Cody | Milch oder Blut | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Cody Milch oder Blut


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95988-209-5
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

ISBN: 978-3-95988-209-5
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Seema Dahami ist Stadtgärtnerin: Sie gestaltet Londoner Dachgärten, Balkons, Erker und andere grüne Nischen der Großstadt - auch Verkehrsinseln. Sie plant, pflanzt und jätet, pflegt und bringt zum Blühen. Dann lernt sie eines Abends Lazaro kennen - deutlich älter, hochgebildet, aristokratisch und sehr aufmerksam. Und alles wird anders. Bis Blut fließt. »Mit Witz und Empathie, höchst lebendig ... Wer nach Geschichten sucht, die das Genre transzendieren, wird von Liza Cody begeistert sein.« LiteraturSpiegel

Liza Cody (*?1944) wuchs in London auf, wurde an einem üblen ¬Mädcheninternat zur Legasthenikerin, studierte dann Kunst und arbeitete u.?a. als Roadie, Fotografin, Malerin und Möbeltischlerin sowie in Madame Tussauds Wachs¬figurenkabinett, bevor sie zum ¬Schreiben kam. Ihre Kriminalromane um die Londoner Privatdetektivin Anna Lee wurden mit etlichen Preisen ausgezeichnet, in viele Sprachen übersetzt und fürs Fernsehen verfilmt. In den Neunzigern begann sie mit der weltweit als Genrebreaker berühmt gewordenen Bucket-Nut-Trilogie um Catcherin Eva Wylie, für die sie u.?a. den Silver Dagger erhielt. Es folgten Storys und sechs weitere Romane, darunter »Lady Bag«, ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimi Preis 2015. 2019 erhielt sie den Radio Bremen Krimipreis für »Ballade einer vergessenen Toten« und ihr kriminalliterarisches Lebenswerk ausgezeichnet. Liza Cody lebt heute unweit von Tochter und Enkeln in Bath

