E-Book, Deutsch, Band 1, 368 Seiten
Reihe: Diablo
Knaak Diablo: Der Sündenkrieg 1
Neuauflage 2021
ISBN: 978-3-7367-9881-6
Verlag: Panini
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geburtsrecht
E-Book, Deutsch, Band 1, 368 Seiten
Reihe: Diablo
ISBN: 978-3-7367-9881-6
Verlag: Panini
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Besessen davon, die Menschen für ihre eigenen Zwecke unter Kontrolle zu bekommen, fechten die Mächte von Gut und Böse einen geheimen Krieg um die Seelen der Sterblichen aus. Dies ist die Geschichte des Sündenkrieges - des infernalen Konfliktes, der die Geschicke der Menschheit für immer verändern sollte. 3000 Jahre bevor das Grauen nach Tristram kam, war Uldyssian, Sohn des Diomedes, ein einfacher Bauer aus dem kleinen Dörfchens Seram. Doch sein ruhiges und idyllisches Leben endet abrupt als er unter Mordverdacht gerät. Es soll zwei Missionare bestialisch ermordet haben. Uldyssian setzt alles daran, seinen Namen rein zu waschen, doch dann nimmt er eigenartige Veränderungen an sich wahr. Er besitzt plötzlich beängstigende Fähigkeiten, über die kein Sterblicher jemals verfügen sollte ...
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EINS Der Schatten schob sich über Uldyssian ul-Diomeds Tisch und tauchte nicht nur einen großen Teil der Fläche in Dunkelheit, sondern auch seine Hand und das noch nicht getrunkene Ale. Der Bauer mit dem sandblonden Haar musste nicht aufblicken, um zu sehen, wer ihn in seiner kurzen Pause vom Tagwerk störte. Er hatte den Fremden mit anderen im Boar’s Head sprechen hören, der einzigen Taverne des abgelegenen Dorfes Seram, und er hatte gebetet, der Mann möge nicht auch an seinen Tisch kommen. Es war blanke Ironie, dass ausgerechnet der Sohn des Diomedes betete, der Fremde möge ihn in Frieden lassen, denn wer da vor Uldyssian stand, war kein Geringerer als ein Missionar der Kathedrale des Lichts. In seinem silbrigweißen Gewand und dem hohen Kragen gab er ein imposantes Bild ab – wenn man den Saum übersah, der deutlich erkennbar mit dem Morast von Seram in Berührung gekommen war, und zweifellos schaffte er es, bei vielen Dorfbewohnern Ehrfurcht zu wecken. Bei Uldyssian jedoch wühlte seine Anwesenheit nur schreckliche Erinnerungen auf, und der Bauer zwang sich voller Ärger, seinen Blick nicht von dem vor ihm stehenden Krug abzuwenden. „Habt Ihr das Licht gesehen, mein Bruder?“, fragte der Fremde endlich, als deutlich geworden war, dass der potenziell zu Bekehrende beabsichtigte, ihn auch weiterhin zu ignorieren. „Hat das Wort des großen Propheten Eure Seele berührt?“ „Sucht Euch einen anderen“, murmelte Uldyssian und ballte die freie Hand unwillkürlich zur Faust. Er trank den letzten Schluck Ale aus, in der Hoffnung, seine Bemerkung würde der unerwünschten Unterhaltung rechtzeitig ein Ende setzen. Der Missionar jedoch wollte sich damit nicht zufrieden geben. Stattdessen legte er seine Hand auf den Unterarm des Bauern, womit er das Ale davon abhielt, Uldyssians Lippen zu erreichen. Dann sagte der junge Mann: „Wenn Ihr nicht an Euch denken wollt, dann denkt an diejenigen, die Ihr liebt! Wollt Ihr deren Seelen im Stich lassen und …“ Der Bauer stieß einen Schrei aus, und sein Gesicht wurde rot vor Zorn, den er nicht länger beherrschen konnte. Er sprang auf und packte den erschrockenen Missionar am Kragen. Als der Tisch umkippte, fiel der Krug zu Boden, das Ale spritzte auf den Holzboden, ohne dass Uldyssian Notiz davon nahm. Ringsum verfolgten die übrigen Gäste – darunter auch einige Reisende, die hier eher selten zu finden waren – die Auseinandersetzung mit einer Mischung aus Besorgnis und Interesse. Aus Erfahrung wussten alle, es war besser, sich aus solchen Konfrontationen herauszuhalten. Einige Dorfbewohner, die den Sohn des Diomedes kannten, schüttelten den Kopf und tuschelten untereinander darüber, welche unglückliche Wahl an Gesprächsthemen der Fremde getroffen hatte. Der Missionar war noch eine Handbreit größer als Uldyssian, der mit seinen etwas mehr als sechs Fuß selbst schon nicht zu den kleinen Männern zählte. Doch der breitschultrige Bauer wog eineinhalb mal so viel wie er, und das Gewicht verteilte sich vollständig auf Muskeln, die er der Arbeit auf dem Feld und dem Umgang mit den Tieren verdankte. Uldyssian war ein bärtiger Mann mit kantigem Kiefer und grobschlächtigen Gesichtszügen, die typisch waren für diese Region westlich des großen Stadtstaates Kehjan, dem Juwel der östlichen Hälfte der Welt. Tiefbraune Augen brannten sich in die blasser gefärbten des hageren und überraschend jungen Priesters der Kathedrale. „Die Seelen der meisten Mitglieder meiner Familie können vom Propheten längst nicht mehr eingesammelt werden, Bruder! Sie starben vor fast zehn Jahren an der Pest!“ „Ich w-werde für … für sie alle beten …“ Seine Worte machten Uldyssian nur noch zorniger, hatte er doch monatelang unablässig für seine Eltern, seinen älteren Bruder und seine beiden Schwestern gebetet, als sie leiden mussten. Tag und Nacht hatte er oftmals völlig ohne Schlaf zu der Macht gefleht, die über sie wachte – zuerst, damit sie sich erholten, später dann, als es keine Hoffnung mehr gab, damit ihr Tod schnell und schmerzlos käme. Keines seiner Gebete war erhört worden. Aufgewühlt und hilflos hatte Uldyssian zusehen müssen, wie einer nach dem anderen qualvoll starb. Nur er und sein jüngster Bruder Mendeln hatten überlebt, um alle anderen zu beerdigen. Schon da waren Missionare unterwegs gewesen, die von den Seelen seiner Familie sprachen und davon, dass ihre jeweilige Konfession die Antwort auf alles hatte. Alle hatten sie Uldyssian zugesichert, er werde Frieden mit dem Verlust seiner Liebsten schließen, solange er dem jeweiligen Glaubenspfad folgte. Doch Uldyssian, einst ein gottesfürchtiger Mann, hatte jeden Einzelnen von ihnen sehr lautstark bloßgestellt. Ihre Worte klangen hohl und leer, und seine Weigerung erschien ihm nach einer Weile berechtigt, erwies sich doch die Existenz dieser Konfessionen als so flüchtig wie die Jahreszeiten. Aber nicht alle Glaubensrichtungen verschwanden wieder so schnell, wie sie kamen. Die Kathedrale des Lichts war zwar jüngeren Ursprungs, doch sie wirkte weitaus stärker als alle Vorgänger. Sie und der vor etwas längerer Zeit gegründete Tempel der Triune schienen sich recht schnell zu den beiden vorherrschenden Institutionen zu entwickeln, die es auf die Seelen der Bewohner von Kehjan abgesehen hatten. Für Uldyssian kam der beharrliche Eifer, mit dem sie neue Anhänger zu gewinnen versuchten, einem emsigen Wettkampf gleich, der in einem krassen Gegensatz zu ihren spirituellen Botschaften stand. Das war ein weiterer Grund, weshalb Uldyssian mit keiner von beiden Seiten etwas zu tun haben wollte. „Betet für Euch selbst, aber nicht für mich und die Meinen“, knurrte er. Die Augen des Missionars traten hervor, als Uldyssian ihn am Kragen packte und ihn mühelos hochhob, bis die Füße in der Luft baumelten. Der gedrungene Mann mit dem schütteren Haupthaar hinter der Theke kam in den Schankraum, um einzugreifen. Tibion war ein paar Jahre älter als Uldyssian und konnte es körperlich nicht mit ihm aufnehmen, doch er war ein guter Freund von Diomedes gewesen, und mit seinen Worten verschaffte er sich Gehör bei dem wütenden Bauern. „Uldyssian! Wenn du dich schon nicht beherrschen kannst, dann verschone wenigstens meine Taverne, ja?