Buchan | Der Übermensch | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Buchan Der Übermensch

Ein Klassiker des Polit-Thrillers
Neuauflage 2014
ISBN: 978-3-939483-31-1
Verlag: Elsinor Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Klassiker des Polit-Thrillers

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-939483-31-1
Verlag: Elsinor Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der junge Londoner Anwalt und Parlamentarier Edward Leithen gerät durch die mysteriöse Flucht seines Freundes Pitt-Heron mitten hinein in einen düsteren Kriminalfall. Hatte Pitt-Heron sich auf dubiose Gefährten eingelassen, oder war er womöglich Mitwisser einer gefährlichen Verschwörung? Unbeeindruckt unternimmt Leithen Nachforschungen in der Welt der Politik und Diplomatie, bis er die Aufmerksamkeit eines mächtigen Gegners auf sich zieht - und selbst zur Zielscheibe wird. - Der 1913 fertiggestellte Roman ist nicht nur eine spannende Abenteuergeschichte, sondern beleuchtet auch Grundfragen der Moral und Zivilisation und den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft.

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4. KAPITEL
DIE SPUR DES BUTLERS
Mein erster Gedanke auf der Reise nach London galt dem Umstand, dass ich in dieser Angelegenheit auf bedrückende Weise ganz auf mich allein gestellt blieb. Was immer getan werden musste, ich musste es selber tun, denn in der Tat besaß ich keinerlei Beweise, die ausgereicht hätten, um die Behörden zu überzeugen. Pitt-Heron war mit einem eigenartigen Herrn befreundet, der Kunstwerke sammelte, vermutlich unter falschem Namen im Süden Londons lebte und absurden Träumen vom Ende der Zivilisation nachhing. Brachte man es auf den Punkt, war dies auch schon alles, was ich in Händen hielt. Ginge ich damit zur Polizei, man würde mich auslachen, und das zu Recht. Nun bin ich ein nüchterner und praktisch veranlagter Mann, doch obwohl meine Indizien dürftig schienen, war ich doch felsenfest von meinen Schlussfolgerungen überzeugt. Pitt-Herons Geschichte war mir jetzt so geläufig, als hätte ich sie aus seinem eigenen Munde vernommen: sein erstes Treffen mit Lumley und ihre wachsende Vertrautheit; die Offenbarung eines Geheimnisses und das Wissen um verbotene Dinge; die Rebellion des anständigen Mannes, der entsetzt bemerkte, wie weit er sich dank seiner Marotten schon verirrt hatte; die Einsicht, dass man mit dieser Vergangenheit nicht ohne weiteres brechen konnte und dass Lumley ihn in seiner Gewalt hatte; und schließlich die irrwitzige Flucht angesichts einer entsetzlichen Bedrohung. Sogar die Hintergedanken bei dieser Flucht standen mir klar vor Augen. Pitt-Heron kannte die indische Grenze wie wenige andere, und so hoffte er wohl, seine Gegner im unwegsamen Gelände des Pamir in die Irre zu führen. Von irgendeinem entlegenen Zufluchtsort würde er seiner Frau dann eine Nachricht schicken und den Rest seiner Tage im Exil verleben. Nur ein ungeheures Entsetzen hatte es wohl vermocht, diesen Mann – jung, brillant, reich und erfolgsverwöhnt – zu einer solchen Flucht zu verleiten. Lumley aber war ihm schon auf den Fersen. So jedenfalls deutete ich das Telegramm, das ich in jenem Haus in Blackheath vom Boden aufgelesen hatte. Meine Aufgabe bestand also jetzt darin, die Verfolgungsjagd zu behindern. Irgendjemand war auf dem Weg nach Buchara, jemand von Lumleys Leuten, vielleicht der gespenstische Butler, den ich vom Gericht her kannte. Das Telegramm war am 27. Mai eingetroffen; das Datum hatte ich mir notiert. Mittlerweile schrieben wir den 15. Juni; falls