Neukirchen | Eine Winteraffäre | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

Neukirchen Eine Winteraffäre


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95865-125-8
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

ISBN: 978-3-95865-125-8
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Liebesgeschichte zwischen einem chinesischen Chi Gong Meister und einer Hamburger Werbetexterin. Clare, 39, erfolgreich im Beruf und gescheitert in der Ehe, begegnet bei ihrer esoterisch versierten Freundin dem Chinesen Xu Lin. Eine spontane Anziehung, ein zweites Treffen, dann reist Xu Lin ab, nach Schweden. Eigentlich ist der Chinese überhaupt nicht Clares Typ. Trotzdem entspinnt sich über mails eine Liebesgeschichte. Die Worte von Xu Lin berühren Clare leicht wie Schneeflocken und erhellen ihren Alltag zwischen novemberlichem Privatleben, Beerdigung, Familiengeschichten und Ärger in der Werbeagentur. Schnee wird zur gemeinsamen Sehnsuchtsmetapher bis die Idee auftaucht, einen Winterurlaub zu riskieren. In der Ferienwohnung kommen die beiden sich näher, so nahe, dass sie an ihre persönlichen Grenzen geraten.

Dorothea Neukirchen begann als Bühnenschauspielerin, spielte im deutschen und englischen Fernsehen, moderierte TV Magazine und war Nachrichtensprecherin. Als Regisseurin drehte sie Dokumentar- und Spielfilme, vom Kinderfilm bis zum Krimi und zur Komödie. Als Autorin schrieb sie lange für Kino, Fernsehen und Hörfunk, bevor sie sich der Buchform zuwandte. Weitere Bücher: 'Vor der Kamera - Camera Acting für Film und Fernsehen' und 'Sinkflug', ein Roman über Liebe und Trennung im Medienbusiness. 'Eine Winteraffäre' erscheint auch als Print-Ausgabe und Audio-Book im März 2013.

