Egger | Als ich das Weite suchte | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 348 Seiten

Egger Als ich das Weite suchte

Reise- und Wandernotizen aus Ozeanien und Südostasien
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-99093-179-0
Verlag: Buchschmiede
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Reise- und Wandernotizen aus Ozeanien und Südostasien

E-Book, Deutsch, 348 Seiten

ISBN: 978-3-99093-179-0
Verlag: Buchschmiede
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Um 'das Leben noch einmal beim Schopf zu packen' bricht der österreichische Geologe Hans Egger im November 2011 zu einer siebenmonatigen Reise auf. Das erste Ziel ist der abgelegene pazifische Inselstaat Vanuatu, die übrigen Stationen ergeben sich erst im Verlauf des Sabbaticals: Neukaledonien, Neuseeland, Australien, Singapur, Malaysia, Myanmar und Indonesien. Am Morgen nicht zu wissen, wo man am Abend schlafen wird, ist die Philosophie dieser Reise ohne Handy und Internet.

Hans Egger, 1960 in Salzburg geboren, ist Geologe und lebt in Wien.

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EFATE Fünf Stunden nach dem Abflug von Sydney kommt die Insel Efate mit Port Vila, der kleinen verschlafenen Hauptstadt Vanuatus, in Sicht. Den Staat Vanuatu gibt es erst seit dem Jahr 1980. Davor war der Archipel als die Neuen Hebriden bekannt gewesen. So hatte ihn Captain Cook, der große Seefahrer, den alles und jedes an seine schottische Heimat erinnerte, im Jahr 1774 getauft. Der erste Europäer war aber schon 168 Jahre vor Captain Cook hier aufgekreuzt: Pedro de Quiros, ein offenbar schlampiger Portugiese, der eine kleine Insel für einen großen Kontinent gehalten und ihm den schönen Namen Austrialia del Espiritu Santo gegeben hatte. Und jetzt, 405 Jahre nach Pedro de Quiros und 237 Jahre nach Captain Cook, bin ich da, und was mir kurz vor der Landung auf dem Bauernfield-Airport als Erstes auffällt sind die vielen Kühe, die unter den Kokospalmen grasen. Noch nie habe ich so viele Kühe auf einer Südseeinsel gesehen. Und dann stehe ich mit meinem Rucksack wie der Ochs vorm Scheunentor in der schwülen Hitze vorm Flughafengebäude und weiß nicht, wie ich von hier in die Stadt kommen soll. Weit und breit kein Taxistand und keine Bushaltestelle. Nach etwa zehn Minuten ratlosem Herumstehen und aufkommendem Ärger über den vielen Krempel, den ich wieder mitschleppe – auch wenn es nur ein einziger Rucksack ist – hält unvermutet ein Kleinbus neben mir, offenbar ein Sammeltaxi. Der Fahrer beugt sich aus dem Fenster und sieht mich fragend an. Ich sage bloß „Hotel“, und eine nach unten fächelnde Hand deutet mir einzusteigen. Mit sieben anderen Passagieren, durchwegs dunkelhäutige, kraushaarige und gedrungene Melanesier, fährt mich das Taxi in die nahe Stadt, die hier vor allem aus Holzhäusern besteht, die sich hinter den Hecken weitläufiger, üppig wuchernder Gärten verstecken. Niemand im Auto spricht, bis wir vorm Villa-Hibiscus-Motel stehenbleiben. Offenbar Zeit für mich auszusteigen. Von draußen reiche ich dem Chauffeur irgendeinen Geldschein durch das Fenster, und schon braust das Auto davon. In der Rezeption empfängt mich eine chinesische Familie und nimmt mich freundlich auf. Eine junge Frau, vermutlich die Tochter des Hauses, führt mich durch einen mit Palmen, Hibiskussträuchern und