E-Book, Deutsch, 369 Seiten
Reihe: Enchanted
Loup Prinzenfluch (Enchanted 2)
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-646-30086-4
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Magischer Fantasy-Liebesroman
E-Book, Deutsch, 369 Seiten
Reihe: Enchanted
ISBN: 978-3-646-30086-4
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jess A. Loup versteht Deutsch, obwohl sie in Bayern lebt. Wenn sie nicht im Kopf mit imaginären Leuten spricht (oder über sie schreibt), ist sie auf dem Bogenparcours zu finden, lässt sich von ihren Katzen terrorisieren oder fotografiert wilde Tiere in Afrika. Solange der Brief aus Hogwarts verschollen bleibt, erschafft sie ihre eigenen magischen Welten.
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Prolog
Finsternis.
Rauch brannte in ihrer Lunge, reizte ihre Atemwege, brachte sie zum Husten. Sie wusste nicht, wo sie sich befand noch wie sie hierhergekommen war. Ihre Augen tränten, als sie versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Feuer flackerten hier und da, kaum mehr als zusammenfallende Glut. In dem aufsteigenden Rauch tanzten Schemen wie Geister über einem Friedhof.
Und dann wurde es ihr bewusst: Genau da befand sie sich.
Ein Schlachtfeld umgab sie. Je weiter sie voran taumelte, desto deutlicher wurde es. Geborstene weiße Knochen ragten anklagend in den sternenlosen Himmel und einmal blieb sie an etwas hängen. Ihr Blick wanderte nach unten und sie entdeckte einen schwarz verbrannten Körper. Schmierige Asche stieg auf, als sie versuchte, sich zu befreien; immer panischer zerrte sie an ihrer Kleidung und mit einem Mal zerfiel der Tote unter ihr, ließ nur mehr Staub und Sand zurück. Der Gestank des verwesenden Fleisches um sie herum wurde so intensiv, dass es sie schüttelte. Sie hustete wieder, in ihren Schläfen pochte es, ein glühender, immer enger werdender Reif schien sich um ihren Kopf zu legen und sich mehr und mehr zusammenzuziehen. Was war hier nur passiert? Und wie kam sie an diesen fürchterlichen Ort? Hatte sie sich die Rettung aus der Knochenschlucht nur eingebildet? Waren alle tot und nur sie hatte überlebt? Vielleicht war auch sie gestorben und in den tiefsten Höllen der scheußlichsten Dämonen gelandet? Bei den Göttern, das war ein Albtraum, und sie wollte erwachen! Ihre stumme Bitte blieb ungehört.
Ein Schatten vor ihr verdichtete sich, wurde dunkler, größer, wuchs in die Höhe, türmte sich regelrecht vor ihr auf. Im Inneren dieser furchterregenden Schwärze erglühte es in einem so heißen Rot, dass sie zurückwich und über den zerschmetterten Huf eines grotesk verdrehten Pferdes stolperte, dessen gebrochene Augen von einem bläulichen Film überzogen waren.
Der Schmerz in ihrem Kopf flammte so bösartig auf, dass sie ihre Hände an ihn presste und auf die Knie sank.
»Was ist hier nur geschehen?«, flüsterte sie gebrochen. Tränen tropften auf den Boden, der über und über mit grauem Staub bedeckt war, und zeichneten makabre Muster.
»Ich bin passiert.« Die Stimme war überall, um sie herum, in ihrem Inneren, grollte, drohte, vibrierte. »Ich bin passiert, ich werde wieder passieren.« Die Glut in der schwarzen Masse verengte sich und endlich erkannte sie, was sich vor ihr befand: Das gewaltigste Ungeheuer, das sie je gesehen hatte. Klauen schälten sich aus der Dunkelheit, Beine, ein mächtiger geschuppter Körper, eine Echsenschnauze, leicht geöffnet, mit aufblitzenden dolchartigen Zähnen, zwischen denen sich eine lange, muskulöse Zunge hervorwand. Die geschlitzten Augen oberhalb der Nasenöffnungen bestanden aus flüssigem Feuer und ihr Blick versengte sie mit gleichgültiger Mühelosigkeit. Ein Drache. Die Behauptungen, sie seien ausgestorben, waren ganz offensichtlich übertrieben.
