E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Buchwitz / Schaffrath BTS
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7453-2616-1
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das große Fanbuch
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-7453-2616-1
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sina Buchwitz studierte Germanistik, Literatur und Psychologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Seit über zehn Jahren widmet sie sich als freie Autorin und Redakteurin vielen popkulturellen und Lifestylethemen und schreibt u. a. für »The Circle« von Universal Music. Victoria Schaffrath ist Texterin, freie Journalistin und Übersetzerin. Nach dem Abitur studierte sie English Studies und Germanistik an der Universität zu Köln und absolvierte eine Ausbildung in Marketingkommunikation. Heute schreibt sie über Musikgeschichte und -geschehen, Inklusion und Nachhaltigkeit, unter anderem für »The Circle« von Universal Music und das Wacken Open Air.
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Die Anfangstage von BTS
BTS machen vieles anders als ihre K-Pop-Kollegen – und sind deshalb auch so erfolgreich. Von Anfang an legen sie Wert darauf, nicht bloß die nächste seichte Pop-Truppe zu werden. Nein, BTS haben etwas zu sagen. Statt sich in den oft gleichförmigen Strudel aus Liebes- und Trennungssongs zu begeben, konzentrieren sie sich auf das, was in ihrem Leben tatsächlich passiert. Jedes der sieben Bandmitglieder kommt zu Wort und berichtet von seiner eigenen Gefühlswelt.
Als Mastermind hinter BTS gilt Bang Si-hyuk, der auch Hitman Bang genannt wird. Er ist der Manager der südkoreanischen Agentur Big Hit Entertainment, die ab 2021 HYBE heißt, und hat eine Vision: Er möchte eine koreanische Band aus Individuen am Markt etablieren. Sie sollen sowohl persönliche Themen in ihre Texte einfließen lassen als auch die Band selbst gestalten, vor und hinter den Kulissen. »Ich möchte niemanden in der Band haben, der bloß berühmt werden möchte«, erklärt der Manager in einem Interview. »Man muss die Musik und die Bühne lieben.« Bang möchte Vorurteilen gegenüber der jüngeren Generation entgegenwirken. Und wie könnte das besser funktionieren, als die Jüngeren einfach machen zu lassen? »Sie erschaffen ihre Musik, sie kümmern sich selbst um ihren Zeitplan«, erklärt Bang. »Wenn sie das nicht tun, kann kein neues Album erscheinen.« Derart selbstständige Musiker zu finden, ist kein leichtes Unterfangen, doch der Manager begibt sich auf die Suche und schon bald entdeckt er das erste Talent: Rap Monster, kurz RM.
RM ist damals 16 Jahre alt und hat von einem befreundeten Rapper namens Sleepy den Tipp bekommen, sich bei Big Hit Entertainment vorzustellen. RMs Steckenpferd ist der Hip-Hop, also rappt RM bei seiner Audition. Agenturchef Bang ist begeistert und holt den jungen Musiker sofort an Bord. Die beiden beschließen, dass BTS eine Hip-Hop-Gruppe werden solle.
Als Nächstes steigt SUGA ein. Er kennt und bewundert Bang bereits als Songwriter, nimmt an einem Rap-Wettbewerb von Big Hit Entertainment teil und belegt dabei den zweiten Platz. Doch obwohl er nicht als Sieger aus der Audition hervorgeht, hinterlässt er einen so großen Eindruck, dass er bei Big Hit anfangen darf: als Produzent und Trainee, wie angehende Popstars im südkoreanischen Agenturkosmos genannt werden. Mitglied von BTS wird er 2010, im Alter von 17 Jahren. In Interviews erzählt er gern, dass Bang ihm damals in Aussicht gestellt habe, dass er bei BTS nicht tanzen müsse. Tja, das war wohl nichts …
j-hope zieht Ende 2010 nach Seoul, um bei BTS einzusteigen. Er ist damals gerade einmal 15 Jahre alt, aber hoch motiviert. Nach wie vor verfolgt Big Hit das Ziel, eine Hip-Hop-Gruppe zu gründen. Da kommt der junge Rapper gerade recht. Er war zuvor von JYP Entertainment abgelehnt worden, einer großen südkoreanischen Entertainment-Agentur. Doch für Big Hit ist er genau der Richtige. Auch er wird als Trainee aufgenommen. Aber dann zweifelt Big-Hit-Chef Bang an seinen und RMs Hip-Hop-Plänen – und überlegt es sich noch einmal anders.
