E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Franz SpurenElemente
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-949961-18-2
Verlag: edition krimi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Buch zum True Crime Podcast
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
ISBN: 978-3-949961-18-2
Verlag: edition krimi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Franziska Franz, geboren in Detmold, lebt in Frankfurt am Main. 2017 veröffentlichte sie Abenteuergeschichten für Kinder im didaktischen Bereich, einen Kinderkrimi sowie Geschichten über lebendige Satzzeichen, die in mehreren hessischen Schulen als Lesebuch eingesetzt und vom Kultusministerium empfohlen werden.Franziska Franz ist für mehrere Verlage tätig. Mittlerweile liegt ihr Schwerpunkt im Krimi- und Thriller-Bereich. Sie ist Mitglied im Syndikat und bei den Mörderischen Schwestern und bietet Lesungscoaching für Autoren an. Professor Verhoff ist Rechtsmediziner und seit 2013 Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Als Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit gelten die Täteridentifizierung durch forensische DNA-Analysen, die Bestimmung der Leichenliegezeit und die Begutachtung knöcherner Strukturen. Verhoff hatte auch Auftritte bei Medical Detectives.
Weitere Infos & Material
Staffel:
Maria Rosalia Auguste »Rosemarie« Nitribitt.
Geboren am 1.2.1933,
verstorben am 29.10.1957
Es gibt wohl kaum einen Kriminalfall, der im Nachkriegsdeutschland so viel Aufsehen erregt hat, wie der Mord an der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt. Noch heute gibt es kaum eine Stadtführung durch Frankfurt am Main, bei der das Leben und der nie aufgeklärte Mord, an der damals 24-jährigen nicht thematisiert wird. Und ihre Bekanntheit führt noch immer weit über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Rosemarie Nitribitt wurde nur 24 Jahre alt, als sie in ihrer eigenen Wohnung von vermutlich einer Person brutal ermordet wurde. Bis heute ist der Fall ungelöst und führt bis in die höchsten Kreise der Frankfurter Gesellschaft. 1957 schien die Polizei mehr zu vertuschen, als aufklären zu wollen.
Professor Verhoff und Franziska Franz widmen dem Fall drei Folgen. Außerdem wird Franziska Franz mit der Leiterin des Frankfurter Kriminalmuseums, Anja Lange, ein Interview führen.
Folge 1
Rosmarie Nitribitt ist nie ein glücklicher Mensch gewesen. Sie wuchs bei einer minderjährigen Mutter auf, den Vater kannte sie nicht. Sie hatte zwei jüngere Geschwister, ist aber nur kurze Zeit in der Familie, besser gesagt bei der Mutter geblieben, da diese straffällig geworden ist und eine Gefängnisstrafe verbüßen musste. Alle drei Kinder kamen daraufhin in Kinderheime, wurden aber von dort aus in unterschiedliche Familien vermittelt.
Rosemarie hatte Glück. Sie wurde von einem kinderlosen Ehepaar aus Niedermendig in der Eifel adoptiert. Die Pflegemutter war bereits 50 Jahre alt, der Pflegevater 70. Die Adoption hatte für das Ehepaar zwei Gründe: Zum einen bekam man damals für ein Pflegekind 30,- DM im Monat, was für damalige Verhältnisse viel Geld war. Zum anderen mochte das Ehepaar Kinder und freute sich über das kleine Mädchen, das sich dort schnell geborgen fühlte. Rosemarie verbrachte dort die glücklichsten Jahre ihres Lebens, vielleicht sogar die einzigen Jahre, in denen sie je glücklich war. Sie ging von da an regelmäßig zur Schule und die Pflegeeltern waren sehr lieb zu ihr. Rosemarie dankte es, indem sie aufgeschlossen war. Außerdem knüpfte sie zu dieser Zeit viele Freundschaften. Sie fühlte sich rundum wohl.
