Nievo | Am Ufer des Varmo | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Nievo Am Ufer des Varmo

Dorfgeschichten
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-99037-042-1
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Dorfgeschichten

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

ISBN: 978-3-99037-042-1
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die Wiederentdeckung des bedeutendsten italienischen Romantikers In seinen Dorfgeschichten, den Novelle paesane, beschreibt Ippolito Nievo die herbe Schönheit Friauls und stellt dem idyllischen Leben auf dem Lande die Dekadenz des Adels gegenüber. Er erzählt von der Lebensgeschichte zweier Müllerskinder und ihren wilden Spielen am Flussufer des Varmo; von einem beherzten Mädchen auf der Reise zu ihrem cholerakranken Bruder nach Brescia oder von zwei Liebenden, die am Hochmut eines italienischen Felix Krull fast zerbrechen.

Ippolito Nievo, geboren 1831 in Padua, gestorben 1861 bei einem Schiffsunglück. Jurastudium in Padua, dann u. a. Journalist. 1865 Gerichtsprozess wegen der Erzählung L'Avvocatino. 1855 begann er sein Meisterwerk Le confessioni d'un italiano, das 1867 postum erschien. Ab 1859 nahm er am Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg teil und gehörte an der Seite Garibaldis zum berühmten 'Zug der Tausend'.

