Jornet | Lauf oder stirb | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Jornet Lauf oder stirb

Das Leben eines bedingungslosen Läufers
13001. Auflage 2013
ISBN: 978-3-492-96178-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Das Leben eines bedingungslosen Läufers

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-492-96178-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Er wuchs auf 2000 Metern Höhe in einer Berghütte zwischen Andorra und Frankreich auf, stand mit sechs Jahren zum ersten Mal auf einem Viertausender und durchquerte mit zehn die Pyrenäen der Länge nach. Lebendig und offenherzig berichtet Kilian Jornet von seiner beeindruckenden Karriere zum international gefeierten Trailrunningstar: Wir begleiten ihn auf dem ersten 48-Stunden-Lauf, spüren die Atmosphäre beim Ultratrail auf den Mont Blanc und erfahren von seinem unglaublichen Rekord am Kilimandscharo. Der junge Sportler gibt Einblicke in seine Philosophie und erzählt von der Freude, die eigene Leistungsgrenze zu überwinden. Ein inspirierendes Buch für alle, die selbst leidenschaftlich gerne laufen und das besondere Bergabenteuer suchen.

Kilian Jornet, Jahrgang 1987, wurde in den Pyrenäen geboren und entdeckte schon früh seine Liebe zu den Bergen. Im Skisport fand er Gefallen am Wettkampf, und als Teenager bestritt er seine ersten Ultramarathon- und Bergläufe. Mittlerweile ist der Katalane mehrfacher Weltmeister im Trailrunning und Skibergsteigen. Er gewann außerdem dreimal den berüchtigten Ultra-Trail auf den Mont Blanc und hält u.a. den Rekord der schnellsten Kilimandscharo-Begehung. Gemeinsam mit dem Sportartikelhersteller Salomon veröffentlicht er regelmäßig Kurzfilme unter dem Titel »Kilian's Quest«, die von mehreren Hunderttausend Besuchern auf Youtube gesehen werden. Für sein Projekt »Summits of My Life«, über das auch ein Kinofilm erschienen ist, wurde er von National Geographic als »Adventurer of the Year« ausgezeichnet.
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Manifest eines TrailrunnersWas willst du später mal werden?Der Kick, an den Start zu gehenWettkämpfe sind nicht allesStadt des WindesVom Atlantik zum MittelmeerSieg der SinneMeine Dämonen besiegenLangstreckenläufe, um sich selbst zu findenEin Gipfel ist erreicht, wenn der Abstieg geschafft istWoran ich denke, wenn ich ans Laufen denkeDank


WAS WILLST DU SPÄTER MAL WERDEN?

»Seezähler. Wenn ich groß bin, möchte ich Seezähler werden!«

Die Lehrerin wandte den Blick von der Tafel ab, auf der sie gerade die Berufe notierte, die die Kinder ihrer Klasse als Erwachsene ergreifen wollten, und sah zu meinem Tisch hinüber.

»Ja, Seezähler. Aber ich will nicht einfach nur zählen, wie viele es sind. Wenn ich über einen Berg gehe und einen See entdecke, messe ich auch, wie tief er ist. Dafür nehme ich einen Stein, binde ihn an einen Faden und werfe ihn mitten ins Wasser. Dann sehe ich nach, wie breit der See ist und woher die Flüsse kommen, die in ihn hineinfließen. Und wohin die gehen, die aus ihm herausfließen. Ich prüfe außerdem, ob es in dem See Fische gibt oder Frösche oder Kaulquappen. Ob sein Wasser sauber ist oder nicht.«

Meine Lehrerin sah mich mit großer Verwunderung an, denn mein Berufswunsch klang so gar nicht nach dem, was fünfjährige Kinder üblicherweise werden wollen. Doch ich blieb dabei. Es war meine Bestimmung.

