Düfelmeyer Sonnenuntergang
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8271-9638-5
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein Krimi aus Ostwestfalen
E-Book, Deutsch, 338 Seiten
Reihe: Westfalen-Krimi
ISBN: 978-3-8271-9638-5
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Frank Sommer und sein Team ermitteln im Sektenmilieu. Frank Sommer, seit dem Herbst des Vorjahres Leiter der Bielefelder Mordkommission, staunt nicht schlecht, als er und seine Frau Angelika eines Morgens beim Frühstück von einer fröhlichen aber unbekannten Frauenstimme begrüßt werden. Jennifer Oberbaum stellt sich als die neue Freundin ihres Sohnes Fabian vor. Noch mehr überrascht sind sie, als Jennifer Tage später eine bewegende Geschichte über den Drogentod ihres Bruders Tobias erzählt und Sommer um eine Überprüfung der Todesum-stände bittet. Jennifer und ihre Eltern sind offenbar fest davon überzeugt, dass eine Sekte mit dem Namen „Jünger der universellen Sonne“ verantwortlich ist für den Tod des Bruders. Die Mitglieder der Sekte leben auf einem einsam gelegenen Hof im romantischen Schopketal bei Oerlinghausen. Jennifers Wunsch, von Sohn Fabian und Ehefrau Angelika vehement unter-stützt, bringt Sommer allerdings in einige Schwierigkeiten, denn die damaligen Untersuchun-gen hatte sein wichtigster Kollege Pit Schwameyer geführt. Dennoch beginnt er inoffizielle Nachforschungen, die jedoch nicht recht vorwärtskommen wollen. Doch dann verschwindet auf unerklärliche Weise der Chef der Sekte. Sommers Team beginnt mit ernsthaften Ermitt-lungen und stößt auf unglaubliche Machenschaften …
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Kapitel 2
Zwei Jahre später, April 2012 – Bielefeld Seit einem Dreivierteljahr, genauer seit dem 1. September des Vorjahres, war Frank Sommer nun der Leiter der Mordkommission in Bielefeld. Damals wurde er unversehens bereits am ersten Tag in einen sehr aufregenden Fall hineingezogen. Rechte Zeit anzukommen hatte er deshalb nicht gehabt. Inzwischen war aber ein gutes Stück Routine eingetreten. Er hatte sich jetzt eingerichtet, ganz wörtlich auch in seinem Dienstzimmer. Zwei wichtige Anschaffungen hatte er getätigt: Das war einerseits ein weiterer Stuhl mit Armlehne für den kleinen Konferenztisch – im letzten Jahr gab es nur vier, aber es waren fünf ständige Mitglieder der Mordkommission, weshalb Sommer entweder wie ein Großmogul hinter seinem Schreibtisch thronen oder auf einem unbequemen Stuhl ohne Lehne Platz nehmen musste. Die zweite Anschaffung war wichtiger – viel wichtiger! – er hatte eine eigene Kaffeemaschine für den kleinen Espresso zwischendurch angeschafft. Das Monstrum in der Teeküche war zwar noch da, wurde aber von ihm nicht mehr frequentiert. Er konnte einfach nicht den Gedanken beiseiteschieben, dass der Letzte vor ihm eventuell Brühe genommen hatte, was ihm jedes Mal zuwider war. Auch Sommers Kollegen hatten sich inzwischen angewöhnt, den Kaffee gelegentlich in dessen Zimmer zu genießen. Und, ach ja, schließlich hingen an der Wand verschiedene selbst fotografierte Landschaftsbilder, ein Hobby, dem er aus Zeitgründen fast nur im Urlaub nachging, dann aber mit großer Leidenschaft. Und auf seinem Schreibtisch stand ein Foto, das seine Familie zeigte, seine Frau Angelika zusammen mit ihren Söhnen Fabian und Daniel, wobei Letzterer bei ihrem Umzug nach Bielefeld in Köln geblieben war, wo Sommer vorher lange Jahre als Kripobeamter seinen Dienst tat. Frank Sommers Arbeitstag begann wie jeden Morgen, so auch heute, damit, dass er zunächst die E-Mails in seinem Computer öffnete. Viel mehr als Routinefälle begegneten ihm da allerdings schon einige Zeit nicht mehr. Immer mal wieder ein Suizid, traurige