Neukirchen Eine Winteraffäre jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Zuerst sind es seine Augen, die sie faszinieren, dunkelbraune Augen, die selbstvergessen auf ihr ruhen. "Clare – das ist Xu Lin, unser Chi Gong Meister. Er kocht heute für uns, aber das habe ich dir ja schon erzählt“, sagt Ilona und lässt die beiden stehen, um den nächsten Gästen die Tür zu öffnen. Xu Lin hat ein Handtuch als Schürze umgebunden. Hinter ihm dampft es. Aber das scheint ihn im Moment nicht zu kümmern. Clare ist Blicke von solcher Intensität nicht gewöhnt. Ob er die Menschen immer so ansehe, fragt sie ihn spöttisch, um sich dem Sog zu entziehen. "Only those, who interest me exactly the way you do." Nur die, die mich genau auf die Weise interessieren, in der du mich interessierst. Das Lächeln, mit dem er seinen Satz begleitet, ist im Westen so selten wie das von Mona Lisa. Clare lächelt zurück und sagt sich, dass diese Art Lächeln in Asien wahrscheinlich Standard ist, überhaupt nichts Besonderes, schließlich kennt man es von jeder zweiten Buddha-Statue. Bleibt seine merkwürdige Formulierung. Sätze mit Widerhaken machen Clare neugierig. Das ist eine berufsbedingte Schwäche, sie ist Werbetexterin. "Und was genau ist das für eine Art, in der ich Sie interessiere?", fragt sie. "Sorry?" Er hebt entschuldigend die Hände. Ach so, er versteht kein Deutsch. Clare wechselt ins Englische und wiederholt ihre Frage. Da lacht er, als hätte sie einen hintergründigen Witz erzählt. Seine Augen blitzen. Hinter ihm beginnt es zu brodeln, irgendetwas droht überzukochen und Clare wird Zeuge einer schnellen Reaktion. Mit präzisem Griff hebt er den heißen Topf von der Platte, gerade noch rechtzeitig, bevor sich der aufgetürmte Schwall Reiswasser ergießen kann. Mit der freien Hand arrangiert er nun allerlei eng geschichtete Schüsselchen, Tiegelchen und Töpfe hin und her, um Platz für den heißen Topf zu schaffen. Offenbar versucht er der winzigen, zweiflammigen Junggesellenküche der erklärten Nichtköchin Ilona so etwas wie ein sechsgängiges Menu abzuringen. Unter Clares Augen wächst der Chinese in die Rolle eines Jongleurs. "Das verblüfft mich jetzt", sagt Clare, "ich dachte immer, Chi Gong Meister bewegen sich besonders langsam." Da lacht er wieder. Diesmal ist es ein geschmeicheltes Lachen. "Es gibt eine Zeit für Langsames und es gibt eine Zeit für Schnelles“, sagt er in seinem akzentgeprägten Englisch und macht gerade so viel von der Tischecke frei, wie er braucht, um eine Zwiebel kleinzuhacken, ohne dass das Brettchen ein Übergewicht kriegt. "Vermeide, was nicht im Einklang steht." Clare versteht nicht wirklich, was er damit meint. Aber vielleicht ist es gerade dieses Nicht-Verstehen, das sie in seinen Bann zieht. Seit dem plötzlichen Verschwinden ihres Ehemannes ist Clare fasziniert von Dingen, die sie nicht auf Anhieb begreift. Xu Lin stellt das Zwiebelbrettchen als dritte Etage auf zwei Töpfe und lässt Fett in einer Pfanne aus, nicht ohne sich mit einem Seitenblick Clares Aufmerksamkeit zu vergewissern. Er fordert sie mit einem charmanten Lächeln auf, wegzugehen oder sich zumindest umzudrehen. "Warum?" Wenn sie weiter zugucke, erfahre sie das Geheimnis seiner Soße. Und dieses Geheimnis hüte er seit seiner Studienzeit in Kalifornien. Nur wenige Menschen seines Vertrauens würden es kennen. "Dann kann ich ja bleiben, oder erwecke ich etwa kein Vertrauen?" Er lacht. "OK, aber erzähl es keinem weiter! Meine persönliche Mixtur besteht aus viel Asien und einer kleinen Prise Amerika." Er zaubert eine Flasche Ketchup aus seinem Rucksack. Nun ist es an Clare zu lachen. Er habe an der UCLA Physik und Mathematik studiert, erzählt er, während er die Soße mit Ketchup abschmeckt. Das Interessante dabei sei, wie er durch die Ergebnisse westlicher Wissenschaft zurück zum uralten chinesischen Wissen von der Einheit aller Dinge geführt worden sei. Die Entdeckung des universellen Wirkungsquantums habe ja durchaus einen Zug von Ganzheit bei atomistischen Prozessen enthüllt, welcher der im Westen entwickelten mechanischen Naturvorstellung fremd sei. - Ob er sie langweile? "Nein, nein, überhaupt nicht." Sie sei zwar in Mathematik eine Niete gewesen, aber das habe sie nicht davon abgehalten, später alle möglichen Artikel über Chaostheorie, Unschärferelationen und Paradigmenwechsel zu sammeln. Sie erinnert sich an das Beispiel vom Schmetterling, vom leichten Flügelschlag, der angeblich auf der anderen Seite der Erde einen Tornado auslösen könne. Er scheint das für plausibel zu halten, denn er nickt, während er mit großer Konzentration fünf Löffel Pilzwasser über dem Reis verteilt. Clare stellt verwundert fest, dass ihre Müdigkeit nach dem zähen Arbeitstag