Wegen dieser Anekdote und weil ich, solange ich denken kann, von sämtlichen Ausflügen mit mindestens einem Stein vom Gipfel oder vom jeweils höchsten Punkt nach Hause zurückkehrte, war ich wohl wie geschaffen dafür, Geograf zu werden. Zumindest wollte ich einen ähnlichen Beruf ergreifen. Die Angewohnheit, Steine in allen Formen und Farben zu sammeln, habe ich im Übrigen bis heute beibehalten: egal, ob Vulkangestein vom Kilimandscharo und aus der katalanischen Garrotxa, Granit aus den Pyrenäen und den Alpen, ockerfarbene Steine aus Marokko und Kappadokien, blaue vom Berg Erciyes oder Platten vom Cerro Plata in Argentinien. Ich fühlte mich dazu berufen, das Erdinnere zu erkunden, auf allen Gipfeln und in allen Höhlen Steine zu suchen, Landschaften zu erforschen und dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, wie so komplexe Strukturen wie die Kordilleren mit all ihren Bergen, Tälern und Seen überhaupt entstehen konnten. Und wie all das, ähnlich den Zahnrädern einer Schweizer Uhr, perfekt ineinandergriff, ohne dass irgendetwas oder irgendjemand – nicht einmal die mächtigsten Menschen der Welt – in der Lage wäre, den Lebensrhythmus der Erde aufzuhalten.

Ich glaube, das war einer der seltenen Momente, in denen ich gesagt habe: »Das will ich.« Eigentlich gehöre ich zu der Sorte Mensch, die lieber vorausschickt: »Ich kann es ja mal versuchen.« Ich war zurückhaltend und habe stets gedacht, dass sich mit der Zeit alles von allein fügen wird. Und so hat sich nach und nach mein Schicksal herauskristallisiert.

Meine Kindheit verlief normal. Nach der Schule tollte ich allein, mit meiner Schwester oder mit Schulfreunden, die gelegentlich nachmittags vorbeikamen, in der Nähe meines Elternhauses herum. Wir spielten Verstecken oder Fangen, bauten uns Hütten und Burgen und verwandelten unsere Umgebung in Phantasiewelten, die wir aus Comics oder Filmen kannten. Ich gehörte nie zu denen, die sich zu Hause einigeln, und hatte das Glück, mit meinen Eltern in einer Berghütte zu leben, die mein Vater bewirtschaftete. Die Hütte lag auf 2000Meter Höhe am Nordhang der spanischen Cerdanya – umgeben von den angrenzenden Gipfeln Frankreichs und Andorras. Mein Spielplatz waren weder die Straße noch ein Hinterhof, sondern die Wälder am Cap del Rec sowie die Langlaufloipen und Bergspitzen der Tossa Plana de Lles, der Muga und des Port de Perafita … Dort begann ich, die faszinierende Welt der Natur zu entdecken.

Wenn ich nach der Schule mit meinen Freunden heimkam, ließen wir die Schulranzen einfach im Speiseraum der Hütte stehen und rannten nach draußen, um auf den nächstbesten Felsen zu klettern. Im Sommer turnten wir auch gerne in Bäumen herum, und im Winter fuhren wir mit den Langlaufskiern über schneebedeckte Wiesen.

Jeden Abend vor dem Schlafengehen machten meine Schwester, meine Mutter und ich im Pyjama einen Spaziergang durch den dunklen Wald – ohne Taschenlampe. Wir hielten uns abseits der Wege, und wenn sich unsere Augen nach und nach an die Finsternis und unsere Ohren an die Stille gewöhnt hatten, konnten wir den Wald atmen hören und erkannten zwischen unseren Füßen den Boden. Der Sehsinn wird überschätzt, und sobald man sich nicht mehr auf ihn verlassen kann, fühlt man sich schutz-, ja hilflos den Gefahren der Welt ausgesetzt. Aber mal ehrlich, welche Gefahren lauern denn in einem dunklen Wald in den Pyrenäen? Die einzigen natürlichen Räuber, Wölfe und Bären, sind sehr selten geworden. Und was die anderen Tiere betrifft: Welcher Gefahr setzt man sich schon aus, wenn man einem Fuchs oder einem Hasen begegnet – ist man doch selbst zehn- oder fünfzehnmal größer als sie? Und die Bäume? Man lernt, dem Wind zu lauschen, hört, wie er in den Blättern rauscht, und sieht die Bäume dadurch vor sich. Und der Boden? Unsere Füße sagen uns, ob da Äste sind, Gras, Schlamm oder Wasser; ob es hinauf- oder hinuntergeht oder ob es unwegsam wird.