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1
Steh auf, du faule Sau«, kreischte Amy. »Es ist nach neun. Ich hab den Bus verpasst, du musst mich zur Arbeit ­fahren.« »Lass mich um Gottes willen in Ruhe«, stöhnte ich. »Gott nützt dir auch nichts, wenn ich gefeuert werde und die Miete nicht zusammenkriege und du dir eine andere Blöde suchen musst, die es mit dir aushält.« Sie zog mir die ­Decke weg und warf mir Jeans und Pulli zu. »Los jetzt!« Dann: »Ist das ein Knutschfleck? Seema, du kleine Schlampe – was soll Jake dazu sagen? Wo wir angeblich einen unschuldigen Mädels­abend hatten.« Ich fasste mir an den Hals und ertastete eine empfindliche Stelle. »Erzähl’s mir im Auto«, schrie sie. »Beeilung jetzt!« Beeilung? Ich schaffte es kaum, mich aus dem tiefsten Schlaf seit Monaten zu kämpfen. Aber Amy flößte mir den Bodensatz ihres Frühstückskaffees ein, und ich fuhr sie quer durch die Stadt ins Büro, wo sie irgendeinem lenden­schwachen Fuzzi als Assistentin dient. Auf der Arbeit ist sie eine völlig andere Frau: gepflegt, parkettsicher, effizient, ein richtiger Dynamo. »Wie lief es mit Noah?«, erkundigte ich mich, um Fragen aus dem Weg zu gehen. »Solider Gutverdiener, importiert Schuhe. Spart auf ein Haus, eine Wohnung, Garage oder was weiß ich. Einstweilen lebt er bei Muttern.« Wir sahen uns an. Sie sagte: »Oy veh.« Und ich sagte: »Immer dasselbe.« Wir lachten beide. »Siehst du ihn wieder?« »Oh jaa«, sagte sie, womit dieser Teil der Unterhaltung beendet war. »Hat euch auch der Schnee überrascht?«, fragte ich – noch ein Ablenkungsmanöver. »Welcher Schnee?« Am Ende war Noah doch nicht so langweilig gewesen, wie sie tat. Sie schäumte, weil wir kaum vorankamen. Im Londoner Verkehr gibt es kein Entrinnen. Und bei Amys Neugier ebenso wenig. »Der Knutschfleck«, sagte sie. »Spuck’s aus.« »Mückenstich.« »Schwachsinn.« »Dann eben Hundebiss. Ich weiß es nicht, Amy, beim Aufwachen war es einfach da.« »Nein, nein, nein. Raus mit der Wahrheit. Mit wem hast du rumgemacht, nachdem ich weg bin?« »Nichts dergleichen. Ein älterer Typ hat mich heimgefahren. Ich war ein bisschen wodka-knülle.« »Stockbesoffen meinst du. Wie alt?« »Weiß nicht. Mindestens sechzig.« »Reich?« »Scheiße noch mal, Amy, ich weiß es nicht.« »Na, was war es denn für ein Auto?« »Du klingst schon wie meine Mutter«, sagte ich, weil sie das normalerweise zum Schweigen bringt. Ich hatte die Limou­sine wieder vor Augen, und die hätte mehr Fragen als Antworten geliefert. Angriff ist die beste Verteidigung: »Du hast mich doch sitzenlassen. Du bist es, die rumgemacht hat. Was für ein Auto fährt denn Noah?« »Die Stelle an deinem Hals ist so eindeutig ein Knutschfleck.« »Von wegen.« »Jakey wird das auffallen.« »Jacob Silver kann mir den rosigen runden Arsch küssen.« Aber ich hab lange Haare, und ich trug ein Halstuch, und Jake merkte absolut gar nichts. Er beschwerte sich über die Gartenerde unter meinen Fingernägeln, er beschwerte sich über seinen Chef, er beschwerte sich, weil Amy nicht wegging und wir also nicht allein waren, aber er beschwerte sich über keinen Knutschfleck. Ich machte uns Rührei mit Avocados. Ich war den ganzen Tag nicht hungrig gewesen und schaffte meins nicht. Er ­leerte meinen Teller auf seinen, und auch darüber beschwerte er sich nicht. »Noch verkatert?«, fragte Amy unschuldig. »Dein schlechter Einfluss«, sagte er. Beide lachten. Er mochte Amy, weil sie dusslig genug war, um über so was zu ­lachen, aber nicht so dusslig, dass es nervte. Wir schauten uns Misfits – Nicht gesellschaftsfähig an, denn Jake mochte Marilyn Monroe, Amy mochte Clark Gable und ich mochte alte Streifen. Nach einer Stunde war ich so müde, dass ich ins Bett ging und die beiden allein ließ. Was immer letzte Nacht vorgefallen war, war ein Traum aus alter Zeit, kaum sichtbar in einem Schneesturm. Ich wollte, dass er sich wiederholte. *** Ich hatte am nächsten Tag mehrere Termine. Mrs. Seinfeld, sehr aufgebracht, wollte einen Ersatz für ihren schönen weißen Kamelienbusch, der mitsamt seinem pseudogriechischen Übertopf vor ihrer Haustür entwendet worden war. Ein Rentnerpaar in Finchley wünschte, dass ich vor ihrem Haus vier Pflanzkästen im Stil englischer Landgärten anlegte, die zur Hochzeit ihrer Enkelin Ende Juli in voller Blütenpracht stehen sollten. Und dann noch drei reguläre Pflege­servicetermine. Als Letztes fuhr ich zu Hannah David, die siebenundachtzig ist, allein lebt und einst meine allererste Kundin war. Sie kann immer noch prima jäten und das Moos aus der zügel­losen Pracht ihrer scharlachroten