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E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Kantonspolizei Aargau

Haller Verschwunden im Aargau

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Kantonspolizei Aargau

ISBN: 978-3-96041-973-0
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Wenn Hass zur tödlichen Obsession wird.

Beim jährlichen Bärzelitreiben in Hallwil kommt es zu einer Messerattacke mit tödlichem Ausgang. Einziger Verdächtiger: Andrinas Mann Enrico. Doch Andrina hat einen anderen Verdacht. Die Zeugenaussagen könnten genauso gut auf Enricos Halbbruder Marco Feller zutreffen, Ermittler bei der Aargauer Kantonspolizei. Was hat ihn zu dieser Tat getrieben, und warum decken ihn seine Kollegen? Als Marco wenig später spurlos verschwindet, macht sich Andrina auf die Suche – nach ihm und nach der Wahrheit.
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EINS
«Vielen Dank, dass ihr gekommen seid», sagte Erika Fäs und reichte nacheinander Andrina und Enrico die Hand. «Das ist das Mindeste, das wir tun können», erwiderte Enrico. «Du musst dir keine Vorwürfe machen. Du kannst gar nichts dafür.» Erika ging vor Rebecca in die Hocke und drückte ihre Hand. Das fast zweijährige Mädchen strahlte sie an. «Eure Tochter ist ein Goldschatz», sagte Erika. Sie blieb in der Tür stehen und schaute ihnen nach, als sie zur Strasse gingen. Dort angekommen, drehte Andrina sich um und blickte auf die in Schwarz gekleidete, zerbrechlich wirkende Gestalt. «Sie sieht einsam aus», sagte Andrina und schloss den Reissverschluss ihrer Winterjacke. Aus dem wolkenverhangenen Himmel hatte es zu nieseln angefangen, und die Bise hatte aufgefrischt. Enrico stellte den Kragen seiner Jacke auf. Als gebürtiger Süditaliener hatte er sich nie an den Aargauer Winter gewöhnen können, wie er mehrfach betont hatte. «Ich mache mir Vorwürfe», sagte Enrico und nahm Rebecca auf den Arm. «Ich hätte merken müssen, dass etwas nicht stimmt.» Seit jenem Dienstag eine Woche vor Weihnachten stellte er sich regelmässig die gleiche Frage, ob er Erikas Mann nicht hätte ansehen müssen, dass es ihm nicht gut ging. Alfred hatte Enricos Büro verlassen, dann war er zusammengebrochen und innert kurzer Zeit einem Herzinfarkt erlegen. Obwohl Enrico keine Schuld traf, fühlte er sich für den Tod verantwortlich. Er war die letzte Person, die mit Alfred kurz vor dessen Zusammenbruch gesprochen hatte. Der Achtundfünfzigjährige hinterliess eine Frau und zwei erwachsene Kinder, die im Ausland lebten. Die Beerdigung hatte vor Weihnachten stattgefunden. Am Stephanstag mussten Erikas Kinder und deren Familien abreisen. Erika hatte somit Silvester allein verbracht, was Enrico keine Ruhe gelassen hatte. Daher hatten sie ihr am heutigen zweiten Januar spontan einen Besuch abgestattet. Sie winkten Erika ein letztes Mal zu und gingen weiter zum Auto, das Enrico in einiger Entfernung von dem Haus, in dem Erika wohnte, geparkt hatte. «Erika tut –» Bevor Andrina den Satz beenden konnte, wurde sie von hinten gepackt. Sie stiess einen erstickten Schrei aus. Holzgeruch stieg in ihre Nase. Andrina wurde losgelassen und gleich erneut gepackt. Dornen stachen in ihr Gesicht und kratzten über ihre Haut. Gejohle drang gedämpft zu ihr vor. Andrina hörte Rebeccas Aufschrei. «Es guets Nois!», rief eine Männerstimme dicht neben ihrem Ohr. Andrina wurde losgelassen. Sie schaute in eine graue Maske mit einer Fratze. Die Gestalt schüttelte ihr Gewand, das aus Stechpalmenblättern bestand, und wandte sich ab. Eine Gruppe