E-Book, Deutsch, Band 2, 1188 Seiten
Reihe: Abbé Melani ermittelt
Monaldi / Sorti SECRETUM - Die Schatten des Vatikans
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96655-323-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman, Band 2
E-Book, Deutsch, Band 2, 1188 Seiten
Reihe: Abbé Melani ermittelt
ISBN: 978-3-96655-323-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das international erfolgreiche Autorenduo Rita Monaldi und Francesco Sorti machte mit seinem brillant recherchierten Romanzyklus IMPRIMATUR, SECRETUM und VERITAS weltweit auf sich aufmerksam. Als das Journalistenpaar außerdem im Zuge seiner Recherchen ein Geheimnis um Papst Innozenz XI. lüftete, machte der Vatikan seinen ganzen Einfluss geltend, weshalb die Werke jahrelang in Italien nicht vertrieben werden durften. In Folge des Skandals leben die Autoren heute in Wien. Bei dotbooks erscheint die Trilogie über Abbé Melani, den Geheimagenten des Sonnenkönigs: »Imprimatur - Die Toten von Rom«, »Secretum - Die Schatten des Vatikans« und »Veritas - Die Geheimnisse von Wien« Weiterhin veröffentlichten sie bei dotbooks den historischen Roman »Die Entdeckung des Salaì«
Weitere Infos & Material
Den 7. Juli im Jahr des Herrn 1700, erster Tag
Brennend heiß stand die Sonne hoch am Himmel über Rom um die Mittagszeit jenes siebten Tages im Juli des Jahres 1700, an dem Unser Herrgott mir die Gnade erwies, hart (doch gegen gerechten Lohn) im Garten der Villa Spada arbeiten zu dürfen.
Als ich die Augen vom Boden hob und meinen Blick über die weit entfernten, zur Feier des Tages gänzlich geöffneten Gittertore hinweg zum Horizont schweifen ließ, erspähte ich hinter den Pagen, die das Haupttor bewachten, vielleicht als Erster die Wolke weißen Straßenstaubes, welche die Vorhut der langen Reihe einander folgender Kutschen ankündigte.
Bei diesem Anblick, den ich schon bald mit den anderen Hausdienern der Villa teilte, die wie üblich neugierig herbeigeeilt waren, wurde die fröhliche Betriebsamkeit der Festvorbereitungen noch fieberhafter: Rasch hinter das Casino der Villa zurückgekehrt, wo viel Arbeit wartete, brüllten die Hausmeister, die das Gesinde seit Tagen schon mit Befehlen antrieben, noch ungeduldiger; die wimmelnden Scharen von Kammerdienern stießen gegeneinander, während sie die letzten Speisevorräte im Keller aufhäuften, derweil die Bauern, welche Kisten mit Obst und Gemüse entluden, sich beeilten, wieder auf ihre am Lieferanteneingang abgestellten Karren zu steigen, und nach ihren Frauen riefen, die sich verspäteten, da sie unter den Hausmädchen immer noch nach einer geeigneten Person suchten, der sie die prachtvollen Blumengirlanden anvertrauen konnten, die so samtig und rot waren wie ihre frischen Wangen.
Blasse Stickerinnen lieferten unterdessen Damaststoffe an, Vorhänge und elfenbeinweiße, durchbrochen bestickte Tischtücher, deren bloßer Anblick unter der glühenden Sonne blendete; die Tischler nagelten und feilten noch hastig an Gerüsten, Stühlen und Bühnen, was einen seltsamen Kontrapunkt zum wirren Probespiel der Musiker bildete, die gekommen waren, die Akustik der Freilufttheater zu prüfen; auf Knien maßen die Architekten, die Perücke übel zerdrückt in der Hand und ob der Hitze schnaufend, mit halbgeschlossenen Augen die Flucht eines Gartenwegs, um die Gesamtwirkung ihrer Bühnenausstattungen zu kontrollieren.
All diese Aufregung hatte ihren guten Grund. In zwei Tagen würde Kardinal Fabrizio Spada die Hochzeit seines einundzwanzigjährigen Neffen Clemente und Erben seines ungeheuren Vermögens mit Maria Pulcheria Rocci feiern, die ebenfalls eng mit einem hochwürdigsten Mitglied des Heiligen Kardinalskollegiums verwandt war.
