E-Book, Deutsch, 296 Seiten
Pautsch Der Bruch
2. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-2888-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 296 Seiten
ISBN: 978-3-7448-2888-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Klaus wird den Bruch machen, das weiß ich. "Wenn du eine Sache anfängst, musst du sie auch durchziehen!" Seine Worte. Er sagt diesen Satz oft und meint es ernst. Denn mein Vater meint immer alles völlig ernst. Johannes ist fast sechzehn, als eine ganze Menge gleichzeitig passiert. Plötzlich ist Klaus wieder da. Der saß nämlich jahrelang im Knast, da war Sendepause. Jetzt verbringt Johannes fast jede freie Minute mit seinem Vater. Denn Klaus ist cool, so ganz anders als seine Mutter und der Wolf, sein Stiefvater. Klaus packt das Leben an. Er tut, was er sagt. Und er nimmt Johannes ernst. Auch wenn er manchmal von jetzt auf gleich völlig ausrastet - auf Klaus ist Verlass. Doch ab und zu kommen Johannes Zweifel. Warum spricht sein Vater nie darüber, weshalb er im Gefängnis war? Macht er immer noch krumme Geschäfte? Und was verbirgt sich in dem Zimmer, das für Johannes tabu ist? Klaus spielt doch nicht mit seinem Vertrauen, oder? Dann verliebt sich Johannes zum ersten Mal - und seine ganze Familie fliegt ihm um die Ohren. Der Bruch - Ausbruch, Abbruch, Umbruch, Aufbruch
Oliver Pautsch, 1965 in Hilden geboren, lernte in Solingen laufen, ging in Hilden zur Schule und studierte in Düsseldorf. Er wohnte und arbeitete lange Jahre in Köln. Heute lebt der Autor mit seiner Frau und drei Kindern wieder in Hilden. Wenn er behauptet, die Region besser als den Inhalt seiner Schreibtischschublade zu kennen, kann man ihm ruhig Glauben schenken. Der Autor hat in der Region viele Jahre lang Klaviere und Flügel transportiert. Das tut er noch heute manchmal - falls er nicht gerade Romane oder Drehbücher schreibt. Sein Motto lautet:"Hauptsache, es bleibt spannend!" Der Autor freut sich über einen Besuch seiner Heimseite: www.pautsch.net
Autoren/Hrsg.
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10.
»Was habt ihr denn vor?«, fragt Acki. »Ehrlich keine Ahnung, Alter«, antworte ich. »Er hat nur gesagt, dass er ’ne kleine Spritztour machen will.« Bei dem merkwürdig altmodischen Wort »Spritztour« hebt Acki die Augenbrauen. Ich zucke nur mit den Achseln. Klaus redet eben manchmal so. Der letzte Gong ertönt und wir werden vom Strom der anderen durch die engen Aluminiumtüren auf den Schulhof gedrückt. »Bis später«, sage ich. »See ya!« Acki klopft mir auf die Schulter und biegt Richtung Fahrradständer ab. Ich weiß, dass er enttäuscht ist, denn eigentlich haten wir was anderes vor. Er hat einen neuen Basketball bekommen. Ein richtig gutes NBA-Teil von Spalding, mit dem wir nachmittags ein paar Körbe werfen wollten. Aber irgendwie hate Klaus so geklungen, als sollte ich den Trip auf keinen Fall ablehnen. Als ich fast über den gesamten Schulhof marschiert bin, ohne Klaus zu sehen, kapiere ich, wieso ich auf keinen Fall ablehnen durfte. Zuerst schimmert nur ein giftiges Grün durch die Schüler. Es sind mindestens zwanzig, die in einem dichten Pulk um etwas herumstehen, was sich erst auf den zweiten Blick als ein alter Porsche herausstellt. Die Kiste muss mindestens dreißig Jahre alt sein. Knallgrün und wie aus dem Ei gepellt steht der Flitzer mitten auf dem Schulhof. Das kann nur Klaus sein, denke ich. Denn sonst wäre wohl kaum jemand so frech, sich mitten auf das verbotene Gelände zu stellen, und dazu noch so zu parken, dass gleich drei der freien Lehrerparkplätze blockiert werden. Ich dränge mich durch die Schüler, auch ein paar Mädels stehen mit dabei, sehe durch das offene Fahrerfenster und: richtig! Klaus grinst mich an. »Wartest du schon lange?