E-Book, Deutsch, Band 249, 320 Seiten
Reihe: Historical Gold
Cornick Der Hauch von Skandal
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86494-180-1
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 249, 320 Seiten
Reihe: Historical Gold
ISBN: 978-3-86494-180-1
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Niemals wieder will die schöne Witwe Joanna heiraten! Und so tut sie alles, um einen zudringlichen Verehrer abzuwehren - vor seinen Augen küsst sie spontan den berühmten Polarforscher Alexander, Lord Grant. Zwar schürt ihre skandalöse Tat die Gerüchteküche. Doch da Alex nur kurz in London weilt, wird sie ihn nie wiedersehen müssen, glaubt Joanna. Bis eine Testamentsklausel sie zwingt, in die Arktis zu reisen. Ein gewagtes Abenteuer voller ungeahnter Gefahren und prickelnder Leidenschaft beginnt, denn nur einer kann sie auf ihrer Reise beschützen: Alex! Und Schneestürme und Eisbären sind harmlos gegen seinen verführerischen Charme ...
Nicola Cornick liebt viele Dinge: Ihr Cottage und ihren Garten, ihre zwei kleinen Katzen, ihren Ehemann und das Schreiben. Schon während ihres Studiums hat Geschichte sie interessiert, weshalb sie sich auch in ihren Romanen historischen Themen widmet. Wenn Nicola gerade nicht an einer neuen Buchidee arbeitet, genießt sie es, durch die englische Landschaft zu spazieren. Sie freut sich über Leserzuschriften auf ihrer Webseite www.nicolacornick.co.uk.
Weitere Infos & Material
1. Kapitel
Begriffserklärung: Eine Strohwitwe ist eine Ehefrau, deren Ehemann nach zeitlich begrenzter Abwesenheit zu ihr zurückkehren wird, beispielsweise nach einer Reise. Das „Stroh“ bezieht sich dabei auf die Matratze, die mit Stroh gefüllt wurde. Die „Witwe“ bleibt also allein zurück auf Stroh/auf der Matratze. Dabei schwingt vielleicht mit, dass die verlassene Geliebte verärgert darüber ist, sich mit „Stroh“ begnügen zu müssen. Der Begriff wird mit einem „leicht maliziösen Unterton“ verwendet, eine interessante, etwas undurchsichtige Beschreibung.
London, Mai 1811
Er hatte sich verspätet. Um ganze achtzehn Monate.
Alex Grant verharrte auf den Stufen zu Lady Joanna Wares Londoner Stadthaus in der Half Moon Street. Wenn er erwartet hatte, irgendein Anzeichen von Trauer zu entdecken, so wurde er jetzt gründlich enttäuscht. Es gab keine zugezogenen schwarzen Vorhänge vor den Fenstern, und das Vorhandensein eines großen silbernen Türklopfers verriet, dass Besucher durchaus willkommen waren. Wie es schien, hatte Lady Joanna kaum zwölf Monate, nachdem die Nachricht vom Tod ihres Gatten sie ereilt haben musste, die Trauerzeit beendet.
Alex betätigte den silbernen Türklopfer, und die Haustür glitt lautlos auf. Ein in düsteres Schwarz gekleideter Butler stand vor ihm. Es war noch weit vor der schicklichen Zeit für einen Besuch. Dem Butler gelang es, diese Mitteilung – und seine Missbilligung darüber – durch ein kaum merkliches Hochziehen seiner Augenbrauen zum Ausdruck zu bringen.
„Guten Morgen, Mylord. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Mylord. Der Mann kannte ihn gar nicht, trotzdem hatte er seinen gesellschaftlichen Rang sofort mit einiger Exaktheit einordnen können. Beeindruckend. Nichts anderes hätte Alex von dem Butler einer so berühmten und umschwärmten Dame der gehobenen Gesellschaft wie Lady Joanna Ware erwartet. Die Begrüßung war auch nicht gerade ermutigend; eine stumme Warnung vielleicht, dass Lady Joanna für einen Vertreter seiner Klasse nicht zu sprechen war.