“ Der Angesprochene zögerte, als die Worte des Wirts seine Wut durchdrangen. Sein Blick wanderte von dem fahlen Gesicht vor ihm zu Tibions rundlicher Miene und wieder zurück. Mit einem missmutigen Ausdruck ließ er den Mann los, der in einer unwürdigen Haltung auf dem Boden zusammensank. „Uldyssian …“, begann Tibion, doch der Sohn von Diomedes wollte sich nicht noch mehr anhören. Mit zitternden Händen und ausholenden Schritten verließ er die Schenke, wobei seine schweren, abgetragenen Stiefel ein hartes Geräusch auf den ausgetretenen Dielen verursachten. Draußen angekommen, atmete Uldyssian die kalte, klare Luft ein, die seinen Zorn milderte. Fast sofort bedauerte er, wozu er sich in der Taverne hatte hinreißen lassen. Er bedauerte nicht seine Gründe dafür, aber dass er vor so vielen, die er kannte, ein solches Verhalten an den Tag gelegt hatte – und das nicht zum ersten Mal. Es änderte nichts daran, dass die bloße Anwesenheit des Akolythen der Kathedrale in Seram ihm einen Stich ins Herz versetzte. Uldyssian war mittlerweile ein Mann, der nur noch das glaubte, was er mit eigenen Augen sah oder was er mit seinen Händen berühren konnte. Er konnte die Veränderungen am Himmel sehen und daran erkennen, wann er sich mit der Feldarbeit beeilen musste und wann ihm noch genug Zeit blieb, um seine Arbeit in einem gemächlicheren Tempo abzuschließen. Das Getreide, das sein Schuften aus dem Boden hervorbrachte, ernährte ihn und die anderen. Dies waren Dinge, auf die er sich verlassen konnte, nicht aber die gemurmelten Gebete der Kleriker und Missionare, die seiner Familie nichts als falsche Hoffnungen gemacht hatten. Seram war ein Dorf mit ungefähr zweihundert Einwohnern und damit für manche klein, für andere von passabler Größe. Uldyssians Hof lag zwei Meilen nördlich davon. Einmal in der Woche begab er sich hierher, um alle notwendigen Vorräte zu besorgen, wobei er sich immer eine kurze Pause gönnte, um in der Taverne etwas zu essen und zu trinken. Seine Mahlzeit hatte er gegessen, sein Ale war verschüttet worden, und nun galt es für ihn nur noch, seine übrigen Aufgaben zu erledigen, ehe er sich auf den Heimweg machte. Von der Taverne abgesehen, die zugleich als Herberge diente, gab es nur noch vier andere wichtige Gebäude in Seram – das Versammlungshaus, das Handelshaus, die Quartiere der Dorfwache und die Schmiede. Alle waren von der gleichen einfachen Bauweise wie der Rest der Häuser in Seram. Sie hatten spitze, strohgedeckte Dächer und darunter ein Bauwerk aus Holzbrettern auf einem Unterbau, der aus mehreren Schichten Stein und Lehm bestand. Typisch waren für die meisten Gebiete, die unter dem Einfluss von Kehjan standen, nach oben in einem Spitzbogen auslaufende Fenster, die an jeder Hausseite in einer Dreiergruppe angeordnet waren. Aus einiger Entfernung war es sogar unmöglich, die Gebäude voneinander zu unterscheiden. Morast blieb an seinen Stiefeln kleben, als Uldyssian weiterging. Seram war zu provinziell, als dass die Straßen gepflastert oder zumindest mit Steinen bedeckt gewesen wären. Es gab einen schmalen, trockenen Weg auf der gegenüberliegenden Seite jener Straße, auf der sich Uldyssian gerade voranbewegte. Doch er verzichtete darauf, dorthin zu wechseln. Als Bauer war er es gewöhnt, eins zu sein mit dem Boden. Am östlichen Rand des Dorfes – der damit Kehjan...