Danielsson | Michelle | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 167 Seiten

Danielsson Michelle


1. Auflage 2015
ISBN: 978-87-11-46445-8
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 167 Seiten

ISBN: 978-87-11-46445-8
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der 16-jährige Thomas genießt seine Ferien. Den Urlaub verbringt er zum ersten Mal alleine im Sommerhaus. Dann lernt er Michelle kennen, eine junge Fotografin. An einem langen Abend mit gutem Essen und tollen Gesprächen verliebt sich Thomas Hals über Kopf in die Unbekannte. Auch in seinem Leben soll sich einiges ändern. Zum ersten Mal schmiedet er soetwas wie Zukunftspläne: Nein, ein Spießer wie seine Eltern möchte er auf keinen Fall werden. Viel lieber möchte er ein Leben wie Michelle führen: unabhängig und frei. Doch wer ist Michelle? Thomas beschließt ihr bei einigen Aufgaben zu helfen und merkt erst viel später, dass er damit etwas Kriminelles tut. Sein Traum entwickelt sich für ihn zum Albtraum.

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Mittsommer


Wenn das hier ein Film wäre, würde er so anfangen:

Der Zuschauerraum wird dunkel, der Vorhang geht hoch – die Kamera fegt über spiegelblankes Wasser. Ein früher Sommermorgen – das sieht man an den Farben, am Licht. Die Kamera ist vorn an der Schnauze eines Hubschraubers anmontiert (aber das sieht man natürlich nicht), der auf die Schären nördlich von Stockholm zuhält.

Die Musik setzt sofort ein: ein stampfender Baß, von spröden, glockenähnlichen Synthiklängen umspielt. Dann ein kurzer, prägnanter Akkord auf einem anderen Synthi, ein Streicherklang – und der Vorspann beginnt mit großen roten Buchstaben.

Die Wasseroberfläche wird immer mehr von einer stillen Brise gekräuselt, die landeinwärts streicht. Kleine Felseninseln tauchen auf und flitzen rasch am Betrachter vorbei. Nach und nach wachsen sie und werden zu richtigen Inseln, grüne Bäume und Büsche tauchen auf und Häuser, kleine Bootshäuser an morschen alten Stegen und prächtige, frischrenovierte Jugendstilvillen.

Vor einem kleinen rotgestrichenen Sommerhaus mit weißen Ecken sitzt eine Familie und frühstückt neben einer Fahnenstange, auf der die schwedische Fahne in der Brise flattert.

Die Filmmusik legt jetzt richtig los, farbenprächtige Synthiteppiche werden ausgerollt, und im Vordergrund röhrt ein Altsaxophon.

Die Kamera gleitet in eine weite, offene Bucht hinaus. Ganz hinten erhebt sich eine bewaldete Felswand steil aus dem Wasser. Mitten in dem dunklen Grün leuchtet ein hellbraunes Rechteck.

Als das Kameraauge sich nähert, entpuppt sich das Rechteck als ein Holzhaus, das hoch oben auf dem Felsen liegt. Das Haus wird immer größer und bleibt im Mittelpunkt der Leinwand.

Jetzt entdeckt der Zuschauer eine Veranda, die an der ganzen Vorderseite entlangläuft. Die Veranda ist leer, und man kann durch die großen Fensterfronten direkt in ein Zimmer reinschauen.

Im selben Augenblick, als der Zuschauer bereits damit rechnet, daß die Kamera gleich durchs Fenster kracht, steigt der Hubschrauber geschmeidig in die Höhe und streicht dicht über die roten Dachziegel hinweg.

Auf der Rückseite des Hauses wird er langsamer und senkt sich über einen großen Garten. Der Garten ist voller grünschimmernder Büsche, Apfelbäume und Birken, links steht ein üppiger Goldregen mit knallgelben Blütentrauben. Direkt dahinter leuchtet ein riesiger, blauvioletter Rhododendronbusch auf. Die Sonne scheint hinter der Hausecke hervor und durchleuchtet die tausend zarten Blätter einer Fliederhecke. Die schräg fallenden Sonnenstrahlen werfen Schatten auf den Rasen. Der Hubschrauber landet. Die Kamera folgt einer Treppe aus Schieferplatten vom Haus zu einer rotgestrichenen Garage runter. Ein fast zugewachsener Weg führt vom unteren Ende der Garage auf eine größere asphaltierte Straße hinaus.