in der Agentur einem beschwingten Gefühl von Leichtigkeit gewichen ist. Er passt nicht in ihr Beuteschema, überhaupt nicht. Er ist klein, fragil, beinahe mädchenhaft, wäre da nicht etwas Stählernes unter der Oberfläche. Außerdem ist er ziemlich alt, vielleicht fünfzig, oder älter? Schwer zu schätzen. Weißliche Haare fallen in sanftem Bogen auf seine Schultern. Gepflegte Haare. Er sieht proper aus. Aber ein Chinese?! Clare gehört nicht zu denen, die für Asiatisches schwärmen. Sie isst nicht einmal gerne chinesisch. Nein, das ist kein Mann für sie. Warum dreht er sich ausgerechnet jetzt zu ihr um? Kann er Gedanken lesen? Was für eine blöde Angewohnheit, alle Männer auf ihre Beziehungstauglichkeit hin zu scannen. Andererseits, machen Männer so etwas nicht auch? Wie sie sich wohl aus seiner Sicht ausnimmt? Hübsches Gesicht, glatte blonde Haare, schlank, etwas zu groß, zumindest für ihn, edel- lässige Designerkleidung... Nein, von Designerkleidung versteht er wahrscheinlich nichts. Seine graue Bügelfaltenhose sieht verdächtig nach C&A aus. "Ich gehe jetzt zu den anderen" sagt sie, um einen Schlusspunkt unter ihre müßigen Überlegungen zu setzen und fragt, ob sie schon etwas mitnehmen kann. "If you can wait." Natürlich kann sie warten. Sie hat ja nichts weiter vor. Sie ist bei Ilona zum Essen eingeladen. Oder bei ihm? Ilona hat ihr das Arrangement am Telefon eingehend erklärt, aber Clare hat nicht richtig hingehört, sie hatte ein Gespräch auf der anderen Leitung. Egal, jedenfalls ist sie jetzt hier und sie hat auch nichts anderes vor für den Abend, also kann sie warten. Warum hat sie das Gefühl, dass er sie testet? An seinem Blick kann es diesmal nicht liegen, denn er wendet ihr den Rücken zu. Trotzdem ist ihr, als bräche der schlichte Satz "Wenn du warten kannst" durch die oberste Bedeutungsschicht wie durch dünnes Glas. "Here you are!" Er reicht ihr eine Schüssel und berührt dabei ihre Hand. Zufällig, oder ist es Absicht? Die Berührung ist so leicht, dass Clare sie als Zufall abtun könnte. Doch sie tut die Berührung nicht ab, sondern spürt sie und begegnet seinem Blick. Da eröffnet sich ein taubenfüßiges Reich der Möglichkeiten, ganz unvermutet und gegen alle Wahrscheinlichkeit. Nur für einen Moment, für einen schwebenden, flüchtigen Moment. Allzu flüchtig, denkt sie später, als sie am Esstisch sitzen und Ilona bedauert, dass Xu Lin´s Hamburger Zeit sich dem Ende nähert. "Oh“, sagt Clare, "wann denn?" "In drei Tagen. Er will unbedingt nach Schweden." "Was denn, in dieser grässlich dunklen Jahreszeit noch weiter in den Norden, wie kann man nur!?", ruft Clare und löst einen fröhlichen Tumult allgemeiner Zustimmung aus. Damit ist es ihr wieder einmal gelungen, ihre Gefühle in aller Offenheit auszudrücken und sie gleichzeitig zu verbergen. Es ist ihr Trick, sich hinter weithin geteilten Meinungen zu verschanzen, in diesem Fall hinter der allgemeinen Angst vor Hamburger Nieseltagen und dem unweigerlich näher rückenden Weihnachtsfest. Nun überschlägt es sich. Schon im Oktober wurden erste Lichterketten und Lebkuchen gesichtet. Ach was Oktober, schon im September! Das sei unanständig. Bald werde man schon im Juli damit überfallen. Eine Welle sprudelnder Einigkeit löst die Reste von Steifheit auf, mit der zuvor über Politik diskutiert wurde. Man genießt es, sich über Zustände zu erregen, die nicht wirklich wehtun. Man prostet sich zu und verspricht, sich mit Einladungen zu Grünkohl und Pinkel gegen den grauslichen Winter zu wappnen, da ruft Cora in einer Lautstärke, mit der sie alle Aufmerksamkeit auf sich zieht: "Ich weiß gar nicht, was ihr habt, ich finde Weihnachten schön!" "Ja, wenn man kleine Kinder hat, so wie du!" "Ohne Kinder ist Weihnachten doof." "Es müssen ja nicht die eigenen Kinder sein!" ruft Clemens und erzählt, wie viel Spaß es ihm letztes Jahr gemacht hat, für seine kleine Nichte den Nikolaus zu spielen. Plötzlich weiß jeder etwas Positives, etwas Herz erwärmendes. Nur Clare wird schweigsam. Sie versinkt in dem Abgrund, in den ihre Zukunftspläne gefallen sind, als Björn verschwand. Sie sinnt darüber nach, ob es leichter oder noch schlimmer gewesen wäre, wenn sie ein Kind gehabt hätten. Xu Lin, der sich nicht an der Debatte beteiligt, weil seine Kindheit ohne Weihnachtsbrauchtum vonstattenging, bemerkt Clares Stimmungsumschwung. Er wirft eine samtene Stimme nach ihr aus. Er liebe das Licht, sagt er und wartet ab, bis sein Satz Wellen zieht in Clares Bewusstsein, bevor er fortfährt. Das hindere ihn allerdings nicht daran, auch die Schönheit des Dunkels zu schätzen. Clare ist dankbar für die Ablenkung. "Gehen sie deshalb nach Schweden?" "In gewisser...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.