«, frage ich. »Ein Profi kommt immer zwanzig Minuten früher«, sagt er und grinst dermaßen cool hinter seiner Sonnenbrille hervor, dass ein Mädchen, ich glaube sie heißt Dörte oder so, aufgeregt zu kichern beginnt. Wir begrüßen uns wie immer mit dem »Checker« – seine geschlossene rechte Faust trifft meine ganz selbstverständlich durch das Fenster. Ich ignoriere die leisen Sprüche der anderen. Hinter zwei Jungs erkenne ich Cora. Sie ist die Schönheit, die bisher nur ein einziges Mal von mir Notiz genommen hat. Obwohl wir in der gleichen Stufe sind, spielen wir absolut nicht in der gleichen Liga. Doch nun späht sie über den Rand ihrer Sonnenbrille und lächelt mich tatsächlich mit einen angedeuteten Nicken an. Ich nicke zurück, darauf konzentriert, nicht ZU erfreut zu grinsen. Dann steige ich auf der Beifahrerseite ein, als wäre ich es gewohnt, im Porsche von der Schule abgeholt zu werden. »Überraschung gelungen?«, fragt Klaus, als er das Fenster hochgekurbelt hat. Ich zucke betont lässig mit den Schultern. »Okay« »Was heißt hier ›okay‹, du obercooler Lahmarsch! Du hast doch gesagt ›Porsche‹«, kommt es zurück. Seine Stirn runzelt sich ärgerlich über der Sonnenbrille, die aus der gleichen Zeit zu sein scheint wie der Wagen. Überhaupt sieht Klaus aus, als würde er in einem alten Film mitspielen. Er trägt ein weißes Shirt mit Rollkragen unter einer hellbraunen Lederjacke, die ihn aussehen lässt wie einen Hollywoodstar aus alten Filmen. »Ich meinte einen Carrera oder einen GT3«, sage ich. »Aber keinen Vorkriegsporsche.« Klaus schnauft enttäuscht, da klopft es an seine Scheibe. Er kurbelt sie runter und Frau Kermeling, meine Mathelehrerin, beugt sich zu uns. »Sie blockieren hier alles! Würde es Ihnen etwas ausmachen, anständig zu parken?« Ich versuche unbeteiligt in die andere Richtung zu sehen, doch sie erkennt mich natürlich. »Oh, Johannes«, sagt sie. Ihrem Blick ist die Überraschung anzusehen, als ich mit einem Winken zurückgrüße. »Das ist mein Vater«, sage ich. Es klingt wie eine Rechtfertigung. Keine Ahnung, was die Kermeling von der Situation hält, aber geheuer ist ihr die ganze Sache nicht. Das kann ich sehen. »Wir machen Ihnen sofort den Weg frei, Teuerste«, antwortet Klaus mit einem Lächeln, das Marmor schneiden könnte. Dann passiert etwas, was mir schon oft in solchen Situationen aufgefallen ist: Die Frau wird rot. Tiefrot. So, als hätte Klaus ihr irgendetwas völlig anderes gesagt. Er startet den Motor und lässt ihn mehrmals hintereinander aufheulen. Das wütende Röhren treibt auch die letzten Neugierigen auseinander. Klaus scheint das Schneckentempo zu genießen, mit dem er über den Schulhof rollt. Dann biegt er links ab und tritt das Gaspedal erst durch, als sich der Wagen in stabiler Geradesauslage befindet. Wir lassen schätzungsweise ein Drittel des Reifenprofils auf dem kurzen Stück Straße an der Schule zurück. Und mir ist völlig klar, dass sich morgen zwei Dinge geändert haben, wenn ich hier wieder auftauche. In der Skala cooler Typen werde ich um einige Plätze weiter nach vorn gewandert sein. Und die von mir unter den Teppich gekehrte Tatsache, dass der Wolf NICHT mein leiblicher Vater ist, wird sich herumsprechen. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beurteilen. Noch nicht. »Hast du geraucht?