Ebermann | Informationsdiffusion in sozialen Medien | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 374 Seiten

Ebermann Informationsdiffusion in sozialen Medien

Einflussfaktoren und deren Wechselwirkungen am Beispiel von Twitter
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7445-1062-2
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Einflussfaktoren und deren Wechselwirkungen am Beispiel von Twitter

E-Book, Deutsch, 374 Seiten

ISBN: 978-3-7445-1062-2
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Wie verbreiten sich Informationen in sozialen Medien? Die bestehenden Theorien und empirischen Arbeiten zu diesem Thema liefern diverse Erklärungen für die Weiterleitungsmechanismen, weisen dabei jedoch zwei Defizite auf. Zum einem liegt häufig ein starker Fokus auf den strukturellen Merkmalen der Netzwerke – inhaltliche Aspekte werden dagegen selten in die Untersuchungen einbezogen. Zum anderen werden die identifizierten Einflussfaktoren der Netzwerkstruktur, der Meinungsführerschaft oder der Ansteckungs- und Schwellwertmodelle kaum in ihren Wechselwirkungen zueinander untersucht. Beide Problematiken greift die vorliegende Arbeit auf und belegt die Relevanz einer differenzierten Betrachtungsweise aller Faktoren und Wechselwirkungen zueinander unter Einbezug des Inhalts in Form des Nachrichtenwerts. Die Autorin führte hierzu ein Experiment durch, welches das Kommunikationsportal Twitter simulierte und zu interessanten neuen Ergebnissen führte.

