Entstehung – Kennzeichen – Lebensraum
E-Book, Deutsch, 327 Seiten
ISBN: 978-3-8463-3882-7
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Faszination und Vielfalt - die Gesichter von Wüsten sind reich an spannenden Facetten, die es sich zu entdecken lohnt!
Grundlagenwissen über das Wesen, die Ursachen und die landschaftliche Entwicklung von Wüsten. Das integrative Zusammenspiel zwischen Klima, anorganischem Stoffkreislauf und Biosphäre wird im Zusammenhang mit der wechselhaften Klima- und Reliefgeschichte dargestellt.
In dieser Form einzigartig: umfassend, eindrucksvoll und reich bebildert! Für Studium und Praxis der Geographie, Geologie, Geoarchäologie sowie alle Interessierte. Sammeln Sie aktuelles Wissen auf der Reise in die faszinierende Welt der Wüsten.
Zielgruppe
Geologie; Trockengebiete und Wüsten; Umweltgeologie, Geoökologie
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1 Vorbemerkung 9
2 Wüste: Kennzeichen, Begriffsinhalt, Differenzierung 12
2.1 Merkmale zur Charakterisierung von Wüsten 14
2.2 Heise/warme Wüsten: Definition und Differenzierung 18
2.3 Hygrische Abgrenzung der Wüsten 19
3 Zur (Klima-)Geschichte der Wüsten 21
3.1 Antarktische Vereisung: neogene Abkühlung und Aridisierung 21
3.2 Zur Geschichte der Wüste Namib 26
3.3 Afrika im Quartar (Jungpleistozan und Holozan) 28
3.4 Kulturgeschichtliche Entwicklung in Wüsten und an Wüstenrändern 32
4 Wüstentypen: Ursachen ihrer Entstehung 42
4.1 Großklimatisch bedingte Wüsten: Wendekreiswüsten (Passatwüsten) 44
4.2 Kontinental-klimatische Wüsten 48
4.3 Orographische Wüsten (Regenschattenwüsten) 49
4.4 Edaphische Wüsten 50
4.5 Küstenwüsten 51
4.6 Kältewüsten und Hochgebirgswüsten 53
4.7 Komplexe Wüstentypen (Mischtypen) 56
4.8 Desertifikation: anthropogene Wüstenbildung 57
5 Verbreitung und Flächenanteile der Wüsten 64
6 Allgemeine Kennzeichen des Wüstenklimas 68
6.1 Niederschlage und ihre raum-zeitliche Variabilität 68
6.2 Temperaturverhältnisse 77
6.3 Verdunstung (Evaporation) 79
7 Wüste als Lebensraum 81
7.1 Vegetation in Wüsten 81
7.2 Fremdlingsflüsse und Flussoasen 101
7.3 Oasen 103
7.4 Wüstenfauna 106
8 Verwitterung und Stoffneubildungen 111
8.1 Insolations-/Temperaturverwitterung 111
8.2 Hydratation: synergetische Verwitterung 115
8.3 Salzverwitterung 115
8.4 Wüstenlack, Hartrinden und Wabenverwitterung 117
8.5 Tafonierung (Hohlblockbildung) 120
9 Wüstenböden 123
9.1 Kennzeichen von Wüstenböden 126
9.2 Bodentypen der Wüsten und Halbwüsten 130
9.3 Pedogene Kalkkrusten 134
10 Geomorphologie der Wüsten 137
10.1 Palaogeographische Aspekte 137
10.2 Geomorphologische Wüstentypen 140
11 Aktuelle Reliefbildungsprozesse 152
11.1 Schwerkraftwirkung 153
11.2 Windwirkung (aolische Prozesse) 154
11.3 Reliefformung durch Wasser 170
Regionalteil
12 Wüsten in Afrika 182
12.1 Sahara: größte Extremwüste 182
12.2 Namib: Küsten- und Wendekreiswüste 204
12.3 Kalahari – eine vorzeitliche Wüste 229
13 Die nordchilenisch-peruanischen Wüsten 237
13.1 Wüstenklima und Vegetationsaspekte der peruanischen Atacama 237
13.2 Die chilenische Atacama: Küsten- und Binnenwüste 242
