Beck | Lost You – Ich werde dich finden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Beck Lost You – Ich werde dich finden

Thriller
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-423-43677-9
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-423-43677-9
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wenn dein schlimmster Albtraum wahr wird Die alleinerziehende Libby und ihr dreijähriger Sohn Ethan machen zum ersten Mal Urlaub in einem Luxus-Resort, um sich für die vergangenen schwierigen Jahre zu belohnen. Doch Libby kann sich nur schlecht entspannen: Sobald Ethan aus ihrem Blickfeld verschwindet, gerät sie in Panik. Ihre Sorge ist berechtigt - denn sie hat ein Geheimnis, das sie mit niemandem teilen kann. Als Ethan eines Abends in einem Fahrstuhl spielt und sich die Türen zu Libbys Entsetzen plötzlich schließen, beginnt der Kampf einer Mutter um das geliebte Kind. Ethan verschwindet spurlos. Und die Gespenster der Vergangenheit tauchen wieder auf.

Haylen Beck ist ein Pseudonym.
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3


Die ersten beiden Tage des Urlaubs waren die schönsten, an die sie sich erinnern konnte. Als das Taxi durch das Eingangstor des Resorts gefahren war, hatte sie die Luft angehalten. Sie konnte nicht anders. So etwas hatte sie noch nie gesehen, nicht einmal als sie und Mason noch zusammen gewesen waren.

Eine von Palmen gesäumte Auffahrt führte zu einer Wendeplatte vor dem Hauptgebäude. Eine u-förmige Fassade umgab einen Hof mit einem Springbrunnen in der Mitte. Als das Taxi hielt, öffnete ein Hoteldiener die Tür, während ein zweiter den Kofferraum aufklappte und die beiden großen Koffer, die kleinere Tragetasche und den kleinen Rollkoffer aus Plastik herausholte, den Libby extra für Ethan gekauft hatte.

Der Hoteldiener lud alles auf einen Handwagen und forderte sie lächelnd auf, ihm zu folgen. Ein unangenehm hektischer Moment entstand, als sie in ihrer Handtasche nach einem Dollarschein als Trinkgeld für den Hoteldiener suchte, der ihr die Wagentür geöffnet hatte, bis ihr einfiel, dass sie ja vergessen hatte, den Fahrer zu bezahlen. Als Fahrgeld und Trinkgeld schließlich verteilt waren, blieb sie einen Moment lang wie erstarrt stehen und sah ihrem Gepäck nach, das in das prächtige Gebäude gerollt wurde.

Ich gehöre hier nicht her, dachte sie. Die anderen werden es merken. Alle werden es merken.

Sie war schon immer so gewesen. Schon als kleines Mädchen hatte sie sich in der Schule fehl am Platz gefühlt. In ihre Klasse waren Mittelschichtkinder von Eltern gegangen, die gut verdienten, Kranken- und Zahnzusatzversicherungen hatten, neue oder wenigstens fast neue Autos fuhren, Kabelfernsehen und Computer hatten. Libbys Vater hatte in einem Sägewerk gearbeitet, das irgendwann dichtgemacht worden war, und in ihrer Jugend hatte er sich mit Gelegenheitsjobs in der Stadt durchgeschlagen. Es war ihr immer furchtbar peinlich gewesen, wenn sie erfuhr, dass er im Haus einer Mitschülerin Decken anstrich, Gerümpel entsorgte oder mit einem Schlauch die Hauswände abspritzte.

Vom ersten Tag der Junior High School an hatte sie darauf bestanden, dass er sie immer mindestens einen Block vor der Schule absetzte. Sie wollte nicht, dass jemand sah, wie sie aus dem rostigen Van stieg. Sie hatte es nie ausgesprochen, aber rückblickend war sie sich sicher, dass er es gewusst und es ihn verletzt hatte. Aber er hatte sich nie beklagt oder diskutiert. Jeden Morgen hatte er an derselben Stelle angehalten und gesagt, er habe sie lieb, auch als sie schon längst nicht mehr darauf antwortete.