Statt nur ein Genre zu bedienen, sollen sich BTS durch ihre musikalische Vielfalt auszeichnen. Jung Kook, V, Jin und Jimin vervollständigen das Line-up. Bangs neuer Plan: Er möchte die Band im K-Pop etablieren. Damit stehen der Gruppe nicht nur in künstlerischer Hinsicht deutlich mehr Türen offen. Auch ihre Erfolgsaussichten vergrößern sich durch die neue Ausrichtung. Bang ist wichtig, dass BTS nicht zu einer beliebigen K-Pop-Band mutieren, sondern eine eigene Message und eine eigene Herangehensweise verfolgen. Der Name BTS ist eine Abkürzung für »Bangtan Sonyeondan«, was übersetzt so viel wie »Kugelsichere Pfadfinder« bedeutet. Die Band soll einerseits Teil der sogenannten Idol-Kultur werden, sich jedoch andererseits auch von ihr abheben. Aber, was genau ist die Idol-Kultur eigentlich?
Wer in Südkorea Popstar werden möchte, geht einen anderen Weg als zum Beispiel in Deutschland, Großbritannien oder den USA. Denn bei der Bezeichnung »Musiker« handelt es sich in Fernost durchaus um einen Ausbildungsberuf. Wer als K-Pop-Künstler durchstarten will, beginnt seine Karriere oft schon im Kindesalter und bewirbt sich bei einer der großen südkoreanischen Agenturen. Diese wiederum entscheiden, welche Nachwuchstalente als Trainees aufgenommen werden, also als Auszubildende. Die Bewerber treten gegeneinander an, zum Beispiel in Kategorien wie Gesang, Tanz, Songwriting und Schauspiel. Sogar das Modeln spielt eine Rolle. Die Besten bekommen einen Vertrag – und erst dann beginnt die eigentliche Arbeit.
Wer einen Trainee-Vertrag bei einer der Agenturen unterschreibt, kann sich glücklich schätzen – muss aber auch viel auf sich nehmen. Bis zu 15 Stunden am Tag wird trainiert, dazwischen geschlafen. Freizeit? Fehlanzeige. Auf dem Stundenplan stehen Disziplinen wie Singen und Tanzen, jedoch auch Sprachen wie Englisch und Japanisch sowie das richtige Verhalten vor der Kamera. Auf diese Weise sollen die angehenden Idols perfekt auf ihren Job als Popstar vorbereitet werden. »Entbehrungen waren ganz normal«, erzählt Jung Kook in der Doku-Serie BTS Monuments: Beyond The Star über die Trainee-Zeit von BTS.
Auch SUGA erinnert sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge an die anstrengende Zeit vor dem Debüt von BTS. »Wenn wir nicht gerade aßen oder schliefen, waren wir jede Minute im Probenraum«, berichtet er. »Das bezweifeln manche vielleicht, aber so sah sechs Monate lang unser Leben aus.« Er habe sogar darüber nachgedacht, hinzuschmeißen, genau wie j-hope.
Über offene Fragen wird transparent gesprochen. So machen sich BTS zum Beispiel Gedanken, ob sie als eine von vielen Idol-Bands überhaupt ernst genommen werden. Doch durch ihre ehrliche Herangehensweise können sie solche Bedenken reflektieren und aus der Welt schaffen.
