und die Gewissheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: „Sofort verspürte ich ein großes inneres Glück, in jener Lebensform zu stehen, das mich bis heute nie mehr verlassen hat, und Gott verwandelte die Trockenheit meiner Seele in tiefste Beseligung.“ (V 4,2)
Selbst wenn Teresa in späteren Jahren ihre Motivation, aus Angst und nicht aus Liebe zu Gott ins Kloster gegangen zu sein, kritisch beurteilte, sah sie doch grundsätzlich ihren Schritt, Nonne zu werden, als richtig an. Die klösterliche Lebensweise betrachtete sie unbeirrt als ihre Berufung.
Allerdings stellte sich in der Folgezeit heraus, dass das Klosterleben in Avila an manchen Punkten nicht das war, was Teresa erwartet hatte. Das Kloster ähnelte in vielem eher einem Pensionat für Töchter aus wohlhabenden Familien, als sich eng an den Idealen eines kontemplativen Ordens zu orientieren. So gab es z. B. keine strenge Klausur, sondern man durfte durchaus auch außerhalb des Klosters am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Weil sie gut mit Menschen umgehen konnte, nutze Teresa diese Gelegenheiten einerseits gern, andererseits aber bedauerte sie das Fehlen der Klausur.
1537 legte Teresa ihre Ordensgelübde ab. Bald danach erkrankte sie ernsthaft und lange, sodass ihr Vater sie schließlich zur besseren medizinischen Behandlung aus dem Kloster holen musste. Wieder verbrachte sie eine Zeit bei ihrer Schwester und besuchte auch ihren Onkel Don Pedro. Er gab ihr ein damals beliebtes Buch des Franziskaners Francisco de Osuna mit dem Titel „Das dritte geistliche ABC“. Teresa fand in dem Buch eine Anleitung für ihr Beten, die sie weiterbrachte. In der Folgezeit erlebte sie immer wieder, dass Gott ihr im Gebet begegnete.
Diese Gebetserfahrungen ermutigten und stärkten sie. Insbesondere halfen sie ihr durch ihre harte Krankheitszeit hindurch: „Ich war ständig mit ihm im Gespräch, und hatte dabei folgende Worte Ijobs die ganze Zeit über in meinem Kopf und sagte sie mir vor: Da wir das Gute aus der Hand des Herrn angenommen haben, warum ertragen wir dann nicht auch das Schlimme (Ijob 2,10)? Ich glaube, das gab mir Kraft.“ (V 5,8)
Mit ihrer Krankheit wurde es außerhalb des Klosters auch nicht besser. Im Gegenteil: Sie erlitt einen viertägigen Lähmungsanfall mit gleichzeitiger Bewusstlosigkeit. Ihr Umfeld glaubte, sie würde sterben. Man erteilte ihr sogar bereits die Letzte Ölung. Schließlich hielt man sie für tot und hob ein Grab für sie aus. Doch sie kam wieder zu sich. Rückblickend sagte sie über diesen Einschnitt in ihrem Leben: „Aber ich glaube, dass mein ewiges Heil zweifellos auf dem Spiel gestanden hätte, wenn ich damals gestorben wäre“ (V 5,10). Sie hätte in dieser Zeit nämlich „noch keine Gottesliebe“ gehabt, „sondern nur ein inneres Licht, in dem mir alles, was vergänglich war, wenig erstrebenswert schien.“ (V 5,2)
Immer noch krank, kehrte Teresa wieder ins Kloster zurück. Erst nach drei Jahren ging es ihr besser – wobei Teresa ihr Leben lang mit starken Krankheiten zu kämpfen hatte.3
In den folgenden Jahren erlebte Teresa einerseits, wie Gott ihr im Gebet begegnete. Sie durfte Erfahrungen mit ihm machen, die sie als große Gnade empfand. Auf der anderen Seite erfuhr sie sich aber als unfähig, sich ganz Gott hinzugeben. Sie empfand ihr Leben als eine ununterbrochene Untreue gegenüber Gott, obwohl der ihr doch so viel Gutes tat. Über viele Jahre hinweg prägte dieses innere Ringen um Fortschritte in ihrem Glaubens- und Gebetsleben ihren Alltag, ohne dass es für sie zu einer wirklichen Lösung kam: „Ich kann nur sagen, dass das eine der unerfreulichsten Lebensweisen ist, die man sich meines Erachtens vorstellen kann, denn weder erfreute ich mich Gottes, noch fand ich in der Welt mein Glück. Wenn ich in den Freuden der Welt weilte, war es mit Schmerz, sobald mir einfiel, was ich Gott schuldete. Wenn ich aber bei Gott weilte, beunruhigten mich meine Bindungen an die Welt. Das ist ein so harter Kampf, dass ich nicht weiß, wie ich das auch nur einen Monat lang aushalten konnte, geschweige denn so viele Jahre.“ (V 8,2)