Sie wandte sich ab; das war das Ende, nicht einmal ihre neu entdeckten Fähigkeiten konnten es mit so viel schierer Kraft und Gefahr aufnehmen. In ihrem Geist explodierten Schmerzstöße und jeder Gedanke an Flucht oder Kampf ertrank in einer Lava reinen Feuers. Ihr war so heiß, dass Schweiß ihren ganzen Körper bedeckte, gleichzeitig überzog eine Gänsehaut ihre Arme.
Und doch konnte sie es nicht auf sich beruhen lassen, wollte, nein musste wissen, was es mit diesem grauenhaften Ort auf sich hatte.
»Wer seid Ihr? Warum …« Sie schluckte angestrengt; ihr Mund war so trocken, dass ihr das Sprechen schwerfiel. »Warum habt Ihr so viel Leid verursacht?«
Die riesige Schnauze senkte sich auf sie nieder, und sie war überzeugt, dass sie die scharfen Zähne in ihrem Fleisch spüren würde. Mit trotzigem Mut hob sie den Kopf und fand sich Auge in Auge mit der flammenden Pupille der Bestie wieder.
»Der Zorn. Der Hass. Die Bosheit«, rumpelte das Ungeheuer mit einem dumpfen Widerhall. »All das ist in mir, entflammbar wie das Feuer in meinem Quell, und ein Funke genügt, um zu zerstören. Sieh dich um, Menschenkind. Sieh dich um und sag mir, was du siehst.«
Ein grauer Schein schob sich aus dem todesdunklen Firmament und erhellte genug um sie herum, dass sie Folge leisten konnte. Dumpf hämmerte ein glühender Stein von innen an ihre Schläfen und es war schwer, genügend Konzentration aufzubringen, doch auch so war klar, dass sich außer dem Ungeheuer und ihr keine lebende Seele hier aufhielt. Eingestürzte, schwelende Palisaden deuteten auf eine Siedlung hin, rauchende Trümmer waren die einzigen Überreste von Häusern, Lagern, Ställen. Leichen säumten die schmalen, mit Gebälk und zerfetzten Ziegeln blockierten Straßen.
»Ihr habt ein Dorf angegriffen und dem Erdboden gleichgemacht.« Ihre Stimme brach und noch mehr Feuchtigkeit bahnte sich einen Weg über ihre heißen Wangen.
»Das habe ich.« Der Boden unter ihr bewegte sich, und hätte sie nicht bereits gekniet, wäre sie wohl gestürzt. Der Drache hatte seinen mächtigen Körper neben ihr niedergelassen – wie eine übergroße Katze schlang er seinen Schwanz um die gewaltigen Pranken und verdeckte die Krallen, von denen jede einzelne länger als ihr Mittelfinger war. »Glaubst du, dass es irgendetwas gibt, das eine solche Tat entschuldigen könnte?«
Noch nie in ihrem Leben hatte sie eine absurdere Frage gehört. Wie kam dieses Ungeheuer dazu, überhaupt einen solchen Gedanken zu äußern? Spielte er mit ihr? Katzen amüsierten sich schließlich auch mit ihrer Beute, bevor sie sie verzehrten.
Trotzdem hielt sie inne und dachte nach, verdrängte die Übelkeit, die stetig in ihr aufzusteigen drohte. »Nein«, sagte sie schließlich. »Nichts kann den Tod all dieser armen Menschen entschuldigen. Selbst wenn sie zuerst Euch angegriffen haben sollten …«
»Das haben sie«, unterbrach der Drache sie grollend. »Doch du hast recht. Ich habe viele für die Taten Einzelner büßen lassen. Und ich werde es wieder tun.«
Sie schloss die Augen. »Dann bringt es hinter Euch. Warum das Unvermeidliche hinauszögern? Tötet mich jetzt, das ist barmherziger als Euer böses Spiel.«
Die Bestie überraschte sie, als sie kriechend vor ihr zurückwich. »Oh, du Menschenkind!«, donnerte sie. Heiße Luft fegte über sie hinweg und ließ ihre Haare flattern. »Und ich dachte, in dir sei Intelligenz und Magie! Ich will dir nichts tun, im Gegenteil – ich hoffte, du würdest weiteres Unheil verhindern!«
Sein Gebrüll tat nichts, um ihre Befürchtungen zu verringern.