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2 Charakterisierung des Diffusionsprozesses und dessen vier Dimensionen
Everett M. Rogers’ Definition der Diffusion, welche die Grundlage dieser Dissertation bildet, lautet wie folgt: »Diffusion is the process in which an innovation is communicated through certain channels over time among the members of a social system. It is a special type of communication, in that the messages are concerned with new ideas. Communication is a process in which participants create and share information with one another in order to reach a mutual understanding. This definition implies that communication is a process of convergence (or divergence) as two or more individuals exchange information.« (Rogers, 2003, S. 5f) Der Diffusionsprozess wird nach Rogers als ein Sättigungsmodell mit einem S-Kurven-förmigen Verlauf beschrieben, welcher in seinem Neigungsgrad von den Charakteristika der Innovation (1), vom Kommunikationskanal (2), der Verbreitungszeit (3) und den Eigenheiten des sozialen Systems (4) beeinflusst wird (vgl. Abbildung 2.1). Abb. 2.1: Diffusionsprozess: Beschreibt unterschiedliche Möglichkeiten eines Diffusionsverlaufs mit der sog. »Take off«-Phase im schraffierten Bereich, in welchem die kritische Masse erreicht wird (Rogers, 2003, S. 11) Die Innovation ist für Rogers eine Idee, Praktik oder ein Objekt, welches als neu wahrgenommen wird. Dabei muss diese Neuheit nicht objektiv sein, sondern sollte lediglich als solche wahrgenommen werden. Sie lässt sich oftmals in thematische Cluster einordnen und unterscheidet sich anhand ihrer wahrgenommenen Attribute. Der Kommunikationskanal ist das Mittel der Übertragung der Information. Ein Phänomen, welches Rogers hieran anschließt, ist die Tendenz der Menschen, andere Personen mit gleichen oder ähnlichen Interessen zu präferieren und stärker innerhalb einer Gruppe Gleichgesinnter zu kommunizieren. Die Zeit beschreibt den Diffusionsprozess und das Modell. Die bereits erwähnte S-Kurve drückt aus, wann es zu einem Sättigungsprozess kommt. Sie kann flacher oder steiler verlaufen und so als abhängige Variable aufzeigen, welche Faktoren ihren Verlauf beeinflussen. Das soziale System ist die komplexeste Dimension in Rogers’ Modell. Sie beinhaltet nicht nur die soziale Struktur, welche die Diffusion maßgeblich beeinflusst, sondern auch soziale Normen und Gruppen-Rollen wie den Meinungsführer. Des Weiteren wird die Option berücksichtigt, dass die Kommunikationsentscheidung von Individuen oder ganzen Gruppen gefällt werden kann. Die Handlungsintention, welche Autoren wie Greenhalgh et al. (2004) zwischen geplanter »Dissemination« und spontaner »Diffusion« unterscheiden lässt, spielt bei Rogers keine Rolle und wird auch in dieser Arbeit nicht separat betrachtet. Um nach dieser kurzen Definition des Diffusionsprozesses im weiteren Verlauf der Arbeit die ursprünglichen Konzepte hinter der Dimensionskonstruktion und die aktuelle Literatur besser einordnen zu können, folgt im nachstehenden Abschnitt ein Einblick in die Ausgangspunkte dieser vier von Rogers zusammengetragenen Dimensionen. Ursprung Rogers Diffusionstheorie Rogers’ Ansatz basiert auf einem möglichst generalistischen Anspruch der Integration verschiedenster Forschungstraditionen der Diffusion (Rogers, 2003). Eine der ältesten Traditionen ist hierbei der Diffusionismus1, welcher bereits seit dem 19. Jahrhundert als kritische Auseinandersetzung mit den vorherrschenden evolutionstheoretischen Überzeugungen der unabhängigen Entwicklung verschiedener Zivilisationen thematisiert wird (Sills, 1968). Als Begründer dieser Forschungstradition gilt Friedrich Ratzel (Barnes, 1925)2. Gemeinsam mit Leo Frobenius entwickelte er das Konzept verschiedener kultureller Zentren mit signifikantem Einfluss auf die übrigen Zivilisationen (Ratzel, 1885; Frobenius, 1898; Harris, 1968). Der Argumentation der Kulturkreise folgend trugen auch Fritz Graebner (1911) und Franz Boas (1940) insbesondere zur Systematisierung des Diffusionismus bei (Barnes, 1925). Sie etablierten mit ihren Arbeiten sowohl die Relevanz der Diffusionsthematik als auch grundlegende Annahmen über einzelne Innovationscharakteristika3, wie die Notwendigkeit der wahrgenommenen Innovationskompatibilität, welche als wichtige theoretische Implikationen in andere wissenschaftliche Disziplinen übertragen wurden – nicht zuletzt auch in Rogers’ Diffusionsmodell (Rogers, 2003). Ähnliche Ansichten wie jene Anthropologen vertrat auch der Soziologe Gabriel Tarde. Er postulierte in seinem Werk »Laws of imitation« 4 eine konzentrische Ausbreitung der Innovationen ausgehend von verschiedenen Mittelpunkten. Diffusion wird als Imitationsprozess verstanden und ist eng mit sozialen Aspekten der Kommunikation bzw. Interaktion verknüpft. Tardes Ziel war es, Erfolgsfaktoren für die Verbreitung der imitierten Innovationen zu identifizieren. (Tarde, 1903) »Our problem is to learn why, given one hundred different innovations conceived of at the same time – innovations in the form of words, in mythical ideas, in industrial processes etc. – ten will spread abroad, while ninety will be forgotten.