Teresa schmerzte dieser Zustand sehr. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich immer wieder im Gebet an ihren Herrn: „Ich flehte den Herrn an, mir zu helfen; doch – wie mir heute vorkommt – lag mein Fehler wohl darin, dass ich mein Vertrauen nicht ganz auf Seine Majestät gesetzt und das zu mir nicht ganz verloren habe. Ich suchte nach Abhilfe, machte Anstrengungen, verstand aber wohl nicht, dass all das wenig nützt, wenn wir unser Vertrauen nicht ganz auf Gott setzen, nachdem wir es auf uns ganz und gar aufgegeben haben.“
(V 8,12)
Mehr und mehr litt Teresa an ihrer Unfähigkeit, sich zu verändern. Im Jahr 1554, also im Alter von 39 Jahren, machte sie dann eine geistliche Erfahrung, die ihr Verhältnis zu Gott noch einmal tiefgreifend veränderte. Sie schrieb darüber: „Da geschah es mir, dass ich eines Tages beim Eintritt in den Gebetsraum ein Bild sah, das man zur Verehrung dorthin gebracht und für ein Fest, das im Haus gefeiert wurde, aufgestellt hatte. Es war das Bild eines ganz mit Wunden bedeckten Christus und so andachterweckend, dass es mich beim Anblick zuinnerst erschütterte, ihn so zu sehen, denn es stellte gut dar, was er für uns durchlitten hatte. Das, was ich empfand, weil ich mich für diese Wunden kaum dankbar gezeigt hatte, war so gewaltig, dass es mir war, als würde es mir das Herz zerreißen. Aufgelöst in Tränen warf ich mich vor ihm nieder und flehte ihn an, mir ein für alle Mal die Kraft zu geben, ihn nicht mehr zu beleidigen“ (V 9,1). Teresa gestand sich ihre Ohnmacht ein und wandte sich in ihrer Verzweiflung an Gott, weil sie wusste, dass nur er ihr helfen konnte: „Ich hatte zu mir kaum noch Vertrauen, sondern setzte mein ganzes Vertrauen auf Gott“. (V 9,3)
Nach diesem Erlebnis fielen ihr als Lektüre die „Bekenntnisse“ des Augustinus in die Hände, was sie als Führung Gottes erlebte. Dass „auch er [Augustinus] ein Sünder gewesen war“, den Gott doch zu sich gezogen hatte, machte ihr Mut, dass „der Herr mir verzeihen könnte.“ (V 9,7) Und so wurde für Teresa auch das Lesen der „Bekenntnisse“ zu einer Begegnung mit Gott selbst: „Als ich die Bekenntnisse zu lesen begann, kam es mir vor, als fände ich mich da wieder. Als ich bei seiner [Augustinus’] Bekehrung angekommen war und las, wie er jene Stimme im Garten hörte, war es mir, entsprechend dem, was mein Herz empfand, nicht anders, als hätte der Herr mich gerufen. Gott sei gepriesen, dass er mir Leben gab, um aus einem so tödlichen Tod herauszukommen“. (V 9,8)
Diese Erlebnisse veränderten etwas in Teresas Glauben. Nachdem ihr Vertrauen auf sich selbst endgültig zerbrochen war, lernte sie, auf die Barmherzigkeit Gottes zu schauen. „Doch wenn ich seine Liebe, die er zu mir hatte, betrachtete, fasste ich wieder Mut, denn das Vertrauen auf seine Barmherzigkeit habe ich nie verloren, das auf mich aber oft.“ (V 9,7)
Eine Folge dieser einschneidenden Erlebnisse war es, dass Gott in ihr das Verlangen wachsen ließ, „noch länger bei ihm zu verweilen“. (V 9,9) Beim Beten erlebte Teresa nun, wie Gott sie – obwohl sie sich noch immer als große Sünderin empfand – weiter beschenkte und immer näher zu sich zog: „Ich glaube nicht, dass ich mich schon so ganz darauf eingestellt hatte, ihm dienen zu wollen, als Seine Majestät begann, mich von Neuem zu verwöhnen“
(V 9,9). Wie sie schrieb, „nahmen die geistlichen Gnadenerweise“ in der Folgezeit sogar „allmählich zu“. (V 9,9) Sie bezeichnete diese Erfahrungen mit Gott im Gebet als „Wohlgefühle und Wonnen“. „Darum zu flehen, dass er mir diese oder auch nur fühlbare Andacht gegeben hätte, wagte ich nie; ich bat ihn nur, mir die Gnade zu verleihen, ihn nicht zu beleidigen und mir meine großen Sünden zu vergeben.“ (V 9,9) Teresa ging es also beim Beten nicht darum, besondere emotionale Erfahrungen zu machen, sondern um Gottes Gnade und Vergebung und um ein erneuertes Leben.