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Am Ufer des Varmo
Für Francesco Verzegnassi Die Bilder, die vom Gefühl vervielfacht werden und sich der Seele in Stunden des Friedens und der Güte einprägen, bevölkern mit ihren verschiedenen Phantasmen den Schrein des Herzens. Diese Erzählung, die sich an den Erinnerungen eines Spaziergangs inspiriert, den wir, die wir in Bezug auf unsere Werke und auf unsere Bildung so verschieden sind, gemeinsam unternahmen, bleibe bestehen: als Pfand der Freundschaft und der geistigen Übereinstimmung. I.
Jedes noch so schlichte und spröde natürliche Gebilde vermittelt dem kundigen Betrachter eine einzigartige Poesie, und seine flüchtigen und zarten Schönheiten offenbaren sich umso mehr, je weniger offenkundig und augenscheinlich sie sind. Wenn ein Reisender den üppigen Landstrich um Treviso verlässt und nach dem Ponte della Delizia abbiegt und mit dem Trugbild des Reichtums vor Augen durch die karge Ebene, die vom Flussbett des Tagliamento ausgefüllt wird, nach Camino weiterwandert, sehnt er sich sofort nach den schwarzen Äckern von Oderzo und den laubreichen Hügeln um Conegliano zurück und würde die Kieswüste gern dem Pfeifen der Bora und den Wolkenbrüchen überlassen. Der Maler auf Schusters Rappen jedoch mit dem Ranzen auf dem Rücken und der Kunst im Herzen fühlte sich, selbst wenn er gerade aus Neapel oder der Schweiz käme, versucht, weiterzugehen; und tatsächlich würde er alsbald beinahe unwillkürlich stehen bleiben; umsonst allerdings, denn keine Palette wäre imstande, diese ursprüngliche Einfachheit, die mit keiner künstlichen zu vergleichen ist, wiederzugeben. Das sind die Landschaften, wo die Natur sich karg und majestätisch, stumm und erhaben, verschlossen und unendlich darstellt, wie die griechische Göttin Diana, die sich auf ihrem Weg vom Olymp in die Grotte einer Quelle nicht weniger stolz und göttlich zeigt. Nichts auf dieser Welt wird von diesem schimmernden Horizont übertroffen, der sich am Ufer des Tagliamento in tausend verschiedenen Schattierungen in der Unendlichkeit verliert, von den vielen Rinnsalen, die das breite Kiesbett wie ein Netz durchziehen und sich bei Sonnenuntergang in bebendes Silber verwandeln, wobei jedes Steinchen und jede sich kräuselnde Welle ein eigenes Licht verströmt, so wie jeder Stern im Blau der Nacht sein eigenes Licht entzündet, und die Wiesen ringsherum sich in gleicher Weise ausbreiten wie der Himmel sich in die Höhe wölbt; und die Türme der spärlichen Dörfer sich im Licht des Sonnenuntergangs hintereinander aufreihen, während ein Glockengebimmel herüberdringt, das aufgrund der Weite der Ebene und der Entfernung derart leise ist, dass man einen Chor von weder irdischen noch himmlischen Stimmen zu vernehmen glaubt, in dem sich die Gebete der Menschen auf geheimnisvolle Weise mit den Segenssprüchen der Engel vermischen. So erstirbt die ruhige Sonne, und die schneebedeckten Gipfel der fernen Alpenkette tauchen deren Kuss in ein jungfräuliches Licht, während die tiefer liegenden Hänge, die Ebene und die Luft dazwischen in einem Licht erstrahlen, das nur der Pinsel Gottes jemals wahrhaftig wird darstellen können. Dennoch hält dieser Landstrich nur Unfruchtbarkeit und Mühsal bereit, die Bäume sind krumm und zerzaust, bescheiden und baufällig sind die Häuser, schmucklos die Kirchen, armselig und wie zufällig zusammengewürfelt die Dörfer; aber über der offenkundigen Hässlichkeit liegt unsichtbar eine gewisse Atmosphäre des Friedens und der Heiterkeit, die üppigeren und fruchtbareren Landschaften oft fehlt und direkt zum Geist spricht, ohne den Umweg über die Augen zu nehmen. Denn bei jedem Schritt offenbaren sich im hellen Kies klare und ewige Quellen und hinter der schütteren Hecke dringt ein umso köstlicherer Veilchenduft hervor, und in der gesunden und klaren Luft liegt von morgens bis abends der fröhliche Gesang der Nachtigallen; hier grasen Herden mit kurzen und zarten Gliedern, die vor den vollen Futterkrippen der Ebene muhend zugrunde gehen würden; hier leben kräftige, einfache, ruhige Menschen, die in der harten und undankbaren Erde Wurzeln geschlagen haben und ihr zärtlich verbunden sind; hier gedeiht zwischen den Furchen die knotige, kümmerliche Ulme, und der Weinstock, dessen Trauben jahrelang den großzügigsten Wein des Friaul gegeben haben, rankt sich langsam an ihr empor; und jetzt stehen die beiden da wie zwei alte Eltern, die sich in stummer Trauer um den Verlust des einzigen Sohnes umarmen; und hier schließlich ist der üppige Maulbeerbaum tief in der Erde verwurzelt, allem zum Trotz, und wie durch ein Wunder steht er gerade und strahlend da und schmückt sich