E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
Hale LOCKENDE VERSUCHUNG
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95446-777-8
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-95446-777-8
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hätte der Weltumsegler Crispin geahnt, in welch verzweifelter Lage sich seine Jugendliebe Julianna befindet, hätte er allen Winden getrotzt, um die Geliebte von ihrem trunksüchtigen und lüsternen Stiefbruder zu befreien. So aber muss Julianna sich selbst helfen - und findet ihre Rettung in einer Ehe mit Crispins Onkel Sir Edmund Fitzhugh. Eine Ehe, die nie vollzogen, sondern annulliert werden soll, sobald Crispin heimgekehrt ist. Doch Juliannas Cousin Francis, der auf ihren Wunsch einen Gatten für sie auswählte, hat einen folgenschweren Fehler begangen. Denn Sir Edmund ist zwar um einiges älter als Julianna, aber keineswegs alt! Und während die junge Julianna die wachsende Innigkeit zwischen ihnen für Freundschaft hält, weiß Sir Edmund längst, dass es Begehren ist, das sie zueinander treibt...
Deborah Hale konnte es nie richtig glauben, wenn ihre Eltern erzählten, sie hätte schon mit sieben Monaten zu sprechen begonnen. Aber wie auch immer, eines ist sicher: Deborah liebt es, Geschichten zu erzählen, seit sie denken kann. In ihrer Jugend las sie unendlich viele Romane über das Meer und schrieb auch mit einer Freundin zusammen ein Buch über Piraten, als sie beide dreizehn Jahre alt waren. Auf den Geschmack gekommen, schrieben beide einzeln weiter und lasen ihre Werke gegenseitig, nur um sich zu bestätigen, welch brilliante Autorinnen sie beide seien. Nun, damals war das ganz sicher noch nicht so. Ein großes Steckenpferd von Deborah war Familiengeschichte; zehn Jahre lang dauerte es, bis sie alles lückenlos beisammen hatte und wusste, dass ihre Vorfahren im 18. Jahrhundert aus Britannien nach Kanada ausgewandert waren. Dieses interessante Hobby von Deborah Hale brachte ihr nützliches Wissen über die Gesellschaft der damaligen Zeit. Dieses Wissen konnte sie ab 1992 besonders intensiv nutzen, als sie ihren ersten historischen Liebesroman schrieb. Diesen überarbeitete sie zwei Jahre später noch einmal, als sie von der Organisation der Romance Writers of America erfuhr. Aber ihre Bemühungen wurden nicht sofort mit Erfolg gekrönt. Erst als weitere unzählige Verbesserungen und Kritiken das Werk geformt hatten, war es soweit: Deborah Hale gewann 1997 den Golden Hearts Award der Romance Writers of America für die beste historische Romance. Dadurch war sie in die Topliga ihrer großen Vorbilder aufgestiegen und überglücklich. Außerdem bedeutete der Preis ein riesen Sprungbrett für ihre Karriere; sie wurde von einer Agentur unter Vertrag genommen und begann, für Harlequin Enterprises Canada zu schreiben. Sie bekam endlich die große Unterstützung, auf die sie die ganze Zeit gehofft hatte. Deborah Hale ist seit siebzehn Jahren verheiratet. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Nova Scotia - zwischen der geschichtsträchtigen ehemaligen Garnisonsstadt Halifax und dem romantischen Annapolis Valley.
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1. KAPITEL
Oktober des Jahres 1742
„Liebe Gemeinde.“ Die hohe, fast pfeifende Stimme des Kuraten hallte im Gewölbe der leeren Kirche St. Martin im Felde, eine bei der eleganten Welt Londons derzeit bevorzugte Andachtsstätte. „Wir sind hier im Angesicht Gottes versammelt, um diesen Mann und diese Frau in den heiligen Bund der Ehe zusammenzufügen, einen ehrenwerten Stand …“
Einen ehrenwerten Stand? Julianna Ramsay konnte ein bitteres Lachen nur mühsam zurückhalten. Ein Bund – oder besser eine Bindung – sicherlich. Am liebsten hätte sie dem Geistlichen das Gebetbuch aus den plumpen Fingern gerissen und durch eines der hohen Fenster hinter dem Altar geschleudert.
„Wenn einer unter euch ist, der ernsthafte Gründe gegen diese Eheschließung vorzubringen hat, so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen.“
Hart schloss sich Jeromes derbe Hand um Juliannas schlanken Arm. Zornig streifte sie den von der durchzechten Nacht noch deutlich gezeichneten Stiefbruder mit einem raschen Seitenblick. In seinen dunklen Augen spiegelte sich die ganze Bosheit und Mitleidlosigkeit seiner Seele wider.
Er schien ihren Blick zu spüren, denn seine Lippen verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. Nur immer zu, Schwester, schien er sagen zu wollen, gönne dir ruhig einen hysterischen Wutanfall. Dann wird man dich in die dunkelste Zelle des Irrenhauses von Bedlam einschließen, noch ehe der Tag vorüber ist.