In diesen Jahren veränderte sich etwas bei Teresa: Aus der jungen Frau, die aus Angst vor der Strafe Gottes ein Leben im Kloster gewählt hatte, war eine gereifte Frau geworden. Sie hatte ihr eigenes Versagen, aber auch die Barmherzigkeit Gottes zutiefst erlebt. Nun war es nicht mehr Angst, sondern Liebe, die ihre Beziehung zu Gott und insbesondere zu Jesus Christus – dem menschgewordenen Gott – ausmachte.
Das geistliche Leben von Teresa wurde in den folgenden Jahren nun vermehrt durch außergewöhnliche Erfahrungen der Nähe Gottes im Gebet geprägt, z. B. durch Visionen und Auditionen. Diese inneren Erlebnisse führten aber auch zu einer ungeheuren äußeren Dynamik und Schaffenskraft. Und so wurde Teresa im Laufe der Zeit – trotz immer wiederkehrender Krankheiten – zu einer großen Reformerin und Gründerin.
Zunächst begann diese Tätigkeit ganz harmonisch in ihrem direkten Lebensumfeld. Teresas Begabung, anderen ein Freund zu sein, führte dazu, dass ihre geistlichen Erfahrungen auch auf andere Auswirkungen hatten. Im Kloster in Avila sammelten sich nach und nach lose einige Gleichgesinnte um sie. Man begann, sich darüber Gedanken zu machen, wie man noch besser den eigenen Glauben und die eigene Berufung leben könne, als es im Kloster „Von der Menschwerdung“ möglich war. Denn nach Teresas Empfinden hatte man sich dort doch ein ganzes Stück von dem ursprünglichen strengen Leben der Karmeliter entfernt.
Im Jahr 1560 erlebte Teresa eine Vision, in der sie sich in die Hölle versetzt sah. Zurück blieb bei ihr ein starkes Empfinden davon, was es bedeutete, ohne Gott zu leben und verloren zu sein. Ihr wurde klar, dass sie etwas tun musste – aber was? Sie berichtete: „Ich dachte darüber nach, was ich für Gott tun könnte. Dabei dachte ich mir, dass das Erste wohl wäre, der Berufung zum Ordensleben, die mir Seine Majestät verliehen hatte, nachzukommen, indem ich meine Regel mit der mir größtmöglichen Vollkommenheit beobachtete“
(V 32,9). Wie aber konnte man dieser Berufung am besten gerecht werden? In Teresa wuchs nach und nach der Wunsch, noch mehr in der Zurückgezogenheit und Stille ganz für Gott zu leben.
Im Herbst des Jahres 1560 wurden diese Gedanken dann plötzlich konkret: „Da ergab es sich eines Tages, als ich gerade mit einer Person zusammen war, dass diese zu mir und den anderen sagte, ob es denn nicht möglich wäre, ein Kloster gründen zu können. Da ich mich selbst mit solchen Wünschen trug, begann ich mit meiner Gefährtin darüber zu sprechen, da sie denselben Wunsch hatte. Da ich mich aber andererseits in dem Haus, in dem ich lebte, äußerst wohlfühlte, zögerte ich noch. Dennoch kamen wir überein, es Gott sehr zu empfehlen.“ (V 32,10)
Der Impuls zur Gründung eines anders ausgerichteten Klosters war geboren und wurde von Teresa bald in die Tat umgesetzt. Zwar gab es heftige Widerstände, doch durfte Teresa immer wieder erleben, dass Gott ihr neu Mut machte und ihr schließlich die entscheidenden Türen öffnete.
