Horstmann / Kopp | Archiv - Macht - Wissen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 252 Seiten

Horstmann / Kopp Archiv - Macht - Wissen

Organisation und Konstruktion von Wissen und Wirklichkeiten in Archiven

E-Book, Deutsch, 252 Seiten

ISBN: 978-3-593-40863-7
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Nicht erst seit dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln sind Archive und ihre Rolle als Träger von Erinnerung, Repräsentation, Wissenskonstruktion und Herrschaftspraxis von Interesse. Die Autorinnen und Autoren beleuchten diese Zusammenhänge mithilfe eines erweiterten Archivbegriffs, der Akten, Sammlungen in Bibliotheken und Museen, aber auch Diskurse umfasst.
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Weitere Infos & Material


1;Inhalt;6
2;Archiv – Macht – Wissen: Organisation und Konstruktion von Wissen und Wirklichkeiten in Archiven – Anja Horstmann, Vanina Kopp;10
3;Simancas – Ein Archiv um die Welt zuregieren? Archivwissen und Verwaltungshandeln zur Zeit Philipps II. – Marc-André Grebe;24
4;Informationsverdichtung als Herrschaftsintensivierung? – Michael Aumüller;40
5;Königliche Archive und Herrschaftsinformation am Beispiel des spätmittelalterlichen Frankreichs – Vanina Kopp;56
6;Das Schweigen der Subalternen – Die Entstehung der Archivkritik im Postkolonialismus – Hubertus Büschel;74
7;Offenbaren und Verheimlichen »vor demArchiv« Schriftlichkeit, Sichtbarkeit und Öffentlichkeit im spätmittelalterlichen Lüneburg – Andreas Litschel;90
8;Die Schrift der Sterne – Das ›astro-politische‹ Archiv der Bibliothek Morandi – Sabine Kalff;108
9;Stören, Vergessen, Zerstören – Ein anderer Blick auf einen frühneuzeitlichen Kulturtransfer – Mareike Menne;124
10;Antiquarische Topik – Der Codex Pighianus und die Wissensverarbeitung der Frühen Neuzeit – Kathrin Schade;140
11;Das Museum als Sacharchiv – Deponieren und Exponieren von antiker Plastik in den Berliner Sammlungen des 19. Jahrhunderts – Astrid Fendt;156
12;Das Zeigen, Vergessen und Erinnern von Pressefotografien – Zur Funktionsweise der Massenmedien als visuelles Archiv – Maren Tribukait;176
13;Film als Archivmedium und Medium des Archivs – Anja Horstmann;192
14;Das »Archiv des Bia?ystoker Judenrats« – Selbstbilder jüdischer Akteure in den Quellen des geheimen Ghettoarchivs 1941–1943 – Karsten Wilke;208
15;Die Rettung des Archivs – Ein Vorschlag zur Analyse eines Wissensnetzwerks – Yaman Kouli;222
16;Vom Sammler zum Jäger – Überlegungen zur archivischen Überlieferungsbildung im nichtamtlichen Bereich – Stefan Sudmann;236
17;Autorinnen und Autoren;250


Offenbaren und Verheimlichen "vor dem Archiv" (S. 89-90)

Schriftlichkeit, Sichtbarkeit und öffentlichkeit im spätmittelalterlichen Lüneburg

Andreas Litschel

Diskussionen um die öffentlichkeit der Archive, um Zugänglichkeit und Schutz des Archivierten haben in der Wissensgesellschaft die Qualität kultureller Leitdebatten erreicht. Dabei wird leicht vergessen, dass diese Probleme ihrerseits historisch konstruiert sind. Ausgangsthese ist im Folgenden, dass jene Konstruktionen durch ihr jeweiliges Verhältnis zum sozialen "Wissensapparat" ihrer Zeit (also den konkreten Techniken und Verfahren des Wissens und seiner Organisation) bestimmt werden. In diesem Verhältnis lässt sich die Sichtbarkeit von Wissen - politisch, wirtschaftlich, sozial - präzise untersuchen. In diesem Sinne geht es im Folgenden darum, ein allgemeines Problem spezifisch zu operationalisieren, und zwar als sozial- und institutionengeschichtliche Lokalstudie zum Lüneburg des 14. bis 16. Jahrhunderts.

Ansatzpunkt ist damit ein städtisches Spätmittelalter, das in mehrfacher Hinsicht die Ursprünge des modernen Archivs (ver)birgt - hinsichtlich einer explosiv zunehmenden Schriftlichkeit, einer ersten juristischen Theorie des archivum und der Engführung beider unter den Bedingungen korporativer Verwaltung. Auf die eingangs angeschnittenen Fragen bezogen, lässt sich hier ein geradezu modern anmutender (Schein?-)Widerspruch beobachten: Das Archiv, das der Kanonist schon als Ausweis von öffentlichkeit behandeln kann,1 stellt sich vor Ort hinsichtlich seiner konkreten Verschlossenheit und kontrollierten (Un-)Sichtbarkeit als exaktes Gegenteil dar, nämlich als Schatzkammer,2 als secretum, als Geheimnis.

In einer Umwelt, in der Unsichtbarkeit - gerade im Blick auf Schriftstücke, die immer entscheidender Besitzverhältnisse regulieren - gleichermaßen Angst und Begehren provoziert und "Heimlichkeit" massiv pejorisiert wird, ist urkundlich zitierte "Offenbarheit" (apenbare ist hier auch und zuerst die niederdeutsche Wiedergabe des lateinisch- notariellen publice) also nie wörtlich zu nehmen, sondern immer eine Rechtfertigung für Verfahren der Auswahl und Sichtkontrolle, auf die sie gleichzeitig angewiesen ist.

"Protoarchivischen" Apparaten vor und um 1500 fehlen Möglichkeiten, diesen Zirkelschluss von Offenbarheit und Sichtkontrolle technisch aufzuheben - etwa durch Verfahrensregeln höherer Ordnungsebene, die Auswahlmomente steuern und überprüfbar machen könnten. öffentlichkeit "vor dem Archiv" gewinnt in diesem Zeitraum ihre Plausibilität, so ist zu zeigen, aus einer ganz anderen Logik, nämlich als Wechselwirkung (Einspeisung/ Investition und überformtes feedback) zwischen einem autorisierenden und authentifizierenden Zentrum (der Ratsverwaltung) und einer Peripherie3 bürgerlicher Haushalte. In anderen Worten geht es hier um die Spannung zwischen zwei Archiven "vor dem Archiv": Einer obrigkeitlichen Schriftgutverwaltung, die noch nicht "Archiv" heißt, und einer bürgerlichen "Schreibkammer ", deren Schriftproduktion, -verwahrung und -nutzung zu dieser Verwaltung in einem zu bestimmenden Verhältnis steht."


Anja Horstmann und Vanina Kopp sind Stipendiatinnen des Graduiertenkollegs "Archiv - Macht - Wissen" an der Universität Bielefeld.


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