In diesem Moment endet der Vorspann. Der Name des Regisseurs verschwindet, und die Musik verklingt, während gleichzeitig sämtliche Geräusche des Sommervormittags hörbar werden:

Die schwache Brise tuschelt in Millionen von Blättern, aus allen Richtungen dringt Vogelgezwitscher, heisere Meisenjungen piepsen pausenlos nach Futter und stressen ihre Eltern, die im Pendelverkehr unterwegs sind, aus der Ferne hört man Möwen kreischen, ebenso das Schnaufen eines Schärendampfers, das dann von einem vorbeibrüllenden Motorboot übertönt wird.

Die Kamera verharrt auf dem zugewachsenen kurzen Weg vor der Garagentür.

Dann ist ein Automotor zu hören, zuerst schwach aus dem linken Lautsprecher, er wird immer lauter, und gleich darauf biegt ein weißer Audi 100 CC Kombi ins Bild und bremst heftig vor den Garagentoren.

Der Motor verstummt.

Die Autofenster sind dunkel, und es ist unmöglich, die Personen im Auto zu erkennen, doch da – die Vordertür an der Fahrerseite geht auf, und ein untersetzter Mann steigt aus. Er blinzelt in den starken Sonnenschein und setzt eine Sonnenbrille auf. Er ist ziemlich kurz geraten und kräftig gebaut (um es freundlich auszudrücken), hat Bartstoppeln und trägt ein unglaublich scheußliches kurzärmeliges Hemd.

Das ist mein alter Herr.

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, wie alt er ist, so um die Fünfzig, glaube ich. Im Urlaub weigert er sich, sich zu rasieren, und heute hat er Urlaub. Sonst arbeitet er in einer kleinen Firma, die irgendwas mit Computern zu tun hat.

Jetzt steht er da und scheint nicht so recht zu wissen, was er tun soll. Da ihm offensichtlich nichts einfällt, legt er seine behaarten Unterarme aufs Autodach und tut erst mal nichts.

Dann geht die Beifahrertür auf, und meine Mutter steigt aus. Sie ist ein paar Jahre jünger als mein Vater und auch nicht sehr groß, aber immerhin ein paar Zentimeter länger als er. Sie sieht ein bißchen tantig aus, allerdings wie eine ziemlich frischgebackene Tante, sie ist nämlich immer noch recht schlank und straff, was wohl daher kommt, daß sie immer so nervös ist, praktisch also aus purer Nervosität abnimmt.

Früher war sie Lehrerin, aber seit wir vor ein, zwei Jahren in unser Reihenhaus gezogen sind, arbeitet sie als Studienberaterin, und das bedeutet, daß sie meistens daheim hockt und auf einem unserer vierzehn Computer herumspielt. Aber ich muß ehrlich zugeben – eigentlich hab ich keinen blassen Schimmer, was sie treibt.

„Ach! Ist das ein herrliches Mittsommerwetter!“ ruft sie mit einem leicht übertriebenen Seufzer aus, holt tief Luft und läßt die Nasenflügel beben. Mit anderen Worten, sie klingt genau wie eine typische Mutter.

Mein Vater sagt nichts, trommelt nur einen kurzen Wirbel aufs Autodach und grunzt dazu.

Mit anderen Worten, er klingt genau wie ein typischer Vater.

Dann geht die hintere Tür auf der Seite meiner Mutter auf, und eine vierzehnjährige Puppe klettert raus, mit wilden, langen Haaren, die frisch blondgefärbt und absichtlich zerzaust sind. Mitten ins Haargestrüpp hat sie natürlich eine Sonnenbrille gepflanzt – wie es sich gehört.

Sie hat hautenge weiße Jeans an, die mitten am Schienbein aufhören, dazu knallrote Wildlederpumps mit hohen Absätzen. Ein sehr knappes gelbes T-Shirt schmiegt sich an ihren Oberkörper. Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß sie echt scharf aussieht, um nicht zu sagen ziemlich ordinär (wie Omi bei unserer Abfahrt bemerkte).