und goldgelben Tulpen zupfen, aber sie hat nicht mehr die Kraft, die alten Schiebefenster zu öffnen. Nachdem sie einen der Kästen versorgt hatte und ich die anderen, machte ich die Fenster wieder zu. Sie drehte die Heizung hoch und holte das Tablett mit der Karaffe Dry Sherry, zwei Gläsern und einem Teller voller Madeleines. Deshalb sorge ich immer dafür, dass Hannah mein letzter Termin ist. »Du siehst müde aus, Liebes«, sagte sie und überließ es mir, den Sherry einzugießen. »Zu viele lange Nächte mit deinem jungen Mann? Deine Mutter findet ja, du könntest Besseres bewerkstelligen. Aber das ist das alte Lied, das singt sie schon, seit du drei Jahre alt warst. Unbelehrbare Närrin.« Ich grinste sie liebevoll an. Hannah sagt, sie ist zu alt, um ihre Zeit mit Takt zu verschwenden. Sie fuhr fort: »Ich weiß noch, du hast mal gesagt, du und Jacob, ihr ›kommt klar‹. Das ist nicht die große Leidenschaft, aber in diesen unbeständigen Zeiten auch nicht zu verachten. Es ist besser als Einsamkeit. Oh bitte, sieh mich nicht so an – ich bin nicht einsam, und ich wünschte, ich könnte mir die Zeit gutschreiben lassen, die ich an falsche Freunde und Liebste verschwendet habe. Eins kann ich dir sagen, deine Arbeit lässt dich nie im Stich – im Gegensatz zu Liebe, Freundschaft und Familie. Heb dir deine Leidenschaft für die Arbeit auf.« Ich liebte Hannah, wenn sie so redete. Sie widersprach ­allem, was alle anderen sagten, und klang dabei viel vernünftiger. Ich begann ein wenig von meiner schrägen Begegnung im Italian Bar & Grill zu erzählen. Sie unterbrach. »Lazaro? Nicht Lazarus, der angeblich von den Toten auferstand? Sehr eigentümlich.« Sie dachte kurz nach. Dann sagte sie: »Ich würde auf keinen Mann bauen, der mehr Wert auf sein Erscheinungsbild legt als du. Das ist schlecht fürs Gleichgewicht.« »Was für ein Gleichgewicht?« »Dieser Hang zur jugendlichen Fassade bei einem alten Mann bedeutet, er interessiert sich immer mehr für sich als für irgendwen sonst. Das ist zwar bis zu einem gewissen Grad bei allen so. Aber im Extremfall bedeutet es, dass du für ihn immer unsichtbar bist oder gar nicht existierst, außer wenn er gerade Verwendung für dich hat. Du bist sehr ungekünstelt, Liebes.« Ihr Nicken umfasste meinen Pferdeschwanz, meinen schmuddeligen Pulli, die abgetragenen Jeans und Arbeits­stiefel. »Auch da sollte ich laut Mutter Besseres bewerkstelligen.« »Na klar – zieh dich schick an, Seidenstrümpfe und hohe Absätze, geh zur Maniküre, schneid dir die Mähne ab und du angelst dir mit Sicherheit einen Zahnarzt.« Ich lachte. Ihr Sarkasmus gab mir Rückhalt. Ich erzählte meine Geschichte zu Ende. Als ich fertig war, starrte sie mich so lange so ernst an, dass mich das unbehagliche Gefühl beschlich, sie falsch eingeschätzt zu haben – vielleicht war es mit ihrer Rückendeckung und Toleranz ja doch nicht so weit her. Gleich würde sie mir eine Predigt über Drogen und Leichtfertigkeit halten wie jede x-beliebige ältere Lady. Stattdessen sagte sie: »Donnerstagnacht hat es um Mitternacht nicht geschneit. Ich glaube, diesen Lazaro muss ich mal googeln.« Beim Gedanken an die googelnde Hannah schmunzelte ich. Ihre Ausflüge ins Internet führten sie oft auf nicht für siebenundachtzigjährige Frauen gedachtes Terrain. Sie funkelte mich durch ihre Bifokalbrille an. Bis vor Kurzem hatte sie als Fachärztin für Psychologie an einer bedeutenden Universitätsklinik gearbeitet. Sie betreute privat immer noch ein paar Patientinnen, fast so alt wie sie, die sich nicht mit ihrer Pensionierung abfinden konnten. Ihr fachliches Können widerlegte die Vorurteile über alte Frauen, von denen selbst ich nicht frei war. »Ich treffe mich nicht mehr mit ihm«, beteuerte ich. »Um so was ging es gar nicht.« Und so schieden wir als ­Freundinnen. Aber eine Stunde später rief sie mich zu Hause an und sagte: »Laut Slang-Lexikon ist ein Lazaro ein übler mexikanischer oder kubanischer Macho mit riesigem Gehänge, mit dem du besser nicht anbandelst, weil er dir garantiert den Arsch aufreißt.« »Das wusste ich gar nicht«, sagte ich und weinte fast vor Anstrengung, nicht laut loszuprusten. Sie muss es mir wohl trotzdem angehört haben, denn sie beendete den Anruf fast beleidigt. Ich war müde, konnte aber nicht schlafen. Amy war weg, und als ich Jake anrief, landete ich direkt bei der Voicemail. Das war schade, ich hatte gehofft, er würde mit zu unserer Oase kommen. Tagsüber ist er Bürohengst bei einem Energieunternehmen, aber er hat ein grünes Bewusstsein, und...



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