« (Tarde, 1903, S. 140) Um diese Frage zu beantworten, konzipierte Tarde die »logical« und die »extra-logical laws of imitation« (Tarde, 1903, S. XXVI f). Auf der einen Seite greifen die logischen Gesetzmäßigkeiten (logical laws) ähnliche Ansichten wie die der Anthropologen auf. Vorrangig beschreiben sie die Eigenschaften der Innovation selbst. So ist der Erfolg einer Erfindung abhängig von ihrer Komplexität und der Kompatibilität mit der Gruppe derjenigen, welche die Innovation imitieren würden. Auf der anderen Seite existieren weniger rationale Prinzipien (extra-logical laws) wie die Beeinflussung der Imitation durch Gruppen- und Kommunikationsstrukturen. Tarde spricht in diesem Zusammenhang von folgender Richtung des ausgeübten Einflusses: »It proceeds, given equal distances, from superior to inferior« (Tarde, 1903, S. 323). Als »superiors« bezeichnet er privilegierte Menschen mit hohem Prestige, welche mit zunehmender Demokratisierung und ausdifferenzierteren Hierarchiestrukturen verschiedenste gesellschaftliche Rollen wahrnehmen können. Das Konzept der »superiors« wird später im »Two-Step Flow of Communication« (Katz, 1955) und der Netzwerktheorie (Valente, 1996) als Opinion Leaders oder Meinungsführer erneut aufgegriffen und findet auch bei Rogers als relevanter Part des sozialen Systems5 Anwendung (Rogers, 2003). Die Einflussmöglichkeit einzelner Personen ist jedoch abhängig von der jeweiligen Distanz zu anderen. Diese Distanz ist dabei im sozialen Sinn als Abstand zwischen verschiedenen Klassen oder Milieus gemeint. Je ähnlicher sich Individuen in Beruf und Ausbildung sind, desto geringer ist die soziale Distanz bzw. desto stärker sind ihre sozialen Beziehungen. Dieses Phänomen wird in der Netzwerkforschung Homophilie genannt und wurde ebenfalls bereits von Tarde bzw. in etwa zeitgleich vom deutschen Soziologen Georg Simmel (1908) postuliert (Rogers, 2003). Neben diesen Grundlagen bezüglich des sozialen Systems finden sich in Tardes Werk aber auch erste Überlegungen zur zeitlichen Dimension der Diffusion im Sinne einer kritischen Masse und dem S-Kurven-förmigen Verlauf der Diffusion6. »A slow advance in the beginning, followed by rapid and uniformly accelerated progress, followed again by progress that continues to slacken until it finally stops: These are the three ages of [...] innovation.« (Tarde, 1903, S. 127). Zusätzlich zu dieser klaren Beschreibung des Verlaufs der Diffusionskurve wird ebenfalls deutlich, dass die Innovation nicht zeitgleich von allen Personengruppen imitiert wird. Es werden verschiedene Stadien der Imitation durchlaufen. So kommt es beispielsweise erst zum rapiden Kurvenanstieg, wenn eine kritische Masse erreicht wird. Diese kritische Masse stellt jedoch lediglich eine gut wahrnehmbare Instanz eines einzelnen Prozessabschnitts der Diffusion dar. »The disposition to believe the masses increases and public opinion guides society more and more (de Tocqueville, 1838). [...] If men are like units, then it is the greatest sum of these units which must be in the right. But in reality this is an illusion are based upon a constant oversight of the role played here by imitation.« (Tarde, 1903, S. 229 f). Die Meinung Vieler, welche weitere Imitationen nach sich zieht, ist somit ein Resultat des vorangegangenen Diffusionsprozesses einer homophilen Gruppe mit geringer sozialer Distanz zu jenen, die die Erfindung als Erste imitieren7, und denjenigen, welche eher skeptisch gegenüber Neuerungen sind. Rogers nennt diese skeptische Gruppe später »Late Majority«. Die theoretischen Ausführungen von Pemberton (1936) und erste empirische Analysen von Bowers (1937) belegen Tardes Ansätze der Diffusionskurvenform bzw. der kritischen Masse und werden wiederum von Rogers in der »Diffusion of Innovation« aufgegriffen. Bowers (1938) führte des Weiteren in seiner Arbeit die Wichtigkeit der Kommunikationskanäle an8. Er belegte die Relevanz des persönlichen Kontakts gegenüber den Massenmedien insbesondere für diejenigen, welche sich erst im späteren...


Jana Ebermann ist Soziologin und wurde mit der vorliegenden Arbeit aus dem Bereich der Kommunikationswissenschaft an der Universität St. Gallen promoviert.



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