Fischer / Hinck / Konitzer | Zwölf | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 136 Seiten

Fischer / Hinck / Konitzer Zwölf

Geschichten durch das Jahr

E-Book, Deutsch, 136 Seiten

ISBN: 978-3-7526-1370-4
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Frühling, Sommer, Herbst und Winter - so ein Jahr ist farbenfroh, abwechslungsreich und aufregend. Genau wie die Geschichten dieser Anthologie, die Sie packen werden und mal zum Nachdenken oder Schmunzeln bringen. Die Autorinnen und Autoren nehmen Sie mit auf eine Reise durch die 12 Monate des Jahres. Inspiriert sind die Geschichten von den Jahreszeiten und dennoch zeitlos. Das Jahr entfaltet sich mit jedem neuen Monat, mit jeder neuen Geschichte, und am Ende ist man reicher an Erinnerungen und Erfahrungen. Dann wartet schon das nächste Jahr auf uns. Und so geht das Leben voran.
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März:
Kapitän
über Board
Matthias Pump
Die Fotogruppe der VHS Hamburg stand vor der Rickmer Rickmers und blickte ehrfürchtig auf das 123 Jahre alte Schiff, das seit 1983 im Hamburger Hafen an den Landungsbrücken lag. Ein schwimmendes Wahrzeichen Hamburgs und mittlerweile ein Museumschiff. Seit einigen Monaten war es auch Heimat eines Escape Rooms. Gabi, die seit Rainers Fortgang die Leitung der Gruppe übernommen hatte, blickte staunend am grünen Rumpf empor. Die drei Masten glitzerten in der bitterkalten Märzluft. Ein feucht schimmernder Schmierfilm bedeckte die Bohlen des Anlegers und Gesine und ihre Mutter, die ein paar Meter hinter Gabi standen, näherten sich vorsichtig. Walter, die Kamera im Anschlag, lichtete noch schnell eine geifernde Möwe ab, die auf einem Poller hockte und zu ihnen herüber schnatterte. Dann gesellte er sich zu den anderen. „Uah, das Schiff ist aber ganz schön groß“, staunte Gesine. Mutter Schulz drehte sich um. Sie erwartete, die Stimme von Horst zu hören, der bei solchen Gelegenheiten immer seinen Senf dazu gegeben hatte. Doch Horst war nicht mehr da. Horst war tot, gestorben auf Helgoland im letzten Frühling. Das war fast zwölf Monate her und obwohl keiner ihn vermisste, hatte sein Tod eine Lücke in ihrer Gruppe hinterlassen. „Lasst uns an Bord gehen, der Captain wartet sicher schon“, mahnte Gabi mit einem Augenzwinkern und begann, die Holzplanke hinaufzugehen. Die anderen folgten ihr auf das alte Schiff. Die Bohlen knarrten unter ihren Füßen, als sie auf das Deck traten. Gabi kümmerte sich um die Anmeldung und dann wurden sie in den Spielbereich geführt. Dieser befand sich im Museumsteil des Dreimasters. Eine junge Frau mit einer überdimensionierten schwarzen Brille kam aus einer Kabine. Für einen kurzen Moment war ein junger Mann mit Pudelmütze zu sehen, der mit Kopfhörern direkt neben der Tür saß. Er schaute kurz heraus und winkte Gabi zu. Walter, der noch einen Platz suchte, liebäugelte mit dem freien Platz neben Gesine, doch er traute sich nicht und nahm am anderen Ende des Tisches Platz. Mutter Schultz legte einen Arm um ihre Tochter und drückte sie einmal kurz an sich. „Sie sieht aus wie Puck, die Stubenfliege“, flüsterte Mutter Schulz ihrer Tochter zu, die kurz auflachte und sofort verstummte, als die dunklen Brillengläser zu ihr herüberschauten. „Wenn jetzt alle soweit sind, dann noch einmal herzlich willkommen auf der Rickmer Rickmers! Ihr seid hier zum Spiel ‚Captain über Bord‘ und ich will euch kurz erklären, worum es dabei geht, denn...“ Weiter kam sie nicht. Es polterte an der Gangway und die Tür wurde aufgerissen. Kalte Luft strömte wie durch einen Staubsauger herein und ein bärtiger Mann steckte seinen Kopf durch die Tür. „Hallo, bin ich hier richtig beim Flüchtlingsspiel?“ „Flüchtlingspiel? Ach, sie meinen das Fluchtspiel. Den Escape Room?“ „Sag ich doch, Mädel. Ist das hier das Spiel? Ich hab da nen Gutschein bekommen.“ „Ja, nehmen Sie doch bitte Platz. Ich bin gerade dabei, das Spiel zu erklären.“ Der Mann schaute sich kurz um, dann zwängte er sich auf die schmale Bank neben Gesine, unter den argwöhnischen Augen von Walter am anderen Ende des Tisches. Die Veranstalterin erklärte die Rahmenhandlung und die Regeln. Die Crew der Rickmers, in diesem Fall die Fotogruppe und der zusätzliche Gast, wurden von Piraten überfallen und in die Kabine des Captains gesteckt. Der Captain selber war bereits von Bord gegangen. Er hat sein Gold versteckt. Das Schiff ist vom Untergang bedroht. Die Crew muss ein Funkgerät finden, um einen Notruf abzusetzen. Um das Funkgerät zu finden, müssen in 60 Minuten viele Rätsel gelöst werden. „Noch irgendwelche Fragen? Seid ihr bereit für das Abenteuer eures Lebens? Dann packt bitte eure Handys und sonstigen elektronischen Geräte in diese Truhe und dann geht es los.