Fälle, oft der Endpunkt einer menschlichen Tragödie, sodann Vermisstenfälle und immer wieder leidvolle Sexualdelikte. Alles sehr hässlich, aber damit kamen seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durchaus allein zurecht. Seine Aufgaben lagen in der Koordination und der Verwaltungsarbeit, die diese Fälle umgaben. Also ging er die aktuellen Fälle durch, um sich über den Stand der Bearbeitung zu informieren. In diesem Moment klingelte sein Telefon. An der angezeigten internen Nummer sah er, dass es sein Chef, Kriminaldirektor Joachim Wende, war. „Wende hier. Morgen, Sommer. Haben Sie nachher kurz Zeit für mich? Ich muss da mit Ihnen was besprechen.“ „Wann? Sofort?“ „Wenn es geht, warum nicht?“ „Ja, in zehn Minuten vielleicht. Bin gerade bei der Durchsicht der neuen E-Mails. Ist das okay?“ „Ja sicher, dann bis gleich.“ Geh nie zum Chef, wenn du nicht gerufen wirst. Dieser alte Spruch fiel Sommer ein. Nun, jetzt war er gerufen worden. Ein irgendwie merkwürdiges Restgefühl hatte er immer in solchen Momenten. Aber im Grunde war Wende kein Chef, dem man besser aus dem Weg ging. Somit fuhr er den Rechner herunter und verließ sein Zimmer. „Morgen, Sommer. Kommen Sie herein“, begrüßte Wende seinen wichtigsten Mitarbeiter. „Ich fürchte, wir haben ein Problem. Nichts wirklich Schlimmes, aber wir müssen es lösen.“ Bevor Sommer nachfragen konnte, fuhr Wende bereits fort: „Sie haben sicher von unserer Kollegin Sonja Rosenfeld gehört.“ Natürlich wusste Sommer das. Er erinnerte sich an den üblen Fall gleich zu Beginn seines Dienstes in Bielefeld. Ein völlig aus dem Ruder gelaufener Mann hatte zwei Menschen ermordet und dann seine Kollegin Rosenfeld in seine Gewalt gebracht. Sie schwebte über viele Stunden in akuter Lebensgefahr, konnte aber am Ende körperlich unversehrt gerettet werden. Ihre Seele jedoch hatte schweren Schaden genommen. Eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierte die Polizeipsychologin Hülsmeier. Sonja Rosenfeld war seit damals ausgefallen, weil sie sich einer intensiven Psychotherapie unterziehen musste. Sie war immer noch nicht zurück im Dienst. „Gibt es neue Nachrichten von Sonja?“, fragte Sommer etwas besorgt. „Ja, das kann man sagen. Frau Rosenfeld hat schriftlich den Wunsch geäußert, nicht wieder in die Mordkommission zurückkehren zu wollen. Sie will so etwas wie letzten September nicht noch einmal erleben müssen. Auch ihre Beziehung war deshalb wohl fast am Ende. Das Letzte hat sie mir natürlich vertraulich erzählt und deshalb muss das unter uns bleiben, aber Sie sind ja ihr direkter Vorgesetzter.“ Sommer bekam ein flaues Gefühl im Magen. „Sonja hat gekündigt? Sie will den Polizeidienst quittieren?“ „Nein, nein, keine Angst. Sie ist offenbar viel zu sehr Polizistin, um die Polizeiarbeit ganz an den Nagel zu hängen und irgendetwas anderes zu machen. Nein, sie möchte in ein anderes Kommissariat versetzt werden, zur Vorbeugung.“ Sommer nickte zustimmend. Er hatte in den letzten Monaten immer mal wieder mit seiner jungen Kollegin gesprochen und so durchaus an ihrem Krankheitsverlauf Anteil genommen. Aber das waren sehr persönliche Gespräche gewesen, über die er mit niemandem sprach. Nun hatte sie es also tatsächlich wahr gemacht und die Versetzung zum Kommissariat Vorbeugung beantragt. Er konnte es verstehen. Sie wollte einfach nicht mehr zu spät kommen und hinterher aufräumen, wie sie sich auszudrücken pflegte. „Dann brauchen wir wohl tatsächlich eine Neubesetzung für Sonja Rosenfeld. Oder soll die Planstelle aufgehoben werden?