Doch ein paar Jahre später, als sie elf Jahre alt war, wendete sich das Blatt. Sie wurde von einem 18-jährigen Nachbarsjungen vergewaltigt. Das war ein Skandal für diesen kleinen beschaulichen Ort. So wurde die Tatsache, die vermutlich jedem bekannt war, unter den Teppich gekehrt. Rosemarie zeigte in ihrem Wesen von dem Tage an deutliche Veränderungen. Sie begann zu lügen und sich zurückzuziehen. Mit dreizehn Jahren befreundete sie sich dann mit zwei Prostituierten und hat sich wenig später selbst vor französischen Soldaten ebenfalls prostituiert. Sie soll mit vierzehn Jahren das erste Mal abgetrieben haben. Die Pflegeeltern waren mit der Situation und der Veränderung ihrer Pflegetochter völlig überfordert, und Rosie musste zurück ins Heim. Dort jedoch hielt sie es nicht lange aus und ist weggelaufen. Zuerst ging sie nach Koblenz, bald darauf aber nach Frankfurt.
Sie hat sich dort ebenfalls prostituiert, außerdem als Kellnerin versucht, Fuß zu fassen. Vor allem aber wollte sie ihren Traum verwirklichen und Model werden. Dieser Traum jedoch ließ sich nicht realisieren, da sie sich offenbar nicht gut benehmen konnte und noch dazu einen starken Eifler Dialekt hatte. Sie begann aus diesem Grund Geld in Benimm- und Sprachkurse zu investieren, denn sie wollte ernstgenommen werden. Sie lernte dann einige Zeit später einen türkischen Freier kennen, der ihr 1954 einen Opel Kapitän schenkte. Durch das Fahrzeug wurde sie flexibel und ihr Wirkungskreis ließ sich deutlich vergrößern. Ihr Leben veränderte sich zum Vorteil. Sie war nun keine Straßendirne mehr. Und nicht nur das sollte sich ändern. Bald bekam sie sogar von einigen Freiern Urlaubseinladungen und mehr und mehr Zugang zur gesellschaftlichen Oberschicht. Eines Tages dann besaß sie den legendären schwarzen Mercedes SL mit den roten Ledersitzen – ein Auto, das Auto, das zu dieser Zeit durch Rosemarie Nitribitt stadtbekannt wurde. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Damen der Gesellschaft ihre schwarzen Mercedes abstießen, aus Angst in Verruf zu geraten. Rosemarie nutzte das auffällige Fahrzeug unter anderem dazu, Männer anzulocken, indem sie häufig Pannen vortäuschte und um Hilfe bat. Aber das allein reichte ihr nicht, um Kundschaft anzulocken. So schaffte sich Rosie zusätzlich einen Pudel an, den sie, laut einer Kaffeehausbesitzerin, darauf abrichtete, im Café allein sitzenden Männern zuzulaufen, mit denen Rosemarie dadurch ins Gespräch kommen konnte. Sie legte Wert auf gutsituierte Herren. Bald bestanden enge Verbindungen zu namhaften Freiern, wie Harald Quandt, Gunther Sachs und Harald von Bohlen und Halbach, um nur einige zu nennen. Der Krupp-Erbe war ein ganz besonderer Freund. Sie schien nämlich in ihn verliebt gewesen zu sein. Auch er schrieb ihr Liebesbriefe und besuchte sie häufig. Doch als Rosemarie ihn eines Tages fragte, ob er sie nicht heiraten wolle, antwortete er: »Nur auf dem Mond.« Das soll sie zutiefst verletzt haben.
Der ehemalige Rennfahrer Huschke von Hanstein sagte einmal, dass Rosie Männer gern erpresste. So soll sie häufig behauptet haben, schwanger zu sein, um zusätzliches Geld von ihren Freiern für Abtreibungen zu bekommen. Möglicherweise hatte sie auch Harald von Bohlen und Halbach erpresst. Einen Skandal aber konnte sich die Familie Krupp keinesfalls leisten.
Als man später Rosemaries Notizbuch durchsuchte, fanden sich über einhundert Kontakte. Wobei sich später nicht genau sagen ließ, welche der Personen Freier waren.
Rosemarie hatte bereits in ihren jungen Jahren mit ihrer Tätigkeit ein beachtliches Vermögen angespart. In ihrem letzten Lebensjahr soll sich ihr Einkommen auf etwa 100.000 DM belaufen haben. Das war für damalige Verhältnisse eine beachtliche Summe Geld. Das wiederum sprach eindeutig dafür, dass sie finanziell potente Freier sorgfältig auswählte. Bekannt war von ihr außerdem, dass sie viel Geld bei sich zu Hause aufbewahrte.
