O'Connell | Ein Ort zum Sterben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten

Reihe: Die Mallory-Serie

O'Connell Ein Ort zum Sterben

Thriller
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-641-04677-4
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten

Reihe: Die Mallory-Serie

ISBN: 978-3-641-04677-4
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der furiose Auftakt einer furiosen Krimiserie
In einem Abrisshaus in Manhattan wird Pearl Whitman ermordet aufgefunden. Die Leiche der alten Frau ist grausam entstellt, die eine Brust ist völlig verstümmelt - das 'Markenzeichen' eines Mörders, der vorher schon zweimal zugeschlagen hat und sich immer an wohlhabende Damen hält. Kurz darauf fällt ihm auch ein kräftiger Mann zum Opfer: Louis Markowitz, Polizist in einem Team, das damit beauftragt war, die Mordserie aufzuklären. Sein Tod lässt Kathleen Mallory, die eigentlich als hochqualifizierte Computerspezialistin im Innendienst tätig ist, nicht ruhen. Obwohl sie eher menschenscheu ist und die einsame Arbeit am Bildschirm vorzieht, entschließt sie sich, ihr Büro zu verlassen und sich unter Menschen zu begeben. Denn Louis Markowitz war ihr Adoptivvater. Und um seinen Mörder zu finden, ist ihr jedes Mittel recht ...