im Frühling mit den zarten, geäderten, glatten Blättern, aus denen Natur und Kunst die schönste Seide der Welt spinnen. Mitten in diesem Gebiet entspringt aus mehreren Quellen, die sich vielleicht aus unterirdischen Kanälen des nahen Tagliamento nähren, ein lieblicher Fluss namens Varmo, der hübsch und heiter anzusehen ist wie eine Waldnymphe, die von ihrer Anmut weder etwas weiß, noch sich um sie kümmert. Anders als bei Flüssen, die zur Bewässerung der Äcker genutzt werden, gibt es am Ufer weder Verzierungen noch Wälle, weder verdunkelt er sich unter Brückenbogen noch verliert er sich in den Kanälen einer Fabrik, sondern er fließt frei durch Felder und Wiesen, verzweigt sich zuweilen in mehrere Arme, um sich selbst zu umschlingen, und so bildet er Tümpel und kleine Teiche für Schnepfen und Enten; dann lässt er sich von einer Schlucht einsperren, als wäre er der Freiheit überdrüssig, aus der er gurgelnd wieder hervorbricht, um sich zwischen grünen Weidenwäldchen zu verbreiten, und wenn hin und wieder der Schatten eines Steges aus tonhaltiger Erde auf ihn fällt, macht er ihn sich zunutze, um den Fröschen und den Krebsen darunter ein undurchsichtiges Nest zu bauen, und wenn er hin und wieder über das Mühlrad stolpert, scheint er diese Abwechslung sogar zu genießen und es fröhlich zu drehen, und sich dabei in Form schillernder Tropfen oder wie ein Diamantregen zu zerstäuben. Erst seit wenigen Jahren spannen zwei Gemeindestraßen einen fünf Meter langen Bogen über das ruhige Wasser des Varmo; aber sie haben nur geringen Schaden angerichtet, und das stille Wasser hat sich gerächt, indem es im Herbst vor einigen Jahren die beiden Brücken gezwungen hat, einen grotesken Kniefall vor ihm zu machen; die Brücken wurden erneuert, aber etwas höher, sodass der schlaue Fluss etwas mehr Luft zum Atmen hatte, die Gemeinde brachte die ersten Kosten auf, und die Ingenieure jubelten. Gewiss, wenn der Gemeinderat von Anfang an davon überzeugt gewesen wäre, dass er dem aufmüpfigen Bastard des Tagliamento Gewalt antat, indem er ihm dieses leichte Joch auferlegte, hätte man die Furt einfach so gelassen, wie sie war, aber zu ihrem Glück hatten die Ratsherren nie einen Blick in den Spiegel der von Satyren bewohnten Wasser geworfen, noch hatten sie auf seinem vielfärbigen Grund die langen Büschel der in der Strömung wogenden, schwarzgrün gestreiften Algen gesehen, noch die orangenen Narzissenblätter, noch das schattige, samtartige Moos, weshalb in ihren von jeder Poesie befreiten Gehirnen auch nie die Angst aufkeimte, man könne eine Nymphe in ihrem Unterschlupf aufscheuchen, und so wurde der Übergriff begangen, den sie nun von Generation zu Generation büßen. Dennoch legte der Fluss aufgrund der Frechheit seiner Meister nie seine Unverschämtheit ab. In seinem leuchtenden Schoß haben in weniger bunten und fantastischen Grotten sanfte Aale und goldene Nattern ihr Reich errichtet. II.
Allen diesen wunderbaren Schönheiten, die wir hier flüchtig aufgezählt haben, zollte der Varmo auf seinem Weg durch das armselige Dörfchen Glaunico freundlich Respekt; tatsächlich mangelt es in dieser Gegend nicht an Labyrinthen, Bächen, funkelnden Teichen und Grotten; und ebenso ist der Fischfang hier auch ertragreicher als an anderen Stellen des Flusslaufs; sogar während der Fasttage isst jede Familie zusätzlich zur Polenta mindestens einen Aal und bringt den Rest in einem Korb zum Verkauf in die Nachbarhäuser, sodass am Ende des Jahres der Ertrag den Zeitverlust und den Verschleiß der Netze wettmacht. Das Dorf ist, wie man sieht, weit davon entfernt, im Überfluss zu schwimmen, deshalb hat es den Entschluss gefasst, sich so zu zeigen, wie das Schicksal es gemacht hat, und selbst die Straßen sind so holprig und gefährlich, dass man beim ersten Schritt schon ahnt, in welch armseliges Dorf sie führen; außerdem sieht man schon in einer Meile Entfernung über den spärlichen Reihen der Weinstöcke die Strohdächer und die kaputten Schornsteine und den halb eingestürzten kleinen Campanile; wer an die Schwelle dieses armseligen Dorfes tritt und Buße für eine große Sünde leisten möchte, könnte fröhlich ausrufen: „Oh Gott, ich danke dir.“ Allerdings...


Ippolito Nievo, geboren 1831 in Padua, gestorben 1861 bei einem Schiffsunglück. Jurastudium in Padua, dann u. a. Journalist. 1865 Gerichtsprozess wegen der Erzählung L'Avvocatino. 1855 begann er sein Meisterwerk Le confessioni d'un italiano, das 1867 postum erschien. Ab 1859 nahm er am Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg teil und gehörte an der Seite Garibaldis zum berühmten "Zug der Tausend".



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