E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Martinez / Reisner Pep Guardiola
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86413-389-3
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
So geht moderner Fußball
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-86413-389-3
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Daniel Martínez berichtet seit Jahren als freier Sportjournalist und Autor für verschiedene Medien aus Spanien und Lateinamerika über den deutschen Fußball.
Autoren/Hrsg.
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1. Liebe auf den zweiten Blick
Pep Guardiola beim FC Bayern – vor vier Jahren wäre diese Konstellation noch unvorstellbar gewesen. Uli Hoeneß fand damals alles andere als lobende Worte für den Trainer des spanischen Meisters und frisch gekürten Champions-League-Gewinners FC Barcelona. »Die haben Personalkosten – dreimal so hoch wie unsere. Wenn das dann eine Fohlenelf ist, na bravo«, wetterte Hoeneß in seiner gewohnt barschen Art in einem Interview mit dem Magazin stern. Der Münchner weiter: »Die bekommen pro Jahr 147 Millionen Euro vom Fernsehen. Wir kriegen 27 Millionen. Geben Sie mir die 120 Millionen Euro Differenz, dann gewinne ich Ihnen auch in den nächsten drei Jahren die Champions League.«
Von Anerkennung für Pep Guardiolas Arbeit mit der größtenteils aus »Eigengewächsen« bestehenden Barça-Elf und Wertschätzung für deren modernen Kombinationsfußball keine Silbe, im Gegenteil. Auf die Nachfrage, ob das Geld der einzige Unterschied zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern sei, antwortete Hoeneß entschlossen: »Der einzige.«
Vielleicht hatte dem damaligen Manager und heutigen Präsidenten des deutschen Rekordmeisters aber auch nur die schwarze Nacht im Stadion Camp Nou aufs Gemüt geschlagen. Mit 4:0 hatte Barça die Münchner wenige Wochen zuvor im Viertelfinale der europäischen »Königsklasse« nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen. »Eine Vorführung«, wie Franz Beckenbauer meinte, die zudem den Anfang vom Ende des damaligen Bayern-Trainers Jürgen Klinsmann bedeutete. Dabei waren die Münchner mit dem Ergebnis sogar noch gut bedient. Schon zur Halbzeit führte Barça vor 96 000 Zuschauern durch zwei Tore von Lionel Messi sowie weitere Treffer von Samuel Eto’o und Thierry Henry mit 4:0. Erstmals hatte in Deutschland ein breiteres Publikum vom Trainer-Novizen Pep Guardiola und dessen Spielphilosophie Notiz genommen.
Knapp vier Jahre später: Es ist ein verschneiter und bitterkalter Januartag in München. Die Bayern sind gerade aus ihrem Wintertrainingslager in Katar zurückgekehrt, der Rückrundenstart der Bundesliga steht kurz bevor. Und Karl-Heinz Rummenigge steckt in Erklärungsnot. Seit Tagen muss der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern Meldungen aus Italien über eine sich angeblich abzeichnende Verpflichtung von Pep Guardiola zur neuen Saison 2013/14 kommentieren. »Ich werde zu den Spekulationen keine Stellung beziehen«, betont Rummenigge immer und immer wieder. Sky Italia hatte zuvor von einer Annäherung zwischen den Münchnern und Guardiola berichtet, Vereinsverantwortliche und Trainer hätten sich bereits mehrfach in dessen Urlaubsdomizil in New York getroffen. Der italienische Pay-TV-Sender berief sich dabei auf Informationen aus dem Umfeld des AC Mailand, dem Guardiola abgesagt habe mit der Begründung, er ginge nach Deutschland. »Das ist alles Unsinn«, lässt Markus Hörwick, der Mediendirektor des Rekordmeisters, verlauten.
Heute aber können sie nicht mehr umhin. Neue Gerüchte aus Guardiolas Umfeld hatten die Reporter der fünf Münchner Tageszeitungen und etliche Radio- und TV-Teams angelockt. Sie lauern im Flur der Bayern-Geschäftsstelle in der Säbener Straße 51–57 in München-Harlaching auf Neuigkeiten, während sich zwei Stockwerke höher Rummenigge, Vereinspräsident Uli Hoeneß und Trainer Jupp Heynckes zu einer eiligst einberufenen Sondersitzung treffen. Sie sehen sich gezwungen, zu den Spekulationen endlich Farbe zu bekennen. Sportvorstand Matthias Sammer wird per Telefon zugeschaltet. Knapp vier Stunden später, um exakt 16.49 Uhr, verkünden die Münchner in einer Pressemitteilung die Sensation:
»Jupp Heynckes beendet seine Karriere zum Saisonende/ Pep Guardiola ab neuer Saison Trainer des FC Bayern.
Am heutigen Mittwoch, den 16. Januar 2013, fand wie vereinbart ein Gespräch zwischen Karl-Heinz Rummenigge und Trainer Jupp Heynckes statt. Jupp Heynckes, der dem Vorstandsvorsitzenden der FC Bayern München AG bereits vor Weihnachten seine Tendenz mitteilte, dass er seinen auslaufenden Vertrag beim FC Bayern zum 30. Juni 2013 nicht verlängern, sondern wohl seine Laufbahn als Trainer beenden würde, hat dies am heutigen Tag nun auch offiziell mitgeteilt.