Carol O'Connell, geboren 1947, lebt in New York. Sie ist die Autorin mehrerer Bestseller und schuf mit Kathleen Mallory eine der originellsten und bestechendsten Detektivfiguren in der Kriminalliteratur. Nach ihrem Kunststudium stellte Carol O'Connell jahrelang surrealistische Gemälde in Cafés aus und finanzierte ihren Unterhalt mit Gelegenheitsjobs, bevor sie sich 1995 mit ihrem Debütroman 'Ein Ort zum Sterben' in die Spitzenriege der Krimiautorinnen schrieb.
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1
Strähniges Haar fiel dem Jungen über ein Auge, das andere glänzte wie im Fieber. Das schmutzig graue T-Shirt hatte gelblich braune Schweißflecken unter den Armen. Durch die verwaschenen, abgewetzten Jeans hindurch sah man knochige Knie, als er erneut an den Verschlag des Pfandleihers herantrat.
Der Alte, durch Maschendraht und Glas gesichert, hatte nur eine Sorge: dass sein Blick Schock und Schmerz verraten könnte. Unter gesenkten Lidern sah er sich noch einmal an, was der Junge ihm gebracht hatte.
Vom Polizeirevier bis zu seinem Laden waren es nur ein paar Minuten. Wie viel Zeit mochte vergangen sein? Wo steckte Kathy? War es richtig gewesen, sie zu verständigen? Mit zitternder Hand fuhr der Alte sich übers Gesicht. Was mochte der Junge sich denken, wenn er sein Zittern, seine Tränen sah?
»Was machste so lange rum, Alter?«, fragte der Junge. »Gold is Gold.«
Nicht in diesem Fall.
In der Taschenuhr stand der Name von Louis Markowitz’ Großvater. Und aus den Initialen auf der Innenseite des schweren Goldreifs ersah der Alte, dass dies der Trauring war, den Helen einst ihrem Louis an den Finger gesteckt hatte. Er war selbst bei der Hochzeit gewesen. Und hatte zwanzig Jahre später mit Louis und Kathy an Helens Grab gestanden. Uhr und Ring bedeuteten für Louis mehr als Gold. Freiwillig hätte er sich von beidem nie getrennt.
Der Junge drückte sich noch einen Augenblick vor dem Verschlag herum, dann lief er quer durchs Zimmer, machte einen Satz, hob vom Boden ab. Wie mager er war, nur Haut und Knochen, getrieben von manischer Energie, schweißüberströmt der hagere Körper, fiebernd das Hirn, nach Geld gierend, um sich den Zauberstoff in die Vene zu pumpen und davonzufliegen.
Ein leises Klopfen an der Scheibe. Kathy Mallory war da. Der Alte betätigte den Türöffner. Langsam pirschte sie sich an. Lange Hosen an den schlanken Beinen, schwarzer Blazer über T-Shirt und Revolver. Alles, was ihm an Komplimenten einfiel, hatte mit hartem, edlem Material zu tun: die Augen kalte grüne Edelsteine in einer Elfenbeinfassung, das Haar eine Aureole aus Gold.
Einen Lidschlag später hatte sie sich den Jungen geschnappt. Es war, als sei sie aus der Lichtbahn am Fenster verschwunden und wie durch Zauberhand hinter ihm, am anderen Ende des Zimmers, wieder aufgetaucht. Ihre Lippen öffneten sich, zwischen den Zähnen kam die Zungenspitze zum Vorschein. Vielleicht lag es an seinen alten Augen, vielleicht war es auch Einbildung – jedenfalls hatte er den Eindruck, als koste sie diesen Moment genüsslich aus. Die Hände waren erhoben, zu Klauen gekrümmt.
Der Junge wandte sich um. Er hatte sie noch nicht richtig wahrgenommen, als sie ihm schon einen Arm auf den Rücken gedreht hatte und ihn gegen die Wand stieß. Der Junge schrie auf vor Schmerz und Angst. Er wirkte jetzt jünger, ein Kind mit verstörten Augen, das sich einem Monster aus bösen Knabenträumen gegenübersieht. Das darf nicht wahr sein, sagte sein Blick.
Woher hast du die Uhr?, fragte sie und stieß ihn erneut gegen die Wand. Woher? Ihre Stimme hatte sich nicht gehoben, aber sie hatte Haarbüschel in der Hand, als sie die Frage wiederholte, weil keine Antwort gekommen war.
Schlaflose Nächte hatten Jack Coffey an den Rand des Zusammenbruchs getrieben. Gebetsmühlenartig drehte sich eine Frage in seinem Kopf: Warum nur war Markowitz allein hineingegangen? Warum?
Verdammt, der Mann hatte dreißig Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel, war als Cop mit allen Wassern gewaschen, kannte sich aus. Blutige Anfänger, Rotzjungen, die noch nicht trocken hinter den Ohren waren, benahmen sich nicht so dämlich, gaben besser acht auf ihr Leben.
Lieutenant Jack Coffey hatte sich das Jackett über einen Arm gehängt. Die feuchten Stellen auf dem gestreiften Hemd waren um das Schulterhalfter herum am dunkelsten. Das schmale, sonnengebräunte Gesicht war schlaff und müde, die Augen waren verquollen.
Dabei hatte er sich eben selber wie ein blutiger Anfänger benommen. Hätte er mal wieder eine Nacht durchschlafen können, wäre ihm das wahrscheinlich nicht passiert. Aus dem Haus gerast war er, als sei der Leibhaftige hinter ihm her, und hatte seine letzte Mahlzeit auf den Gehsteig gekotzt. Jetzt knickten ihm auch noch die Knie ein. Rasch, Lässigkeit vortäuschend, lehnte er sich an einen der Einsatzwagen.
Die Straße stand voller Polizeifahrzeuge, auch ein paar nicht gekennzeichnete Wagen der Kriminalpolizei waren dabei. Die hinteren Türen des Leichenautos standen weit offen. Die beiden Sanitäter drückten ihre Zigaretten aus und gingen zurück ins Haus. Keine Macht der Welt hätte Jack Coffey da wieder hineingebracht – allenfalls die Vorstellung, sich vor Kate Mallory zu blamieren.
Eine Sirene durchschnitt jammernd wie der Schrei einer Frau die lastende Schwüle der Luft. Da hatte doch tatsächlich irgendein Trottel einen Krankenwagen gerufen! Mit einem Affenzahn kam der jetzt auf sie zugerast, als gäbe es noch Hoffnung für Louis Markowitz. Dabei war der Mann seit zwei Tagen tot.