Sie sieht sehr viel älter aus als vierzehn – ich würde achtzehn schätzen, aber wenn es darum geht, Leute einzuschätzen, bin ich eine echte Niete. Vor allem, wenn es darum geht, das Alter von Mädchen zu erraten, liege ich immer total falsch – und wenn sie außerdem geschminkt sind, ist es sowieso völlig unmöglich, und geschminkt ist Cammi ja immer.

Dieses leckere Stück ist meine Schwester und heißt eigentlich Camilla.

Körperlich gesehen ist im letzten Jahr einiges mit Cammi passiert – zur größten Verzweiflung meiner alten Herrschaften. Daß sie außerdem dafür sorgt, alles vorzuführen, was mit ihr passiert ist, und tatsächlich echt gut aussieht, macht die Sache nicht gerade besser.

Sie ist genauso groß wie meine Mutter, aber damit hören auch sämtliche Ähnlichkeiten auf, sowohl die inneren als auch die äußeren.

Und dann:

Täterätätätää!!!

Die Autotür numero vier geht auf, und aus dem Auto steigt ‚The Tall Dark Hero‘.

Mit anderen Worten – ich.

Lang und dunkel stimmt, und wenn das hier wirklich ein Film wäre, würde man sofort denken: So ’ne Fehlbesetzung!

Im Vergleich zu meinen Eltern und Cammi bin ich nämlich sehr groß und außerdem habe ich viel dunklere Haare als die drei. Obendrein hab ich Locken – und die übrigen drei haben absolute Schnittlauchlocken, sogar Cammi, obwohl die ja immer so viel mit ihren Haaren anstellt, daß man das nicht sieht.

Leider kann ich nicht behaupten, daß ich direkt wie ein ‚hero‘ aussehe. Ich fühle mich auch nicht wie einer, obwohl ich das gern täte.

Ich bin gut zwei Jahre älter als Cammi; wenn man uns zusammen sieht, hält man das zwar nicht für möglich, denn obwohl ich größer bin als sie, sieht sie viel älter aus – auf jeden Fall von außen.

Der Schein trügt selbstverständlich, denn in den letzten Jahren sind mit mir genauso viele umwälzende Sachen passiert, allerdings haben sich die meisten sehr im Inneren abgespielt, abgesehen von einer peinlichen Andeutung von Flaum zwischen der Nase und der Oberlippe.

Da stehen wir also.

Die Familie Pihlsten.

Ich mache ein allgemein muffiges Gesicht, das tue ich immer. Und außerdem kneife ich die Augen zu, wegen der Sonne, dadurch sieht man die Falten auf meiner Stirn deutlicher. Ich bilde mir ein, etwas älter auszusehen, wenn ich die Augenbrauen runzle, und daher laufe ich immer möglichst sauertöpfisch durch die Gegend. In Wirklichkeit bin ich im Moment eher erwartungsvoll. Und das, obwohl es Mittsommer ist und obwohl ich weiß, daß ich den ganzen Abend mit meinen Eltern, ihren Freunden und Cammi verbringen muß.

Gleichzeitig bin ich ein wenig nervös. Ähnlich wie früher vor Weihnachten – so ein Kribbeln im Bauch. Das sieht man mir natürlich nicht an.

Meine Mutter sieht sich um und seufzt noch einmal über das ‚hinreißende, zauberhafte‘ Mittsommergrün.

„Aber wenn es so warm bleibt und kein Regen kommt, wird alles rasch ausgetrocknet sein“, sagt sie, geht nach hinten und macht die Kofferraumklappe auf. Mit viel Mühe gelingt es ihr, zwei Koffer aus dem vollgestopften Kofferraum herauszuzerren.

Keiner von uns rührt einen Finger, um ihr zu helfen. Mein Vater lehnt weiterhin am Autodach und sieht zu, wie sie stöhnt, ächzt und schnauft. Nachdem sie den zweiten Koffer rausgewuchtet hat, sagt...



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