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E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Lapid Lokalausgabe

Lisi Badichis erster Fall
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-03820-998-0
Verlag: Dörlemann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Lisi Badichis erster Fall

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-03820-998-0
Verlag: Dörlemann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nach einer wilden Partynacht wird die Gattin eines angesehenen Richters erschossen am Pool aufgefunden. Lisi Badichi, Reporterin bei einer kleinen israelischen Zeitung, soll über den Fall berichten. Die junge Journalistin ist bekannt für ihren ausgezeichneten Spürsinn. Schnell findet sie heraus, dass die Tote eine geheime Affäre hatte. Wurde sie erpresst? Oder sind die zwielichtigen Geschäfte, in die sie zusammen mit ihrem Mann verwickelt war, das Tatmotiv? Entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen, schaltet Lisi sich in die Ermittlungen ein. Dabei begeht sie einen fatalen Fehler, der sie direkt in die Arme des Mörders treibt ...

Shulamit Lapid, geboren 1934 in Tel Aviv, studierte Orientalistik und war Vorsitzende des israelischen Schriftstellerverbandes. Sie ist eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Israels und schreibt neben Kriminalromanen auch historische und sozialkritische Romane sowie Kurzgeschichten, Theaterstücke und Kinderbücher. Der erste Band ihrer Krimireihe um die Journalistin Lisi Badichi, Lokalausgabe, wurde 1996 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet.
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Kapitel 1


Niemand wusste, wann Lisi Badichi bei der Party von Hornsticks erschien und mit wem sie kam, und es interessierte sich auch niemand dafür, dass sie dort war, denn sie war keine Frau, die man groß bemerkte, obwohl man sie nicht gerade als leicht zu übersehen bezeichnen konnte – nicht mit ihren großen platten Füßen, die aussahen wie die Flossen eines Seehundes, und nicht mit ihrem großen Busen, der jeden, der es vielleicht vergessen haben könnte, daran erinnerte, dass es so etwas wie Schwerkraft auf der Welt gab, und nicht mit ihrer Art zu sprechen, wobei sie zwischen »Schätzchen« und »hach?« ein paar Wörter aneinanderreihte wie zerkaute Perlen auf einer alten Schnur.

In der Redaktion nannte man sie »Lisi die Bekloppte«. Sie wusste das, aber es störte sie nicht, solange man sie in Ruhe ihre Arbeit tun ließ und sich nicht in das einmischte, was sie schrieb. Sie war »unsere Reporterin« der Zeitung Zeit im Süden, einer Lokalbeilage der überregionalen Zeit. Genaugenommen schrieb sie die ganze Beilage selbst, machte sich höchstpersönlich mitten in der Nacht auf den Weg, wenn man sich mitten in der Nacht auf den Weg machen musste, kippte sich etwas Wasser über den Kopf, um wach zu werden, strich sich Fettstift auf die Lippen, steckte sich riesige Plastikclips an die Ohrläppchen und den Pieper an den Gürtel, zog ihre Füße über den leeren Gehsteig und hoffte, dass der Anlasser ihres Autos keine Schwierigkeiten machen würde und dass ihr Informant an der Stelle wartete, die er ihr angegeben hatte, dass die Nachricht in den überregionalen Teil der Zeitung aufgenommen würde, denn dann bekam sie eine Prämie. Sie wusste, und alle in Be’er Schewa wussten es, dass Lisi Badichi »die Lokalzeitung« war, und das sparte ihr Zeit, überflüssige Formalitäten und alle möglichen Gänge.

Wenn es darum ging, die Mutter eines Getöteten zu interviewen oder die Freundin des Sängers, der eine Nutte vergewaltigt und ihr vier Zähne eingeschlagen hatte, oder den heldenhaften Soldaten, den Stolz der Siedlung D – Lisi war zur Stelle, sie und ihre großen Füße. Dann wusste sie, dass Dahan, der Chef der Zeit im Süden, in Tel Aviv angerufen und Bescheid gesagt hatte, dass Lisi die Bekloppte zu dem Betreffenden hingefahren war. Sie wusste es nicht nur, es war ihr auch egal, denn sie wusste ebenfalls, dass er den Satz mit den Worten beendet hatte: »Sie wird schon eine Geschichte aus ihm herausholen.«

