Dutli | Das Gold der Träume | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

Dutli Das Gold der Träume

Kulturgeschichte eines göttlichen und verteufelten Metalls

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

ISBN: 978-3-8353-4567-6
Verlag: Wallstein
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Im dritten Teil seiner Trilogie der menschlichen Kultur widmet sich Ralph Dutli dem 'ewigen' Metall: Gold.

Zu allen Zeiten wurde Gold als unzerstörbares, 'ewiges' Metall begehrt und verehrt. Gold leuchtet in den Religionen und Mythen, in Märchen, Kunst und Literatur. Es ist Symbol für Glanz und Gier, Macht und Magie. Im Umgang mit ihm zeigt sich der Mensch mit seinen geistigen Höchstleistungen und Träumen - und den Abgründen zerstörerischer Leidenschaften.
Von der Bibel und den Pharaonen zur Suche nach Eldorado, von Indiens Göttern und den goldenen Buddhas Asiens zu den Alchemisten und zum digitalen Krypto-Gold sammelt Ralph Dutli den Goldstaub in seiner Kulturgeschichte von staunenmachendem Facettenreichtum. Gerade die Dichter - von Horaz bis Rilke - dachten am tiefgründigsten über das Wesen des Goldes nach. Die modernen Poeten von Baudelaire und Rimbaud bis zu den Surrealisten inszenierten sich als Erben der Alchemisten. Und hinterließen uns das kostbare Gold ihrer Gedichte.
Dem widersprüchlichsten der Metalle widmet Ralph Dutli den dritten Band seiner erfolgreichen 'Kleinen Kulturgeschichten'. Nach dem pflanzlichen des Olivenbaums und dem animalischen der Honigbiene folgt das mineralische Element: Gold. Eine Trilogie der menschlichen Kultur aus Jahrtausenden voller überraschender Episoden und Geschichten.
Dutli Das Gold der Träume jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Relikt von sterbenden Sonnen
Gold ist ein Fremdling auf der Erde. Es gehört nicht ursprünglich hierher, es ist ein Einsprengsel, das von fernen Himmelskörpern stammt. Es entstand beim Zusammenprall von Neutronensternen, es ist ein Relikt von sterbenden Sonnen. Durch Meteoriten schlug es in die Erdrinde ein. Gold ist also eine glänzende Frucht katastrophaler Kollisionen. Im Juni 2013 beobachteten Astronomen in einer 3,9 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie einen Gammablitz, der vermutlich von zwei zusammenkrachenden Neutronensternen verursacht wurde. Sie berechneten, dass dabei bis zu zehn Mondmassen (735 Trilliarden Kilogramm) Gold entstanden sein könnten und ins All geschleudert wurden. Auch unser irdisches Gold ist vor unvorstellbar langer Zeit so entstanden. Als himmlische Verschleuderung kam es in den Erdkern und in die Erdrinde, durch eine phänomenale Weltallslotterie. In ihrer Frühphase wurde die Erde von zahllosen Himmelskörpern bombardiert, die sie mit Edelmetallen anreicherten. Zeitpunkt: vor ungefähr 4,5 Milliarden Jahren. Wie Forscher des Southwest Research Institute in Colorado darlegen, sollen Dutzende von Impaktereignissen – von Urkörpern, die zum Teil mehr als 3000 Kilometer Durchmesser aufwiesen – die Erdmasse vergrößert haben. Sie haben also gleichsam etwas liegen lassen und zur endgültigen Gestalt der Erde beigetragen. Zu der Zeit hatte sie längst ihren Kern gebildet, die schweren Metalle sanken ins Zentrum ab. Die Forscher vermuten, dass sich dort der Löwenanteil der irdischen Edelmetalle befindet. Woraus der Kern genau besteht, wissen wir Erdbewohner trotz aller Wissenschaft noch immer nicht genau, wir wissen nicht, was uns im Innern zusammenhält. Metallisch soll er sein, aus Eisen und Nickel bestehen, aber nicht homogen. Jedenfalls ist ein rein goldenes Herz der Erde unwahrscheinlich, obwohl dort die vermutlich größten Goldvorkommen liegen. Auch was wir wissen, wissen wir nicht seit langem, noch