Trompetenbäumen bestandenen Garten zu meinem Zimmer. Es ist ein winziger Raum, gerade groß genug, dass ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Ventilator, mein Rucksack und ich selbst Platz darin finden. Durch die Fliegengitter sehe ich eine Ziegelmauer, die einen Meter vorm Fenster steht. Kein Zimmer mit Aussicht, trotzdem fühle ich mich wohl und wahrscheinlich viel besser als in einem teuren Resort. Als Rucksacktourist wird man dort ohnehin nicht so gerne gesehen. Quasi als sei ich von gestern, wunderte sich sogar die sommersprossige junge Holländerin, mit der ich am Flughafen in Sydney plauderte, dass ich als Backpacker unterwegs bin wie „die jungen Leute“. Derart abgestempelt zum komischen Alten zottle ich zu den Waschgelegenheiten auf der anderen Seite des mit Blütenduft geschwängerten Gartens und betrachte beim Rasieren missmutig mein fast zweiundfünfzigjähriges Gesicht im Spiegel, soweit ich es ohne Brille noch erkennen kann. Erledigt, bleich und teigig schaut mich – sprechen wir es ruhig aus – ein altersschwacher Mann mit grauem Haarkranz und braunfleckiger Haut an. „Du bist hässlich“, sage ich laut. Aber wenigstens gegen die scheußlichen Haarbüschel, die aus den Ohröffnungen wachsen, kann ich etwas tun. Beim Versuch sie mit der Einwegklinge zu entfernen, schneide ich mich ins rechte Ohr. Obwohl verdammt müde, will ich keinesfalls schlafen. Ich bin zu aufgekratzt, ich bin zu neugierig, ich will sehen, wo ich hier gelandet bin. Mit einem zugepflasterten Ohr und dick eingeschmiert mit Sonnencreme trotte ich in Richtung Stadtzentrum. Im Motel habe ich nur ein Bier getrunken, dennoch fühle ich mich beschwipst, aber wahrscheinlich ist es bloß die Müdigkeit, die mich taumelig macht. Macht nichts, denn auch in diesem wackeligen Zustand schaffe ich es in einer Viertelstunde bis zur Stadtmitte, wo sich Sammeltaxis auf dem zweispurigen Lini Highway drängen. Auf die andere Straßenseite zu kommen ist nur springend und laufend möglich. Wird wohl nicht mehr lange dauern, bis auch hier die ersten Ampeln und Zebrastreifen auftauchen, dabei ist es noch nicht einmal ein Jahr her, dass die erste durchgehende Asphaltstraße rund um Efate fertiggestellt wurde. Nichts in Port Vila ist höher als das sechsstöckige Hotel an der Hafenpromenade, und nichts ist bunter als die mit fröhlichen Figuren verzierte Fassade des Postamts an der Hauptstraße. Sonst besteht das Stadtzentrum aus ein paar langweiligen, zwei-, manchmal dreistöckigen Betonhäusern mit Geschäften in den Erdgeschossen, in denen emsige Chinesen Schnaps, Kosmetik, Kleider und Souvenirs verkaufen. Wer hier kauft solches Zeug? Auch wenn der Whisky deutlich billiger ist als in Europa, muss er für die Einheimischen unerschwinglich sein, und Touristen, die sich ihn vielleicht leisten könnten, sehe ich weit und breit keine. Überhaupt scheine ich hier der einzige Weiße zu sein. Mit zusammengekniffenen Augen schlendere ich im grellen Licht auf dem sonnenbeschienenen Highway weiter und gelange nach ein paar Minuten zu der nach allen Seiten offenen Markthalle. Frauen in bunten, puffärmeligen Kleidern bieten Kartoffel, Süßkartoffel, Maniok, Kraut, Tomaten, Kokosnüsse, Erdnüsse, Melonen, jede Menge Mangos und Bananen in allen Größen und Farben und herrliche Blumen an. Bei den süßen kleinen Bananen kann ich nicht widerstehen und kaufe