Mit Herumtollen um die Berghütte und Ausflügen am Wochenende und in den Ferien vergingen die Jahre wie im Flug. Immer wenn wir zwei oder mehr Tage freihatten, nutzten wir die Gelegenheit, um einen neuen Berg zu erkunden. Schon seitdem wir laufen konnten, erklommen wir die Berge in unserer unmittelbaren Umgebung. Doch mit der Zeit suchten wir neue, weiter entfernt liegende Herausforderungen. Mit drei Jahren hatte ich bereits die Gipfel der Tossa Plana, des Perafita und der Muga bestiegen. Was den etwa 3500Meter hohen Pico de Aneto, den höchsten Berg der Pyrenäen, angeht: Mit sechs war ich darüber schon hinaus und hatte meinen ersten Viertausender bezwungen, das Zermatter Breithorn, und mit zehn die Pyrenäen in zweiundvierzig Tagen durchquert.

Doch niemals liefen wir bei diesen Bergwanderungen einfach nur unseren Eltern hinterher! Sicher, sie führten und lenkten uns zum Gipfel, doch wir mussten uns eigenständig unseren Weg suchen, die Zeichen deuten und verstehen, warum der Weg so verlief und nicht anders. Wir genossen beim Bergsteigen nicht einfach nur das Panorama, sondern der Berg hatte für uns eine tiefere Bedeutung jenseits des bloßen Freizeitabenteuers. Es war ein Terrain voller Leben, das wir erforschen mussten, um darin zurechtzukommen, um die lauernden Gefahren erkennen und voraussehen zu können. Kurzum, wir mussten uns dem Gelände anpassen, in das wir hineingeboren worden waren. Auf diese Weise brachten unsere Eltern uns bei, die Berge zu lieben. Außerdem sorgten sie dafür, dass wir uns als ein Teil davon fühlten. Denn im Grunde genommen ist der Berg wie ein Mensch: Um ihn zu lieben, muss man ihn erst einmal kennenlernen. Und sobald man ihn kennengelernt hat, weiß man, wann er verärgert und wann er zufrieden ist, wie man ihn zu behandeln hat, wie man mit ihm spielt, sich um ihn kümmert, wenn ihm Schaden zugefügt wurde, und wann man ihn besser in Ruhe lässt … Doch verglichen mit den Menschen, sind die Bergwelt, die Natur, die Erde unermesslich viel größer. Wir sollten nie vergessen, dass wir nur ein kleiner Punkt, ein Pünktchen im All, in der Unendlichkeit sind und dass die Natur entscheidet, ob sie diesen Punkt irgendwann auslöschen will oder nicht.

Mit acht unternahm ich einen Ausflug, der sich mir ins Gedächtnis brannte und an den ich häufig beim Laufen zurückdenken muss.

Wir kamen in La Coruña an. Der Zug hielt, und wir stiegen aus. Draußen war es kühl, und obwohl es nicht regnete, hatte man das Gefühl, dass im nächsten Moment die ersten Tropfen fallen würden. Wir holten unsere Räder und stürzten uns ins Abenteuer. Ich fuhr mit dem Mountainbike meiner Mutter. Es war ziemlich neu, und auch wenn ich mit den Füßen kaum an die Pedale kam, war ich wegen der bunten Verkleidung der Speichen vollkommen vernarrt in das Rad. Meine Schwester war damals sieben Jahre alt, und sie hatte ihr Fahrrad schon seit drei Jahren. Es befand sich zwar noch in tadellosem Zustand, aber sie war mittlerweile ein ganzes Stück gewachsen und musste sehr schnell treten, um mit mir mithalten zu können. Meine Mutter fuhr ein altes Rennrad, bei dem die Gangschaltung noch am Rahmen angebracht war. Auf dem Gepäckträger hatte sie einen großen Rucksack festgebunden, in dem sich alles Nötige, auch unsere Schlafsachen, für eine einwöchige Radtour durch Galizien befand.