Was für ein Ort zum Sterben! Die Fenster des sechsstöckigen Gebäudes waren wie schwarze Löcher. Brocken der einst prunkvollen Fassade lagen auf dem Gehsteig herum. In den letzten Wochen hatte das verlassene Mietshaus im East Village als Crackbude gedient. Man konnte die Spuren der Junkies vom Gehsteig bis zur Tür verfolgen.
Der Wagen federte, als ein zweiter, schwererer Mann sich an den Kotflügel lehnte.
»Hallo, Coffey.« Harry Blakely, Chef der Kriminalpolizei, zwanzig Jahre älter und vierzig Pfund schwerer als Coffey, hatte graues Haar und rot geäderte Alkoholikeraugen.
Coffey nickte ihm zu. »Hat Riker Sie informiert?«
»Soweit er konnte. Derselbe Täter?«
»Nach den Verletzungen sieht’s so aus.«
»Mein Gott«, sagte Blakely. Obwohl es nicht sehr wahrscheinlich war, dass der liebe Gott sich in diesen Winkel von Lower Manhattan verirren würde, schielte er, während er sich mit dem Taschentuch übers Gesicht fuhr, nach oben, wo hinter der bröckelnden Backsteinfassade der Himmel zu vermuten war. »Haben wir schon einen vorläufigen Befund?«
»Ja, aber der ist mit Vorsicht zu genießen. Slope ist noch nicht da. Die Spurensicherung meint, sie könnten vor vierzig bis fünfzig Stunden gestorben sein.«
»Ist die Frau identifiziert?«
»Miss Pearl Whitman, fünfundsiebzig. Wohnhaft Gramercy Park. Wie die beiden anderen.«
»Oh, verdammt! Ihnen sagt der Name nichts, was? Pearl Whitman von Whitman Chemicals. Haben Sie eine Ahnung, wieviel die wert ist?«
Typisch für Chief Blakely. In Vermögensverhältnissen und Kreditlinien kannte er sich aus.
»Die haben uns gerade noch gefehlt.« Blakely deutete mit einer ärgerlichen Kopfbewegung zu einem Kombi mit dem Logo eines TV-Nachrichtensenders hinüber und machte einem der Polizisten ein Zeichen. Der dirigierte den mit Reportern und Kameraleuten besetzten Wagen rasch vom Tatort weg. »Die reinsten Schakale. Riechen das Blut kilometerweit.«
Jack Coffey schloss die Augen, aber das nützte nichts. Auf der Innenseite der Lider sah er die Schlagzeile der Post: »Dritter Mord des Unsichtbaren«. Bei der Konkurrenz hieß er einfach der Ladykiller, aber der Touch des Übersinnlich-Geheimnisvollen kam bei den Lesern besser an.
Die erste alte Dame war am helllichten Tag in dem kleinen Park am Gramercy Square umgebracht worden. Es gab genug Fenster, die auf den Park hinausgingen, genug Spaziergänger, die auf den Parkbänken herumsaßen, genug Passanten, die den Mord an Anne Cathery hätten beobachten können, aber kein einziger Zeuge hatte sich gemeldet. Unbemerkt von den dickfelligen New Yorkern hatte die Leiche im Gebüsch gelegen. Erst durch die Fliegen war in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages ein Anwohner auf sie aufmerksam geworden.
Das zweite Opfer, Estelle Gaynor, war ebenfalls am Gramercy Square gefunden worden. Pearl Whitmans Tod in einer heruntergekommenen Gegend von Manhattan – was geografisch gesehen nur zwanzig Blocks weiter südlich war, von der sozialen Lage her aber wie auf einem anderen Kontinent – durchbrach dieses Muster. Und diesmal hatte es – auch das eine signifikante Abweichung – außerdem einen Cop erwischt. Keinen Geringeren als den Leiter der Sonderkommission für Gewaltverbrechen.
Harry Blakely zündete sich eine billige Zigarre an, und Coffey biss sich auf die Unterlippe, um das trockene Würgen zurückzudrängen, das ihm schon wieder zu schaffen machte.
»Wie hat der Täter die alte Dame wohl hierhergelockt? Was meinen Sie, Coffey?«
»Er muss einen Wagen gehabt haben.« Der dienstliche Teil seines Gehirns war auf Autopilot gestellt, während er sich auf das Grummeln in seinen Gedärmen konzentrierte. »Wahrscheinlich hat er sie sich am Gramercy Park geschnappt. Reiche alte Damen pflegen in dieser Gegend hier nicht spazierenzugehen.«
Blakely lächelte. »Er hat also einen Wagen. Das ist immerhin schon mehr, als wir gestern wussten. Somit ist Markowitz doch kein Totalverlust.«
Was kriegte einer, der den Kripochef k. o. schlug? Freibier für den Rest seines Lebens. Aber keine Pension.
»Sie sind der Dienstälteste im Dezernat, Coffey. Wenn Sie sich bewähren, sind Sie noch vor Jahresende Captain. Der Fall gehört Ihnen.«
Na wunderbar. Und wer sollte das Mallory klarmachen?
Coffey hatte die lange schwarze Limousine im Blick, die jetzt am Gehsteig hielt, aber er nahm sie gar nicht richtig wahr, begriff nicht gleich, dass es der Wagen von Police Commissioner Beale...


O'Connell, Carol
Carol O'Connell, geboren 1947, lebt in New York. Sie ist die Autorin mehrerer Bestseller und schuf mit Kathleen Mallory eine der originellsten und bestechendsten Detektivfiguren in der Kriminalliteratur. Nach ihrem Kunststudium stellte Carol O'Connell jahrelang surrealistische Gemälde in Cafés aus und finanzierte ihren Unterhalt mit Gelegenheitsjobs, bevor sie sich 1995 mit ihrem Debütroman "Ein Ort zum Sterben" in die Spitzenriege der Krimiautorinnen schrieb.

Orth-Guttmann, Renate
Renate Orth-Guttmann (geb. 1935) studierte Anglistik und Slawistik und übersetzt seit nunmehr über fünf Jahrzehnten Belletristik und Klassiker, für den Manesse Verlag u.a. Edith Wharton, DuBose Heyward oder Halide Edip Adivar. 1989 erhielt sie den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis.



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