So wurde tatsächlich im Jahr 1562 das Kloster San José in Avila gegründet. Es war nach neuen Regeln ausgerichtet. Teresas Absicht war es dabei, die Karmelitinnen zu ihrer ursprünglichen Regel, so wie sie sie verstand, zurückzuführen. Das Leben im Kloster sollte ohne falsche Kompromisse gelebt werden. Es sollte ganz um die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten gehen. Auch äußerlich sollte sichtbar werden, dass man es ernst meinte, z. B. indem man sich als Zeichen der Armut und Einfachheit mit Ordensgewändern aus grobem Tuch kleidete. Teresa hatte nun einen Ort gegründet, der ihren Idealen entsprach und an dem sie – zusammen mit einigen anderen Schwestern – ihre Berufung als Nonne leben konnte. Hier konnten die Gefährtinnen sich gegenseitig im Glauben stärken und unterstützen.4
Dazu kam schließlich auch noch ein anderer Aspekt. Ausgehend von der Vision, die sie von der Hölle hatte, wollte Teresa den Menschen helfen, von denen sie befürchtete, sie würden verloren gehen. Sie schrieb: So „erwarb ich mir auch das unsägliche Leid, das mir die vielen Seelen verursachten, die verdammt werden, sowie die gewaltigen Antriebe, um Seelen von Nutzen zu sein, denn ich glaube sicher, dass ich liebend gern tausend Tode auf mich nehmen würde, um eine einzige aus so extremen Qualen zu befreien“.
(V 32,6)
Namentlich nannte sie hier vor allem „die Lutheraner“, um deren Seelenheil sie sich – aufgrund der Informationen, die sie zur Verfügung hatte bzw. nicht hatte – ernstlich Sorgen machte (vgl. zu diesem Thema den dritten Teil dieses Buches: „Ein evangelischer Brief“). Dabei ging es Teresa nicht darum, einen apologetischen oder missionarischen Orden zu gründen, der sich direkt mit den Irrenden oder Ungläubigen auseinandergesetzt hätte. Vielmehr war ihr bewusst, dass die Übel und Probleme der Zeit nur überwunden werden konnten, wenn die Kirche selbst – und insbesondere die Klöster – reformiert würden und wenn man dort wieder dem Evangelium gemäß lebte. Die Veränderung, die Reform, musste also am „Haus Gottes“ selbst beginnen. Dazu wollte Teresa mit der Gründung eines Klosters mit erneuerter Ausrichtung einen Beitrag leisten.
Als das Kloster San José ins Leben gerufen worden war, sah sie ihre Beauftragung zunächst einmal als ausgeführt an. Die ersten Jahre, nachdem Teresa nach San José übergesiedelt war, betrachtet sie im Rückblick als die ruhigsten ihres Lebens. Sie empfand tiefe Ruhe und Stille für ihre Seele und freute sich am Zusammenleben mit den anderen Schwestern im neuen Kloster. In ihren Aufzeichnungen aus dieser Zeit findet sich an mehreren Stellen sogar etwas von der Sehnsucht, in absehbarer Zeit sterben zu dürfen und dann bei Gott zu sein. An die Gründung weiterer Klöster dachte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Es kam jedoch ganz anders. Teresa kam sich immer häufiger vor „wie jemand, der einen großen Schatz in Verwahrung hat und sich danach sehnt, dass alle ihn genießen, ihm aber die Hände gebunden sind, um ihn zu verteilen“. (F 1,6) Das Gute, das sie mit Gott erlebte, wollte sie gern weitergeben, sah aber, dass es ihr als einer in Klausur lebenden Nonne kaum möglich war.