Sie presste die Hände auf ihr Gesicht. »Wisst Ihr denn nicht, dass keine Magie der Welt die Toten wieder zum Leben erwecken kann? Und ich habe soeben meine Blütezeit erreicht, ich wüsste nicht einmal, wie ich das bewerkstelligen könnte, wenn es denn möglich wäre!«
»Natürlich ist mir das bekannt! Was ich getan habe, ist unmöglich wiedergutzumachen. Aber du kannst verhindern, dass Ähnliches passiert. Du musst verhindern, dass meine Kerkermeister mich auf ihre Feinde hetzen.«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht.« Es musste ein Trick sein. Drachen waren bekannt dafür, Hinterhältiges auszuhecken. Jetzt noch wog er sie in Sicherheit – als ob das in seiner Anwesenheit ginge! –, und sobald sie anfing, ihm zu vertrauen, würde er doch noch zuschlagen.
»Natürlich nicht.« Etwas wie ein Seufzen entwich in einem kurzen Aufglühen seinem Rachen. »Es wäre zu viel verlangt. Dass du mich überhaupt verstehst, gleicht einem Wunder. Es muss deine Magie sein, dieselbe, die mich geweckt hat. Normalerweise kann das nur mein Reskis, mein Seelengefährte. Doch die Götter lachen. Er verfügt über keinerlei Magie und du bist kein Teil meiner Seele.«
»Ich verstehe nicht!«, wiederholte sie, nahezu frustriert. »Was ist es, das Ihr mir sagen wollt? Und eilt Euch, denn wenn Ihr es nicht tut, wird mich mein Kopf umbringen. Ich ertrage es kaum noch!«
Die Bestie robbte auf dem Bauch näher und Faye hatte den Eindruck, dass sie versuchte, so harmlos wie möglich zu wirken. Ein unmögliches Unterfangen. Um ihn herum waberte Nebel auf, und durch das Stechen in ihren Augen hindurch hatte sie für einen kurzen Moment das Gefühl, der Drache verblasse und an seiner statt stünde ein Mann vor ihr. »Es ist wichtig, dass du mir glaubst. Auf Vertrauen zähle ich gar nicht, aber du musst wissen, dass das hier« – er ruckte den gepanzerten Schädel, wie es Menschen taten, wenn sie mit dem Kopf irgendwo hinwiesen – »echt ist. Ich bin echt. Mein Name ist Heliarkos, und ich bin ein Drachenwandler, gefangen in dem Nerkeren-Verlies. Deine Magie ist so mächtig, dass sie meinen Geist bereits streifte, als ich noch schlief, tief versunken in der Steinstarre.«
Sie öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder, nicht bereit, sich auf Fragen einzulassen.
»Ich weiß nicht, warum ich hier eingesperrt bin, aber es kann keinem guten Zweck dienen, und in deinem Geist habe ich gesehen, dass du bereits einen der Schlüssel meines Verlieses in der Hand gehalten hast.«
»Bei den Göttern!«, flüsterte sie.
»Es ist ein Verlies mit drei Schlüsseln«, fuhr er fort. »Es trieft vor schwarzer Magie, was mir beweist, dass ich nicht eingesperrt wurde, um unschuldige Wesen vor mir zu beschützen.«
Mittlerweile zitterte sie und biss die Zähne zusammen. Unfassbar grausame Nadelstiche quälten ihren Geist. »Nur einmal angenommen, es stimmt, was Ihr erzählt. Was sollte ich allein schon tun...