„Ich möchte Lady Joanna meine Aufwartung machen.“
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Eigentlich verspürte er nicht das geringste Verlangen, Lady Joanna zu sehen. Allein das Gefühl, es seinem verstorbenen Kameraden schuldig zu sein, hatte ihn dazu bewegt, dessen Witwe aufzusuchen. Das Fehlen jeglichen Anzeichens von Trauer über den Verlust eines so herausragenden und geachteten Ehemanns wie David Ware verstimmte Alex zutiefst, und sein Wunsch, die Bekanntschaft mit Lady Joanna zu erneuern, wurde immer geringer.
Der Butler verstand sein Werk zu gut, um ihn wie einen Händler draußen auf der Treppe stehen zu lassen. Er trat einen Schritt zurück und gab den Weg in die Eingangshalle frei, auch wenn sich auf seinen Zügen unverändert Zweifel widerspiegelten. Ein in schwarz-weißem Schachbrettmuster gehaltener Marmorfußboden erstreckte sich bis zu einer eleganten, geschwungenen Treppe. Zwei livrierte Diener – offenbar eineiige Zwillinge, wie Alex feststellte – waren wie Statuen rechts und links vor einer Tür postiert. Aus dem Zimmer hinter dieser Tür war eine erregte Frauenstimme zu vernehmen, die den erhabenen Eindruck aristokratischer Eleganz jäh zunichtemachte.
„Cousin John! Erheben Sie sich bitte, und hören Sie auf, mich mit diesen lächerlichen Heiratsanträgen zu belästigen! Abgesehen davon, dass Sie mich langweilen, missbrauchen Sie meinen neuen Teppich. Ich habe ihn gekauft, damit man ihn bewundert; nicht, damit aufdringliche Verehrer auf ihm knien.“
„Lady Joanna ist verlobt“, teilte der Butler Alex mit.
„Ganz im Gegenteil“, widersprach Alex. „Sie hat soeben verkündet, das nicht zu sein.“ Er durchquerte die Halle, zog die Tür auf, ignorierte, wie der Butler entrüstet nach Luft schnappte, und erfreute sich an dem verblüfften Ausdruck auf den bisher maskenhaft attraktiven Gesichtern der Lakaien.
Der Raum, den er betrat, war eine sonnendurchflutete, in frischem Gelb und Weiß gehaltene Bibliothek. Im Kamin brannte ein Feuer trotz der Wärme des Maimorgens. Ein kleiner, grauer flauschiger Hund, dessen Fell oben auf dem Kopf mit einer blauen Schleife zusammengebunden war, lag auf einem Läufer vor dem Kamin. Auf seine Art wirkte das Tier genauso hübsch wie die Lakaien. Es hob den Kopf und sah Alex aus braunen Augen abschätzend an. In der Luft hing der Duft von Lilien und Bienenwachs. Der gesamte Raum strahlte eine einladende Wärme aus. Alex, der seit mehr als sieben Jahren kein festes Heim hatte und sich auch nicht nach einem gesehnt hatte, blieb wie angewurzelt stehen. Sich in einem solchen Raum zu entspannen, sich ein Buch aus einem der Regale zu nehmen und sich einen Brandy aus der Karaffe einzuschenken, in einem der üppigen Sessel am Kamin zu versinken … All das kam ihm auf einmal äußerst verlockend vor.
Nun, vielleicht doch nicht …
Das Verlockendste war sicherlich die Frau, die an einem der hohen Fenster stand. Die Sonne zauberte goldene und kupferrote Reflexe in ihr üppiges kastanienbraunes Haar. Ihr Gesicht war oval; ihre blauvioletten Augen standen weit auseinander über einer kleinen geraden Nase und einem beinahe unschicklich sinnlichen Mund. Sie war nicht schön im landläufigen Sinn; dazu war sie zu groß, zu schlank, zu kantig und ihr Gesicht zu auffallend, aber das spielte nicht die geringste Rolle. In ihrem kirschroten Tageskleid mit einem farblich passenden Haarband war sie einfach atemberaubend. Nein, keine Spur von Trauerkleidung, nicht einmal das sittsame Lavendelblau der Halbtrauer, da war nur vibrierende Lebensfreude.
Alex konnte gerade noch registrieren, wie reizvoll sie war und wie dieser Reiz etwas tief in seinem Innern ansprach, da hatte sie ihn schon entdeckt und eilte quer durch das Zimmer auf ihn zu.