von Frauen und Männern lief ihr lachend nach. Andere Gestalten in Kostümen aus Tannenästen und aus Stroh folgten. Die Stechpalmengestalt hatte eine andere Frau gefasst, die ebenfalls aufschrie. Die Kostümierten umarmten weitere Männer und Frauen. Die Gruppe tanzte ausgelassen. Gelächter und Pfiffe waren zu hören. Andrinas Puls beruhigte sich, als sie begriff, um wen es sich bei den finsteren Gestalten handelte. «Madre mia, was ist das?», rief Enrico hervor und war in dem Tumult beinahe nicht zu verstehen. «Bis zur Fasnacht dauert es noch Wochen.» Er drückte Rebecca an sich und strich über ihren Rücken. Sie presste ihr Gesicht gegen seinen Hals und klammerte sich fest. «Das hat nichts mit der Fasnacht zu tun. Das sind nur die Bärzeli-Buebe», antwortete Andrina. «Die was?» «Das ist ein lokaler Brauch hier in Hallwil, der am zweiten Januar, dem Berchtoldstag, stattfindet.» Andrina wich erneut mehreren Passanten aus. «Sie begrüssen das neue Jahr und wünschen jedem, der ihnen im Weg steht ‹es guets Nois›. Von ihnen umarmt zu werden bringt Glück. Das Gleiche gilt für diejenigen, die von der ‹Söiblootere› getroffen werden.» «Von einer Schweinsblase?» Enrico rümpfte die Nase. «Ist das dieses Gebilde, mit dem der weiss Gekleidete, dem dieses Kamel folgt, auf die Leute einschlägt?» «Genau. Die sind präpariert.» «In dem Fall hast du gleich ein doppelt gutes Jahr vor dir, weil dich dieser Sägespänenhaufen und dieses Stachelungeheuer umarmt haben.» «Es sieht so aus.» Rebecca beruhigte sich und schaute mit grossen Augen zu der Horde, die einige Meter vor ihnen stehen geblieben war. Hin und wieder wurde sie von einem Aufschluchzer geschüttelt. «Die Kostüme haben sicher eine Bedeutung.» «Das ist richtig. Die vier, die an uns vorbeigegangen sind, sind der ‹Stächpaumig›, ‹Tannreesig›, ‹Straumaa› und der ‹Hobuspöönig›. Der ‹Straumaa›, also der mit dem Gewand aus Strohbündeln, und der ‹Hobuspöönig›, der Hobelspänige, stehen für den unfruchtbaren Winter. Der ‹Stächpaumig›, das ist der mit dem Stechpalmenkostüm, und der ‹Tannreesig›, der mit den Tannenästen, symbolisieren mit dem Immergrün den Frühling und das Leben. Zusätzlich gibt es einige andere Figuren. Das Kamel und der ‹Spielchärtler›, das ist der mit dem Jasskartenkostüm dort hinten, gehören dazu. Spontan kann ich dir nicht alle Figuren aufzählen und sagen, was sie bedeuten.» «Das Ganze soll den Winter vertreiben und den Frühling wecken, nehme ich an.» «So ist es.» Die Maskierten umringten eine Gruppe aus jungen Frauen und Männern. Passanten feuerten sie an. Lachen schallte zu ihnen herüber. Einzelne Frauen und Männer wurden von ihren Kollegen zu den Verkleideten gestossen. Das Gejohle wurde lauter. Ein Mann taumelte zu Boden und riss den «Stächpaumig» mit sich. Der «Tannreesig» und andere Personen verloren ebenfalls das Gleichgewicht und gingen zu Boden. Weitere folgten, und es kam Andrina wie ein Knäuel aus Armen und Beinen vor, das über den Asphalt kugelte. Schreie und Rufe mischten sich unter die Pfiffe. Das klingt nicht mehr fröhlich, dachte Andrina. Unbehagen machte sich breit. Eilig wurden zwei Männer hochgezogen. Andere rappelten sich auf, und eine Frau beugte sich über eine Person auf dem Boden. Eine weitere Frau presste die Hände gegen ihren Unterleib. Sie taumelte gekrümmt zur Seite und wurde von einem Mann aufgefangen. Der «Stächpaumig» lag auf dem Rücken. Ein Mann zog an dessen Maske. Jemand zückte ein Handy, zwei Frauen kreischten, und ein weiterer Mann gestikulierte mit den Händen in der Luft. Er schrie etwas, das