Die Agentur arbeitet währenddessen daran, die Band schon einmal bekannt zu machen – bereits vor der Veröffentlichung des ersten Songs. Sie gründet Fanclubs, legt Social-Media-Accounts an, bereitet Teaser-Videos und -Grafiken vor und bemüht sich um möglichst viel Support für ihre Schützlinge. Denn nur eine K-Pop-Gruppe, die sich auf ihre treuen Fans verlassen kann, wird langfristig erfolgreich sein.
Bang, Big Hit und BTS agieren auf engstem Raum, denn für viel Platz fehlt Big Hit das Budget. Für Tanzübungen gibt es nur wenig Fläche und noch weniger für Bangs administrative Aufgaben. Meetings hält dieser in einem winzigen Raum ab, in dem gerade einmal drei Personen Platz finden – wenn eine von ihnen auf dem Boden sitzt. Doch fehlenden Raum machen Big Hit und BTS durch Leidenschaft wieder wett. »Wir haben uns gegenseitig gepusht, damit wir die Besten werden, die wir sein können«, erklärt Leader RM. »Dadurch sind wir wie Brüder füreinander.« Tag und Nacht trainieren die Musiker. Der Plan geht auf.
Als BTS ihre Karriere in Gang bringen, ist K-Pop bereits ein beliebtes Phänomen, vor allem im asiatischen Raum. Im Zuge von Psy und seinem »Gangnam Style« rutschen die sieben Jungs genau in die Zeit, als K-Pop gerade zur Eroberung der ganzen Welt ansetzt. Doch was ist K-Pop eigentlich genau, wie sieht Koreas Musikgeschichte aus und in welcher musikalischen Welt legen BTS von 2010 bis 2013 die Grundsteine für ihren Triumph?
Exkurs: Koreanische Musikgeschichte
Unternehmen wir eine kleine Zeitreise: Die erste schriftliche Dokumentation traditioneller koreanischer Musik, die »?? (Gugak)« heißt, lässt sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen, genauer gesagt bis ins Jahr 1145. Aus dieser Zeit stammt die »???? (Samguk saki)«, was übersetzt so viel bedeutet wie: »Die Geschichte der drei Königreiche«. In der Schrift ist von zwei Instrumenten die Rede: dem Gayageum und dem Geomungo. Bei beiden handelt es sich um Zithern, also Saiteninstrumente, die zum Spielen hingelegt werden. Von hier bis zum K-Pop ist es ein weiter Weg, doch wir wollen ihn kurz gehen – denn die Musikgeschichte Koreas unterscheidet sich sehr von unserer.
Bereits ab dem 14. Jahrhundert kommt es in der koreanischen Musik zu Entwicklungen, die wichtige Weichen für den späteren K-Pop stellen. Während der Joseon-Dynastie von 1392 bis 1897 teilt sich die Musik in Korea in zwei wesentliche Richtungen auf: Jeongak (Musik für die Oberklasse) und Minsokak (Folkloremusik). Während bei gehobenen Anlässen wie Banketten und Militärprozessionen Jeongak gespielt wird, erfreuen sich die einfachen Leute eher an Minsokak und Nongak, der Musik der Bauern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts endet die Joseon-Dynastie. Japan hat den Krieg gegen China und Russland gewonnen und nimmt in Folge auch die koreanische Halbinsel ein. Dadurch verändert sich ebenfalls die Musik in Korea.
Japan übt damals eine starke Kontrolle über Südkorea aus, nutzt diese Macht aber nicht etwa, um japanische Musik in Korea zu etablieren, sondern rückt stattdessen westliche Klassik in den Fokus. Dafür können sich vor allem die Eliten des Landes begeistern, während die einfache Bevölkerung die Musik des Westens eher seltsam findet. Und diese während der Joseon-Dynastie entstandene Zweiteilung bleibt bestehen. Westliche Musik findet bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Weg in die koreanische Kultur – es ist allerdings nur der Anfang einer zu Beginn elitären Entwicklung, die sich in den folgenden Jahrzehnten in der ganzen Gesellschaft fortsetzen soll.
Durch den westlichen Einfluss entsteht das neue Genre Yuhaeng-Changga,...