***
Als Nachfolger von Jupp Heynckes konnte der FC Bayern München einen der profiliertesten und erfolgreichsten Trainer des Weltfußballs verpflichten: Pep Guardiola (41). Der ehemalige Trainer des FC Barcelona und der FC Bayern haben sich auf eine Zusammenarbeit ab der kommenden Saison 2013/14 verständigt. Guardiola hat beim deutschen Rekordmeister bereits einen Dreijahresvertrag bis zum 30. Juni 2016 unterschrieben.«
Mit diesen Zeilen hat eine neue Zeitrechnung beim FC Bayern und im gesamten deutschen Fußball begonnen. Den Münchnern war ein Coup gelungen, um den sie ganz Europa beneidete. Sie haben Mitbewerber wie die neureichen Scheich-Klubs Manchester City und Paris Saint-Germain, den von Oligarch Roman Abramowitsch subventionierten Champions-League-Gewinner FC Chelsea oder den italienischen Traditionsverein AC Mailand von Medienmogul Silvio Berlusconi ausgestochen und den begehrtesten Fußballtrainer der Welt verpflichtet. Der Katalane hat sich für die deutsche Topadresse entschieden – und damit gegen zahlungskräftigere Klubs. Daraus kann man selbstbewusst den Schluss ziehen: erstens, der FIFA-Welttrainer des Jahres 2011 verspricht sich etwas vom sportlichen Potenzial der Bayern; zweitens, er votiert für die seriöse Vereinspolitik der Münchner; und drittens, im Ranking von Europas Topligen mit Italien, England und Spanien ist die Bundesliga deutlich aufgerückt. Im Juli tritt der Spanier seinen Dienst an der Säbener Straße an.
Mit der Pressemitteilung vom 16. Januar 2013 ging ein monatelanges Rätselraten und für die Bayern-Bosse auch ein Versteckspiel um die Nachfolge von Jupp Heynckes zu Ende. Schon zu Beginn von dessen dritter Münchner Amtszeit im Sommer 2011 war klar, dass es sich nur um eine Übergangslösung handeln konnte: Heynckes war bereits damals mit 66 Jahren über das Rentenalter hinaus und der Nestor unter den Bundesligatrainern. Über 30 Jahre als Übungsleiter in der Bundesliga und der spanischen Primera División hatte er auf dem Buckel. Mit einem Auge mussten die Bayern-Bosse also schon damals nach einem Trainer Ausschau halten, der die nächste Ära würde prägen können. Männer wie Dortmunds Jürgen Klopp, Hannovers Mirko Slomka oder später auch Mönchengladbachs Lucien Favre galten als potenzielle Kandidaten.
Im Frühsommer 2012 machte erstmals der Name Guardiola die Runde. Uli Hoeneß hatte ihn selbst in den Mund genommen. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus wenige Tage vor dem im Elfmeterschießen unglücklich verlorenen Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea antwortete er auf die Frage, wen er sich denn als Heynckes-Nachfolger vorstellen könne, wie folgt: »Ich glaube, er müsste schon Deutsch können. Wenn die Sprachbarriere nicht wäre, würde ich sagen, dass Pep Guardiola sicherlich einer für uns wäre.« Im Zeichen zweier weiterer spanischer Meisterschaften und eines erneuten Champions-League-Triumphes Guardiolas mit dem FC Barcelona hatte Hoeneß’ Meinung offenbar einen Wandel durchlebt.
Zu einem »Schlüsselerlebnis«, wie es Uli Hoeneß bezeichnete, war es bereits im Juli 2011 am Rande des Audi Cups gekommen, einem hochkarätig besetzten Saisonvorbereitungsturnier in der Münchner Allianz Arena. Der FC Barcelona hatte im Halbfinale soeben den brasilianischen Spitzenklub Internacional Porto Alegre mit 4:2 nach Elfmeterschießen bezwungen und Guardiola stärkte sich am Buffet im Vip-Bereich. Ebenfalls im Raum: Hoeneß und Rummenigge. Im Gehen sagte der Spanier zu den Bayern-Bossen: »I can imagine to work for Bayern.« Hoeneß und Rummenigge schauten sich verdutzt an. »Wir saßen da und dachten uns: Das hört sich ja nicht schlecht an«, berichtete Hoeneß später. »Das war der Beginn der Überlegungen: Wenn wir eine Chance bekommen, sollten wir sie auch nutzen.«
Guardiola hatte die Bayern-Bosse selbst auf seine Fährte gesetzt. Schon lange hatte der Spanier ein Faible für den deutschen Rekordmeister. Bereits 2001, als er seine Spielerkarriere beim FC Barcelona beendete und Ausschau nach einem neuen Ort hielt, an dem er seine sportliche Karriere fortsetzen und seinen geistigen Horizont erweitern konnte, nannte er München als eines seiner Wunschziele, neben London, Manchester, Mailand und Rom. Damals verhallte sein Wunsch in der bayerischen Landeshauptstadt noch ungehört, anders als diesmal. Schon am Tag nach der Begegnung im Vip-Bereich reichte Guardiola quasi eine perfekte Bewerbung ein: Barcelona holte sich mit einem 2:0-Finalsieg über den FC Bayern den Turniersieg. Beide Treffer erzielte der erst 20 Jahre alte Brasilianer Thiago Alcántara – ein weiterer Beleg für Guardiolas Geschick im Umgang mit jungen Spielern.
Mehr und mehr wurde aus Hoeneß’ anfänglich absurd klingender Idee ein waghalsiger Plan. Die erste konkrete Kontaktaufnahme zu Guardiola unternahmen die Münchner eine Woche nach dem verlorenen Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea. Hoeneß schickte seinen damals leitenden Angestellten Christian Nerlinger auf Dienstreise nach Madrid. Der Sportdirektor sollte beim spanischen Pokalfinale um die Copa del Rey zwischen dem FC Barcelona und Athletic Bilbao nicht nur Bilbaos Nationalspieler Javi Martínez beobachten, auf den die Münchner ein Auge geworfen hatten (und der zwei Monate später für die Bundesliga-Rekordablöse von 40 Millionen Euro nach München wechselte). Sondern er sollte auch bei Guardiolas Bruder und wichtigem Ratgeber Pere vorfühlen und dessen...