14 Australien – Kontinent der (Halb-)Wüsten 258
14.1 Klimakennzeichen 260
14.2 Vegetationsverhältnisse 264
14.3 Geomorphologische Wüstentypen und Landschaftsgeschichte 267
14.4 Boden australischer Wüsten und Halbwüsten 274
14.5 Zur Umwelt-, Siedlungs- und Kulturgeschichte 275
15 Asien: Takla Makan und Gobi – extreme Binnenwüsten 281
15.1 Tarim-Becken: Wüste Takla Makan, Tarim-Fluss, Tugai-Wälder und Lop Nor 281
15.2 Wüste Gobi 288
16 Kältewüsten der Polarregionen 293
16.1 Arktische Kältewüsten 295
16.2 Antarktische Kältewüsten 298
17 Ausblick: Zur Zukunft der Wüsten 307
Abkürzungsverzeichnis/Erläuterungen 311
Literatur 312
Stichwortverzeichnis 325
2.1 Merkmale zur Charakterisierung von Wüsten
E. Kaiser verwies 1923 auf eine bereits lange geführte Diskussionen zum Begriff Trockengebiete bzw. zur Erläuterung des Phänomens Wüste. Er bezieht sich auf den Penck’schen Ariditätsbegriff (Trockengrenze): N – V < 0. Sobald langfristig die potenzielle Verdunstung (V) den Niederschlag (N) übertrifft, gilt der Naturraum als arid (Abb. 1). Seine Wasserbilanz ist negativ. Dies schließt aber nicht aus, dass kurzfristig viel Niederschlag fallen kann, teils mit katastrophaler Wirkung. Abb. 1 Klimatische Trockengrenze/Ariditätsfaktor (n. Walter & Lieth): Den in diesem Text verwendeten sog. ökologischen Klimadiagrammen liegt das Verhältnis n = 2t (Niederschlag n in mm:Temperatur in °C = 1:2) zugrunde (s. Abb. 2). Es bietet eine Näherung zur Unterscheidung arider von humiden Monaten und damit zur groben klimatisch-ökologischen Charakteristik des zugehörigen Raumes. Abb. 2 Bilma (Sahara/Niger; 18°41’ N/12°55’ E): Hyperaride Wüste mit monsunalen Sommerniederschlägen. Murzuk (Sahara/Libyen; 25°54’ N/13°54’ E): Hyperarid, mit akzentuierter Jahresamplitude und minimalen Winterregen. Swakopmund (Namib; 22°40’ S/14°32’ E) und Lüderitz (26°39’ S/15°9’ E): Extrem trockene, kühle Küstenwüsten mit häufigem Nebel und stark ausgeglichener Jahresamplitude. Lüderitz zeigt auch schwache Einflüsse von Winterregen aus dem Kap-Klima. Generell bedeutet Wüste im wissenschaftlichen Sprachgebrauch ein vegetationsarmes oder vegetationsloses Gebiet. Hitze und Trockenheit, also Wassermangel, gelten als gängige Ursachen für die karge oder fehlende Flora: Die potenzielle Verdunstung übertrifft in Vollwüsten den Jahresniederschlag um ein Vielfaches. Alle Monate des Jahres sind arid, in ihrer Niederschlagsbilanz also negativ (Abb. 2). Auch Boyko (1955, zit. in Evenari 1985) definiert Wüste kurz mit „Desert is an area with a waterless surface as a result of poor and erratic rainfall.”, klammert in dieser Generalisierung jedoch weitere prägende Kennzeichen aus. Denn Wüsten sind charakterisiert durch eine Zahl an gemeinsamen Merkmalen wie Klima, Wasser, Gewässernetz, Böden, Vegetation, Tierwelt usw. – die jeweiligen Wissenschaftler richten bei ihrer Kennzeichnung jedoch häufig den Fokus auf ihre Spezialdisziplin, was auch in abweichenden Definitionen sichtbar wird. Zum vertieften Verständnis von Wüsten als Lebensräume und Ökosysteme ist im