Rosemarie hatte einen Hausfreund, der bei ihr ein und aus ging: der Handelsvertreter Heinz Pohlmann. Er kümmerte sich um sie, war ein reger Gesprächspartner und bekochte sie häufig. Pohlmann war homosexuell, sodass er wohl nie ein Verhältnis mit ihr hatte. Außerdem war er stets in Geldnöten. Dennoch umgab sie sich gern mit ihm, denn sie empfand in seiner Gegenwart eine gewisse Sicherheit, da sie keinen Zuhälter hatte, der sie schützen konnte. Sie lebte nämlich in großer Sorge davor, dass ihr etwas zustoßen könne. Mit Pohlmann konnte sie außerdem über alles sprechen. Oft verlangte sie von ihm, dass er bei ihr blieb, bis der jeweilige Freier kam. Erst wenn sie sich sicher fühlte, durfte er ihr Apartment verlassen.
Doch Pohlmann wurde tatverdächtig, da er nach Rosemaries Tod offensichtlich keine Geldsorgen mehr zu haben schien. Er kaufte sich ein neues Auto, bezahlte seine Gläubiger und lebte in Saus und Braus, offenbar, ohne sich über den Tatverdacht Sorgen zu machen. Lange Zeit blieb er der Hauptverdächtige und kam deshalb sogar in Untersuchungshaft. Der Prozess gegen ihn wurde aber wegen Mangel an Beweisen eingestellt. Es wurden interessanterweise nach seiner Freilassung keine weiteren Ermittlungsversuche unternommen. So geriet kein Freier unter Mordverdacht.
Der Mordfall an Rosemarie Nitribitt galt als spektakulär und ging in die Frankfurter Geschichte ein. Das Haus in der Stiftstraße 36, in der sich die Wohnung der Nitribitt befand, wurde ihretwegen sogar zum Kulturdenkmal erklärt. Auch an der Fassade wurde bis heute nichts verändert; selbst das Detektiv-Tudor-Schild, das fast jede Frankfurterin, jeder Frankfurter vermutlich schon einmal gesehen hat, hängt noch immer an der Fassade.
Rosemaries Wohnung war für damalige Verhältnisse luxuriös eingerichtet, wenn auch nicht besonders geräumig. Aber das Apartment war bereits mit einer Fußbodenheizung versehen. Das war in der damaligen Zeit eine große Besonderheit. Außerdem leistete sich Rosemarie in ihren jungen Jahren eine Zugehfrau.
Es wurde später von Zeugen berichtet, dass sie Tage vor ihrem Tod mehrfach mit dieser Zugehfrau lautstarke Auseinandersetzungen gehabt habe, da die Frau versehentlich eine ihrer Vasen zerschlagen hatte. Natürlich fragte man sich, ob sie daraufhin aus Wut den Mord begangen haben konnte. Rosemarie ist nämlich zunächst niedergeschlagen worden, bevor sie erdrosselt wurde, was deutliche Würgemale an ihrem Hals zu erkennen gaben. Am 1. November 1957 wurde sie schließlich in ihrer Wohnung ermordet aufgefunden. Doch letztendlich wurden in der Wohnung keine ausreichenden Spuren gesichert, die zur Ergreifung des Täters geführt haben. Später hieß es mehrfach, es seien damals nicht nur Spuren verwischt, sondern möglicherweise sogar vertuscht worden. Vielleicht war der Grund dafür ein namhafter Freier, dessen Name nicht mit dem Mord in Verbindung gebracht werden durfte.
Professor Verhoff führt in unserem Gespräch an einen hypothetischen Tatort und erklärt, dass man bei einer Leichensichtung am Tatort manchmal Entscheidungen vor der Untersuchung des Verstorbenen treffen muss. Es ist eine Ermessensfrage. Was hat die höhere Priorität? Ist es wichtiger, zunächst die Spuren zu sichern, und zwar vom Rand zur Mitte hin, dann muss die Leichenschau warten. Oder soll zuerst der Leichnam untersucht werden, dann ist in Kauf zu nehmen, dass dadurch Spuren verwischt werden könnten.
Ich als Krimiautorin habe immer gedacht, dass die Untersuchungen am Tatort stets gleich ablaufen, doch...