Um das Ereignis angemessen zu begehen, wollte Kardinal Spada eine große Schar ,Kirchenfürsten, Edelleute und Cavalieri mehrere Tage lang mit Divertissements unterhalten, und all dies sollte in der Villa seiner Familie stattfinden, die, umgeben von herrlichen Gärten, auf dem Gianicolo-Hügel in der Nähe der Quelle der Acqua Paola lag, wo man den schönsten und weitesten Blick über die Dächer der Stadt genießt.
Die Sommerhitze hatte es nämlich ratsam erscheinen lassen, die Villa dem ebenso prunkvollen und berühmten Palast der Familie unten in der Stadt, an der Piazza Capo di Ferro, vorzuziehen, wo die Eingeladenen zudem nicht die Freuden des Landlebens hätten genießen können.
Der festliche Empfang sollte freilich schon an diesem Tag offiziell beginnen, und wie vorgesehen, zeichneten sich eben um die Mittagszeit die Kutschen der eilfertigsten Gäste am Horizont ab. Man erwartete eine große Menge adeliger Herrschaften und geistlicher Würdenträger von überall her: die diplomatischen Vertreter der Großmächte, die Mitglieder des Kardinalskollegiums, die Sprösslinge sowie betagtere Angehörige der großen, vornehmen Familien. Die offiziellen Lustbarkeiten würden mit der eigentlichen Trauung anheben. Für diesen Tag war alles sorgfältig vorbereitet, um das Publikum mit natürlichen und künstlichen Bühneneffekten zu überraschen. Man hatte die einheimische Pflanzenwelt um exotische Blumen bereichert und um Pappmachégebilde, die jeden dazu herausfordern würden, sie in ihren tausendfältigen Gestalten zu erkennen, allesamt prächtiger als das Gold Salomons und flüchtiger als das Quecksilber von Idria.
Die Staubwolke um die Kutschen kam, unter dem Lärm der Vorbereitungen geräuschlos, immer näher, und schon als sie auf der Höhe der großen Wegbiegung vor den Toren der Villa Spada anlangte, konnte man die glanzvollen Verzierungen an den Wagen aufblitzen sehen.
Vor allen anderen, so hatte man uns mitgeteilt, würden die Gäste eintreffen, die von außerhalb kamen, damit sie nach den Mühen der Reise der verdienten Ruhe pflegen und einige Abende lang den sanften Frieden der ländlichen Umgebung genießen konnten. So würden sie frisch, erquickt und bereits ein wenig eingestimmt zur Festlichkeit erscheinen. Was der allgemeinen guten Stimmung und dem glücklichen Gelingen des Ereignisses gewiss zuträglich war.
Die römischen Gäste hingegen konnten wählen, ob sie ebenfalls in der Villa Spada logieren wollten, oder es vorzogen, falls zu sehr von Amtspflichten und Geschäften beansprucht, jeden Tag um die Mittagszeit mit ihrer Kutsche einzutreffen und abends in die eigene Residenz zurückzukehren.
Denn nach der Vermählung waren weitere Tage und Abende mit den ergötzlichsten, mannigfaltigsten Pläsieren vorgesehen: neben den Mahlzeiten im Grünen, die ich schon erwähnte, eine Jagd, Musik, Theater, verschiedene Gesellschaftsspiele und sogar eine Akademie. Zum Abschluss sollte es ein Feuerwerk geben. Das Ganze würde, vom Tag der Hochzeit an gerechnet, eine volle Woche der Festivitäten bedeuten, bis zum 15. Juli, dem Tag, an dem man den Gästen vor dem Abschied die besondere Gunst erweisen wollte, sie in die Stadt zu fahren, damit sie den prächtigen, noblen Palazzo Spada an der Piazza Capo di Ferro besichtigen konnten, wo die Großonkel von Kardinal Fabrizio, der selige Kardinal Bernardino und sein Bruder Virgilio, vor einem halben Jahrhundert eine überaus reiche Sammlung an Bildern, Büchern, Antiquitäten und Kostbarkeiten zusammengetragen hatten, ganz zu schweigen von den Fresken, den Malereien mit Trompe-l'œil-Effekten und den vielfältigsten ingeniösen; architektonischen Finessen, die auch ich noch nicht gesehen hatte, von denen ich aber wusste, dass alle Welt sie staunend bewunderte.