gleich ein ganzes Büschel. Alle Preise sind angeschrieben, feilschen gibt es nicht. Verblüffend ist, dass das Obst und Gemüse aus den umliegenden Gärten, doppelt so teuer ist wie daheim im Supermarkt, wohin es um die halbe Welt gekarrt wird. Irgendetwas stimmt da nicht oder kommt es mir nur so vor, weil ich übermüdet bin? Das Stadtzentrum von Port Vila, dahinter in der Vila Bucht die private Insel Iririki Erschöpft setze ich mich an der Hafenpromenade ins Nambawan (Number one) Cafe und warte bei lokalem Tusker-Bier und Hühnercurry auf den Sonnenuntergang. Kinder springen von der Mauer hinunter ins warme Meer, auf dessen sandigen Grund einzelne kugelige Korallenstöcke zu sehen sind. Frauen in weiten, wadenlangen Kleidern spazieren vorbei und Gruppen kräftiger junger Männer, viele davon mit Rastafrisur, rot-grün-gelben Hauben und T-Shirts mit dem Porträt Bob Marleys. Reggae scheint sehr populär zu sein. Ein junger Zeitungsverkäufer in Port Vila präsentiert stolz einen Kurzkamm-Leguan (Brachylophus fasciatus) In Europa würde man sagen, die Rastafaris lungern herum. Woher nehmen sie ihre Zeit? Führen sie etwas im Schilde? Beobachten sie mich? Schwer zu sagen. Das Misstrauen des Europäers gegen jeden Müßiggänger lässt sich nicht so schnell ablegen, was seltsam ist, denn ich bin doch jetzt auch so einer. Sabbatical heißt das Zauberwort, das mich für sieben Monate zum Nomaden macht und mir die Freiheit schenkt. Wahrscheinlich halten mich die Leute hier für einen stinkreichen Nichtsnutz, der nichts Besseres zu tun hat als sich planlos in der Weltgeschichte herumzutreiben. Letzteres stimmt, denn außer dem Wunsch, das Leben noch einmal am Schopf zu packen, gibt es keinen Grund für diese Reise, auch wenn ich als Vorwand eine Vulkanexpedition angekündigt habe. Endlich versinkt die Sonne im Meer und inszeniert ihren Untergang mit einem farbenprächtigen Wolkenhimmel. Um halb sieben sind auch die letzten rosa-lila Flecken am Horizont verschwunden, und ich sehe zu, wie sich der Abend herabsenkt. Später, nun wirklich beschwipst, wandere ich durch die Dunkelheit unbeleuchteter Straßen zurück ins „Hibiscus“. Das Scheinwerferlicht der wenigen entgegenkommenden Autos tut in den Augen weh. Tags darauf ist alles anders. Wohin mein Auge auch blickt: Menschen, Menschen, Menschen, überall wimmelt es von Menschen, von weißhäutigen Menschen. In der Nacht hat ein Kreuzfahrtschiff angelegt und dreitausend vorwiegend ältere, vorwiegend übergewichtige, vorwiegend lautstarke Australier ausspuckt, immerhin so viel wie ein Zehntel der Stadtbevölkerung. Spinnenbeinig und krötenbauchig (sind alle Kreuzfahrtpassagiere genmanipuliert?) stürmen sie die Souvenirläden und Duty-Free Shops, deren Sinn mir gestern noch rätselhaft war. Dankbar für den Luxus des Alleinreisens marschiere ich aus dem Stadtzentrum hinaus, weg vom Kreuzfahrt-Grusel und meiner Gehässigkeit, und lande schließlich beim Vanuatu Cultural Centre. Ein einzelner Raum, in dem ein bunt zusammengewürfeltes Sammelsurium von Masken, Tanzkostümen, Musikinstrumenten, alten Werkzeugen und ausgestopften Tieren verstaubt. Die Kinder einer Volksschulklasse lauschen fasziniert den Erklärungen eines Führers, der schließlich für sie auf einigen der ausgestellten Musikinstrumente spielt. Zuerst bläst er...



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