nicht einmal seit hundert Jahren. Der Kern hat einen Durchmesser von 6942 Kilometern, sein Volumen beträgt ein Sechstel der ganzen Erde, aber er ist von hoher Dichte, macht ein Drittel der Erdmasse aus, also wiegt unser Zentrum sehr schwer. Die dänische Erdbebenforscherin Inge Lehmann fand 1936 die Grenze zwischen dem festen inneren und dem flüssigen äußeren Kern. Die Kern-Mantel-Grenze liegt in 2900 Kilometern Tiefe, Erdbebenwellen haben auf deren Spur geführt. Anbohren nicht empfohlen. Keine Sorge: Die tiefste, auf der russischen Halbinsel Kola bewerkstelligte Bohrung erreichte 1989 eine maximale Tiefe von »nur« 12,262 Kilometern. Aber als Traum existiert das Vordringen zum Kern eben doch, Jules Verne hat ihm in seinem Roman Reise zum Mittelpunkt der Erde 1864 Ausdruck verliehen. Dort steigt das Team um den Hamburger Professor Otto Lidenbrock in den isländischen Vulkan Snaefellsjökull, gelangt zu einem unterirdischen Meer und findet monströse Pilze und urzeitliche Pflanzen, gerät in einen gewaltigen Sturm und findet durch den Krater des Stromboli bei Sizilien wieder auf die Erdoberfläche zurück. Wohl eher ein phantastisches Höhlenerlebnis als eine erfolgreiche Gold-Expedition: Eine verwirrte Kompassnadel war schuld. Aber Jules Verne träumte insgeheim weiter vom Goldbauch der Erde. In seinem Nachlass fand sich ein Roman mit dem Titel Der Goldvulkan, der 1906 postum veröffentlicht wurde. Die Gold ausspuckende vulkanische Kraft aus dem Innern der Erde war Vernes beharrliches Phantasma. Summy und Ben, zwei Goldschürfer in Dawson City, wollen natürlich reich werden, doch der mysteriöse Vulkan, dessen Ausbruch sie mit einer gewaltigen Explosion künstlich auslösen, spuckt am Ende sein ganzes Gold zurück ins Meer. Wieder nichts. Die Erde hat sich ausgespuckt, doch nicht zum Vorteil der Goldgierigen. Einschläge in späteren Wachstumsphasen waren dann für die Edelmetalle in den äußeren Erdschichten verantwortlich. Durch die Relikte des Zusammenstoßes von fernsten Himmelskörpern wurde der Erdmantel mit Gold gleichsam veredelt. Auch das gehört zu seinem Mythos. Gold ist nicht von hier, es ist selten und wird selten bleiben. Nach den gewaltigen Aufprallereignissen ruht es als Berggold in Gesteinsschichten, als Waschgold in Flüssen. Sein Anteil in der festen Erdkruste beträgt ungefähr vier Gramm auf tausend Tonnen Gestein. Goldkörner oder Goldklumpen sind die Ausnahme, meist steckt Gold in Legierungen mit anderen Metallen. Der Abbau ist deshalb ungeheuer mühsam und aufwendig – und für die Umwelt ein Desaster, mit gewaltigen Eingriffen in gewachsene Landschaften, in das gesamte Ökosystem. Tausende Tonnen bewegtes Gestein – und das ist nur der Anfang. Zwanzig Tonnen Gestein müssen zermahlen werden, um eine einzige Unze Gold (31,1 Gramm) zu gewinnen. Die Goldminen in Südafrika gehen bis in viertausend Meter Tiefe, die Minenarbeiter wühlen bei extremer Hitze in Stollen unter der südafrikanischen Savanne in den Eingeweiden der Erde. Weitere Minen liegen über die Welt verstreut, in China, Australien, Russland, Kanada, Peru, Indonesien. Keine Industrie hinterlässt so tiefe Wunden in der Landschaft wie der Goldabbau. Für ein Kilogramm gewonnenes Gold fallen zehn bis zwanzig Tonnen Kohlendioxid an. Das Edelmetall wird mit hochgiftigem Zyanid herausgelöst, Verbindungen der Blausäure. Kleinschürfer setzen Quecksilber ein, vergiften die Umwelt – und sich selbst. Für ein paar Krümel Gold. Gold selbst ist nicht giftig, es spiegelt Unschuld vor, aber denkt man an seinen Abbau – eine phänomenale Giftschleuder. Das Problem wird immer bestehen: Um Gold zu gewinnen, nimmt man enorme Umweltschäden in Kauf. Die illegalen Grabungen im Amazonas-Gebiet, etwa in der