Es war Libbys Mutter gewesen, die sie unablässig an ihren Platz in dieser Welt erinnert hatte. Sie wohnten in einem bescheidenen Haus, das sie von ihren Großeltern mütterlicherseits geerbt hatten. Ihre Mutter hielt es gut in Schuss, aber die Möbel waren abgenutzt und die Teppiche verschlissen. Ihr älterer Bruder war mit siebzehn zur Armee gegangen. Seitdem hatte er keinen Fuß mehr in das Haus gesetzt, rief aber einmal im Monat an. Auf jeder Ablage standen seine gerahmten Fotos und Libbys Mutter trauerte um ihn, als sei er gestorben und nicht vor ihrer erstickenden Umarmung geflohen.

Als Libbys Kunstlehrer sie eines Tages mit der Empfehlung nach Hause schickte, privaten Unterricht zu nehmen, um ihr Talent zu fördern, sagte ihre Mutter, Kunst sei etwas für reiche Kinder, nicht für Leute wie sie. Vielleicht wirst du Krankenschwester, sagte sie. Kranke wird es immer geben und man wird immer Krankenschwestern brauchen. Das war das höchste Ziel für eine junge Frau mit ihrem Hintergrund: ein bescheidener Beruf und dann Kinder. Kinder großzuziehen sei das eigentliche Lebensziel, alles andere zweitrangig.

»Vergiss nie, wer du bist und woher du kommst«, hatte ihre Mutter gesagt. »Du brauchst dich nicht zu schämen, aber es gibt auch nichts, worauf du stolz sein könntest. Nicht mit einem solchen Vater. Wenn du Mutter bist, dann kannst du vielleicht auf etwas stolz sein«, hatte sie gesagt. »Ich habe meinen Jungen richtig erzogen und jetzt dient er seinem Land. Darauf bin ich stolz.«

»Und was ist mit mir?«, hatte Libby ein paar Mal gefragt. »Bist du auch auf mich stolz?« Darauf hatte ihre Mutter nie geantwortet, sondern sich nur mit einem Schulterzucken abgewendet.

Diese schleichende Demütigung hatte sie seitdem nicht mehr losgelassen. Sie wurde nicht Krankenschwester, sondern Büroangestellte im Rathaus von Albany. Keine aufregende Arbeit, aber einigermaßen bezahlt. Nichts, dessen man sich zu schämen brauchte, aber auch nichts, worauf man hätte stolz sein können. Dort hatte sie auch Mason kennengelernt. Er arbeitete sich in der Finanzabteilung des Rathauses nach oben und sein Gehalt war fast doppelt so hoch wie ihres in der Einkaufsabteilung. Bei ihrem ersten Date führte er sie in ein nobles französisches Restaurant aus, und als sie die Speisekarte las, überkam sie einen kurzen Moment lang Panik. Sie hatte den schlichten Geschmack eines Kindes, das Spaghetti aus der Dose aß und in der Schule Sandwiches mit Erdnussbutter und Gelee.

»Ist was?«, hatte Mason gefragt.

Libby hatte gelächelt und gesagt, nein, überhaupt nichts, während sie gegen das Bedürfnis angekämpft hatte, aufzustehen und den Tisch fluchtartig zu verlassen. Sie bestellte die ersten Gerichte der Vorspeisenkarte, und als sie kamen, tat sie so, als würden sie ihr schmecken.

»Warum hast du das getan?«, fragte Mason später am Abend, als sie noch etwas tranken.

»Was getan?«, fragte sie zurück, obwohl sie wusste, was er meinte.

»Du hast Essen bestellt, das dir nicht geschmeckt hat, und es trotzdem gegessen. Warum?«

Sie überlegte kurz zu lügen, wusste aber, dass er sie durchschauen würde. Er hatte ein Gespür dafür, die Wahrheit herauszufinden, egal wie gut sie versteckt war.

»Ich hatte Panik«, sagte sie. »Ich wusste nicht einmal, was ich da bestelle. Wirklich, du hättest mich zu Applebee’s einladen sollen, das ist für mich schon das höchste der Gefühle.«

»Okay«, sagte er lächelnd. »Vielleicht das nächste Mal.«

Und es war keine Frage gewesen, dass es ein nächstes Mal geben würde. Sie verliebte sich rasch und bis über beide Ohren in ihn und kein Jahr später heirateten sie.