Im Jahr 1566 besuchte der Franziskanermissionar Alonso Maldonado das Kloster. Seine Berichte über die Indios in der neuen Welt hinterließen bei Teresa einen nachhaltigen Eindruck. „Er begann mir über die vielen Millionen von Seelen zu erzählen, die dort mangels Glaubensunterweisung verloren gingen. Ich war über das Verderben so vieler Seelen derart betrübt, dass ich ganz außer mir war. Tränenüberströmt zog ich mich in eine Einsiedelei zurück, schrie zu unserem Herrn und flehte ihn an, mir eine Abhilfe aufzuzeigen, wie ich etwas tun könnte, um die eine oder andere Seele für seinen Dienst zu gewinnen, da der Böse so viele abführte, und dass doch mein Gebet etwas vermöchte, da ich ja zu mehr nicht imstande wäre.“ (F 1,7). Teresa wollte also gern etwas tun, um den Glauben, der ihr so wertvoll war, weiterzugeben, sah aber keinen Weg dazu – außer zu beten. Während sie dieses Anliegen immer wieder mit Gott besprach, begegnete Gott ihr eines Nachts und sagte ihr: „Warte ein Weilchen, Tochter, und du wirst große Dinge erleben.“ (F 1,8) Teresa blieben diese Worte im Herzen. Sie gaben ihr die Geduld, auf Gottes Handeln zu warten.
Einige Monate später kam der Generalobere ihres Ordens, der sonst in Rom residierte, nach Spanien. Dies geschah für Teresa unerwartet und sie deutete es im Nachhinein als etwas, was offenbar Gott selbst angeordnet habe. Sie war zunächst besorgt, der Generalobere könnte ihren Reformideen ablehnend begegnen. Doch das Gegenteil geschah: „Er freute sich, unsere Lebensweise und ein (wenn auch unvollkommenes) Abbild des Anfangs unseres Ordens zu sehen, und wie die erste Regel in voller Strenge beobachtet wurde; denn im ganzen Orden wurde sie in keinem einzigen Kloster gehalten, sondern nur die gemilderte. Und da er die Absicht hatte, dass dieser Neuanfang sehr verbreitet würde, gab er mir sehr weitreichende Vollmachten, um noch mehr Klöster zu gründen“. (F 2,3)
In dem Geschehen sah Teresa Gottes Antwort auf ihre Gebete. Sie verstand es als Auftrag, das, was sie für sich entdeckt hatte, durch die Gründung neuer Klöster zu verbreiten. Nach und nach begann sie nun auch an anderen Orten neue Klöster ihrer reformierten Richtung zu gründen. So entstanden in den Jahren 1567 bis 1582 durch Teresa siebzehn Frauenklöster und – unter Mitwirkung ihres Mitstreiters Johannes vom Kreuz – sogar zwei Männerklöster. Dazu war Teresa immer wieder, trotz ihrer Krankheiten, viel unterwegs auf beschwerlichen Reisen. Sie hatte unzählige Gespräche zu führen und sah sich massiven Widerständen und Verleumdungen ausgesetzt.
Sogar innerhalb ihres eigenen Ordens gab es Widerstände: Nonnen des Karmelitenordens versuchten die Ausbreitung des „unbeschuhten“ Reformzweiges zu verhindern. Teresas wichtiger Mitarbeiter Johannes vom Kreuz wurde sogar neun Monate ins Gefängnis geworfen. In diesen Kämpfen wandte sich Teresa direkt an König Philipp II., der sich tatsächlich später vermittelnd für sie einsetzte. Letztlich war Teresa jedoch klar, dass das gesamte Gründungswerk Gottes Werk war – und dass alles, was erreicht wurde, allein ihm zu verdanken war.

Am 4. Oktober 1582 schließlich starb Teresa in Alba de Tormes (bei Salamanca) nach einem Blutsturz. Nach Aussage ihres Beichtvaters hatte sie noch aus ihrem Brevier, ihrem Stundenbuch gebetet, als Gott sie zu sich nahm. Darin fand man nach ihrem Tod einen Zettel mit dem Gedicht:5

„Nichts soll dich verwirren,
nichts dich erschrecken.
Alles vergeht,
Gott ändert sich nicht.
Die Geduld erlangt alles.
Wer Gott hat, dem fehlt nichts.
Gott nur genügt.“ (P 6)


Andreas Baumann lebt mit seiner Frau und 3 Kindern im Großraum Frankfurt.
Nach mehreren Jahren als Gemeindepastor wechselte der promovierte Theologe
und Missionswissenschaftler in die Leitung des 'Christlicher Hilfsbund im Orient
e.V.'. Daneben engagiert er sich als Autor, Dozent und Seminarleiter.


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