Sie war nicht besonders stolz auf das, was sie tat, und sie war nicht übermäßig bescheiden. Sie tat ihre Arbeit professionell, und das befriedigte sie. Wenn sie einen Faden in der Strickwarenfabrik eingezogen hätte, wie es ihre Mutter tat, oder im Soroka Spritzen gegeben hätte, wie es ihre Schwestern Georgette und Chawazelet taten – dann hätte sie dies auch professionell erledigt, und auch das hätte ihr Befriedigung verschafft. Nun war sie also »unsere Reporterin« im Süden. Big deal. In zwei Monaten würde sie dreißig, und das war es, was für ihre Mutter wirklich eine Rolle spielte, auch für Georgette und Chawazelet. Manchmal kamen ihre Schwestern zu ihr und sagten Schmeicheleien, und dann wusste Lisi, dass sie sie am Schluss bitten würden, ihnen Geld zu leihen, was sie auch tun würde. Sie würde sich vornehmen, beim nächsten Mal ihre Schwestern davon abzuhalten, ihr Schmeicheleien zu sagen. Aber wenn dann das nächste Mal kam, ließ sie wieder zu, dass die beiden erzählten, wie erfolgreich und bedeutend sie, Lisi, war, und wie stolz sie waren, dass so eine zu den Badichis gehörte, die es bis jetzt zu nichts Besonderem gebracht hatten, bis Lisi aufgetaucht war. Sie ließ sie in dem Glauben, sie hätten sie rumgekriegt – wenigstens diese Befriedigung konnte sie ihnen geben nach der Beschämung, dass sie um Geld bitten mussten. Sie hatten Kinder, die nicht nur etwas zum Essen und zum Anziehen brauchten, sondern auch eine Ausbildung, das war wichtiger als ihr eigener Stolz.

Sie hatte als Sekretärin von Dahan angefangen, der damals verantwortlich war für die Anzeigenabteilung. Eines Tages war sie eingesprungen, als keiner da war, der zum Rathaus gehen konnte, um herauszufinden, warum man in der Siedlung C das Wasser abgestellt hatte und wann die Straße in der Siedlung D endlich fertig würde, und bald hatte sie gelernt, dass jede Information ihren Preis hatte, ein paar Zeilen als Bestechung da, eine Spalte als Erkenntlichkeit dort. Allmählich hatten sich die Leute an die junge Frau gewöhnt, die mit ihren großen Füßen über den Gehsteig schlurfte, an ihre schläfrigen Augenlider, die nichts überraschte und nichts aufweckte. Hätte man irgendjemanden in Be’er Schewa gefragt, ob sie Kaugummi kaue, hätte er hundertprozentig geantwortet, natürlich tut sie das, obwohl sie noch nie im Leben Kaugummi gekaut hatte, weil sie von zu Hause so erzogen worden war. Ein gutes Mädchen, egal wie arm, achtet auf gute Manieren. Aber sie sah nun mal so aus wie eine Kuh, die wiederkäut, und das wusste sie auch.

Sie sprach nicht darüber, dass sie Jungfrau war, das war kein Thema, über das man sich unterhielt. Aber in Wirklichkeit bedrückte es sie. Schon vor Jahren hatte sie sich vorgenommen, bei der nächsten Gelegenheit etwas zu unternehmen, aber je mehr Zeit verging, umso weiter verschob sie die nächste Gelegenheit. So war Lisi nun in der Situation, dass sie nicht mehr einfach mit irgendjemandem ins Bett gehen konnte, egal mit wem. Denn was sollte sie diesem »egal mit wem« sagen, wenn er herausfand, dass er ihr erster Mann war? Er könnte noch auf die Idee kommen, sie hätte die ganzen Jahre auf ihn gewartet. Und wie erklärt man jemandem, dass das nicht so ist, ohne ihn zu kränken? Wenn sie siebzehn wäre, na gut … Dann hätte man gesagt, die ist eben dumm, und sie vergessen. Aber mit dreißig minus zwei Monaten – das war, wie zum ersten Mal in die Oper gehen. Und dann erkläre mal, dass es sich keineswegs um eine plötzliche Liebe handelt. Lisi ging also ihren Weg, einen verschlafenen Weg, laut Dahan, der manchmal zum Country Club ging oder in das Hotel gegenüber der Krankenkasse, mit irgendeiner neuen Boutiquebesitzerin oder einer Gymnasiastin mit heißem Hintern. In solchen Fällen sagte er zu Lisi: »Wenn man mich sucht, ich bin nachmittags wieder da«, und wenn er dann zurückkam, zog er einen Duft nach verlockendem Abenteuer hinter sich her. Seine Augen waren gerötet wie immer, doch nun schien die Rötung von Lagerfeuern zu kommen, deren Geruch sie noch im Duft seines Rasierwassers wahrzunehmen glaubte.

