Kempff | EinKEHR zum tödlichen Frieden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 288 Seiten

Reihe: Eifel-Krimis

Kempff EinKEHR zum tödlichen Frieden

Ein Eifel-Krimi
12001. Auflage 2012
ISBN: 978-3-492-96097-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Eifel-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 1, 288 Seiten

Reihe: Eifel-Krimis

ISBN: 978-3-492-96097-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Bis in die hinterste Eifel muss die Großstädterin Katja Klein reisen, um endlich ihren Bruder kennenzulernen. Schließlich findet sie ihn - erschlagen in einer Blutlache. Wie soll sie beweisen, dass sie dem Mann noch nie zuvor begegnet ist? Furchtlos beginnt die Journalistin selbst zu ermitteln und taucht so immer tiefer in die Abgründe ihrer unbekannten Familiengeschichte ein.

Martina Kempff ist Autorin, Übersetzerin und freie Journalistin. Sie war Redakteurin bei der Berliner Morgenpost, Reporterin bei Welt und Bunte, bis sie beschloss, Bücher zu schreiben. Besonders bekannt ist sie für ihre historischen Romane wie »Die Königsmacherin«, »Die Beutefrau« und »Die Welfenkaiserin«, die sich durch hervorragende Recherche und außergewöhnliche Heldinnen auszeichnen. Martina Kempff lebte lange in Griechenland, später in Amsterdam. Acht Jahre verbrachte sie in der Eifel, was sie zu einer einfallsreichen Krimiserie inspirierte. Heute lebt sie im Bergischen Land.
Kempff EinKEHR zum tödlichen Frieden jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Tag 1, Freitag, frühmorgens

Der mannshohe hölzerne Josef trägt einen mauvefarbenen Umhang über seinem hellen Nachthemd und schaut mit gütigem Lächeln auf das Christkind, das allen Babypuppen meiner Kindheit gleicht. Jetzt allerdings wirkt es wie ein Objekt des Grauens: Es starrt genauso blicklos gen Himmel wie der Tote, der neben Josef und Maria liegt. Der Ochse dahinter dezimiert laut mampfend einen Heuberg; der Esel erleichtert sich ungerührt im Stroh.

»Die meisten Gewalttaten«, sagt der zerzauste belgische Bereitschaftspolizist, der sich mir als Marcel Langer vorgestellt hat, »spielen sich in der Familie ab.« In seinen freundlich geäußerten Worten schwingt Mitleid mit.

»Aber ich kenne den Toten überhaupt nicht!«, rufe ich entgeistert. »Ich habe doch grad erst erfahren, dass er mein Halbbruder ist!«

»Ich nehme Sie ja auch nicht wegen Mordverdachts fest«, sagt der Polizist, sich das Wörtchen »noch« offenbar verkneifend, »muss Sie aber bitten, sich uns zur Verfügung zu halten.« Er mustert meinen Personalausweis. »Was hat Sie überhaupt aus Berlin in die Eifel geführt?«

»Mein Bruder«, murmele ich, »ich wollte ihn nur kennenlernen.«

Ich starre auf den Toten, dessen Hinterkopf auf dem Krippenboden wie von einem zu Boden gefallenen dunkelroten Heiligenschein eingerahmt ist. Im Stroh dahinter liegt ein riesiger scharfkantiger Eisbrocken, der sich bei näherer Betrachtung als Bergkristall herausstellt. Mit viel Blut daran. Schlechtes Karma für eine Karriere als Heilstein, geht mir durch den Kopf; hier sind wohl ganz andere Schwingungen aktiv gewesen.

»Nicht anfassen!«, fährt mich der Polizist an, als ich mich nach dem glänzenden Stein bücke.

»Bestimmt ganz schön schwer«, sagt der Kollege und mustert mich beziehungsreich. Klar, schwer bin ich auch. Uns Dicken traut man alles zu. Wir verlieren eben nicht nur beim Essen die Beherrschung, sondern ergreifen spontan jeden herumliegenden Bergkristall, um damit Schädel einzuschlagen.

»Sichere den Tatort und ruf endlich den Staatsanwalt in Eupen an!«, knurrt Langer und wendet sich wieder an mich.

»Am Tag vor dem Mord an Ihrem Bruder, den Sie angeblich gar nicht kennen, tauchen Sie hier in der Eifel auf und finden ausgerechnet ihn rein zufällig am nächsten Morgen erschlagen in der Krippe vor?«

»So in etwa«, flüstere ich. »Ich glaub, ich bin im falschen Film.«

»Das sollten Sie mir in aller Ruhe erklären«, fordert er.