Andrina nicht verstand. *** Andrina stellte zwei Tassen mit Tee auf das Glastischchen im Wohnzimmer. Eine Geruchsmischung von Nelken, Zimt, Orangen und Kardamom breitete sich aus. Sie setzte sich neben Enrico und nahm ein Buch. Sie lehnte sich gegen ihn und schlug es auf. Enrico nahm die Fernbedienung, und eine Sekunde später hörte Andrina die Eingangsmelodie, die die Abendnachrichten ankündigte. Andrina blendete die Moderatorin aus und konzentrierte sich auf den Roman. «Merda, das ist unser Auto!», rief Enrico, und Andrina schreckte aus ihrer Lektüre. «Was? Wo?», stammelte sie. «Dort.» Enrico wies auf den Bildschirm. Andrina brauchte einen Augenblick, bis sie Enricos Audi erkannte, der im linken oberen Bildausschnitt aus der Parklücke fuhr, wendete und sich in die entgegengesetzte Richtung entfernte. Im vorderen Ausschnitt des Filmes, der von einem Handy stammen musste, sah sie die Bärzeli-Buebe und einige Frauen und Männer, die auf dem nassen Asphalt lagen. Ein Mann half einer Frau auf. Der «Tannreesig» rappelte sich auf. Als das Menschenknäuel weitestgehend entwirrt war, blieben drei Männer und zwei Frauen liegen. Die Kamera schwenkte rasch auf die Seite und erfasste Schaulustige. «Heute kam es beim Bärzeli-Treiben in Hallwil zu einer Messerstecherei», sagte die Moderatorin. «Eine Messerstecherei», flüsterte Andrina. «Wir sind Zeugen einer Messerstecherei geworden?» Während der Heimfahrt hatte Andrina Enrico auf ihren Eindruck hingewiesen, dass die Stimmung gekippt war und sie eine Bedrohung wahrgenommen hatte. Sie war sich unschlüssig gewesen, ob sie nicht doch hätten helfen sollen. «Es waren genügend Personen da, und wir wären im Weg gestanden», war seine Antwort gewesen. «Für mich sah es aus, als sei einer gestolpert und habe eine Kettenreaktion ausgelöst. Es ist für mich klar, dass die Unholde in den Kostümen nicht beweglich sind und wie gefällte Bäume umfallen, wenn sie das Gleichgewicht verlieren.» Enrico beugte sich vor und starrte auf den Bildschirm. «Die Gründe sind ungeklärt», fuhr die Moderatorin fort. «Ein Mann sei tödlich verletzt worden, und weitere mittel- bis schwer verletzte Personen mussten ins Spital eingeliefert werden, liess der Pressesprecher der Kantonspolizei verlauten. Weitere Personen haben leichte Verletzungen davongetragen. Ein Passant sagte aus, ein Wagen habe sich nach dem Vorfall schnell vom Ort des Überfalls entfernt. Weitere Erkenntnisse über die Hintergründe der Tat gibt es nicht. Es werden Zeugen gesucht.» «Mamma mia, dein Gefühl hat dich nicht getrogen», stiess Enrico hervor. «Für mich herrschte eine ausgelassene Stimmung. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, es stimme etwas nicht. Auch nicht, als einige Leute umfielen.» «Wir müssen uns melden.» «Hast du mehr gesehen?», fragte Enrico. «Zum Beispiel, wie einer ein Messer in der Hand hatte?» «Nein.» «Ich wie gesagt auch nicht. Wir sind in dem Fall keine grosse Hilfe.» Oder sie wären sogar das Gegenteil, dachte Andrina. Wie oft hatte sich ihre Freundin Susanna Marioni, die bei der Kantonspolizei in der Abteilung Leib und Leben arbeitete, beschwert....


Ina Haller lebt mit ihrer Familie im Kanton Aargau, Schweiz. Nach dem Abitur studierte sie Geologie. Seit der Geburt ihrer drei Kinder ist sie »Vollzeit-Familienmanagerin« und Autorin. Zu ihrem Repertoire gehören Kriminalromane sowie Kurz- und Kindergeschichten.

www.inahaller.ch

www.facebook.com/autorininahaller

www.instagram.com/ina.haller.autorin/


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