Grunde aber eine ganzheitliche, synthetische Betrachtung nötig. Wüsten sind nach Shreves weitergefasstem Begriff (1951) im Wesentlichen ein Gebiet mit niedrigem und unregelmäßig verteiltem Niederschlag, geringer Luftfeuchte, hohen Lufttemperaturen, starkem Wind, Böden mit wenig organischen Bestandteilen und hohem Gehalt an mineralischen Salzen, violenter Erosionstätigkeit durch Wasser und Wind, sporadischem Abkommen von Flüssen und schwach entwickelter dendritischer Dränage. Für A. Gabriel (1961) sind demgegenüber „echte Wüsten“ charakterisiert durch „… Niederschlagsarmut, eine große tägliche Temperaturschwankung (Maxima in der Sonne von 70 °C bis Minima von –10 °C mit Eisbildung, nachts, in Gebirgen und im Winter) und ferner Vegetationslosigkeit der Oberfläche, die 50 % übersteigen soll.“ Ein dazu oft kolportiertes, bezeichnendes Zitat von Einheimischen lautet „Die Wüste ist ein sehr heißes Land, in dem es (nachts) sehr kalt ist.“ (ebd.). So ließen sich Umschreibungen beliebig fortführen mit dem Ergebnis, dass es eine kurze und pauschal zutreffende Definition nicht gibt. Die global weit verteilten Wüsten sind häufig Individuen. Sie haben viele gemeinsame Merkmale, aber oft in unterschiedlicher Kombination. Diverse Autoren haben versucht, mit Hilfe von Ariditätsindizes Typen von Trockengebieten und Wüsten auszugliedern. So unterscheidet Dubief (1950, zit. n. Besler 1992) Vegetationstypen nach der Anzahl der Tage, die zur Verdunstung des Jahresniederschlags benötigt werden (= Faktor D): semi-aride Steppe D >28 ? diffuse Vegetation. Halbwüste D >3 – 4 ? diffuse Vegetation. Vollwüste D >1 ? kontrahierte Vegetation. Extremwüste D <1 ? kontrahierte Vegetation. Capot-Rey (1953, zit. in Besler 1992) ermittelt seinen Ariditätsindex (I) aus Jahres- und Monatswerten des Niederschlags P, p und der Verdunstung (Evaporation) E, e: I = ½ (100 P/E + 12 p/e). Nach der Höhe des Index differenziert er die Trockenheitsverhältnisse. Da eine diagnostische Unterscheidung nach der Vegetation – als der wohl aussagekräftigsten Übereinstimmung mit dem Klimamilieu – von Capot-Rey nicht getroffen wurde, wird seinen Indizes jeweils eine empirisch ableitbare Vegetationsformation zugeordnet: I = 0 – 0,3 = hyperaride ? Extremwüste: völlige Vegetationslosigkeit. I = 1,25 – 0,3 = plioaride (= voll-arid) ? Vollwüste: keine diffuse, sondern nur noch kontrahierte Vegetation in Tiefenlinien; der Raum erscheint weitgehend vegetationslos. I = 4 – 1,25 = mésoaride (= mäßig arid) ? Halbwüste/Wüstensteppe: lückenhafter Bewuchs wird auch am Horizont noch deutlich. I = > 4 oder 5 = semi-aride Trockensavanne oder Trockensteppe: Vegetation ist im Vordergrund wie in der Fläche noch lückenhaft, vermittelt aber den Eindruck geschlossenen Bewuchses am Horizont. Bei dieser groben Zuordnung von Indizes zu Vegetations-Bedeckungsverhältnissen ist der bei außergewöhnlich ergiebigen Niederschlägen auftretende ephemere Pflanzenwuchs nicht berücksichtigt (Kap. 7.1.2). Auch ist die Korrelation für den australischen Kontinent nicht geeignet. Die gleichmäßigere