Ich deute auf die Hinterwand des Hotels Balter. Nach diesem Schock benötige ich dringend etwas Süßes.

»Das ist bundesdeutsches Gebiet«, bemerkt er zögernd und fährt sich durch verwuscheltes dunkles Haar mit vereinzelten Altersfäden.

»Aber auf dem Handy kriege ich dort nur ein belgisches Netz«, widerspreche ich.

»So haarscharf abgrenzen kann man das wohl nicht«, meint er müde. »Und das müssen wir in diesem Fall vielleicht auch nicht tun. Obwohl ich in Uniform eigentlich nicht in Deutschland ermitteln darf. Aber ich brauche unbedingt einen Kaffee. Und da drüben«, er nickt zu einem Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite hin, »im belgischen Old Smuggler ist es jetzt viel zu voll.«

Der hintere Gastraum des Hotels ist leer. Und Angriff die beste Verteidigung.

»Sie machen es sich sehr leicht, Herr Polizeiinspektor«, fahre ich Langer an, als wir uns an einem kleinen Tisch vor einem mit Kakteen, Bügeleisen und Porzellanfiguren geschmückten Fenster gegenübersitzen, »die fremde Touristin zum Opfer zu machen …«

»Halt!«, unterbricht der Polizist. »Das Opfer ist Belgier. Kaffee?« Eine drahtige Kellnerin mit Schreibblock strebt auf uns zu.

»Ja! Und ein großes Stück Schokoladentorte. Bitte.«

Das letzte Wort schiebe ich für die Kellnerin nach. Als sich die Tür hinter ihr schließt, fahre ich fort: »Wer schuldlos zum Täter gemacht wird, ist ein Opfer. Und diese Rolle habe ich gründlich satt! Damit Sie Bescheid wissen, Herr Langer, ich habe vorgestern meine Mutter beerdigt, meinen Arbeitsplatz sowie meinen Freund verloren und wurde obendrein noch aus meiner Wohnung vertrieben! Ich finde, mein Soll an Schicksalsschlägen ist für diese Woche gedeckt. Ich lasse mir nicht auch noch den Mord an einem langhaarigen, schmuddeligen Mann anhängen, der mein Bruder sein soll und den ich überhaupt nicht kenne!«

Aber dessen Leiche ich aufgefunden habe, weil ich an offenen Pforten einfach nicht vorbeigehen kann, setze ich für mich hinzu.

»Ich möchte Ihnen nichts anhängen, sondern einen Mord aufklären«, sagt Langer freundlich. »Sollten Sie ihn doch begangen haben, könnte Ihre schlimme Vorgeschichte vor Gericht durchaus als strafmindernd gewertet werden. Und sind Sie unschuldig, haben Sie möglicherweise etwas beobachtet, das uns zum Täter führen kann. Also fangen Sie am besten von vorn an.«

Als Journalistin hätte ich lange gezögert, einem Polizisten mein Herz auszuschütten, aber ich bin keine Journalistin mehr, befinde mich in einer verzweifelten Lage und habe außerdem noch nie einen derart charmanten Akzent mit einem so liebenswert geröchelten R gehört wie den dieses belgischen Polizisten. Der zwar aussieht, als wäre er soeben aus dem Bett gefallen, mich aber aus recht wachen Augen mustert.

»Meine Mutter ist vor einer Woche gestorben«, beginne ich, sehe die dichten schwarzen Augenbrauen hochschnellen und setze hastig hinzu: »Im Krankenhaus. Es war ein natürlicher Tod.«

»Wohl kaum«, kommt eine Stimme von der breiten Falttür. Langers Kollege tritt mit einem jungen Mann ein. »Gerd Christensen ist eindeutig erschlagen worden. Michael Balter hier, der Inhaber der Krippana, sagt, der Stein sei aus den Geschäftsräumen entwendet worden.«

»Es handelt sich um einen Bergkristall«, verbessert Balter mit eindringlich sanfter Stimme, »und der fördert normalerweise Durchblutung und Sauerstoffversorgung.«

Er lässt diese Aussage auf uns wirken, ehe er fortfährt: »Wer immer es war, hat den Bergkristall aus der Ausstellung fortgeschafft, ohne Licht zu machen. Ich habe mir soeben die Aufnahmen der Überwachungskamera angesehen. Als die Putzfrau um kurz vor zwanzig Uhr das Licht ausmachte, war der große Bergkristall noch da. Die Tageslichtaufnahmen vom frühen Morgen sind zwar schwach, aber man kann deutlich erkennen, dass der Stein fehlt. Die Putzfrau habe ich telefonisch schon herbestellt. Wann ist der arme Christensen überhaupt ermordet worden?«

Marcel Langer seufzt erlöst, als uns die drahtige Kellnerin Kaffee und Kuchen vorsetzt. Süchtig, denke ich voller Sympathie, als er sofort zur Tasse greift und sie fast auf einen Zug leert. Ich stürze mich auf den Kuchen. Unterzuckerung kann ich mir jetzt keinesfalls leisten.