Doch jetzt, dreizehn Jahre später, erinnerte sie sich wieder an dieses Gefühl, diese nagende Furcht. Ich gehöre hier nicht her. Ich bin nicht gut genug. Sie werden es merken und mich rauswerfen. Während der Hoteldiener mit ihrem Gepäck das Hotel betrat, die Fontäne des Springbrunnens rauschte und platschte und die Möwen über ihr kreisten und schrien, überlegte sie ernsthaft, wieder ins Taxi zu steigen und sich zum Flughafen zurückbringen zu lassen.

Doch da nahm Ethan ihre Hand, zog daran und sagte: »Los, Mommy.«

Er hüpfte auf und ab und die Sohlen seiner Sandalen klatschten auf den Pflastersteinen des Eingangsbereichs.

»Schwimmen gehen«, sagte er und zeigte auf den Eingang des Hotels.

»Also gut«, sagte sie, »lass uns schwimmen.«

Sie gingen gemeinsam zur Rezeption, wo sie ein Glas Sekt und Ethan einen Lutscher bekam. Man sprach sie respektvoll mit »Ma’am« an und wünschte ihr einen schönen Aufenthalt. Wenn sie etwas brauche, könne sie jederzeit, Tag und Nacht, Bescheid geben. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, nicht gut genug zu sein, trat in den Hintergrund, wurde zu einem fernen Flüstern, das sie nicht mehr zu überwältigen drohte.

Aber es verschwand nicht ganz. Es verschwand nie ganz.

Sie war am frühen Morgen mit allen möglichen guten Vorsätzen von zu Hause aufgebrochen. Einer war gewesen, darauf zu bestehen, dass Ethan bei ihrer Ankunft im Hotel zuerst einen Mittagschlaf machte, anstatt direkt zum Pool zu gehen. Sie wusste, dass er sonst zur Abendessenszeit quengelig werden würde. Doch als sie in ihrem Zimmer im sechsten Stock angekommen waren, trat sie auf den Balkon und blickte nach unten. Unter ihnen lag einer der sieben Pools des Resorts. Ethan stand neben ihr, hatte die Arme um ihren Schenkel geschlungen und blickte durch die Glasscheibe des Balkongeländers.

»Schau mal, Mommy«, sagte er.

»Ja, schau mal«, sagte sie.

Das Wasser war von einem vollkommenen Blau, einem Blau, wie man es sich für den Himmel wünschte. Obwohl sie müde war und eine Stunde Ruhe ihnen beiden wirklich gutgetan hätte, war die Verlockung des Wassers zu groß.

»Ziehen wir uns um«, sagte sie.

Wenige Minuten später trug sie ihren Badeanzug und darüber einen leichten Sarong und Ethan hüpfte splitternackt vor ihr auf und ab mit einer Vorfreude, wie nur kleine Kinder sie kennen. Sie musste kichern, als sie versuchte, seine Füße in den einteiligen Badeanzug zu bekommen. Der Anzug würde ihn von den Ellbogen bis zu den Knien vor der Sonne schützen und war überall als bester Schutz vor Hautausschlägen bei Kindern seines Alters empfohlen worden. Sie war in solchen Dingen sehr vorsichtig. Alles, was sie für ihren Sohn kaufte, wurde zuerst gründlich recherchiert, von den Kleidern, die er trug, bis zu den Sachen, mit denen er spielte. Andere hätten das für übertrieben gehalten, aber das kümmerte sie nicht. Jede Entscheidung, die sie für ihn traf, musste richtig sein. Er war ein Wunder und entsprechend behandelte sie ihn.

Sie zog den Reißverschluss am Rücken hoch und drehte ihn um.

»Sieh dich an, kleine Wasserratte.«

»Schnell, Mommy, schnell, schnell, schnell.«

»Moment«, sagte sie. »Zuerst noch die Sonnencreme.«

Sie trug sie großzügig auf jeden Zentimeter nackter Haut auf, sogar auf seinen Scheitel, wo die Kopfhaut durchschien. Wieder war es das beste, umfassend getestete und von Dermatologen und Kinderärzten empfohlene Produkt....


Ströle, Wolfram
Wolfram Ströle, geboren 1957, studierte Anglistik und Geschichte in Erlangen, Aberdeen/Großbritannien und Tübingen. Für seine Übersetzungen aus dem Englischen wurde er u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

Beck, Haylen
Haylen Beck ist ein Pseudonym.

Haylen Beck ist ein Pseudonym.



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