«, reißt mich Klaus’ Stimme aus meinen Gedanken. »Nee, wieso?« »Du riechst, als hättest du einen vollen Aschenbecher in der Tasche. Mach dein Fenster auf.« »Es ist kalt«, protestiere ich. »Riechst du das nicht?«, fragt er. Ich schüttele den Kopf. »Bis gerade eben hat dieses Schmuckstück nach feinstem Leder gerochen. Jetzt stinkt es wie in einer Kneipe! Also mach endlich das Scheißfenster auf, Johnny!« Ich kurbele das Fenster runter. Der Trip beginnt schlecht. Wir schweigen uns bis kurz vor der Autobahnaufahrt an. Dann fragt er: »Raucht sie immer noch so viel?« »Normal«, murmele ich. »Ist es nicht!«, kommt es böse von der Fahrerseite zurück. »Die verdammte Quarzerei wird sie umbringen! Du und deine Schwester, ihr atmet den Scheiß den ganzen Tag ein und stinkt wie eine Eckkneipe, verdammt noch mal! … Raucht er auch?« »Wer?«, frage ich. Aber nur, um Klaus zu provozieren. Er sieht mich über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg an. Und für einen Moment sehe ich etwas Neues in seinen blauen Augen. Etwas ganz Besonderes, nicht nur den kalten Glanz. Eine Art Zwischending aus Gut und Böse. Vielleicht einer der Gründe dafür, dass ich schon öfter beobachten konnte, wie Frauen erröten und viel muskulösere Männer als Klaus den Schwanz einziehen, wenn er sie so ansieht. Ich nicke stumm und starre wieder aus dem Fenster. Klaus lenkt den Porsche durch die enge S-Kurve der Autobahnauffahrt. Er bekommt genau die Höchstgeschwindigkeit hin, bei der wir nicht aus der Kurve fliegen oder die Reifen quietschen. Am Limit, denke ich. Er fährt immer am Limit! Es ist halsbrecherisch, aber ich fühle mich völlig sicher neben ihm. Meinem Vater. »Wo fahren wir hin?«, frage ich. »Wirst du sehen«, antwortet er. »Was soll die Verkleidung?« »Wir müssen jemanden beeindrucken.« Drei Wagen auf der mittleren Spur überholt er rechts. Der Dritte hupt wütend. Klaus lächelt, dann sagt er: »Wenn wir da sind, rede ich. Du bleibst immer neben mir und hältst die Klappe, verstanden?« Er blickt mich tadelnd von der Seite an. Was er sieht, scheint ihm nicht besonders zu gefallen. Ich fühle mich schlecht behandelt. Wie ein Welpe, der auf den Teppich gepinkelt hat und dafür einen Klaps mit der zusammengerollten Zeitung bekommt. Trotzdem nicke ich, den Blick starr nach vorn gerichtet. Auf die Straße. Das soll also unsere Spritztour sein? Zum Glück muss ich nicht mit Klaus reden, denn das Röhren des Porschemotors umgibt mich wie eine Schutzschicht. Wenigstens ein Vorteil dieser alten Kiste, denke ich und starre aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen. Wir fahren etwa eine halbe Stunde schweigend über die Autobahn Richtung Köln, dann biegt er ins Bergische Land ab. Noch mal zehn Minuten auf einer anderen Autobahn, dann fährt er ab und lenkt den Porsche durch eine Stadt, von der ich noch nie gehört habe. Es ist eher ein Dorf. Die Landstraße, die durch das Kaff führt, ist anscheinend die einzige Hauptstraße mit Geschäften. Plötzlich hält Klaus an einem Fachwerkhaus und parkt den Wagen. »Sind wir da?«, frage ich. Doch er schüttelt den Kopf und deutet auf meine Jeans und die Turnschuhe. »Noch nicht. Erst müssen wir dir anständige Klamotten besorgen. Komm …« Er nimmt einen kleinen Karton vom Rücksitz und steigt aus. »Was ist falsch an meinen Sachen?«, will ich wissen. Er verschließt seine Wagentür sorgfältig und holt mich auf der Beifahrerseite ab. »Mit diesen Aldischuhen und der Kaufhausjeans können wir bei meinem Kunden nicht...