jemand sofort nach Erhalt des Telegramms aufgebrochen war, wäre er inzwischen höchstwahrscheinlich ebenfalls am Ziel. Ich musste herausbringen, welcher Verfolger sich auf den Weg gemacht hatte, und Tommy warnen. Meinen Berechnungen nach hatte er von Moskau aus mit der Transkaspischen Eisenbahn sieben oder acht Tage gebraucht. Vermutlich erfuhr er am Ziel, dass Pitt-Heron schon weitergereist war, doch nach einigen Erkundigungen würde er die Verfolgung fortsetzen. Unter Umständen könnte ich über die russischen Behörden Kontakt zu ihm herstellen. Sollte Lumley also Pitt-Heron verfolgen, würde ich – unbekannt und unverdächtig – Lumleys Spuren aufnehmen. Und dann wurde mir blitzartig klar, welche Dummheit ich begangen hatte. Jener unselige Brief, den ich am Morgen hinterlassen hatte, machte diesen Vorteil zunichte. Nun war Lumley klar, dass ich ein Freund Pitt-Herons war – und dass ich um Lumleys Verbindung zu Pitt-Heron wusste. Lag ich richtig mit meinen Mutmaßungen, hätte Charles seine Verbindung zu Lumley eher ungern eingestanden; Lumley musste also annehmen, ich sei ein enger Vertrauter Pitt-Herons. Dann aber wüsste ich auch von seinem Verschwinden und den Gründen, und ich als Einziger in ganz London konnte dies mit dem ehrenwerten Herrn im Albany in Verbindung bringen. Mein Brief war eine Warnung an Lumley, dass sein Spiel nicht unbeobachtet geblieben sei; damit aber hatte ich mich selbst in seinen Augen zum Verdächtigen gemacht. Was geschehen war, war geschehen; Lumleys Verdacht musste ich hinnehmen. Allerdings muss ich gestehen, dass der Gedanke mir einen Schauer über den Rücken jagte. Dieser Mann verbreitete etwas Schreckliches – etwas, das ich nicht näher bestimmen und in Worte kleiden kann. Meine nüchternen Sätze vermitteln keine Ahnung von der hypnotischen Kraft seines Auftritts, seinen bösartigen Fertigkeiten. Ich war also auf dem besten Weg, mich mit einem wahren Meister anzulegen – und mit einem Mann, dem eine Organisation zu Gebote stand, die meinen bescheidenen Mitteln weit überlegen war. Ich erwähnte, dass ich zunächst das Gefühl von Einsamkeit und Isolation verspürte; mein zweiter Gedanke galt meiner eigenen hoffnungslosen Unbedeutendheit. Mir war, als träte ich mit einem Kinderspielzeug in Händen gegen ein Kraftwerk an – mit all seinen blankpolierten Rädern und den monströsen Generatoren. Als erstes musste ich mich mit Tommy in Verbindung setzen. Damals hatte ich einen Freund in einer der Londoner Botschaften, dessen Bekanntschaft sich beim Fliegenfischen in Hampshire ergeben hatte. Ich werde seinen Namen verschweigen, denn inzwischen hat er in der Welt der Diplomatie Karriere gemacht, und ich bin mir keineswegs sicher, dass die Rolle, die er in dieser Geschichte spielt, in jeder Beziehung den amtlichen Gepflogenheiten entsprach. Ich hatte ihn bei internationalen Spannungen, von denen alle Botschaften von Zeit zu Zeit betroffen sind, juristisch beraten, und wir hatten jenen Grad der Vertrautheit erreicht, der sich durch den Gebrauch der Vornamen und häufige gemeinsame Abendmahlzeiten auszeichnet. Nennen wir ihn also einfach Monsieur Felix. Er war ein ernster junger Mann, ein klein wenig älter als ich, gebildet, verschwiegen und ehrgeizig; unter der amtlichen Seriosität aber blitzte gelegentlich eine liebenswerte Knabenhaftigkeit auf. Mir fiel also damals ein, dass ich womöglich auf ihn als Verbündeten zählen könnte. Um elf Uhr vormittags war ich zurück in London und begab mich direkt zum Belgrave Square. Ich fand Felix in der kleinen Bibliothek hinter dem großen Saal der Verwaltung – einen Sportsmann, sonnengebräunt vom Lachsfang in einem norwegischen Fluss. Ich fragte ihn, ob er eine halbe Stunde erübrigen könne, und er bat mich, über seinen Tag zu verfügen. «Du kennst Tommy Deloraine?» fragte ich. Er nickte. «Und Charles Pitt-Heron?» «Ich habe von ihm gehört.» «Nun, da liegt mein Problem. Ich habe Grund zu der Annahme, dass Tommy Pitt-Heron in Buchara getroffen hat. Wenn das zutrifft, wäre ich sehr erleichtert. Ich kann dir zwar keine Einzelheiten berichten, aber ich darf verraten, dass Pitt-Heron sich in ernsthafter Gefahr befindet. Kannst du mir helfen?» Felix dachte nach. «Das dürfte leicht machbar sein. Ich kann dem Militärgouverneur eine verschlüsselte Depesche übermitteln. Die Polizei dort arbeitet ziemlich effizient, wie du vermutlich weißt, und Reisende können nicht einfach unbemerkt auftauchen und verschwinden. Ich denke, ich kann dir innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden Bescheid geben. Allerdings muss ich Tommy beschreiben. Wie würde das in Telegrafesisch klingen?» «Ich möchte noch etwas von dir erfahren», sagte ich. «Du erinnerst dich sicher, dass Pitt-Heron einen gewissen Ruf als Reisender durch Zentralasien genießt. Und Tommy ist, wie du weißt, manchmal schlichtweg verrückt. Angenommen, diese beiden Burschen befinden sich in Buchara und planen eine weite Reise durch die Wildnis – wie würden sie vorgehen? Du warst ja schon dort unten und kennst die Gegebenheiten.» Felix zog einen schweren deutschen Atlas aus dem Regal, und wir brüteten wohl eine halbe Stunde darüber. Von Buchara aus, meinte er, führe die einzige für Verrückte geeignete Strecke in den Süden. Im Osten und Norden gelangte man nach Sibirien, im Westen lag die Wüste Karakum. Im Süden aber führte der Weg durch das Hissargebirge und über Pamirsky Post nach Gilgit und Kaschmir; oder man folgte dem Amudarja, um den Norden Afghanistans zu erreichen – oder man reiste über Merw ins nordöstliche Persien. Die erste Route hielt er für die wahrscheinlichste, falls man schnell vorankommen wollte. Ich bat ihn dann noch, in seiner Depesche eine sorgfältige Überwachung der Straßen nach Indien vorzuschlagen, dann brach ich auf und versprach, ihn baldmöglichst über alles ins Bild zu setzen. Anschließend begab ich mich ins Templerviertel, ich verabredete in der Kanzlei einige Besprechungstermine und verbrachte schließlich einen ruhigen Abend daheim. Schwer lastete auf mir die Vorahnung einer heraufziehenden Katastrophe, was unter diesen Umständen natürlich nicht verwunderte. Ich weiß auch wirklich nicht mehr, was mich bei der Stange hielt, denn ich gebe durchaus zu, dass ich ein sehr flaues Gefühl im Magen verspürte. Ohne Zweifel war es teilweise die Sympathie für Tommy und Ethel, hinzu kam vermutlich auch ein wenig Mitleid mit dem unglückseligen Pitt-Heron und vor allem eine Abneigung gegen Lumley. Dieser berauschte Übermensch hatte in mir die Antipathien des...


John Buchan, geboren am 26. August 1875 im schottischen Perth, gestorben am 11. Februar 1940 in Montreal (Kanada). Der Autor von Thrillern und Abenteuerromanen verfasste außerdem Biographien und wissenschaftliche Studien und war als Herausgeber tätig. Buchan war Diplomat in Südafrika, Journalist, Kriegsberichterstatter im Ersten Weltkrieg, Mitarbeiter der staatlichen Propagandaabteilung, Chef des Nachrichtendienstes, konservativer Parlamentarier, Vertreter des Königs in der Generalsynode der Schottischen Kirche und als "Baron Tweedsmuir" schließlich Generalgouverneur von Kanada.



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