Verzweifelt kämpfte Julianna bei diesem Gedanken um ihre Selbstbeherrschung. Sie presste die Lippen aufeinander, um ihren wütenden Protest zu unterdrücken, und ihre Miene glich den erstarrten Zügen auf den marmornen Gesichtern der Grabdenkmäler an den Wänden. Diesen Gefallen werde ich dir nicht tun, Jerome, dachte sie verächtlich, während sie dem fragenden Blick des Geistlichen auswich.
Der klein gewachsene Kurat räusperte sich und erhob die viel zu hohe Stimme. „Willst du, Julianna Ramsay, diesen Mann zu deinem rechtmäßig angetrauten Gatten nehmen …“
Zögernd richtete Julianna nun den Blick auf ihren Bräutigam, Sir Edmund Fitzhugh. Er konnte Crispin Bayard, dem Mann, den sie zu ehelichen gehofft hatte, wohl kaum unähnlicher sein. Wenn sie an ihren schönen jungen Liebsten dachte, krampfte sich ihr das Herz zusammen. Die Worte, die sie nun vor dem Altar Gottes aussprechen musste, würden ihre Hoffnung auf eine glückliche Zukunft mit Crispin für immer zunichtemachen.
Oh, mein Geliebter, schrie ihre Seele über Tausende von Meilen hinweg, die sie trennten, warum hast du mich so im Stich gelassen? Doch sogleich erhob sich in ihrem Innern eine protestierende Stimme. Wie hätte Crispin, als er sich auf den Weg in die Südsee machte, ahnen können, dass ihr Vater in der Zwischenzeit nach dem Bankrott seines Geschäfts sterben und Julianna damit auf Gedeih und Verderb in die Hände ihres verachteten und zugleich gefürchteten Stiefbruders geben würde?
Die erwartungsvolle Stille, die sich plötzlich über die wenigen Gäste und Zuschauer legte, und der neuerliche Druck von Jeromes derber Hand holten Juliannas Gedanken in die Gegenwart zurück.
„Ja.“ Das Wort klang wie ein Aufschrei.
Der Geistliche lächelte nachsichtig. Zweifellos missdeutete er die Heftigkeit ihrer Antwort als den dringenden Wunsch, einen Mann von Reichtum und Ansehen zum Gatten zu nehmen.
„Und willst du, Edmund Fitzhugh, diese Frau zu deiner rechtmäßig angetrauten Gemahlin nehmen, um mit ihr fortan in Gottes heiligem Sakrament zu leben …“
Wieder wanderten Juliannas Blicke zu ihrem künftigen Gemahl, während dieser seine Aufmerksamkeit auf die Worte des Kuraten lenkte. Sie hätte ihn auch ohne Jeromes entsprechenden Bericht für einen ehemaligen Seefahrer und Schiffskapitän gehalten. Die herausfordernde Haltung von Sir Edmunds breiten Schultern, die einen geradezu wagemutigen Eindruck vermittelte, und seine breitbeinige Stellung verrieten die Zahl der Jahre, die er auf einem schwankenden Schiffsdeck verbracht hatte. Seinen großen, kräftigen Händen konnte man ansehen, dass sie mühelos in der Lage waren, ein Segel zu reffen oder in wilder See das Steuer festzuhalten. Das feste Kinn mit der kleinen Kerbe und die harten Linien seines Mundes kennzeichneten ein entschlossenes, ausdauerndes Naturell, und in seinen tief liegenden Augen, die so kalt und grau waren wie der Atlantik, lag immer ein merkwürdig angestrengter Ausdruck, so als suche er einen weit entfernten Horizont ab.
Alles in allem war er weit davon entfernt, das erbarmungswürdige alte Wrack zu sein, das sie am heutigen Morgen vor den Altarstufen erwartet hatte. Doch damit war auch der verzweifelte Plan, die Absichten des Stiefbruders zu durchkreuzen und sich ungebunden für Crispin zu bewahren, fehlgeschlagen. Als Jerome auf ihrer sofortigen Eheschließung bestand, hatte sie ihren vertrauten Vetter Francis damit beauftragt, einen Gatten für sie ausfindig zu machen, der zu alt und hinfällig war, um die Ehe tatsächlich zu vollziehen. Da alles so schnell gehen musste, war keine Gelegenheit gewesen, Francis nach dem Erfolg seiner Mission zu befragen. Doch aus seiner zufriedenen Miene hatte sie geschlossen, dass die Angelegenheit nach Wunsch geklärt sein musste.