Region Madre de Dios (übersetzt: Muttergottes!), wo der Goldabbau mit großflächigen Abholzungen des Regenwaldes einhergeht, sind nur ein Beispiel. Die Lungen der Erde werden auch durch Goldgrabungen durchlöchert. Zwar gibt es auch Scheideanstalten, die nur Gold recyceln, d. h. aus hochwertigem Goldschrott gleichsam »neues Gold« machen. Mehr als zwei Drittel der Goldgewinnung stammen aus Bergwerken, es ist »Primärgold«, der Rest kommt aus der Wiederverwertung. Die Ökobilanz fällt dabei natürlich besser aus als beim Bergbau. Dank seiner Leitfähigkeit und chemischen Unveränderlichkeit ist Gold in Elektronik und Computertechnik, im Herzen der Prozessoren und in USB-Sticks unersetzlich. Keine Informatik, keine Raumfahrt ohne Gold. Auch das süße Handy will Gold in seinen Innereien … Ein konkretes Beispiel für überzeugendes Recycling: die olympischen Sommerspiele 2021 in Japan. Hier wurden im Vorfeld aus vielen Tonnen Elektroschrott, den die Japaner in großen, im ganzen Land verteilten Sammelboxen gespendet hatten, 32 Kilogramm Gold, 4100 Kilogramm Silber und 2700 Kilogramm Bronze gewonnen und daraus insgesamt 5000 olympische Medaillen im Wert von drei Millionen Euro hergestellt. Selbst Olympia lernt sparen und recyceln. Auch dafür sollte es eine Goldmedaille geben. Die bisher in der Gesamtgeschichte der Menschheit geförderte Goldmenge beträgt ungefähr 200.000 Tonnen. Ein verblüffend schlicht anmutender Würfel von nur einundzwanzig Metern Seitenlänge könnte aus dem gesamten Gold der Menschheit geformt werden. Als imaginäres Monument seiner Seltenheit. Zwei Drittel davon wurden jedoch seit der Mitte des 20. Jahrhunderts gewonnen, sie verraten also einen besonderen Goldhunger unserer Zeit, neben gesteigerten industriellen Fertigkeiten. Das lateinische Wort aurum hat sich in die romanischen Sprachen fortgesetzt (or, auro), das deutsche »Gold« geht auf die indogermanische Wurzel ghel zurück, die »gelb« und »glänzend« bedeutet. Das Visuelle, der helle gelbe Glanz also hat hier das Wort bestimmt. Aber Vorsicht: Gold ist bei aller lautlichen Nähe zum »Geld« wortgeschichtlich nicht damit verwandt, Letzteres stammt aus dem althochdeutschen gelt, das noch in »Vergeltung« und »Entgelt« hörbar ist. Gold beharrt auf seinem eigenen Ursprung, seiner eigenen Wortgeschichte. Das chemische Element Nr. 79 im Periodensystem ist weich, aber schwer. Von hoher Dichte, leicht dehnbar und formbar, sein Schmelzpunkt nicht einmal besonders hoch: 1064,18 Grad. Gold ist schon in seiner chemischen Anlage ein Paradox. Weich und formbar, aber ohne chemische Reaktion: Es reagiert nicht auf den Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen, rostet nicht, zersetzt sich nicht. Es reagiert überhaupt nicht, es ruht in sich selbst, eignet sich ideal für Schmuck, Statuen, Münzprägungen, Grabbeigaben. Schwer und weich und unzerstörbar: Jeder Verwitterung trotzend, ist es ein permanenter Widerstand gegen alle Vergänglichkeit, eine goldene Verkörperung der Ewigkeit. Die Maßeinheit für den Feingehalt oder die Reinheit des Goldes wird in Karat gemessen: 24 Karat bedeutet die höchste Reinheit, tritt Gold vermischt mit anderen Metallen auf (Silber, Kupfer), nimmt diese Reinheit naturgemäß ab, 18 Karat meint: Dreiviertel Gold, das andere Viertel besteht aus einem anderen Metall. Es ist praktisch unmöglich, alle Verunreinigungen zu eliminieren, deshalb steht auf Feingoldbarren die ominöse Zahl »999,9«, die eine größtmögliche Annäherung an höchste Reinheit bezeichnet. Reinheit und Unreinheit auch im moralischen Sinne – sie liefern sich in der Kulturgeschichte des Goldes einen unerbittlichen Kampf. Gold ist das Metall der Superlative, es scheint die Superlative anzuziehen...