Niederschlagsverteilung (Zeit und Raum) erzeugt dort spezifische Verhältnisse: Vollwüsten mit kontrahierter Vegetation treten nicht auf. Auch im Köppen’schen BW-Klima Australiens dominieren Halbwüsten oder Baum-Strauch-Savannen. Typische Merkmale einer Wüste zeigen sich vielfach in geringer Bewölkungsintensität und starker Insolation. Der Wind verstärkt die Verdunstung/Austrocknung, führt des Weiteren zu charakteristischen äolischen Prozessen wie Deflation, Korrasion, Umlagerung und Akkumulation). Aus geomorphologischer Sicht unterscheidet Kaiser (1923) die Dynamik der Wüste von angrenzenden Gebieten mit periodischen Niederschlägen: Letztere sind semi-arid mit dominant fluvialer Abtragung und Sedimentation durch regelmäßig wiederkehrende Regenperioden, mit ausgesprochenem Wechsel von humiden und ariden Jahreszeiten. In Wüsten mit ihren episodischen Niederschlägen dagegen ist „… neben aeolischer Abtragung und Sedimentation am wichtigsten die fluvio-aride Abtragung und Sedimentation durch die Schichtfluten …“. Diese entstehen durch gelegentliche Starkregenereignisse, wie sie für tropisch-subtropische Gebiete typisch sind. Nahezu alle auf die Alte Welt fokussierten Definitionen von Wüste oder Vollwüste zielen auf die durch Trockenheit und Wärme oder Kälte sowie ungünstige edaphische Eigenschaften verursachte Armut an Pflanzen oder Vegetationslosigkeit. Nur Spezialisten in der Pflanzen- und Tierwelt kommen mit der Lebensfeindlichkeit der Wüste zurecht. In der Neuen Welt oder in Australien legt man den Begriff, wie erwähnt, wesentlich breiter aus. So werden dort noch Wüsten verzeichnet, wo andere Autoren die Zuordnung z. B. zu Wüstensteppen oder Dornbuschsavannen vornehmen würden. Insofern bleibt auch für dieses Buch das Dilemma, mit diesen begrifflichen Unterschiedlichkeiten zurechtkommen zu müssen. Typisch sind für die ariden Regionen starke interannuelle Schwankungen im Niederschlagsverhalten; sie können in vielen Wüsten und Halbwüsten 50 –100 % erreichen. Extrem-aride Gebiete mit ihren charakteristischen episodischen Niederschlägen entfalten nennenswerte Vegetation nur dann, wenn die unregelmäßigen Regenfälle sich in nicht zu kurzem und nicht zu weitem zeitlichen Abstand wiederholen. Dann kann das Phänomen der „blühenden Wüste“ auftreten, in dem die als Samen oder Knollen überdauernden Pflanzen (Ephemere) in großer Zahl austreiben und ihren Lebenszyklus bis zur Blüte und Frucht entfalten können. Dies sind zwar Ausnahmesituationen, aber dennoch ein charakteristisches Merkmal des hochvariablen Niederschlagsverhaltens von Wüsten. Indem episodische Niederschläge rasch abfließen und „in nicht erreichbare Tiefen“ versickern, ist deren ökologische Wirkung folglich sehr begrenzt, was den Wüstencharakter verstärkt. Auch wenn in typischen Wüsten der primäre Landschaftseindruck vom unverhüllten Blick auf Verwitterungsdecken, Sedimente oder anstehendes Gestein dominiert wird: Es erscheint zweckmäßig, zur allgemeinen Verständigung den Begriff Wüste über die Vegetation (Bewuchsdichte, räumliche Anordnung, Artenspektrum) zu...