Jeromes spöttische Bemerkung über Sir Edmund hatte sie in der Überzeugung bestärkt, dass dieser Mann ihren Vorstellungen auf ideale Weise entsprach. „Er sammelt alte Drucke und altertümliches Kunstgewerbe und scheint selbst eine Art Antiquität zu sein. Denke nur, er zieht es vor, sein eigenes Haar zu tragen, obwohl es an manchen Stellen dürftig genug ist, um nach einer guten Perücke zu verlangen.“
Eine Antiquität? Unter anderen Umständen hätte Julianna diesen Gedanken äußerst belustigend gefunden. Zudem hatte Jerome Sir Edmunds vorgeschrittenes Alter noch um einige Jahre übertrieben. Nun aber stellte sich ihr Bräutigam als ein Mann in den besten Jahren dar, der durchaus zum Vollzug einer Ehe tauglich war. Der kühne Rettungsplan hatte also kläglich versagt.
„… willst sie als die eine und einzige an deiner Seite in Ehren halten, bis dass der Tod euch scheidet?“
„Ja.“ Der Ton von Sir Edmunds Stimme war dunkel und volltönend, wenn auch mit einem deutlichen Anklang von Schärfe. Eine solche Stimme ließ keinen Widerspruch zu, weder von einer Schiffsbesatzung noch von der Dienerschaft oder dem Eheweib. Gnade mir Gott, dachte Julianna entsetzt. Habe ich nicht soeben hoch und heilig versprochen, meinem Gatten gehorsam zu sein?
Ihre kindischen Träume von einer nicht vollzogenen Ehe waren ein Hirngespinst gewesen. In wenigen Augenblicken würde sie für immer diesem strengen Mann gehören, denn Jerome hatte all ihre vertrauten Dinge verkauft – ihre geliebten Bücher und selbst ihre wie eine Kostbarkeit gehütete Harfe. Angeblich brauchte er jeden Penny, um die Schulden des Vaters zu begleichen. Eine gnädige Benommenheit überkam Julianna. Wie aus weiter Ferne beobachtete sie den Ablauf der Trauung, als betreffe sie eine Fremde.
„Wer übergibt diese Frau an diesen Mann zum heiligen Ehestand?“
„Ich“, erwiderte Jerome gleichgültig.
In Juliannas Ohren aber klang dieses Wort wie ein höhnischer Triumph. Und als sie der nach abgestandenem Brandy stinkende Atem ihres Stiefbruders traf, bewegte sie abwehrend den goldbestickten Fächer.
Wer übergibt diese Frau? Für die meisten Bräute war diese Frage eine bloße Formalität. In ihrem Fall jedoch traf sie genau die Wahrheit. Ihr Stiefbruder gab sie einem völlig fremden Menschen. Nur um des Geldes willen zwang er sie zur Ehe. Sie wurde verkauft wie all ihr Hab und Gut, wie das Vermögen ihres verstorbenen Vaters, an denjenigen, der den höchsten Preis zu zahlen bereit war.
„Im Namen Gottes nehme ich, Edmund Fitzhugh, dich, Julianna Ramsay, zu meiner rechtmäßig angetrauten Gattin. Ich werde von heute an zu dir halten in guten wie in schlechten Tagen, in Armut und Reichtum, in Krankheit und Wohlergehen, bis dass der Tod uns scheidet.“
Als nun die Reihe an Julianna kam, bewegte sie krampfhaft die Lippen, doch die Worte kamen kaum hörbar aus ihrem Munde. Starr blickte sie an Sir Edmunds hochgewachsener Gestalt vorbei und richtete den Schwur an Crispin, ihr Herz einzig und allein für ihn zu bewahren.
„Ich, Julianna Ramsay, nehme dich, Edmund Fitzhugh, zu meinem rechtmäßig angetrauten Gatten …“
Die Worte waren kaum mehr als ein Hauch, und Sir Edmund hatte den unerfreulichen Eindruck, als sehe seine künftige Gemahlin durch ihn hindurch.
Warum, zum Teufel, blickt sie bei der Aussicht, meine Frau zu werden, nur so jammervoll drein, fragte er sich voller verletzten Stolzes. Schließlich ging der Plan dieser Ehe doch in erster Linie von ihr aus. Als ihr schüchterner Vetter mit diesem törichten Vorschlag bei ihm aufgetaucht war, hatte er keine andere ehrenhafte Möglichkeit gesehen, als darauf einzugehen.
„… in Krankheit und Wohlergehen, bis dass der Tod uns scheidet.“
Bei Klang dieser Worte wurde Edmund unvermittelt die Tragweite dessen klar, was er soeben im Begriff war auszuführen, und diese Erkenntnis traf ihn wie ein unerwarteter Schlag in die Magengrube. Julianna Ramsay wirkte in ihrem schlecht sitzenden schwarzen Gewand und den zum größten Teil unter einer wenig kleidsamen Haube versteckten wirren Locken unsagbar jung. Obwohl er kaum vierzig Jahre alt war, hatte er in seinem Leben mehr gesehen und erlebt als andere mit achtzig. Die abenteuerlichen Jahre in der Tropen hatten ihre Spuren an seiner körperlichen Verfassung hinterlassen, und im Augenblick wünschte sich Edmund angesichts...