„Liebling! Wo warst du nur? Ich warte schon seit Stunden auf dich!“ Sie warf sich in seine Arme. „War wieder so viel Verkehr am Piccadilly?“
Sie fühlte sich warm und nachgiebig in seinen Armen an, als wäre sie eigens für ihn geschaffen worden. Das Gefühl der Vertrautheit traf ihn wie ein Schock. Sie duftete nach Sommerblumen. Einen kurzen Moment lang hielt sie ihm ihr Gesicht zugewandt; in ihren großen violetten Augen standen Furcht – ausgerechnet! – und eine stumme Bitte. Dann legte sie ihm eine Hand in den Nacken und küsste ihn auf den Mund, als meinte sie es wirklich, wirklich ernst.
Es war erstaunlich und von der ersten Sekunde an erregend. Alex’ Körper reagierte sofort auf die Verführung, die von ihren Lippen ausging, so kühl, so weich und so verlockend. Bei nüchterner Betrachtung wäre ihm vielleicht der Gedanke gekommen, dass dieser Kuss seiner zweijährigen Enthaltsamkeit ein überaus stürmisches Ende setzte, aber in diesem Augenblick konnte er nur ihren Körper an seinem spüren und das grenzenlose Verlangen, auf der Stelle mit ihr ins Bett zu gehen – bevorzugt in ihres, da es höchstwahrscheinlich näher lag als sein eigenes.
Hitze durchströmte seinen Körper, hell aufloderndes Begehren. Doch da löste Lady Joanna sich bereits wieder aus seinen Armen und ließ ihn zurück mit der Verheißung des Paradieses und einer ziemlich unangenehmen Erregung. Eine Sekunde lang ruhte ihr Blick auf seinen Lippen, und er hätte beinahe laut aufgestöhnt. Ihre violetten Augen blitzten vor Übermut auf, als sie den Blick tiefer wandern ließ.
„Liebling, du freust dich ja tatsächlich, mich zu sehen!“
Sie nannte ihn Liebling, weil sie keine Ahnung hatte, wer er war, wie Alex plötzlich begriff. Um die verräterische Reaktion seines Körpers zu verbergen, suchte er Zuflucht hinter einem Schreibtisch aus Rosenholz, auf dem sich Bücher stapelten. Lächelnd nahm er ihre Herausforderung an. Wenn sie sich skandalös benehmen konnte, würde er ihr in nichts nachstehen. Das zumindest hatte sie verdient, weil sie ihn benutzt hatte, ohne ihn zu kennen und das Geringste für ihn zu empfinden.
„Wer würde das nicht, Liebste?“, antwortete er. „Gewiss ist meine Ungeduld nur allzu verzeihlich. Mir ist, als hätte ich dein Bett schon vor Tagen verlassen und nicht erst vor wenigen Stunden …“ Er ignorierte ihr hörbares Ringen nach Luft und wandte sich dem dritten Anwesenden im Zimmer zu, einem ziemlich rotgesichtigen Mann mittleren Alters, der die Szene aus hervortretenden Augen und offenen Mundes verfolgt hatte. „Ich habe bedauerlicherweise Ihren Namen nicht mitbekommen, Sir“, meinte Alex gedehnt, „aber ich fürchte, für Ihre Liebeserklärung ist es ein wenig zu spät. Lady Joanna und ich …“ Er ließ den Satz unvollendet und bedeutungsschwer im Raum stehen.
„Liebling!“ Joannas Stimme klang vorwurfsvoll, doch Alex hörte auch einen deutlich verärgerten Unterton heraus. „Es gehört sich nicht für einen Gentleman, unsere Beziehung publik zu machen.“
Alex trat zu ihr, nahm ihre Hand und küsste die Innenseite des Handgelenks. „Verzeih mir“, murmelte er, „ich dachte, du hättest bereits mit diesem bezaubernden Kuss bewiesen, wie nahe wir uns stehen.“ Ihre Haut fühlte sich wunderbar weich unter seinen Lippen an. Ungestümes Verlangen regte sich in ihm. Er hatte sich niemals unüberlegt in eine Affäre gestürzt, doch nach dem Tod seiner Frau hatte es ihm an weiblicher Gesellschaft nie gemangelt – angenehme, unkomplizierte Beziehungen ohne tiefere emotionale Bindungen. Diese Frau jedoch, David Wares alles andere als trauernde Witwe, war für ihn tabu. Sie war die Witwe seines besten Freundes, der ihn noch dazu davor gewarnt hatte, ihr zu vertrauen. All...