Zwischen Lisi und Dahan herrschte eine Beziehung freundlicher Achtung. Sie hatten zu gleicher Zeit in dem winzigen Büro hinter dem Supermarkt angefangen zu arbeiten, waren zwischen Kisten mit Kohl und Brotkästen herumgehüpft, und gemeinsam waren sie in die Reihe renovierter Büros über der Druckerei von Prosper Parpar gezogen und hatten sich wortlos gegenseitig auf die Schultern geschlagen. Er schätzte die Tatsache, dass sie nie einen Auftrag als unmöglich bezeichnete, dass sie zu jeder Pressekonferenz ging, dass sie dem kleinsten Gerücht nachspürte, das ihr zu Ohren kam, und noch höher schätzte er die Gewissheit, dass sie nie im Leben seiner Frau oder irgendjemand anderem etwas von den kleinen Abenteuern verraten würde, die er sich von Zeit zu Zeit gönnte. Sie wiederum schätzte seine Großzügigkeit, die Art, wie er sich Vorteile und Frauen verschaffte, seine ungebremste Gier nach Geld und Erfolg. Sie wusste, dass sie sich an ihn gewöhnt hatte und dass ein Anhauch seiner abenteuerlichen Ausflüge auch auf sie abfärbte. Er war der Mann, der für sie entschieden hatte, dass sie den Führerschein machen musste, und er war derjenige, der beschlossen hatte, es sei jetzt an der Zeit, das Haus ihrer Mutter zu verlassen. Er hatte ihr sogar geholfen, einen Kredit zu bekommen, und er hatte die Leitung der Zeitung davon überzeugt, dass diese Lisi, die alle für eine Kuh hielten, wertvoll für die Zeitung war und dass es sich lohnte, ihr ein Auto zur Verfügung zu stellen.

***

Natürlich wird nicht jeden Tag ein Einwohner von Be’er Schewa Bezirksrichter, doch aus journalistischer Sicht hatte Hornsticks Feier keinen besonderen Neuigkeitswert, mehr als ein paar Zentimeter in der Gesellschaftsspalte standen ihr nicht zu. Aber Dahan hatte eine Werbeanzeige von Israha Musikinstrumente ergattert und bat Lisi, so nett zu sein und zu Richter Hornstick hinzugehen. Sie solle einen Satz über Jacki Danzig schreiben, den Klavierspieler, und bei dieser feierlichen Gelegenheit auch das Klavier erwähnen, auf dem er bei der Party spiele. Und das alles, obwohl Dahan doch wusste, dass Lisi morgens um vier an der Militärkontrollstelle Erez sein musste, der Kontrollstelle zum Gaza-Streifen. Sie hatte keine Ahnung, was Jacki Danzig dafür bekam, dass er sie zu Hornsticks Party mitnahm, aber irgendetwas würde es schon sein, da war sie sicher, denn sie hatte es noch nie erlebt, dass irgendetwas keinen Preis hätte.

***

Das Haus stand auf einem Hügel. Tamarisken und silbrige Reaumurien im Garten bewiesen, dass es sich bei den Besitzern der Villa um eine alteingesessene Familie handelte. Bougainvilleen bedeckten die Vorderseite aus grauen und rosafarbenen Steinen, und zwei gewundene Wege trafen sich an der Eingangstür und verschwanden irgendwo im hinteren Teil des Hauses.

Jacki und Lisi blieben einen Moment an der Tür stehen und drückten Hornstick die Hand, dann rutschten sie mit ihren Schuhsohlen über den schwarzen Marmor, blinzelten, bis sich ihre Augen an das blendende Licht der großen Kronleuchter gewöhnt hatten. Jacki drehte Lisi den Rücken zu und ging schnell hinüber zu dem...


Lapid, Shulamit
Shulamit Lapid, geboren 1934 in Tel Aviv, studierte Orientalistik und war Vorsitzende des israelischen Schriftstellerverbandes. Sie ist eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Israels und schreibt neben Kriminalromanen auch historische und sozialkritische Romane sowie Kurzgeschichten, Theaterstücke und Kinderbücher. Der erste Band ihrer Krimireihe um die Journalistin Lisi Badichi, Lokalausgabe, wurde 1996 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet.

Pressler, Mirjam
MIRJAM PRESSLER, geboren 1940 in Darmstadt, besuchte die Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt. Sie verfasste zahlreiche Kinder- und Jugendbücher und übersetzte aus dem Niederländischen, Englischen und Hebräischen, darunter Werke von Amos Oz. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille für ihre Verdienste um die deutsche Sprache. Mirjam Pressler verstarb am 16. Januar 2019 in Landshut.

SHULAMIT LAPID, geboren 1934 in Tel Aviv, studierte Orientalistik und war Vorsitzende des israelischen Schriftstellerverbandes. Sie ist eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Israels und schreibt neben Kriminalromanen auch historische und sozialkritische Romane sowie Kurzgeschichten, Theaterstücke und Kinderbücher. Der erste Band ihrer Krimireihe um die Journalistin Lisi Badichi, Lokalausgabe, wurde 1996 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet.MIRJAM PRESSLER, geboren 1940 in Darmstadt, besuchte die Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt. Sie verfasste zahlreiche Kinder- und Jugendbücher und übersetzte aus dem Niederländischen, Englischen und Hebräischen, darunter Werke von Amos Oz. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille für ihre Verdienste um die deutsche Sprache. Mirjam Pressler verstarb am 16. Januar 2019 in Landshut.



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