“ Sommer schwante Böses. „Sie werden lachen“, sagte Wende – doch Sommer war ganz und gar nicht zu Scherzen aufgelegt. „Das wurde tatsächlich diskutiert. Schließlich aber konnte ich Schlimmeres verhindern. Wir sollen die Stelle intern ausschreiben und einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Frau Rosenfeld finden. Und dazu brauche ich Ihre Hilfe. Denn die Person wird ja Ihnen direkt unterstellt. Sind Sie dabei?“ „Natürlich bin ich das. Dann wollen wir mal sehen, ob wir einen geeigneten Ersatz finden. Interne Ausschreibung heißt: hier im Haus?“ „Zunächst hier im Haus durch Umbesetzung aus einer anderen Abteilung, wird aber wahrscheinlich schwer, denn die anderen Kollegen geben sicher niemanden gern ab, und wenn, dann ist so jemand für uns vermutlich auch nicht geeignet.“ Wende lachte leicht süffisant. „Aber im Ernst, ich möchte, dass Sie sich auf die Suche machen, und dann können wir uns die entsprechenden Damen und Herren gemeinsam angucken. Und wenn es nötig sein sollte, auch Ausweitung auf den gesamten Regierungsbezirk Detmold.“ „Okay, ich mach mich an die Arbeit, vielleicht zunächst einmal mit einer Rundmail. Möchten Sie den Text vor dem Versenden lesen?“ „Nein, nein, das wird nicht nötig sein. Dienstgrad wie bei Frau Rosenfeld, und die Arbeitsplatzbeschreibung können Sie ohnehin besser formulieren als ich. Ist ja Ihre Abteilung.“ Mit einer eleganten Handbewegung entließ Wende den Leiter der Mordkommission. Ein Meister der Handbewegungen, dachte Sommer wieder einmal. „Na, wie war dein Tag?“, Angelika Sommer schaute aus ihrem gemeinsamen Arbeitszimmer, als Frank gegen Abend nach Hause kam. „Viel Routine, nichts besonderes. Und wie war’s bei dir? „Korrekturen der Deutschklausuren!“ Angelika, Lehrerin an der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule in Werther, verzog das Gesicht. „Gerade erst angefangen. Das wird noch dauern. Aber du wirst ja heute Abend nicht zu Hause sein, oder?“ „Nein, Übungsstunde im Posaunenchor – Donnerstag. Gerade heute kann ich das nicht ausfallen lassen, schließlich habe ich noch etwas gutzumachen.“ Er lächelte hintergründig und Angelika wusste, was er meinte. „Könntest du mir bis dahin trotzdem noch einen schönen Salat machen. Es sind auch Putenstreifen im Kühlschrank.“ „Ja sicher, gern. Jetzt sofort?“ „Nein. Stell ihn einfach hin, ich nehme ihn mir dann, wenn ich möchte. Du musst ja womöglich das eine oder andere für nachher vorbereiten.“ „Das klappt schon. Ist schließlich genügend Zeit. Übrigens, Sonja wird die Mordkommission verlassen und zur Vorbeugung gehen.“ „Na ja, ganz ehrlich, damit war zu rechnen. Hat sie doch ganz schön mitgenommen, die Geschichte letzten September. Hatte der Kerl eigentlich schon seinen Prozess?“ „Ja, läuft gerade. Nächste Woche muss ich vor Gericht aussagen. Ich möchte ihn eigentlich gar nicht wiedersehen. Kein schöner Termin!“ „Wird schon glattgehen.“ Damit verschwand Angelika wieder in ihrem Arbeitszimmer und würde, das wusste Sommer aus Erfahrung, auch so bald nicht wieder herauskommen. Er selbst ging in die Küche und bereitete den Salat für Angelika vor. Danach war noch ausreichend Muße, um sich eine neue CD des Jazzposaunisten Nils Landgren anzuhören. Wunderbar, wie dieser Mann sein Instrument beherrscht, mal funky, mal poetisch. Seine eigenen Fähigkeiten auf der Posaune waren deutlich eingeschränkter. Eher Kreisklasse gegenüber Champions League. Eine Dreiviertelstunde später meldete sich Sommers Handy mit dem Erinnerungssignal für private Ereignisse, denn das, was es ankündigte, war in der Tat eine private Geschichte. Sie war sogar so privat, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen seiner Dienststelle nicht die geringste Ahnung davon hatten, dass er in einem kirchlichen Posaunenchor spielte. Und was Sommer anging, sollte es auch dabei bleiben, erst recht nach dem Vorfall vom letzten Wochenende. Nachdem er als...