Wir fuhren Richtung Süden und kamen in unserem eingespielten Rhythmus zügig voran. Ich setzte mich mit dem großen Rad an die Spitze, gefolgt von meiner Schwester, die wie verrückt in die Pedale treten musste. Meine Mutter fuhr ab und zu an uns beiden vorbei und ließ sich dann wieder zurückfallen, um zu kontrollieren, ob auch alles in Ordnung war.

Im feuchtkalten Nebel, der uns im Laufe des Tages bis auf die Haut durchweichte, erreichten wir schließlich Santiago de Compostela. Während einer unserer Pausen studierten wir eine alte Straßenkarte, und meine Mutter meinte zu mir: »Kilian, folge dieser Linie unbedingt immer geradeaus!« Dabei deutete sie auf die weiße Markierung am Boden. »Auch an allen Kreuzungen, denn irgendwann geht rechts eine Straße ab, verstanden?«

Ich hatte sie genau verstanden und radelte weiter, wobei ich mich ganz auf die teilweise unterbrochene weiße Linie auf der Straße konzentrierte, während meine Mutter mit meiner Schwester in einiger Entfernung folgte. Die ersten Kreuzungen kamen, und bald darauf überholten mich rechts und links Autos und Busse; Lastwagen hupten mich an, und ihre Fahrer beschimpften mich. Doch ich folgte unbeirrt meinen Anweisungen und gab mir Mühe, auf keinen Fall von der weißen Linie abzuweichen. Plötzlich sah ich meine Mutter, das Rad neben sich herschiebend, am äußeren linken Straßenrand entlangrennen. Sie schrie, so laut sie konnte, um mich von der Mitte der Straße herunterzulotsen: »Kilian! Was machst du denn da? Du...


Jornet, Kilian
Kilian Jornet, Jahrgang 1987, wurde in den Pyrenäen geboren und entdeckte schon früh seine Liebe zu den Bergen. Im Skisport fand er Gefallen am Wettkampf, und als Teenager bestritt er seine ersten Ultramarathon- und Bergläufe. Mittlerweile ist der Katalane mehrfacher Weltmeister im Trailrunning und Skibergsteigen. Er gewann außerdem dreimal den berüchtigten Ultra-Trail auf den Mont Blanc und hält u.a. den Rekord der schnellsten Kilimandscharo-Begehung. Gemeinsam mit dem Sportartikelhersteller Salomon veröffentlicht er regelmäßig Kurzfilme unter dem Titel »Kilian’s Quest«, die von mehreren Hunderttausend Besuchern auf Youtube gesehen werden. Für sein Projekt »Summits of My Life«, über das auch ein Kinofilm erschienen ist, wurde er von National Geographic als »Adventurer of the Year« ausgezeichnet.

Kilian Jornet, Jahrgang 1987, gilt derzeit als bester Skyrunner der Welt. Geboren und aufgewachsen auf einer 2000 Meter hoch gelegenen Berghütte in der Grenzregion zwischen Andorra und Frankreich, entdeckte er früh seine Liebe zur Bergwelt. Bereits mit sechs Jahren stand er auf seinem ersten Viertausender; mit zehn durchquerte er die Pyrenäen der Länge nach. Der Skisport entfachte schließlich seine Leidenschaft für den sportlichen Wettkampf, und als Teenager bestritt Jornet seine ersten Ultramarathon- und Bergläufe. Mittlerweile ist der Katalane viermaliger Skyrunning-Weltmeister und dreimaliger Weltmeister im Skibergsteigen. Er gewann u.a. bereits dreimal den Ultra-Trail-de-Mont-Blanc.
www.kilianjornet.cat, www.summitsofmylife.com



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