“ Die Fotogruppe und der zusätzliche Gast tat wie befohlen und sie folgten Puck in die Kapitänskajüte. Es summte kurz, dann ein Klacken, und die Tür war verriegelt. Nun standen sie da und warteten auf den Startschuss. „So, dann wollen wir doch mal sehen, wie wir hier wieder rauskommen!“ Der zusätzliche Gast schien schon einmal in einem Escape Raum gewesen zu sein, äußerst dominant begann er das Lösen der Rätsel an sich zu reißen und seine Hände krallten sich die Goldbarren, sobald einer gefunden wurde. Gabi, Gesine, Mutter Schulze und Walter standen nutzlos im Raum herum. Walter zog die anderen in eine Ecke der Kajüte. „Wollen wir uns das gefallen lassen? Der benimmt sich ja wie Horst! Er könnte sein Bruder sein!“ „Jetzt übertreibst du aber“, flüsterte Gabi und warf einen schnellen Seitenblick zu dem unbekannten bulligen Mann, der mit verbissenem Gesicht versuchte, das Rätsel um den Kompass auf dem Fass zu lösen. Er murmelte etwas vor sich hin und wurde immer ungeduldiger. Mutter Schulze stand neben dem Fremden und versuchte zu sehen, was er tat. Doch sein muskulöser Oberkörper verdeckte, was er tat. Sie schüttelte ihren Kopf in Richtung der anderen. Der Hüne bekam davon nichts mit. Seine Hände fummelten an dem Schloss herum und versuchten jede erdenkliche Kombination der vier Zahlen, die er als Lösung des vorigen Rätsels gefunden hatte. Doch bei 256 Kombinationen würde er eine ganze Zeit brauchen. Er hatte bereits drei Goldbarren gefunden und in seine Hosentaschen gesteckt. Als Gesine ihn darauf aufmerksam machte, dass die Goldbarren doch nicht echt seien, hat er sie kurz mit wirren Augen angestarrt, dann gelacht und sie zur Seite geschubst. Er war in den Schlafraum des Kapitäns gestürmt und hatte die Tür hinter sich zugemacht. Im Hauptraum war der Sand aus der Sanduhr schon zur Hälfte durchgerieselt. Die Fotogruppe stand ratlos herum und schaute sich an. Niemand wusste etwas zu sagen. Nicht einmal Gabi, die sonst immer gut gelaunt war, hatte einen lustigen Spruch auf den Lippen. „Er hat uns die Weihnachtsfeier verdorben“, maulte Walter und Gesine nickte ihm zu. Mutter Schulze stemmte die Hände in die Hüften und schnaubte. „Die feine Art ist das nicht. Wir sollten uns das nicht gefallen lassen!“ „Und was machen wir?“ „Offensichtlich können wir von den Veranstaltern keine Hilfe erwarten, da ist ja schon seit einigen Minuten kein Tipp mehr gekommen.“ „Wir müssen es selber in die Hand nehmen. Gabi, geh du vor.“ „Warum ich?“ „Weil du unsere Anführerin bist. Seit Rainer weg ist, mein ich!“ Gabi fühlte sich geschmeichelt, ihre Wangen liefen rot an und sie senkte den Blick. Sie machte einen Schritt auf die verschlossene Tür zu und klopfte zaghaft gegen das Holz. Nichts passierte. Nicht einmal ein Fluchen von der anderen Seite oder ein dummer Spruch. Es war still, totenstill! Walter legte seinen Kopf gegen die Tür, Gesine stand hinter ihm und lies ihre Hand auf seinem Rücken liegen. Gabi klopfte noch einmal. „Es ist nichts zu hören“, bemerkte Walter. Sie stemmten sich gegen die Tür und fielen mit einem Mal in den Raum hinein. Gesine schrie laut auf. Der ungebetene Gast lag in der Kapitänskajüte, auf dem Bett des Kapitäns, alle Gliedmaßen von sich gestreckt. Aus seinem Mund lief weißer Schaum, die Augen waren seltsam verdreht und starrten zur Zimmerdecke. „Ist das die Rache der Piraten gewesen“, fragte Gesine und zuckte schon zusammen, bevor sie es ausgesprochen hatte. Sie erwartete, eine Bemerkung von Horst zu hören, aber es kam keine. Denn Horst war ja tot. „Der Schaum sieht nach einer Vergiftung aus“, bemerkte Walter. „Woher weißt du denn sowas?“ „Ich schau doch Freitag Abend immer diese Crime Serien auf RTL 2, Medical Detectives und so...“ „Ok, aber wer hat ihn getötet? Kann ja nur einer von uns gewesen sein.“ „Immer mit der Ruhe“. Mahnte Gabi. Sie versammelten sich im Kartenraum und beratschlagten, was nun zu tun sei. Auf erneutes Rufen nach den Betreibern des Escape Rooms tat sich nichts, auch die Tür ließ sich immer noch nicht öffnen. „Was machen wir denn jetzt?“ Gesines Stimme wurde immer brüchiger. Walter schaute mitleidig zu ihr herüber. Er war kurz davor, ihr seinen Arm um die Schulter zu legen. „Lasst uns doch noch mal den Leichnam ansehen“, schlug Mutter Schulz vor und öffnete die Tür zur Kapitänskajüte. „Hast du ihn weggetragen, Gabi?“ rief Mutter Schulz aus dem angrenzenden Raum. Gabi steckte ihren Kopf zur Tür herein. „Was meinst du, Mutter Schulz? Wen soll ich weggetragen haben?“ „Na, den Toten. Schau, das Bett ist leer!“ Die anderen drängten durch die schmale Tür in das Schlafzimmer des Kapitäns, das eben noch Schauplatz eines...


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