»Den genauen Todeszeitpunkt kann nur der Gerichtsmediziner feststellen«, bringt Langer nuschelnd hervor, während er sich mit der Hand ein paar Kaffeetropfen vom unregelmäßig geschnittenen Schnauzbart wischt, »aber dem ersten Anschein nach ist er wohl schon gestern Abend umgebracht worden.«

Ich verschlucke mich fast an meinem Schokoladenkuchen. »Dann kann ich es ja gar nicht gewesen sein!«, rufe ich krümelsprühend. »Ich habe ihn doch erst heute früh entdeckt.«

»Sie sind zum Tatort zurückgekehrt, um damit später mögliche Spuren Ihrerseits zu erklären«, stellt Langer ungerührt fest. »Ein alter Trick.«

Die drahtige Kellnerin meldet das Eintreffen von Frau Mertes, der Putzfrau. Voller Hoffnung, die Ermittler würden sich jetzt auf eine andere Verdächtige stürzen, drehe ich mich um. An der halb offenen Falttür steht ein zierliches Persönchen in Kittelschürze, Größe 34, höchstens. Total ungeeignet, um mit einem riesigen Bergkristall auf eine Leiter zu steigen und von der oberen Sprosse aus einen drei Köpfe größeren Mann zu erschlagen.

Langer wirft mir eine Zeitung auf den Tisch und bittet mich zu warten. Als er sich erhebt und damit den Blick auf den grünen Marmorsockel hinter sich freigibt, von dem mich ein großer grüner Marmorfrosch höhnisch anzugrinsen scheint, schlage ich lustlos das »Grenz-Echo« auf. Hier starren mich zwei Seiten Todesanzeigen an. Sofort denke ich an meine Mutter. Über deren Tod ich die Öffentlichkeit nicht unterrichtet habe, weil die sich dafür nicht interessiert hätte.

Als meine Mutter vor einer Woche im Sterben lag, konnte man mir nicht rechtzeitig Bescheid sagen, weil ich mein Handy ausgeschaltet hatte, um mich ungestört bei meinem Freund auszuweinen: Der Verlag hatte mir gerade die Arbeitsstelle gekündigt. Im Zuge allgemeiner Einsparungen benötige die Zeitschrift leider keine Moderedakteurin mehr, hieß es.

Als ich dies meinem Freund in seinem Büro mitteilen wollte, erfuhr ich, dass er künftig keine Freundin mehr benötige. Nach vierzehn Jahren sei ihm die außereheliche Beziehung zu mir einfach zu stressig geworden. Er habe seiner Frau alles gebeichtet und werde nun wieder zum anständigen Familienvater mutieren.

Später erfuhr ich im Krankenhaus, dass meine Mutter in genau dieser Stunde gestorben war. Zwischen uns war alles gesagt worden – bis auf eins: Den Namen meines Vaters würde sie mit ins Grab nehmen. Jedenfalls dachte ich dies, als ich an ihrem Totenbett stand und irgendwie froh war, ihr die Hiobsbotschaften meiner Kündigung und der Beendigung meines unanständigen Verhältnisses nicht mehr aufbürden zu müssen.

Ich bin Einzelkind. Meine Mutter hatte nie geheiratet. Sie war als junge Schwangere aus der Eifel nach Berlin gezogen und hatte den Kontakt zu ihrer streng katholischen Familie abgebrochen. Ich wusste nicht einmal ganz genau, aus welcher Gegend sie stammte. Sonst hätte ich mich bestimmt...


Kempff, Martina
Martina Kempff ist Autorin, Übersetzerin und freie Journalistin. Sie war Redakteurin bei der Berliner Morgenpost, Reporterin bei Welt und Bunte, bis sie beschloss, Bücher zu schreiben. Besonders bekannt ist sie für ihre historischen Romane wie »Die Königsmacherin«, »Die Beutefrau« und »Die Welfenkaiserin«, die sich durch hervorragende Recherche und außergewöhnliche Heldinnen auszeichnen. Martina Kempff lebte lange in Griechenland, später in Amsterdam. Acht Jahre verbrachte sie in der Eifel, was sie zu einer einfallsreichen Krimiserie inspirierte. Heute lebt sie im Bergischen Land.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.