Dutli, Ralph
Ralph Dutli, geb. 1954 in Schaffhausen (Schweiz), studierte Romanistik und Russistik in Zürich und Paris (Sorbonne), lebt seit 1994 in Heidelberg. Er ist Romanautor, Lyriker, Essayist, Biograph, Übersetzer und Herausgeber. Im Wallstein Verlag erschienen seine Romane »Soutines letzte Fahrt« und »Die Liebenden von Mantua«, eine Trilogie französischer mittelalterlicher Poesie des 13. Jahrhunderts (»Fatrasien«; »Das Liebesbestiarium«; »Winterpech & Sommerpech«) sowie seine »Kleinen Kulturgeschichten« zu Olivenbaum (»Liebe Olive«), Honigbiene (»Das Lied vom Honig«) und Gold (»Das Gold der Träume«). Außerdem der Band »Mandelstam, Heidelberg« mit Jugendgedichten des russischen Dichters Ossip Mandelstam und der Band der Liebesgedichte von Marina Zwetajewa (»Lob der Aphrodite«).
Für seine Vermittlung moderner russischer Lyrik erhielt Ralph Dutli den Johann-Heinrich-Voß-Preis 2006 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, für seinen Roman »Soutines letzte Fahrt«, der in mehrere europäische Sprachen übersetzt und für den Deutschen wie für den Schweizer Buchpreis nominiert war, den Rheingau Literaturpreis 2013 und den Preis der LiteraTour Nord 2014, sowie den Düsseldorfer Literaturpreis 2014 für sein literarisches Gesamtwerk, den Erich Fried Preis 2018, den Deutschen Sprachpreis 2021 der Henning-Kaufmann-Stiftung und den Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik 2023.

Ralph Dutli, geb. 1954, studierte in Zürich und Paris Romanistik und Russistik und lebt heute als freier Autor, Lyriker und Übersetzer in Heidelberg. Er ist Herausgeber u.a. der zehnbändigen Ossip-Mandelstam-Gesamtausgabe und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den Johann-Heinrich-Voss-Preis 2006 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Von Ralph Dutli sind bislang mehr als 30 Bücher und Editionen erschienen. Ralph Dutli wurde 2013 und 2015 für den deutschen Buchpreis und den Schweizer Buchpreis nominiert und erhielt den
Rheingau Literaturpreis 2013, den Preis der LiteraTour Nord 2014 für seinen Roman "Soutines letzte Fahrt" sowie den Düsseldorfer Literaturpreis 2014 und den Erich-Fried-Preis 2018 für sein literarisches Gesamtwerk.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.