Mittlerweile wurde der Anblick der Kutschen am Horizont vom fernen Rattern der Räder auf dem Kopfsteinpflaster begleitet, doch bei genauerem Hinsehen bemerkte ich, dass vorerst nur eine einzige Kutsche eintraf. Natürlich, sagte ich mir, die Herrschaften sind ja stets darauf bedacht, zwischen den jeweiligen Geleitzügen Abstand zu wahren, damit einem jeden der ihm gebührende Empfang zuteil und das Risiko unabsichtlicher Insolenzen vermieden wird, da diese leider nicht selten in Zwietracht, jahrelange Feindschaften und, Gott behüte, sogar in blutige Duelle ausarteten.
Bei dem heutigen Anlass oblag es allerdings der Umsicht des Zeremonienmeisters sowie des Haushofmeisters, des untadeligen Don Paschatio Melchiorri, diese Gefahr zu bannen: Jene beiden würden sich dem Empfang der Gäste widmen, da Kardinal Spada, worüber man bereits in Kenntnis gesetzt, durch seine amtlichen Verpflichtungen als Staatssekretär verhindert war.
Während ich das Wappen des heranrollenden Wagens zu erraten versuchte und in der Ferne schon die Staubwolke der folgenden Kutschen erblickte, pries ich im Stillen noch einmal die weise Entscheidung für die Villa Spada als Schauplatz des Ereignisses: In den Gärten auf dem Gianicolo war nach dem Untergang der Sonne erfrischende Kühle gewiss. Ich wusste das recht wohl, denn ich ging nicht erst seit kurzer Zeit in der Villa Spada ein und aus. Mein bescheidener Hof lag in nächster Nähe, vor dem Stadttor San Pancrazio. Meine Gemahlin Cloridia und ich hatten das Glück, den Bediensteten der Villa Spada frische Kräuter und schöne Früchte unseres kleinen Feldes verkaufen zu dürfen. Und von Zeit zu Zeit bestellte man mich zu einer außergewöhnlichen Arbeit, in Sonderheit dann, wenn es darum ging, unzugängliche Stellen wie Dächer oder Dachluken zu erklettern, Unternehmungen, bei denen mich meine geringe Körpergröße durchaus begünstigte. Doch wurde ich auch angefordert, wenn es an Dienstpersonal mangelte, wie aus Anlass des Festes, daher man sogar sämtliche Bedienstete des Palazzo Spada zum Arbeiten in die Villa versetzt hatte. Im Übrigen hatte der Kardinal die Gelegenheit genutzt, um im Palazzo verschiedene Verschönerungsarbeiten ausführen zu lassen, darunter die Bemalung eines den Brautleuten zugedachten Alkovens mit Fresken.
Seit ein paar Monaten stand ich also unter dem Befehl des Blumenmeisters und beschäftigte mich eifrig mit Umgraben, Pflanzen, Beschneiden und Pflegen. Es gab nicht wenig zu tun. Die Villa Spada sollte ihren Besitzern alle Ehre machen. Auf dem freien Platz vor dem Eingangsportal der Villa hatte man Laubengänge aufgestellt, alle mit Grünpflanzen geschmückt, die sich, zu üppigen Spiralen gezüchtet, wie eine weiche, duftende Schlange um Säulen und kleine Pfeiler wanden und sich mählich verjüngten, bis sie mit den kleinen Verzierungen der Arkaden verschmolzen. Den Eingangsweg, der gewöhnlich zwischen schlichten Reihen von Weinstöcken verlief, säumten nun zwei Flügel aus herrlichen, blühenden Zierbeeten. Überall waren die Mauern mit grüner Farbe angestrichen worden, auf die man künstliche Fenster gemalt hatte; die nach den Anweisungen des Blumenmeisters perfekt gestutzten Wiesen kamen einer Liebkosung gleich und verlangten danach, mit bloßem Fuße erkundet zu werden.
Sodann vor dem Casino der Villa, dem eigentlichen Wohngebäude, angelangt, wurde man von dem wohltuenden Schatten und betäubenden Wohlgeruch einer großen, von Glyzinien umrankten Pergola empfangen, die ein ephemerer Bau aus festlich mit Blattgrün verkleideten Bögen...




